Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 22.11.2024 – AN 9 K 24.2025
Titel:

Erfolglose Klage gegen Widerruf einer widerruflichen Baugenehmigung und Abrissverfügung

Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5
BayBO Art. 2 Abs. 1, Art. 76
BayVwVfG Art. 48 Abs. 4, Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Art. 76
BayBO 1901 § 19 Abs. 2, § 41 Ziff. 4
VwZVG Art. 19, Art. 29,Art. 31,Art. 36
KG Art. 2 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Ein von einem Verwaltungsakt Begünstigter, der von den ihm eröffneten Rechtschutzmöglichkeiten gegen den in diesem Verwaltungsakt vorbehaltenen Widerruf keinen Gebrauch gemacht hat, muss sich auch insoweit die Bestandskraft des Bescheids entgegenhalten lassen, wobei allerdings bei der Ermessensausübung auf der rechtsfolgenseite eine etwaige Rechtswidrigkeit des Widerrufsvorbehalts als ein wesentlicher Gesichtspunkt einzustellen ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf einer Baugenehmigung, Widerrufsvorbehalt, Bayerische Bauordnung 1901, Beseitigungsanordnung, Baurecht, Außenbereich, Baugenehmigung, Bestandskraft, Widerruf, formelle Illegalität, materielle Illegalität, öffentlicher Belang, Zwangsgeldandrohung, Zustandsstörer, Ermessensausübung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45019

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2024. Mit dem Bescheid wurde die stets widerrufliche Genehmigung für die Errichtung eines Notwohngebäudes vom 23. Dezember 1946 (Ziff. 1) und die stets widerrufliche Genehmigung für die Errichtung eines erdgeschossigen Anbaus an das Notwohngebäude vom 19. Mai 1951 widerrufen (Ziff. 2) sowie jeweils die Beseitigung dieser baulichen Anlagen binnen sechs Monaten ab Zustellung des Bescheids angeordnet (Ziff. 3 und 4). Zugleich wurden die sofortige Vollziehung angeordnet und Zwangsgelder angedroht.
2
Die Kläger sind als Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … (* …, Stadt …*), welches bis zum Jahr 1946 mit einem Gartenhaus bebaut war. Dieses wurde auf Grundlage einer in stets widerruflicher Weise unter „Umgang der Baulinienfestsetzung gem. § 1 Abs. 4 der Bauordnung [1901]“ erteilten baupolizeilichen Genehmigung errichtet.
3
Mit Antrag vom 24. April 1946 begehrte der damalige Eigentümer die Erteilung einer Genehmigung für ein „bewohnbares Gartenhaus“. Das vorhandene Holzgartenhaus sollte demnach mit einem massiven Mauerwerk umgeben werden.
4
Entsprechend einer Stellungnahme des Tiefbauamtes der Beklagten, Bereich Straßenbau, vom 22. Juli 1946 solle das Gartenhaus nicht innerhalb der zukünftigen Baulinien gebaut werden. Da es sich um einen Massivbau handle, komme eine Straßensicherung nicht in Frage.
5
Nach einer zwischenzeitlichen Baueinstellung am 30. November 1946 erteilte die Beklagte mit Verfügung vom 23. Dezember 1946 die Genehmigung für die Errichtung eines Notwohnhäuschens in stets widerruflicher Weise unter „Umgang der Baulinienfestsetzung gem. § 1 Abs. 4 der Bauordnung [1901]“. Es wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass, falls die Umgangnahme widerrufen werden sollte, die wesentliche Voraussetzung für die Baugenehmigung entfalle, die erteilte Genehmigung damit hinfällig werde und daher ein ungesetzlicher Zustand mit den daraus sich ergebenden Folgen entstehe. Der Widerruf begründe keinerlei Ersatzansprüche. Die Leistung einer Straßensicherung bleibe für spätere Fälle vorbehalten.
6
Mit Antrag vom 6. Februar 1951 begehrte der neue Eigentümer die Erteilung einer Genehmigung für einen Anbau an das bestehende Gebäude, für welchen die Beklagte mit Verfügung vom 19. Mai 1951 die Genehmigung in stets widerruflicher Weise unter „Umgang der Baulinienfestsetzung“ erteilte. Es wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass, falls die Umgangnahme widerrufen werden sollte, die wesentliche Voraussetzung für die Baugenehmigung entfalle, die erteilte Genehmigung damit hinfällig werde und daher ein ungesetzlicher Zustand mit den daraus sich ergebenden Folgen entstehe. Der Widerruf begründe keinerlei Ersatzansprüche. Die Forderung zur Leistung einer Straßensicherung bleibe für später vorbehalten.
7
Mit Aktenvermerk vom 15. Juni 2023 leitete die Beklagte ein Verfahren zum Erlass einer Beseitigungsanordnung oder einer Nutzungsuntersagung ein. Auf den mittlerweile verstorbenen Eigentümer sei bei der Planung der …-Bahn nach … bislang Rücksicht genommen worden, da diesem aufgrund dessen hohen Alters ein Umzug nicht mehr zugemutet worden sei. Die in diesem Bereich wegen des Wohngebäudes sehr aufwändige und teure Planung solle nunmehr geändert werden. Insbesondere solle auf die bisher vorgesehene Schallschutzwand mit mindestens vier Meter Höhe verzichtet werden.
8
Nach Beteiligung mehrerer Träger öffentlicher Belange und Anhörung der Kläger zum beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung mit Schreiben vom 14. Februar 2024 nahm der sich anzeigende Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2024 umfassend Stellung.
9
Sodann erließ die Beklagte am 9. Juli 2024 gegenüber den Klägern den angefochtenen Bescheid mit dem folgenden Tenor:
„1. Die am 23.12.1946 unter dem Aktenzeichen … in stets widerruflicher Weise erteilte Genehmigung für die Errichtung eines Notwohngebäudes auf dem oben genannten Grundstück wird hiermit widerrufen; die sofortige Vollziehung wird angeordnet.
2. Die am 19.05.1951 unter dem Aktenzeichen … in stets widerruflicher Weise erteilte Genehmigung für die Errichtung eines erdgeschossigen Anbaus an das Notwohngebäude auf dem oben genannten Grundstück wird hiermit widerrufen; die sofortige Vollziehung wird angeordnet.
3. Zur Beseitigung des Notwohngebäudes auf dem oben genannten Grundstück wird eine Frist von 6 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt; die sofortige Vollziehung wird angeordnet.
4. Zur Beseitigung des Anbaus am Notwohngebäude auf dem oben genannten Grundstück wird eine Frist von 6 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt; die sofortige Vollziehung wird angeordnet.
5. Für den Fall der Nichteinhaltung der unter den Nummern 3 und 4 dieses Bescheides gesetzten Fristen wird ein Zwangsgeld von insgesamt 15.000.00 EUR angedroht.
10
Das Zwangsgeld gliedert sich wie folgt auf:
Anordnung Nummer 3: 10.000,00 EUR
11
Das Zwangsgeld teilt sich (je Mitglied der Erbengemeinschaft) wie folgt auf:
… 2.500,00 EUR
… 2.500,00 EUR
… 2.500,00 EUR
Rechtsnachfolger des verstorbenen … 2.500,00 EUR
Anordnung Nummer 4: 5.000,00 EUR
12
Das Zwangsgeld teilt sich (je Mitglied der Erbengemeinschaft) wie folgt auf:
… 1.250,00 EUR
… 1.250,00 EUR
… 1.250,00 EUR
Rechtsnachfolger des verstorbenen … 1.250,00 EUR
13
Zur Begründung führte die Beklagte u.a. an, dass der Widerruf fristgerecht erfolgt sei, da die Stadt … erst ab dem positiven Bürgerentscheid der Stadt … vom 9. Juni 2024 in Bezug auf die Realisierung der …-Bahn Kenntnis von der Notwendigkeit eines Einschreitens in Form des Widerrufs erhalten habe. Ob der Widerruf zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide vom 23. Dezember 1946 (Az. …*) sowie 19. Mai 1951 (Az. …*) angefügt werden konnte, sei dabei unerheblich, denn einer jetzigen Überprüfung des Widerrufsvorbehaltes stehe die Bestandskraft der genannten Bescheide entgegen. Die bisherige Nichtausübung des Widerrufsrechts begründe kein schützenswertes Vertrauen darauf, dass auch zukünftig von dem bestehenden Widerrufsrecht kein Gebrauch gemacht werde. Den Verpflichteten sei stets bewusst gewesen, dass das Notwohngebäude und der erdgeschossige Anbau mit einem Widerrufsvorbehalt belegt gewesen seien; somit sei auch die Berufung auf einen etwaig vorhandenen Bestandschutz ausgeschlossen.
14
Gemäß Art. 76 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) könne die Bauordnungsbehörde die Beseitigung des Notwohngebäudes und des Anbaus fordern, da diese Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stünden. Diese widersprächen den Darstellungen des Flächennutzungsplanes. Sie dienten keinem land- noch forstwirtschaftlichen Betrieb (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 Baugesetzbuch – BauGB). Eine zukünftige Privilegierung der baulichen Anlagen könne aufgrund der Gegebenheiten vor Ort, insbesondere im Hinblick auf die geplante …-Bahn, ausgeschlossen werden. Des Weiteren lösten das Notwohngebäude und der erdgeschossige Anbau unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen- oder andere Verkehrseinrichtungen im Hinblick auf die …-Bahn aus (§ 35 Abs. 3 Nr. 4 BauGB) aus. Würden die in stets widerruflicher Weise erteilten Genehmigungen für das Notwohngebäude sowie den Anbau bestehen bleiben, wären schallschutztechnische Einrichtungen notwendig (u.a. Schallschutz wände), die zu einem erhöhten Investitionsbedarf zu Lasten der öffentlichen Hand im mindestens sechsstelligen Bereich führen würden. Außerdem seien die baulichen Anlagen nicht ausreichend erschlossen und wasser- und entwässerungstechnisch nicht gesichert. Sie besäßen weder einen Anschluss an das Trinkwassernetz noch an den Abwasserkanal. Der sich auf dem Grundstück befindliche Brunnen sei nicht zur Entnahme von Trinkwasser geeignet.
15
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Nrn. 1-4 dieses Bescheides sei gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geboten, weil die besonderen öffentlichen Interessen an der unmittelbaren Umsetzung des Bescheides das private Interesse der Verpflichteten an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels überwögen. Aufgrund der fortschreitenden Planungsarbeiten im Zusammenhang mit der …-Bahn und der daraus resultierenden Verpflichtung der Behörde zur Ausschreibung von Arbeitsaufträgen mit fixierten Anfangs- und Ausführungsfristen führten zu einer unbedingten Einhaltung eines bestimmten Zeitablaufs. Die …-Bahn – … sei aktuell das größte Straßenbahnneubauprojekt in Deutschland [wird näher ausgeführt].
16
Gegen den Bescheid vom 9. Juli 2024 reichten die Kläger am 9. August 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach ein. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2024 stellten die Kläger Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO (AN 9 S 24.2551).
17
Zur Begründung des Antrags im einstweiligen Rechtsschutz ließen die Kläger ausführen, dass die materiellen Voraussetzungen der im Bescheid angeordneten sofortigen Vollziehung nicht vorlägen; insbesondere fehle es an einer Eilbedürftigkeit der sofortigen Umsetzung und Vollziehung. Die baulichen Anlagen auf dem Anwesen der Kläger bestünden seit 80 bzw. 75 Jahren.
18
Auch die von der Beklagten mehrfach angeführte Planung der …-Bahn und der jüngste Bürgerentscheid der Stadt … führten nicht zu einer Eilbedürftigkeit. Der Bürgerentscheid liege erst kurze Zeit zurück und es sei derzeit nicht damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit mit dem Bau der …-Bahn begonnen werde, schon gar nicht mit dem Bauabschnitt, der das Grundstück der Kläger betreffe. Im Übrigen vermöge die politische Entscheidung, ein raumbedeutsames Infrastrukturprojekt (* …-Bahn) zügig und wirtschaftlich durchzuführen, kein Sofortvollzugsinteresse für sicherheitsrechtliche Anordnungen des Bauordnungsrechts zu begründen.
19
Einem Widerruf nach Art. 49 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) fehle bereits der legitime Zweck. Ein Widerruf von Baugenehmigungen diene im Regelfall dem Schutz öffentlicher Interessen oder der Durchsetzung von Rechtsvorschriften, nicht jedoch der Inanspruchnahme von Eigentum. Der Zweck des Handelns der Beklagten (zügige und wirtschaftliche Ermöglichung …-Bahn durch Beseitigung baulicher Anlagen) sei nicht vom öffentlichen Baurecht gedeckt. Die Beklagte hätte hier andere Mittel zur Verfolgung ihres Zwecks wählen müssen. In einem solchen Fall sei der Widerruf als Mittel zur Erreichung eines unzulässigen Ziels zu sehen. Eine derartige Vorgehensweise verstoße gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des rechtmäßigen Verwaltungshandelns, da die Beklagte über das öffentliche Baurecht versuche, Art. 14 Abs. 3 GG zu umgehen.
20
Weiter sei der Widerrufsvorbehalt in den Baugenehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 unwirksam und nichtig, da der Widerrufsvorbehalt in die Genehmigungen aufgenommen worden sei, obwohl damals die gesetzlich abschließend festgelegten Widerrufsvorbehaltsgründe nicht vorgelegen hätten. Es seien weder Rechtsgrundlagen noch sonstige Gründe für den Widerrufsvorbehalt benannt worden. Für den Widerrufsvorbehalt in den Baugenehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Widerrufsvorbehalt nicht vorgelegen. Die beim Ausspruch des Widerrufsvorbehalts geltende Bauordnung 1901 in der Fassung 1937 habe lediglich in ihren §§ 19 Abs. 2 und 41 Ziff. 4 die Erteilung einer widerruflichen Baugenehmigung, nicht aber ausdrücklich in sonstigen Bestimmungen vorgesehen. Es habe folglich jeweils ein Rechtsanspruch auf den Verwaltungsakt ohne Widerrufsvorbehalt bestanden. Im Übrigen genössen die bestehenden Anlagen auch Bestandsschutz. Zuletzt habe die Beklagte die Ausübung des Widerrufsvorbehalts jedenfalls verwirkt. Der Widerruf sei auch ermessensfehlerhaft. Auch die angeordnete Beseitigung der baulichen Anlagen sei rechtswidrig. Die Anordnung sei bereits unbestimmt. Daneben stehe der Beseitigung der formelle Bestandsschutz entgegen und die Beseitigungsanordnung sei unverhältnismäßig. Letztlich sei auch die Androhung des Zwangsgeldes in der konkreten Form unbestimmt.
21
Die Kläger beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Juli 2024 aufzuheben.
22
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
23
Die Klage sei unbegründet, da die Widerrufsvorbehalte in rechtmäßiger Weise in die Baugenehmigungen der Jahre 1946 und 1951 aufgenommen worden seien. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BO 1901 zur Erteilung einer Genehmigung für ein Wohngebäude hätten nicht vorgelegen. § 1 Abs. 3 BO 1901 habe dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass vor der Festsetzung einer Baulinie eine „Bauführung im Sinne des Abs. 1 nicht vorgenommen werden“ durfte. Somit habe für die Rechtsvorgänger der Kläger kein Rechtsanspruch auf Erteilung unbedingter oder unwiderruflicher Baugenehmigungen für ein Wohngebäude bestanden. In der vom Prozessvertreter der Kläger für seine Auffassung herangezogenen Entscheidung des BayVGH vom 31.10.1973 – 175 II 72 – heiße es deshalb auch: „Für die Zulässigkeit eines Widerrufs im vorliegenden Falle spricht auch, daß der Antragsteller die Baugenehmigung nur unter Umgangnahme von der Festsetzung einer Baulinie erhalten konnte, also die Erteilung der Baugenehmigung im Ermessen der Behörde stand (§ 1 Abs. 4 und Abs. 1 mit 3 BO 1901; …) und somit einem Widerrufsvorbehalt zugänglich war.“ Im Übrigen stelle der BayVGH in der vorgenannten Entscheidung – wie auch die herrschende Meinung in der Fachliteratur – auf die Unanfechtbarkeit einer nur widerruflich erteilten Baugenehmigung ab. Entscheidend sei das unanfechtbare Bestehen eines Widerrufsvorbehaltes, nicht dessen Rechtmäßigkeit. Somit habe das 1946 genehmigte Wohnhaus und der 1951 genehmigte Anbau kein unwiderrufliches Baurecht. Der Bestandsschutz stehe einem Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG nicht entgegen. Die Bauordnungsbehörde habe auch ermessensfehlerfrei von den Widerrufsvorbehalten Gebrauch gemacht. Vorliegend seien die Widerrufsvorbehalte in den Baugenehmigungen nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Dies sei nicht zu beanstanden. Notwendig, aber auch ausreichend sei das Vorliegen sachlicher Gründe für den Widerruf. Die Gründe für den Widerruf könnten auch andere sein als die, welche sich aus den Baugenehmigungen ergäben. Dies sei auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 12.9.2019 – 8 C 7/18 – juris, Rn. 17). Vorliegend habe sich die Sach- und Rechtslage i.S.v. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG dahingehend geändert, dass mit dem Bau der …-Bahn zum Schutze des Wohngebäudes erhebliche Aufwendungen zum Schall- und Erschütterungsschutz getätigt werden müssten. Das Wohngebäude der Kläger befinde sich in unmittelbarer Nähe zur vielbefahrenen Bundesstraße …, welche bereits heute am Gebäude der Kläger zu Schallimmissionen führe, die die Grenzwerte der Gesundheitsgefährdung von 70/60 dB(A) zur Tag- und Nachtzeit überschritten. Mit der …-Bahn werde sich die Gesamtlärmbelastung aus Schiene und Straße weiter erhöhen, was zu Ansprüchen auf Lärmvorsorge nach der 16. BImSchV führe. Der Widerruf sei somit auch aus einem Grund ausgeübt worden, der im öffentlichen Baurecht liege. Die Beklagte habe ihre Befugnis zum Widerruf der Baugenehmigungen nicht verwirkt: Die aktenkundigen Schreiben zeigten gerade nicht, dass sich die Beklagte mit der vorhandenen Bebauung „abgefunden habe“, wie die Kläger meinten. Jedenfalls aber sei kein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen worden, dass die Beklagten die Genehmigung nicht widerrufen werden werde. Eine Verwirkung alleine auf Grund der zeitlichen Dauer zwischen Erteilung der widerruflich erteilten Baugenehmigungen und dem Widerruf scheide somit aus.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 22. November 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
25
Streitgegenständlich ist die klägerseitig begehrte Aufhebung des Bescheids vom 9. Juli 2024.
B.
26
Die zulässige Klage ist unbegründet, da sich der Bescheid vom 9. Juli 2024 als rechtmäßig erweist.
27
Der Widerruf der Genehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 in Ziff. 1 und Ziff. 2 des Bescheids stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (vgl. Ziff. I.). Gleiches gilt für die Beseitigungsanordnungen in den Ziff. 3 und Ziff. 4 des Bescheids (vgl. Ziff. II.). Abschließend waren auch die angedrohten Zwangsgelder (vgl. Ziff. III.) und die Kostenentscheidung (Ziff. IV) nicht zu beanstanden.
28
I. Der Widerruf der Genehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
29
1. Der Widerruf stützt sich rechtmäßigerweise auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG.
30
Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG für den Widerruf der Baugenehmigungen liegen vor. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist.
31
Entgegen der Ansicht der Klägerseite kommt es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des vorbehaltenen Widerrufes auf Tatbestandsseite nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufsvorbehalts als solchem an. Ein von einem Verwaltungsakt Begünstigter, der von den ihm eröffneten Rechtschutzmöglichkeiten gegen den in diesem Verwaltungsakt vorbehaltenen Widerruf keinen Gebrauch gemacht hat, muss sich auch insoweit die Bestandskraft des Bescheids entgegenhalten lassen. Eine etwaige Rechtswidrigkeit eines ursprünglich aufgenommenen Widerrufsvorbehalts ist jedoch auf Rechtsfolgenseite als ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Ermessensausübung einzustellen (BVerwG, U.v. 22.11.2018 – 7 C 11.17 – BeckRS 2018, 40763, Rn. 32, 33 m.w.N.).
32
Ungeachtet der rechtlichen Frage, ob die bereits am 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 erteilten Baugenehmigungen, wie geschehen, Widerrufsvorbehalte angefügt werden konnten, steht in tatbestandlicher Hinsicht einer jetzigen Überprüfung dieses Widerrufsvorbehalts jedenfalls die Bestandskraft der Widerrufsvorbehalte entgegen.
33
Die Widerrufsvorbehalte sind auch nicht entgegen der Klägeransicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG). Offensichtlichkeit fehlt insbesondere, wenn die besondere Schwere des Fehlers (oder die Rechtswidrigkeit überhaupt) erst später, insbesondere nach Änderung der Rechtsprechung ersichtlich wird. Solange in der Judikatur unterschiedliche Auffassungen bestehen, scheidet Offensichtlichkeit in aller Regel aus (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 44 Rn. 125). Vorliegend ist darauf hinzuweisen, dass in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – auch zur BayBO 1901 – aber gerade vertreten wird, dass die Aufnahme von Widerrufsvorbehalten in Baugenehmigungsbescheiden – auch außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 19 Abs. 2 und 41 Ziff. 4 BayBO 1901 – rechtmäßig erfolgen konnte (BayVGH, U.v. 31.10.1973 – 175 II 72 – BeckRS 1973, 104635; vgl. auch VG Augsburg, B.v. 24.5.2012 – 5 S 12.312 – BeckRS 2012, 52330, Rn. 29 ff.).
34
2. Der Widerruf der Genehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 erfolgte ermessensfehlerfrei.
35
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Verwaltungsgericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, § 114 Satz 1 VwGO. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs sind der Kammer Ermessensfehler im streitgegenständlichen Bescheid nicht ersichtlich.
36
Die Ausübung des Ermessens der Beklagten, die Baugenehmigungen zu widerrufen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 2024 insbesondere auf die beabsichtigte Verwirklichung eines raumbedeutsamen Infrastrukturprojektes (* …-Bahn) verwiesen, mithin auf einen bauplanungsrechtlichen Belang im Rahmen der stets zu beachtenden, übergeordneten Fachplanung (vgl. etwa § 1 Abs. 4, 6 Nr. 7 Buchst. g), Nr. 9, § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauGB). Demnach kann der Klägerseite nicht in der Ansicht gefolgt werden, es fehle mangels bauplanungsrechtlicher Zielsetzung an einem legitimen Zweck der Widerrufsausübung.
37
Der Widerruf der Baugenehmigungen stellt sich auch nicht deswegen als ermessensfehlerhaft dar, da die Widerrufsvorbehalte in den Genehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 rechtswidrig aufgenommen worden wären und die Beklagte einen derartigen Umstand bei ihren Ermessenserwägungen nicht miteinbezogen hätte. Vielmehr stellen sich die Widerrufsvorbehalte als rechtmäßig dar, sodass sich auf Seiten der Beklagten die Bezugnahme auf die Bestandskraft der Widerrufsvorbehalte als unschädlich erwies.
38
Dabei ist der Klägerseite zwar zuzugeben, dass die Aufnahme von Widerrufsvorbehalten in der BayBO 1901 lediglich in den hier unstrittig nicht einschlägigen Vorschriften von § 19 Abs. 2 und § 41 Ziff. 4 BayBO 1901 ausdrücklich bzw. implizit Erwähnung findet. Jedoch spricht bereits der Wortlaut dieser Vorschriften nicht dafür, dass von einer abschließenden Regelung von Widerrufsvorbehalten auszugehen wäre. Vielmehr ist aus den Formulierungen („Rauchrohre sind in Kamine einzuleiten; Ausnahmen kann in Notfällen die Baupolizeibehörde in widerruflicher Weise bewilligen“ und „diese dürfen mit besonderer Genehmigung von Holz, jedoch stets nur in provisorischer Weise errichtet werden“) zu erkennen, dass der Gesetzgeber die insoweit genannten Ausnahmen ausschließlich in widerruflicher Weise zulassen wollte. Dass darüber hinaus im Ermessenswege bei weiteren Sachverhalten Widerrufsvorbehalte nicht möglich gewesen sein sollten, ergibt sich aus der BayBO 1901 gerade nicht. Dass die Widerruflichkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt Baugenehmigungen nicht wesensfremd gewesen ist, ergibt sich bereits aus der Kenntnis der Kammer von historischen Bauakten aus besagter Zeit, welche bei der formblattmäßigen Erteilung von Baugenehmigung standardisiert die Option der Widerruflichkeit bereits vorsahen. Unabhängig von diesem rein faktischen Indiz für die Möglichkeit eines Widerrufsvorbehalts in Baugenehmigungen geht auch die mit der historischen Rechtslage hinlänglich vertraute, ältere Rechtsprechung bayerischer Verwaltungsgerichte von zulässigen Widerrufsvorbehalten außerhalb der Vorschriften von § 19 Abs. 2 und § 41 Ziff. 4 BayBO 1901 aus. Im gerade hier vorliegenden Fall des Widerrufsvorbehalts aufgrund der Errichtung baulicher Anlagen außerhalb festgesetzter Baulinien (§ 1 Abs. 4 und Abs. 1 mit 3 BO 1901) führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, U.v. 31.10.1973 – 175 II 72 – BeckRS 1973, 104635 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung) wie folgt aus: „Für die Zulässigkeit eines Widerrufs im vorliegenden Falle spricht auch, daß der Kläger die Baugenehmigung nur unter Umgangnahme von der Festsetzung einer Baulinie erhalten konnte, also die Erteilung der Baugenehmigung im Ermessen der Behörde stand und somit einem Widerrufsvorbehalt zugänglich war.“ Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Auch der Gesetzgeber erkannte bei der erstmaligen Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), dass „Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten […] nur für wenige Rechtsgebiete abschließend geregelt“ und in der historischen Rechtsprechung von der anerkannten Lehre vom Vertrauensschutz geprägt waren (siehe BT-Drs. 7/910, zu §§ 44, 45, S. 67). Zur historischen Entwicklung verwaltungsrechtlichen Vertrauensschutzes, insbesondere beim Widerruf von Baugenehmigungen siehe: Rennert, Vertrauensschutz im deutschen Verwaltungsrecht, S. 5, 6, wonach Vertrauensschutz nur gebildet werden konnte bei Investitionen des Betroffenen bei gleichzeitigem „Vertrauen auf den Fortbestand der Baugenehmigung“. Vorliegend konnten die jeweiligen Grundstückseigentümer aber zu keinem Zeitpunkt ein derartiges Vertrauen in den Fortbestand der Baugenehmigungen bilden. Nicht nur die Hinweise in den Genehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 sind insoweit unmissverständlich. Auch mehrfache aktenkundliche Nachfragen in den folgenden Jahrzehnten durch Grundstückseigentümer hinsichtlich einer künftigen Unwiderruflichkeit der Baugenehmigungen zeigen eindrücklich, dass sich die Betroffenen der Rechtslage bewusst waren. Die jeweiligen Antwortschreiben der Beklagten hinsichtlich dem Festhalten an der Widerruflichkeit waren ebenfalls unmissverständlich. Demzufolge ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte ihre Widerrufsmöglichkeit verwirkt haben könnte. Insoweit fehlt es schon an dem erforderlichen Umstandsmoment, welcher auf einen Verzicht auf den Widerruf hingedeutet hätte. Soweit die Klägerseite eine Verwirkung durch bloßen Zeitablauf als gegeben erachtet und hierzu auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München (U.v. 6.5.2002 – M 8 K 01.1291) verweist, macht sich die Kammer die Entscheidungsgründe des VG München insoweit ausdrücklich nicht zu eigen und folgt der gefestigten Rechtsprechung, welche hinzutretende Umstände für die Annahme einer Verwirkung fordert.
39
Der Widerruf wurde auch fristgerecht im Sinne von Art. 49 Abs. 2 Satz 2, Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ausgesprochen. Danach ist, wenn die zuständige Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche den Widerruf eines Verwaltungsaktes rechtfertigen, der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Aufgrund der zu erlassenden Ermessensentscheidung hatte die Beklagte von den notwendigen Widerrufsvoraussetzungen erst nach Durchführung der Anhörung mit Schreiben vom 14. Februar 2024 Kenntnis, sodass der Widerruf unzweifelhaft fristgemäß erfolgt ist.
40
II. Die in Ziffer 3 und 4 des angefochtenen Bescheids angeordnete Beseitigung des Notwohngebäudes und dessen Anbaus stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
41
1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung sind daher die formelle und wegen der Eingriffsintensität auch die materielle Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens (Busse/Kraus/Decker, 156. EL Dezember 2024, BayBO Art. 76 Rn. 134). Ob und wann die Bauaufsichtsbehörde eine Beseitigungsanordnung erlässt, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Busse/Kraus/Decker, 156. EL Dezember 2024, BayBO Art. 76 Rn. 204 ff.).
42
Die streitgegenständlichen baulichen Anlagen sind sowohl formell als auch materiell illegal. Auch das behördliche Ermessen wurde pflichtgemäß ausgeübt.
43
a) Das Notwohngebäude mit Anbau ist formell rechtswidrig.
44
Die Errichtung des Gebäudes war und ist baugenehmigungspflichtig, da es sich um eine bauliche Anlage gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO handelt, deren Errichtung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO einer Baugenehmigung bedarf und auch zur Zeit seiner Errichtung bedurfte (§ 65 Abs. 1 BayBO 1901). Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO ist wegen der Lage im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nicht ersichtlich. Die Baugenehmigungen vom 23. Dezember 1946 und 19. Mai 1951 wurden nach dem unter Ziff. I Ausgeführten wirksam und unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen.
45
b) Eine mögliche formelle Rechtswidrigkeit führt nicht zur Zulässigkeit einer Beseitigungsanordnung, Art. 76 Satz 1 BayBO, wenn rechtmäßige Verhältnisse mit weniger eingreifenden Mitteln erreicht werden können. Dies wäre der Fall, wenn nach Verpflichtung zur Stellung eines entsprechenden Antrages die Rechtswidrigkeit durch Erlass einer Baugenehmigung entfallen könnte.
46
Es besteht aber kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, da das zu beseitigende Notwohngebäude mit Anbau öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, mithin materiell rechtswidrig ist.
47
Das Grundstück liegt unstrittig weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gem. § 30 BauGB noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gem. § 34 BauGB, sodass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB richtet, der das Bauen im Außenbereich regelt.
48
Die baulichen Anlagen mit Wohnnutzung sind im Außenbereich nicht privilegiert bzw. teilprivilegiert zulässig gemäß § 35 Abs. 1, 4 BauGB. Als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
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Das bereits errichtete Notwohngebäude mit Anbau stellt eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) dar, lässt die Entstehung, Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) und steht den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) entgegenstehen. Gegenteiliges wurde durch die Klägerseite auch schon nicht substantiell behauptet. Dahinstehen kann folglich, ob zusätzlich noch von einer unzureichenden Erschließung auszugehen ist.
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c) Die Beseitigungsanordnungen sind auch nicht unverhältnismäßig, da die Beeinträchtigung der öffentlichen Belange erheblich ist und die Einfriedung ohne Einschreiten der Beklagten Vorbildwirkung für die Errichtung weiterer vergleichbarer baulicher Anlagen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich hätte. Demgegenüber treten die Interessen der Kläger an dem Erhalt und der Nutzung der nunmehr auch formell rechtswidrigen Anlagen zurück. Rechtmäßige Zustände lassen sich nicht durch weniger belastende Eingriffe gegenüber den Klägern erreichen. Aus dem Fehlen milderer Mittel folgt jedenfalls regelmäßig die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung (intendiertes Ermessen). Nicht maßgeblich ist für die Ermessensentscheidung auch, ob alle von der Beklagten im Verwaltungsverfahren genannten Einzelpunkte ordnungsgemäß begründet und abgewogen wurden. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der verfügten Beseitigungsanordnungen wurden nicht nachvollziehbar vorgetragen.
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Unter Berücksichtigung des gerichtlichen Prüfmaßstabes des § 114 Satz 1 VwGO sind der erkennenden Kammer auch keine Ermessensfehler hinsichtlich der Beseitigungsanordnungen im streitgegenständlichen Bescheid ersichtlich. Die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten hat die pflichtgemäße Ausübung ihres Ermessens auf der Seite 5 des Bescheides zwar knapp, aber hinreichend begründet.
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III. Die Androhung der Zwangsgelder in der Ziffer 5 des Bescheids ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (Art. 19, 29, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG).
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Bei der im Bescheid in Ziffer 3 und 4 angeordneten Pflicht, das Notwohngebäude mit Anbau zu beseitigen, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, welcher den Adressaten eine Handlungspflicht auferlegt, Art. 29 Abs. 1 VwZVG.
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Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes steht nicht außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Interesse der Kläger an der Beibehaltung des derzeitigen Zustandes, Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG. Nicht zu beanstanden ist im Hinblick auf den zu erwartenden Aufwand auch die Fristsetzung von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheides. Inhaltliche Einwendungen vollstreckungsrechtlicher Natur, die über die im Verwaltungsverfahren vorgetragene Rechtswidrigkeit einer Beseitigungsanordnung hinausgehen würden, wurden von der Klägerseite lediglich hinsichtlich der hinreichenden Bestimmtheit angeführt. Jedoch vermag das Gericht keine Unbestimmtheit zu erkennen. Vielmehr ist jedem Mitglied der Erbengemeinschaft ein Zwangsgeld in bestimmter Höhe zugeordnet, sodass nicht zweifelhaft ist, dass jedes Mitglied ausschließlich in dieser Höher persönlich haftet. Soweit die Klägerseite eine etwaige Weigerung eines Mitglieds der Erbengemeinschaft problematisiert, handelt es sich um einen Umstand, der hinsichtlich der Fälligstellung der Zwangsgelder von Relevanz sein kann, jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung führt. Unbenommen bleibt der Beklagten zudem, ob diese eine Fristsetzung bereits im Rahmen einer Beseitigungsanordnung oder erst in der Zwangsgeldandrohung vornimmt. Auswirkungen auf die Bestimmtheit sind insoweit für das Gericht nicht erkennbar und auch von der Klägerseite nicht substantiiert dargetan.
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Abschließend hat die Beklagte auch erkannt, dass ihr bei der Androhung der Zwangsgelder Entschließungs- und Auswahlermessen zusteht, und dies pflichtgemäß ausgeübt (entsprechende Ausführungen auf den Seiten 6 und 7 des Bescheids).
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Ermessensfehler bezüglich der Höhe der Zwangsgelder von insgesamt 15.000,00 EUR sind nicht ersichtlich. Der zulässige Rahmen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes beträgt mindestens 15,00 EUR und maximal 50.000,00 EUR, Art. 31 Abs. 2 S. 1 VwZVG. Das Zwangsgeld befindet sich noch in der unteren Hälfte des gesetzlichen Rahmens.
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IV. Die Kostenentscheidung in Ziff. 6 und 7 des Bescheides verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlagen sind die Art. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 6 und 10 Kostengesetz (KG).
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Als Zustandsstörer sind die Kläger Veranlasser des angefochtenen Bescheides und damit die richtigen Kostenschuldner, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG. Auch die Gebührenhöhe verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG in Verbindung mit Tarif-Nr. 2.I.1/1.45 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetzes beträgt der Gebührenrahmen für die Verfügungen oder Maßnahmen, die durch Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften veranlasst werden (z.B. Beseitigung von Anlagen) 125 bis 3.000,00 EUR. Mit 300,00 EUR befindet sich die Gebühr im untersten Bereich des Gebührenrahmens und ist im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand auch gerechtfertigt. Gegenteiliges wurde durch die Klägerseite auch nicht vorgetragen.
C.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.