Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.02.2024 – 7 CE 23.2292
Titel:

Vorläufige Zulassung zum Lehramtsstudium 

Normenketten:
BayHIG Art. 87 Abs. 1 S. 3
BayLBG Art. 19 Abs. 2, Art. 23 Abs. 1
Leitsatz:
Die Frage, ob ein besonderes berufliches Interesse iSv Art. 87 Abs. 1 S. 3 BayHIG für eine Immatrikulation in zwei oder mehreren zulassungsbeschränkten Studiengängen vorliegt, unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, da sonst die Zulassung zu einem Parallelstudium regelmäßig praktisch ausgeschlossen wäre. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Doppelstudium in zwei zulassungsbeschränkten Studiengängen, Nachträgliche Erweiterung im Studiengang Lehramt für Sonderpädagogik, Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt, Studium, Zulassung, Doppelstudium, zulassungsbeschränkte Studiengänge, Lehramt, Sonderpädagogik, Psychologie, berufliches Interesse, gerichtliche Überprüfung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 27.11.2023 – B 8 E 23.848
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4498

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium des Fachs „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt – Lehramt Mittelschule“ an der O.-F.-Universität B. (im Folgenden: OFU) zum Wintersemester 2023/2024.
2
Er studiert derzeit an der J.-M.-Universität W. (im Folgenden: JMU) im 7. Semester Lehramt für Sonderpädagogik sowie im 5. Semester Psychologie (B.Sc.). Berufsziel des Antragstellers ist eine Tätigkeit als Lehrer im Lehramt für Sonderpädagogik sowie als Schulpsychologe. Da das Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ an der JMU nicht angeboten wird, beantragte der Antragsteller an der OFU die streitgegenständliche Zulassung zum Studiengang Lehramt an Mittelschulen mit dem Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“. Die OFU lehnte dies ab. Der begehrte Studiengang sei ebenso wie der vom Antragsteller bereits an der JMU belegte Studiengang Psychologie (B.Sc.) zulassungsbeschränkt. Die daher für eine Zulassung des Antragstellers erforderlichen Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayHIG lägen nicht vor, da für ein Doppelstudium kein besonderes berufliches, wissenschaftliches oder künstlerisches Interesse bestehe.
3
Mit Beschluss vom 27. November 2023 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig im Doppelstudium für den zulassungsbeschränkten Studiengang „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt – Lehramt Mittelschule“ zum Wintersemester 2023/2024 zuzulassen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Zulassung zum begehrten Studiengang, da dieser nicht zu seinem Berufsziel führe. Die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayHIG lägen nicht vor. Das Psychologiestudium (B.Sc.) an der JMU sei für das an der OFU angestrebte Studium nicht förderlich, die vorgetragenen Belange seien überwiegend privater Natur und stellten eher kein besonderes berufliches Interesse dar. Auf Vertrauensschutz könne sich der Antragsteller nicht berufen.
4
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
5
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
6
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
7
1. Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes zu bemerken:
8
a) Berufsziel des Antragstellers ist eine Tätigkeit als Lehrer im Lehramt für Sonderpädagogik sowie als Schulpsychologe. Für eine Tätigkeit als staatlicher Schulpsychologe in Bayern muss der Antragsteller ein Lehramtsstudium mit dem Fach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ (als Erweiterungsfach) absolviert haben. Dieses Erweiterungsfach wird an der JMU, an der der Antragsteller bereits im 7. Semester Lehramt für Sonderpädagogik studiert, nicht angeboten. Die OFU bietet zwar mehrere Lehramtsstudiengänge – auch mit Erweiterungsmöglichkeit durch das Fach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ – an, nicht jedoch den Studiengang Lehramt für Sonderpädagogik. Um das gewünschte Berufsziel verwirklichen zu können, richtet sich das Begehren des Antragstellers darauf, an der OFU ausschließlich das zulassungsbeschränkte Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ zu studieren und mit der Ersten Staatsprüfung abzuschließen.
9
b) Der Antragsteller hat keinen Anspruch, an der OFU vorläufig zum Studium im gewünschten Fach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ zugelassen zu werden.
10
Die Inhalte der Lehramtsstudiengänge sind für alle Schularten in Art. 13 ff. BayLBG geregelt. Jedes Lehramtsstudium kann darüber hinaus durch das Studium eines zusätzlichen Fachs oder einer zusätzlichen Qualifikation erweitert werden (vgl. Art. 14 ff. BayLBG). Wird (auch) im Erweiterungsfach sowohl das Erste als auch das Zweite Staatsexamen abgelegt, handelt es sich um eine sog. grundständige Erweiterung. Bei einer sog. nachträglichen Erweiterung wird das Erste Staatsexamen im Erweiterungsfach – unabhängig davon, wann mit dem Studium des Erweiterungsfachs begonnen werden kann – erst nach erfolgreichem Absolvieren des Zweiten Staatsexamens in der Fächerverbindung abgelegt (Art. 23 Abs. 1 BayLBG). Welche Erweiterungen möglich sind, hängt vom gewählten Lehramtsstudiengang ab. Für Studierende des Studiengangs Lehramt für Sonderpädagogik ist gemäß der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in Art. 19 Abs. 2 BayLBG das Studium des Fachs „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“, anders als bei anderen Lehramtsstudiengängen (z.B. Lehramt an Mittelschulen, Art. 15 Nr. 4 BayLBG), ausschließlich als sog. nachträgliche Erweiterung möglich. An der OFU kann das Fach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ nur als grundständige Erweiterung im Rahmen eines Lehramtsstudiums studiert werden. Dies entspricht nicht dem Begehren des bereits an der JMU das Lehramt für Sonderpädagogik studierenden Antragstellers.
11
c) Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium Lehramt an Mittelschulen mit dem zulassungsbeschränkten Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt – Lehramt Mittelschule“.
12
aa) Einer vorläufigen Zulassung des Antragstellers zum Studiengang Lehramt an Mittelschulen mit dem grundständigen Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt – Lehramt Mittelschule“ (Art. 15 Nr. 4 BayLBG) steht Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayHIG entgegen. Da dieser Studiengang zulassungsbeschränkt ist, wäre dies für den Antragsteller, der bereits an der JMU im zulassungsbeschränkten Studiengang Psychologie (B.Sc.) studiert, nur unter den Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayHIG möglich. Danach ist eine Immatrikulation in zwei oder mehreren zulassungsbeschränkten Studiengängen nur zulässig, wenn ein besonderes berufliches, wissenschaftliches oder künstlerisches Interesse am gleichzeitigen Studium in diesen Studiengängen besteht. Ob ein besonderes berufliches Interesse im Sinn der Regelung vorliegt, unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, da sonst die Zulassung zu einem Parallelstudium regelmäßig praktisch ausgeschlossen wäre (BayVGH, U.v. 7.11.1983 – 7 B 82.A.3 – juris LS 2; B.v. 15.4.1994 – 7 CE 94.288 – juris Rn. 17).
13
Da der Antragsteller nach seinen Angaben anstrebt, Lehrer im Lehramt für Sonderpädagogik und Schulpsychologe zu werden und ausdrücklich nicht Lehrer im Lehramt an Mittelschulen, streitet kein besonderes berufliches Interesse dafür, dass er zusätzlich zum zulassungsbeschränkten Studiengang Psychologie (B.Sc.) ein weiteres Lehramtsstudium, nämlich Lehramt an Mittelschulen mit dem zulassungsbeschränkten Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ studiert.
14
bb) Das vom Antragsteller wohl beabsichtigte Vorgehen, im Rahmen des Studiengangs Lehramt an Mittelschulen tatsächlich ausschließlich das Erweiterungsfach „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“ zu studieren und auch nur im Erweiterungsfach die Erste Staatsprüfung abzulegen, ist an der OFU nicht möglich. Ein isoliertes Studium dieses (dort grundständigen) Erweiterungsfachs ist im Studienangebot der OFU – anders als an der vom Antragsteller im Rahmen des Antragsverfahrens in Bezug genommenen L.-M1.-Universität M. – gerade nicht enthalten.
15
Nach der Verwaltungspraxis der OFU ist dort ein isoliertes Studium des Fachs „Psychologie mit schulpsychologischem Schwerpunkt“, wie es der Antragsteller gemäß Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 BayLBG absolvieren möchte, nur für Bewerberinnen oder Bewerber möglich, die bereits ein Lehramtsstudium (Erste Staatsprüfung) abgeschlossen haben. Da diese Voraussetzung derzeit beim Antragsteller unstreitig nicht vorliegt, scheidet die gewünschte Zulassung an der OFU aus.
16
Darüber hinaus hat der Antragsteller keinen Anspruch, einen auf seine Ausbildungsbedürfnisse konkret zugeschnittenen Studienplatz zu erhalten. Nach der den Hochschulen eingeräumten Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG kann die OFU über die Ein- und Fortführung von Studiengängen sowie deren Ausgestaltung im Rahmen des ihr zustehenden Grundrechts der Freiheit von Lehre und Wissenschaft grundsätzlich selbst entscheiden.
17
d) Auf die wiederholt angeführten Vertrauensschutzgesichtspunkte kann sich der Antragsteller nicht erfolgreich berufen, denn er hat diese nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat er keine schriftliche Zusicherung der OFU i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vorgelegt.
18
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).