Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.03.2024 – 3 CE 23.2302
Titel:

Aktualität einer dienstlichen Beurteilung bei erheblichen Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilungskriterien

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
LlBG Art. 56 Abs. 4 S. 2
Leitsätze:
1. Der Verlust hinreichender Aktualität der maßgeblichen Beurteilung für eine Auswahlentscheidung erfordert, dass der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag für einen erheblichen Zeitraum wesentlich andere Aufgaben als zuvor wahrgenommen hat. Ein erheblicher Zeitraum liegt vor, wenn die anderen Aufgaben während einer Dauer von mindestens 32 Monaten (entspricht zwei Dritteln) des vierjährigen Beurteilungsspielraums wahrgenommen werden mussten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Anwendung von Art. 56 Abs. 4 S. 2 LlbG ist eine Ausschließlichkeit des geänderten Tätigkeitsbereichs nicht erforderlich. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamtenrecht, Stellenbesetzung (Leitender, Oberstaatsanwalt, BesGr R 3), Aktualität einer periodischen Beurteilung, erhebliche Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilungskriterien, Stellenbesetzung, Leitender Oberstaatsanwalt BesGr R 3, Aktualität, periodische Beurteilung, erhebliche Veränderungen, tatsächliche Grundlagen, Beurteilungskriterien, Beurteilung, Regelbeurteilung, ständiger Vertreter, Aufgabenerweiterung, Aktualisierung, BesGr R2 + AZ, Vertreterbestellung, Vakanz, Verwendungsbreite, Aufrechterhaltung, Geschäftsbetrieb, Personalentwicklungsmaßnahme, Vakanzvertreter, Abwesenheitsvertreter
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 12.12.2023 – B 5 E 23.800
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4487

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 27.454,42 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der Antragsgegner wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die ihm vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Dezember 2023 im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegebene Untersagung, den am 24. Mai 2023 ausgeschriebenen Dienstposten des Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg (BesGr R 3) mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist.
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Als Grundlage für die zu Gunsten des 1970 geborenen Beigeladenen ausgefallene Auswahlentscheidung des Bayerischen Staatsministers der Justiz vom 7. September 2023 diente die im Juni 2023 aktualisierte periodische Beurteilung im Statusamt des Vorsitzenden Richters am Landgericht als weiterer aufsichtsführender Richter (BesGr R 2 + AZ) mit dem Gesamtprädikat 14 Punkte. Für den 1976 geborenen Antragsteller wurde die periodische Beurteilung (Zeitraum 1.1.2016 bis 31.12.2019) mit ebenfalls 14 Punkten im Statusamt des Oberstaatsanwalts (R 2, Ernennung zum 1.5.2016) herangezogen. Im Besetzungsvorschlag des Generalstaatsanwalts vom 25. Juli 2023, den sich der Staatsminister bei seiner Auswahlentscheidung zu eigen machte, wird aufgeführt, dass sich der Vorsprung des Beigeladenen bei gleicher Punktzahl daraus ergebe, dass er sie in einem höheren Statusamt mit höheren Anforderungen als der Antragsteller erzielt habe.
3
Für den Zeitraum vom 16. Mai 2020 bis zur Wiederbesetzung der Stelle des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg bestellte der Generalstaatsanwalt (Verfügung vom 15.5.2020) den Antragsteller gemäß Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 der Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften (OrgStA) vom 16. März 2011 (JMBl. S. 53) zum Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg und betraute ihn vorübergehend mit den Aufgaben des ständigen Vertreters. Mit Wirkung vom 16. August 2020 wurde die Stelle des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg wiederbesetzt. Da der neue Stelleninhaber mit Wirkung vom selben Tage an die Generalstaatsanwaltschaft abgeordnet wurde, nahm der Antragsteller die Aufgaben des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg durch eine Zuweisung in der Geschäftsverteilung durch den Leitenden Oberstaatsanwalt mit Zustimmung des Generalstaatsanwalts weiter wahr (Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 OrgStA). Mit Wirkung vom 16. November 2021 wurde der Antragsteller in die Planstelle der Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage (ständiger Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg) eingewiesen und mit Wirkung vom 15. Februar 2022 hierzu ernannt.
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Im angefochtenen Beschluss beanstandet das Verwaltungsgericht, dass die Auswahlentscheidung des Antragsgegners auf einer nicht hinreichend aktuellen Beurteilungsgrundlage – nämlich der periodischen Beurteilung des Antragstellers aus dem Jahr 2020 – beruhe. Es hätten sich nach Ablauf der Beurteilungsperiode zum 31. Dezember 2019 nicht nur beim Beigeladenen, sondern auch beim Antragsteller erhebliche Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilungskriterien im Sinn von Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG ergeben. Sie resultierten zum einen aus seiner Ernennung zum ständigen Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts (BesGr R 2 + AZ) mit Wirkung zum 15. Februar 2022, zum anderen aus der Wahrnehmung wesentlich anderer, einem höherwertigen Statusamt zugewiesener Aufgaben über einen erheblichen Zeitraum bereits seit 16. Mai 2020. Daher sei das Unterlassen der Aktualisierung der periodischen Beurteilung durch den Antragsgegner rechtswidrig gewesen.
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1. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die in der Begründung vom Antragsgegner dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren bestimmen und beschränken, rechtfertigen nicht die Abänderung der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Zu Recht wird ein Anordnungsanspruch des Antragstellers bejaht, dessen Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 GG durch die Auswahlentscheidung vom 7. September 2023, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, verletzt wird.
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1.1 Streitentscheidend für den Ausgang des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Beschwerdegericht ist ausschließlich die Frage, ob sich während des laufenden periodischen Beurteilungszeitraums derart erhebliche Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilungskriterien ergeben haben, dass die weitere Verwendung der letzten periodischen Beurteilung ausnahmsweise nicht mehr sachgerecht war und daher vor der Auswahlentscheidung eine Aktualisierung hätte erfolgen müssen (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG; zur Aktualisierung periodischer Beurteilungen: Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: September 2023, Art. 56 LlbG Rn. 23 f.; Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz, des Innern, für Bau und Verkehr, der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 26.3.2015 – JMBl. S. 18 = GemBek). Für den Beigeladenen hat der Antragsgegner die Notwendigkeit einer Aktualisierung dessen letzter periodischer Beurteilung im Hinblick auf seine bereits zum 16. Oktober 2020 erfolgte Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe R 2 mit Amtszulage zu Recht bejaht; jedoch folgt allein aus dem Aktualisierungsbedarf der periodischen Beurteilung eines Mitbewerbers nicht „automatisch“, dass auch die Beurteilungen sämtlicher anderer Mitbewerber aktualisiert werden müssten (BA S. 23 u. 35, c. m.w.N.). Die Frage ist vielmehr getrennt für jeden Bewerber unabhängig voneinander zu beantworten.
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1.2 Die vom Ausgangsgericht für die Person des Antragstellers im Ergebnis zu Recht festgestellten erheblichen, ab 16. Mai 2020 – und damit nach Beendigung der vorangegangenen Beurteilungsperiode am 31. Dezember 2019 – eingetretenen Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen der Beurteilungskriterien lassen die weitere Verwendung der letzten periodischen Beurteilung im Jahr 2023 nicht mehr sachgerecht erscheinen (vgl. Ziff. 6.1 Satz 1 GemBek). Insoweit hat der Antragsgegner den ihm in dieser Frage zukommenden Einschätzungsspielraum (Conrad in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. Rn. 26) überschritten.
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2. Allerdings reicht allein der Umstand, dass der Antragsteller im laufenden periodischen Beurteilungszeitraum zum Oberstaatsanwalt als ständiger Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts (BesGr R 2 + AZ) ernannt wurde, zur Begründung eines Aktualisierungsbedarfs nicht aus. Vielmehr erfordert der Verlust hinreichender Aktualität der maßgeblichen Beurteilung für die streitgegenständliche Auswahlentscheidung, dass der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag für einen erheblichen Zeitraum wesentlich andere Aufgaben als zuvor wahrgenommen hat; das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 37, 42 f., 45 f. m.w.N.) definiert das Kriterium des erheblichen Zeitraums dahingehend, dass bei einem dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum die anderen Aufgaben während des deutlich überwiegenden Teils – zu zwei Dritteln – des Beurteilungszeitraums wahrgenommen wurden. Der Senat hat diese Rechtsprechung auf den für bayerische Richter und Staatsanwälte gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayRiStAG geltenden vierjährigen Regelbeurteilungszeitraum ohne weiteres für übertragbar gehalten und dementsprechend entschieden, dass die anderen Aufgaben während einer Dauer von mindestens 32 Monaten (entspricht zwei Dritteln) des vierjährigen Beurteilungsspielraums wahrgenommen werden mussten (BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – juris Ls. u. Rn. 27 f.). Das gesetzlich vorgegebene System von Regelbeurteilungen dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass ohne die Wahrnehmung wesentlich anderer Aufgaben (qualitatives Element) während eines erheblichen Zeitraums im laufenden Beurteilungszeitraum (zeitliches Element) eine Aktualisierung letztlich ohne ausreichenden Bedarf erfolge. Diesen Zusammenhang lässt der angefochtene Beschluss (BA, S. 29, aa.) außer Betracht, wenn er ohne Thematisierung des zeitlichen Elements feststellt, dass es sich hier „bei einer zwischenzeitlichen Beförderung in ein höheres Statusamt … um eine so einschneidende Veränderung der Umstände“ handele, die schon für sich genommen eine Anlassbeurteilung oder Aktualisierung erforderlich mache. Die hierzu vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 22.9.2005 – 1 WB 4.05 – juris Rn. 25; NdsOVG, B.v. 21.9.2011 – 5 ME 241/11 – juris Rn. 10: Teilnahme an einer Personalentwicklungsmaßnahme) führt nicht weiter, denn in beiden Fällen war schon das erforderliche qualitative Merkmal der „einschneidenden Veränderung“ nicht erfüllt, sodass sich die Frage des zeitlichen Elements nicht mehr gestellt hat. Im Übrigen erachtet der Senat das zu dieser Frage aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Mai 2019 (a.a.O.) als vorrangig.
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Der Antragsteller wurde hier mit Wirkung zum 15. Februar 2022 befördert, sodass er das höherrangige Statusamt (R 2 + AZ) bis zum Ende der laufenden Beurteilungsperiode (31.12.2023) nur über 23 Monate hinweg und nicht – wie nach der dargestellten Rechtsprechung verlangt – über 32 Monate wahrgenommen hat. Das vom Verwaltungsgericht angenommene „pauschale Abstellen auf eine Beförderung im Beurteilungszeitraum“ (BA S. 30 bb.) begründet somit keinen Anordnungsanspruch.
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2.2 Der Anordnungsanspruch ergibt sich jedoch aus dem – im angefochtenen Beschluss (BA S. 30-35) überzeugend begründeten – Umstand, dass der Antragsteller bereits seit dem 16. Mai 2020 und damit über einen erheblichen Zeitraum von mehr als 40 Monaten (bis zum Zeitpunkt Auswahlentscheidung vom 7.9.2023) wesentlich andere, einem höheren Statusamt zugeordnete Aufgaben wahrgenommen hat. Dabei handelte es sich hier um das Amt des Oberstaatsanwalts als ständiger Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts, das dem höheren (Zwischen) Statusamt R 2 + AZ zuzurechnen ist. Dieser Aufgabenzuwachs geht über die reine Veränderung des bisher wahrgenommenen Tätigkeitsbereichs oder über einen bloßen Wechsel der konkreten Geschäftsaufgabe hinaus und ist damit geeignet, das in Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG angesprochene qualitative Element zu erfüllen (BVerwG, U.v. 9.5.2019, a.a.O. Rn. 51; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 1, 16). Letzteres erfordert nicht die Verleihung eines anderen (regelmäßig höheren) Statusamtes (durch Ernennung), sondern (nur) die Wahrnehmung der Aufgaben in einem veränderten Tätigkeitsbereich, der dem anderen Statusamt zuzuordnen ist. In seiner Beschwerdeerwiderung vom 23. Januar 2024 (S. 11, 12) beschreibt der Antragsteller den ihm als ständigen Vertreter bis zur Neubesetzung der Stelle am 16. August 2020 zugewiesenen Tätigkeitsbereich. Er hat also das höherwertige Statusamt des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg zunächst im Zeitraum vom 1. Mai bis 15. August 2020, währenddessen die Planstelle unbesetzt war, im Rahmen einer Vakanzvertretung vollumfänglich wahrgenommen (vgl. Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 OrgStA).
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Unmittelbar daran anschließend wurde der Antragsteller als Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg weiterhin mit den Aufgaben des ständigen Vertreters betraut, denn der neue Stelleninhaber wurde mit Wirkung vom 16. August 2020 an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg abgeordnet und hat daher die mit der Stelle als ständiger Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg verbundenen Aufgaben niemals wahrgenommen (vgl. Schr. LAB v. 26.1.2024 S. 5, 6). Die mit der Abordnung verbundene „Verhinderung“ des neuen Stelleninhabers konnte dadurch aufgefangen werden, dass der Antragsteller nunmehr zum Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts in Bamberg – unter Anwendung der Ausnahmevorschrift der Nr. 7 Abs. 2 Satz 2 OrgStA – bestimmt wurde. Eine Änderung der vom Antragsteller wahrgenommenen Aufgaben des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts, etwa durch Verringerung ihres Umfangs, ging damit nicht einher.
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Anders, als der Antragsgegner meint, handelt es sich bei den Vertreterbestellungen des Antragstellers vom Mai 2020 nicht um zeitlich begrenzte Personalentwicklungsmaßnahmen, denen bereits von vornherein keine Leistungs- und Beurteilungsrelevanz zukommen kann (BVerwG, U.v. 9.5.2019, a.a.O. Rn. 53; NdsOVG, B.v. 21.9.2011 – 5 ME 241/11 – juris Rn. 11). Vielmehr handelte es sich um innerorganisatorische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines geordneten Geschäftsbetriebs durch Bestellung eines Vertreters für die Dauer der Vakanz des Postens des ständigen Vertreters des Leitenden Oberstaatsanwalts. Nicht erkennbar ist dagegen, dass mit den Bestellungen eine individuelle Förderung und Erprobung des Antragstellers durch vorübergehende Übertragung der Aufgaben des ständigen Vertreters mit dem Ziel verfolgt werden sollte, seine Verwendungsbreite zu erhöhen. Nichts Anderes folgt auch aus der Anwendung der Ausnahmevorschrift (Nr. 7 Abs. 2 OrgStA); dass sich dadurch die Beförderungssituation des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht weiter verbessert hat, spielt für die Frage nach der Wesentlichkeit der Änderung der wahrgenommenen Aufgaben und damit für die Notwendigkeit einer Aktualisierung der letzten periodischen Beurteilung keine Rolle. Eine Personalentwicklungsmaßnahme muss – wenn sie vom Dienstherrn schon nicht ausdrücklich als solche bezeichnet wird – zumindest eine definierte Zielsetzung aufweisen und bestimmte dienstliche Maßnahmen bezeichnen, mit denen der Beamte im Rahmen seines Aufgabenbereichs (etwa durch Hospitation, Zuweisung besonderer Aufgaben, Verantwortlichkeit für Projekte) innerhalb eines vorgegebenen beschränkten Zeitrahmens zur „Erweiterung seines dienstlichen Handwerkszeugs“ (NdsOVG, B.v. 21.9.2011, a.a.O. Rn. 11) betraut wird. Nichts von alldem ist im vorliegenden Fall ersichtlich oder aus den Akten abzuleiten. Damit vermag der Senat den gegenteiligen Ausführungen in der Beschwerdebegründung (S. 14, 15) nicht zu folgen. Hier hatte der Antragsteller bereits in dem seiner Beförderung vorangegangenen Zeitraum (16.5.2020 bis 14.2.2022) die Aufgaben wahrgenommen, die mit dem nächsthöheren, ihm erst am 15. Februar 2022 verliehenen Statusamt (R2 + AZ) verbunden sind.
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Keiner Klärung bedarf im vorliegenden Zusammenhang die – ohnehin kaum zu beantwortende – Frage, in welchem Umfang er seinem damaligen Statusamt (R 2) als Oberstaatsanwalt originär zugeordnete Aufgaben fortlaufend erfüllte und ob er diese „weiterhin zu mindestens 50 Prozent…wahrgenommen“ hat (vgl. Schr. LAB v. 26.1.2024, S. 6, 7). Denn für die Frage, ob die entsprechende Übertragung von Aufgaben des höheren Statusamts bereits vor dessen Verleihung (hier: mit Wirkung vom 15.2.2022) im Sinn einer wesentlichen Veränderung des Tätigkeitsbereichs relevant war oder nicht, kommt es entscheidend auf das bereits genannte qualitative Element an. Es verlangt für die Ermittlung des Tätigkeitsschwerpunkts eine (wertende) Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und schließt damit eine schematische Betrachtung nach Prozentanteilen aus.
14
Soweit die Beschwerdebegründung meint, die seit dem 16. Mai 2020 vom Antragsteller „wahrgenommenen Aufgaben entsprachen nicht ausschließlich anderen Besoldungsgruppen“ (Schr. v. 4.1.2024, S. 17), ist dies zwar zutreffend; für die Anwendung von Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG ist jedoch eine Ausschließlichkeit des geänderten Tätigkeitsbereichs nicht erforderlich. Auch die vom Antragsgegner unter Hinweis auf eine Textstelle im Beschluss des Senats vom 5. November 2019 (a.a.O. Rn. 29) vertretene Auffassung, erst mit Gewährung der Amtszulage (Beförderung) könne von einer wesentlichen Änderung der Aufgaben gesprochen werden, lässt sich der Textstelle nicht entnehmen; denn mit der dortigen Aussage, es „wäre…ohne weiteres möglich, die Verleihung eines Amtes mit Amtszulage…als qualitatives Kriterium heranzuziehen“, wird nicht ausgeschlossen, bereits bestimmte vorangegangene Zeiten einer Betrauung mit höherwertigen Aufgaben als beurteilungsrelevant im Sinn von Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG zu behandeln. Zumal sich diese Ausführungen des Senats auf die dortigen konkreten Einwände und Umstände des Einzelfalls (Aufgabenwahrnehmung erst nach Beförderung) bezogen. Der Vortrag, es habe sich lediglich um eine „bloß vorübergehende Vertreterbestellung“ gehandelt, die nicht „nachträglich zu einer dauerhaften Übertragung umgedeutet“ werden dürfe, führt ebenfalls nicht weiter. Denn in den Konstellationen der vorliegenden Art soll der Beamte typischerweise die zur Aktualisierung der periodischen Beurteilung erforderlichen, wesentlich veränderten Aufgaben des höherwertigen Statusamts nur für eine vorübergehende Zeit erfüllen; entscheidend ist, ob es danach zu einer dauerhaften Aufgabenübertragung infolge Beförderung – hier noch innerhalb der laufenden Beurteilungsperiode – kommt oder der Beamte wieder ausschließlich seinem Statusamt entsprechende Aufgaben wahrnimmt.
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Schließlich vermag auch die weitere Berufung des Antragsgegners auf die im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 18. Februar 2021 niedergelegten Vollzugshinweise der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Als den Rechtsbegriff der „erheblichen Veränderungen“ in Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG interpretierende Verwaltungsvorschrift begründet sie keine normativen, sondern ausschließlich inner-dienstliche Wirkungen. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (BA S. 25) kann Bezug genommen werden.
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Nicht entscheidungserheblich sind auch hypothetische Überlegungen der Parteien dazu, wie sich das theoretisch mögliche Ende der Abordnung des bisherigen Stelleninhabers oder das Scheitern des Antragstellers im Besetzungsverfahren aufgrund vorhandener leistungsstärkerer Bewerber auf die Frage, ob wesentlich veränderte Aufgaben übertragen wurden, hätte auswirken können. Dem Senat steht weiter vor Augen, dass der Begriff der „erheblichen Veränderungen der tatsächlichen Grundlagen“ (Art. 56 Abs. 4 Satz 2 LlbG) eng auszulegen ist, schon um einem „Zustand permanenter Beurteilungstätigkeit“ (BVerwG, U.v. 9.5.2019, a.a.O. Rn. 45) vorzubeugen. Dennoch setzt eine am Prinzip der Bestenauslese orientierte Auswahlentscheidung in der hier gegebenen Situation einer über drei Jahre ununterbrochen andauernden tatsächlichen Wahrnehmung von Aufgaben des höheren Statusamts – zunächst als Vakanzvertreter, dann als dauerhafter Abwesenheitsvertreter, schließlich nach Beförderung als Stelleninhaber – voraus, dass die für eine Auswahlentscheidung maßgebliche dienstliche Beurteilung diesem Umstand Rechnung tragen muss und daher vor der Auswahlentscheidung hätte aktualisiert werden müssen.
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3. Nach all dem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Dem Beigeladenen, der keine eigenen Anträge gestellt hat, werden keine Kosten auferlegt (§ 154 Abs. 3 VwGO); seine außergerichtlichen Kosten trägt er selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG und entspricht derjenigen des Verwaltungsgerichts.
19
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).