Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.03.2024 – 20 B 21.645
Titel:

Zuständigkeit für den Erlass von Beitragsbescheiden für eine Entwässerungseinrichtung

Normenketten:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1
BayGO Art. 27 Abs. 1, Art. 86 Nr. 1, Art. 88 Abs. 1
BayVwVfG Art. 1 Abs. 2
VwGO § 61 Nr. 1, § 162 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Die in der Rechtsform eines kommunalen Eigenbetriebs organisierten Stadtwerke sind weder als Behörde der Gemeinde iSd Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG anzusehen noch steht ihnen kraft Gesetzes oder besonderer Übertragung eine Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden zu. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herstellungsbeitrag (Entwässerungseinrichtung), kommunaler Eigenbetrieb, sachliche Zuständigkeit, Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden (verneint), Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren, Beitrag, Entwässerungseinrichtung, Stadtwerke, Eigenbetrieb, Beitragsbescheid, beteiligtenfähig
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 27.06.2018 – RN 11 K 17.2230
Fundstellen:
BayVBl 2024, 454
LSK 2024, 4466
BeckRS 2024, 4466

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Juni 2018 (RN 11 K 17.2230) wird geändert.
II. Der Bescheid der „Stadtwerke L.“ vom 30. Juni 2017 wird aufgehoben, soweit er einen Herstellungsbeitrag von mehr als 14.651,00 EUR festsetzt.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
V. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.451,80 EUR festgesetzt.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid eines Eigenbetriebs der Beklagten, mit dem ein Herstellungsbeitrag für dessen Entwässerungseinrichtung erhoben wird.
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Die Klägerin war vom 28. Januar 2015 bis zum 16. August 2016 Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … Das Grundstück ist mit einem Großhandels- und Lagergebäude für Kfz-Teile bebaut, das durch Bescheid vom 24. November 2014 bauaufsichtlich genehmigt wurde; die Anzeige der Nutzungsaufnahme erfolgte zum 12. August 2015. Die Stadtwerke der Beklagten betreiben in der Rechtsform eines Eigenbetriebs i.S.d. Art. 88 GO im fraglichen Gebiet eine öffentliche Entwässerungseinrichtung (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 der Betriebssatzung der „Stadtwerke L.“ vom 1. Januar 2002 i.d.F. der Änderungssatzung vom 25. Oktober 2010).
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Nach § 2 Abs. 4 der Betriebssatzung in der genannten Fassung sind „[d]ie Stadtwerke […] zuständig für den Vollzug und die Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen [z.B. Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt L. (Entwässerungssatzung – EWS) und der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt L. (BGS – EWS)], die im Zusammenhang mit den Aufgaben nach Abs. 1 stehen und zu beachten sind.“
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Mit Bescheid vom 30. Juni 2017 setzten die „Stadtwerke L.“ im Hinblick auf die mit der Bebauung des zuvor unbebauten Grundstücks verbundene Geschossflächenmehrung gegenüber der Klägerin einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung in Höhe von 30.102,80 EUR fest. Dem Bescheid liegt eine neu anzusetzende Geschossfläche von 3.308 m2 zugrunde, wovon 1.694,66 m2 auf die beiden oberen Ebenen einer begehbaren, über Treppen erschlossenen Regalanlage entfallen, die sich in der eingeschossigen Lagerhalle befindet. Mit Schreiben vom 24. Juli 2017 legte die Klägerin gegen den Beitragsbescheid Widerspruch ein; insbesondere sei die in die Lagerhalle eingebaute Regalanlage nicht beitragspflichtig. Die „Stadtwerke L.“ halfen dem Widerspruch nicht ab, sondern legten ihn mit Schreiben vom 8. September 2017 der Regierung von Niederbayern zur Entscheidung vor. Eine Entscheidung über den Widerspruch ist nach Aktenlage bisher nicht ergangen.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28. Dezember 2017 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage gegen die „Stadtwerke L.“ und stützte sie im Wesentlichen darauf, dass von der veranlagten Geschossfläche insbesondere die auf die Regalanlage entfallenden Teilflächen abzuziehen seien. Die Regalanlage sei nachträglich und zu einem vorübergehenden Zweck vom Mieter des Grundstücks in der Halle aufgestellt worden; sie sei zudem nicht für den Aufenthalt von Menschen bestimmt und geeignet.
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Mit Urteil vom 27. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zur Begründung stellte es insbesondere darauf ab, dass die Flächen des Regallagers zu Recht als beitragspflichtige Geschossflächen veranlagt worden seien.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 2. März 2021 zugelassenen Berufung. Sie stützt sich im Wesentlichen darauf, dass die auf die Regalanlage entfallenden Flächen nicht für den Aufenthalt von Menschen vorgesehen und geeignet seien und daher nicht als Geschossflächen im Sinne des hier maßgeblichen Satzungsrechts veranlagt werden dürften.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Juni 2018 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2017 dahingehend abzuändern, dass der zu zahlende Betrag nicht 30.102,80 EUR, sondern 14.651,00 EUR lautet,
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sowie hilfsweise,
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den Bescheid insgesamt aufzuheben.
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Außerdem beantragt sie,
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die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und vertritt weiterhin die Auffassung, dass auch für die Ebenen der Regalanlage ein Anschlussbedarf bestehe.
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2023 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass zum einen auf Beklagtenseite richtigerweise die Stadt L. als Rechtsträgerin des kommunalen Eigenbetriebs „Stadtwerke L.“ beteiligt sei; insofern beabsichtige der Senat, das Passivrubrum – vorbehaltlich einer abweichenden Erklärung der Klägerin – von Amts wegen zu berichtigen. Zudem bestünden vor dem Hintergrund einer Senatsentscheidung vom 26. Juni 2017 (20 B 16.189) nach vorläufiger Rechtsauffassung Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit der Stadtwerke L. für den Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheids. Hierzu sowie zur Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 130a VwGO erhielten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin hat daraufhin um Berichtigung des Passivrubrums gebeten, ihre Anträge aber nicht umgestellt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. März 2023 ausgeführt, dass die Stadtwerke aufgrund der Vorschriften der Eigenbetriebssatzung – insbesondere des § 2 Abs. 4 – auch zum Erlass von Abgabenbescheiden befugt seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Akten des Berufungs- und Zulassungsverfahrens Bezug genommen.
II.
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1. Passivlegitimiert ist vorliegend die Beklagte. Der Senat hat das Rubrum auf der Beklagtenseite von Amts wegen berichtigt. Der Rechtsstreit ist zwar bislang gegen die „Stadtwerke L.“ gerichtet; diese weisen als kommunaler Eigenbetrieb der Beklagten i.S.d. Art. 86 Nr. 1, 88 Abs. 1 GO aber keine eigene Rechtspersönlichkeit auf und sind daher mangels Rechtsfähigkeit im Verwaltungsrechtsstreit nicht beteiligungsfähig im Sinne des § 61 Nr. 1 VwGO (vgl. Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 61 VwGO Rn. 4). Beteiligungsfähig und passivlegitimiert nach dem Rechtsträgerprinzip (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 VwGO) ist hier vielmehr die Stadt L. als rechtsfähige kommunale Gebietskörperschaft (vgl. Art. 1 Satz 1 GO), der die „Stadtwerke L.“ als Eigenbetrieb zuzurechnen sind. Die falsche Bezeichnung des Beklagten ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 VwGO unschädlich. Daher wurde – was auch noch im Rechtsmittelverfahren möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.3.2001 – 8 B 262/00 – juris Rn. 2 f.; OVG LSA, U.v. 19.11.2019 – 4 L 138/18 – juris Rn. 21) – die Bezeichnung des Beklagten berichtigt.
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2. Über die zulässige Berufung der Klägerin entscheidet der Senat nach § 130a VwGO durch Beschluss, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der von der Klägerin angegriffene Bescheid vom 30. Juni 2017 über einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, dazu nachfolgend a). Entsprechend dem von der Klägerin gestellten Berufungsantrag ist der Bescheid vom 30. Juni 2017 allerdings nur insoweit aufzuheben, als er einen Beitrag von mehr als 14.651,00 EUR festsetzt (b).
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a) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist mangels sachlicher Zuständigkeit der erlassenden Behörde formell rechtswidrig.
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Sachlich zuständig zum Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides war nach Art. 27 Abs. 1 GO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) der Beklagten vom 28. November 2016 die Beklagte selbst als Gebietskörperschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 1 Satz 1 GO). Die in der Rechtsform eines kommunalen Eigenbetriebs organisierten „Stadtwerke L.“, die den angegriffenen Bescheid erlassen haben (dazu aa), sind jedoch weder als Behörde der Beklagten i.S.d. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG anzusehen (bb) noch steht ihnen kraft Gesetzes oder besonderer Übertragung eine Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden zu (cc). Der Mangel der sachlichen Unzuständigkeit ist auch nicht geheilt worden oder unbeachtlich (dd).
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aa) Erlassende Behörde des streitgegenständlichen Beitragsbescheids sind die „Stadtwerke L.“ und nicht die allgemeine Verwaltung der Beklagten. Das ergibt die gebotene Auslegung des Bescheids vom 30. Juni 2017 nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 3 C 23.13 – juris Rn. 18; B.v. 29.1.2016 – 8 B 6.16 – juris Rn. 9): Zum einen trägt der Bescheid den Briefkopf der „Stadtwerke L.“ und nicht den der Beklagten; auch das Wappen und/oder Dienstsiegel der Beklagten finden sich auf dem Bescheid nicht. Sowohl in den Absenderangaben und in der Tenoreinleitung („erlassen die Stadtwerke L. folgenden Bescheid“) als auch in der Unterschrift des Bescheids wird ausschließlich auf die „Stadtwerke L.“ Bezug genommen. Schließlich verweist auch die Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids als Einlegungsort für den (fakultativen) Widerspruch auf die „Stadtwerke L.“ und nennt deren Post- und Hausanschrift. Insofern kann der streitgegenständliche Beitragsbescheid bei verständiger Würdigung nur so verstanden werden, dass er von den „Stadtwerken L.“ erlassen wurde.
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bb) Die „Stadtwerke L.“ sind als Eigenbetrieb der Beklagten nicht deren Behörde. Behörde i.S.d. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG ist eine mit hinreichender organisatorischer Eigenständigkeit ausgestattete Einrichtung eines Rechtsträgers, der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und entsprechende Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung (nach außen) übertragen sind (stRspr., vgl. nur BVerwG, U.v. 3.11.2011 – 7 C 3.11 – juris Rn. 11 ff.; vgl. auch Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 1 VwVfG Rn. 137). Bei den „Stadtwerken L.“ handelt es sich aber gemäß § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung vom 1. Januar 2002 um einen Eigenbetrieb i.S.d. Art. 86 Nr. 1, 88 Abs. 1 GO und damit um ein Unternehmen, das gerade außerhalb der allgemeinen Verwaltung der Beklagten als Sondervermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geführt wird (Art. 88 Abs. 1 GO, vgl. auch § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung der „Stadtwerke L.“). Der kommunale Eigenbetrieb i.S.d. Art. 88 GO zeichnet sich dadurch aus, dass er – trotz fehlender eigenständiger Rechtspersönlichkeit – über eigene, gegenüber der Gemeindeverwaltung weitgehend verselbständigte und eigenverantwortlich handelnde Verwaltungsorgane verfügt (Art. 88 Abs. 2 ff. GO, vgl. dazu auch Glaser/Weber in Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Stand April 2023, Art. 88 Rn. 6; Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bay. Kommunalgesetze, Stand Juni 2021, Art. 88 GO Rn. 6 ff.). Die Verwaltungsorgane des Eigenbetriebs handeln ausschließlich mit Wirkung für und gegen den Eigenbetrieb und in dessen Angelegenheiten. Für alle anderen Aufgaben – insbesondere die allgemeinen Angelegenheiten der Gemeinde, die Rechtsträgerin des Eigenbetriebs ist –, haben sie dagegen kein Mandat. Insofern stellt der Eigenbetrieb wegen seiner organisatorischen und wirtschaftlichen „Teilselbständigkeit“ (vgl. Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bay. Kommunalgesetze, Stand Juni 2021, Art. 88 GO Rn. 9) keine Behörde der ihn tragenden Gemeinde dar (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.189 – juris Rn. 17; Schulz in Praxis der Kommunalverwaltung Bayern, Bd. B I, Stand November 2023, Erl. 1.1 zu Art. 88 GO; Glaser/Weber in Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Stand April 2023, Art. 88 Rn. 7).
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cc) Den „Stadtwerken L.“ ist keine Befugnis zum Erlass von Beitragsbescheiden und damit von Verwaltungsakten übertragen worden. Eine solche Befugnisübertragung war aber erforderlich, da weder die Vorschriften der Gemeindeordnung über den Eigenbetrieb (Art. 86 Nr. 1, 88 GO) noch die Bayerische Eigenbetriebsverordnung (EBV) vom 29. Mai 1987 (GVBl. S. 196) eine derartige Befugnis enthalten (BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.189 – juris Rn. 19; U.v. 6.9.2012 – 20 B 11.2171 – juris Rn. 25; U.v. 25.1.2010 – 23 B 09.1553 – juris Rn. 29 ff.). Anders als bei selbständigen Kommunalunternehmen i.S.d. Art. 86 Nr. 2, 89 ff. GO, bei denen in der Regelung der Befugnis zur Vollstreckung von Verwaltungsakten nach Art. 91 Abs. 4 GO die Befugnis zum Erlass solcher Verwaltungsakte gesetzlich vorausgesetzt ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2017 – 20 BV 16.90 – juris Rn. 20), folgt daher bei Eigenbetrieben – allgemeinen öffentlich-rechtlichen Grundsätzen entsprechend – aus einer Aufgabenzuweisung nicht ohne weiteres auch eine Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Eine Befugnisübertragung ergibt sich hier weder aus der der Beitragserhebung nach Art. 2 Abs. 1 KAG zugrundeliegenden Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS) vom 28. November 2016 noch aus der dazugehörigen Stammsatzung (Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung (Entwässerungssatzung – EWS) vom 14. Dezember 2012, denn beide Satzungen betreffen ausschließlich die Beklagte selbst. Eine Befugnisübertragung ergibt sich aber auch nicht aus der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb „Stadtwerke L.“ (Betriebssatzung) vom 1. Januar 2002. In der Beschreibung des Unternehmensgegenstandes (§ 2 der Betriebssatzung) ist lediglich eine Aufgabenzuweisung und keine Befugnisübertragung zu sehen (vgl. auch BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.189 – juris Rn. 19; U.v. 25.1.2010 – 23 B 09.1553 – juris Rn. 32). Soweit die „Stadtwerke L.“ nach § 2 Abs. 4 der Betriebssatzung ausdrücklich „zuständig für den Vollzug und die Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen“ sind, ergibt sich auch hieraus keine Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten. Mit der dem insoweit eindeutigen Wortlaut nach hiermit übertragenen (sachlichen) Zuständigkeit ist allein die Eröffnung eines Aufgabenbereichs verbunden; das Recht zum Erlass von Verwaltungsakten mit Eingriffscharakter – die Befugnis – bedarf einer ausdrücklichen Übertragung, die hier gerade fehlt. Der denkbar weitgefasste und pauschale Bezug auf den „Vollzug und die Umsetzung von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen“ umfasst zudem auch Vollzugshandlungen ohne Eingriffscharakter, weshalb sich auch aus der Systematik der Vorschrift keine Befugnisübertragung ableiten lässt. Insoweit ist die Formulierung in § 2 Abs. 4 der Eigenbetriebssatzung der „Stadtwerke L.“ gerade nicht mit der dem Senatsurteil vom 25. Januar 2010 (23 B 09.1553 – juris Rn. 39) zugrundeliegenden Betriebssatzung vergleichbar, in der die Zuständigkeit des Eigenbetriebs ausdrücklich auf die „Erhebung von öffentlichen Abgaben nach den kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften – einschließlich des Erlasses von Bescheiden“ erstreckt wurde. Ob die Beklagte – wie sie vorträgt – mit der Ergänzung des § 2 Abs. 4 der Betriebssatzung durch Änderungssatzung vom 25. Oktober 2010 auf das o.g. Senatsurteil reagieren und eine Befugnis des Eigenbetriebs begründen wollte, kann insofern dahingestellt bleiben, denn eine solche Regelungsabsicht hätte weder im Wortlaut noch in der Systematik der Norm einen hinreichenden Ausdruck gefunden. Soweit schließlich nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 der Eigenbetriebssatzung der „Stadtwerke L.“ zu den Zuständigkeiten der Werkleitung des Eigenbetriebs die Führung der „laufenden Geschäfte“ der Stadtwerke und dabei insbesondere die „Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben und privatrechtlichen Entgelten“ zählt, folgt daraus schon deshalb keine Befugnisübertragung auf den Eigenbetrieb, weil § 7 der Betriebssatzung lediglich die funktionelle (Organ-)Zuständigkeit betrifft; eine solche funktionelle Zuweisung an ein bestimmtes Behördenorgan setzt aber das Bestehen einer materiellen Kompetenz des jeweiligen Hoheitsträgers zwingend voraus und kann diese Kompetenz nicht begründen.
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Sachlich zuständig zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides war damit die Beklagte selbst (Art. 27 Abs. 1 GO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 1 BGS-EWS), weshalb mit den „Stadtwerken L.“ eine unzuständige Behörde gehandelt hat.
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dd) Der Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelung führt zur formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beitragsbescheids. Eine Heilung des Verstoßes nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b) KAG i.V.m. § 126 AO kommt tatbestandlich nicht in Betracht. Der Fehler ist aber auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i.V.m. § 127 AO unbeachtlich, weil ausdrücklich nur Verstöße gegen (u.a.) die örtliche Zuständigkeit als unbeachtlich angesehen werden. Alle anderen Zuständigkeitsverstöße stellen einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und sind damit beachtlich (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.189 – juris Rn. 20; U.v. 11.5.2017 – 20 B 15.285 – juris Rn. 21 m.w.N.; Vorbeck in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 127 Rn. 15).
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b) Obwohl der angegriffene Bescheid vom 30. Juni 2017 formell rechtswidrig ist, kommt eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und Aufhebung des Bescheids nach § 129 VwGO nur in dem Umfang in Betracht, als die berufungsführende Klägerin eine Änderung beantragt hat. Hier hat die Klägerin innerhalb der Frist aus § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO mit ihrem Hauptantrag lediglich beantragt, den angegriffenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beitrag nicht 30.102,80 EUR, sondern 14.651,00 EUR lautet. Sie hat insofern ihre Berufung – was ihrer Disposition unterliegt – dem Umfang nach beschränkt erhoben (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 124a VwGO Rn. 49); daran ist der Senat gebunden (vgl. auch §§ 88, 128 VwGO).
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Nachdem die Klägerin mit ihrem Hauptantrag in vollem Umfang erfolgreich ist, war über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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4. Auf den Antrag der Klägerin war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Widerspruchsverfahren durch den jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss der Berufungsinstanz hierfür zuständigen Senat (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2009 – 8 B 07.197 – juris Rn. 3 f.) für notwendig zu erklären (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Klägerin wurde bereits im Rahmen des Vorverfahrens anwaltlich vertreten; angesichts der Komplexität der Rechtsmaterie und der durch den Rechtsstreit aufgeworfenen Probleme war ihr auch nicht zuzumuten, das Vorverfahren ohne anwaltliche Beratung durchzuführen.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG und entspricht dem wirtschaftlichen Interesse an der Teilaufhebung des angegriffenen Bescheids. Nachdem über den Hilfsantrag der Klägerin in der Berufungsinstanz keine Entscheidung ergangen ist, fällt er nicht werterhöhend ins Gewicht.
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6. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren und die Streitwertfestsetzung (Ziff. IV. und V. des Beschlusses) sind kraft Gesetzes nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Im Übrigen liegen Gründe für die Zulassung der Revision nicht vor (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 5, § 132 Abs. 2 VwGO).