Inhalt

VGH München, Beschluss v. 21.02.2024 – 15 ZB 24.72
Titel:

Isolierter Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Antrag auf Zulassung der Berufung

Normenketten:
VwGO § 67 Abs. 4, § 88, § 122 Abs. 1, § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4
ZPO § 114
Leitsätze:
1. Zur Auslegung einer "Rechtsbeschwerde" eines rechtsanwaltlich nicht vertretenen Klägers als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Zulassungsantrag entbindet den nicht iSv § 67 Abs. 4 S. 1 VwGO vertretenen Kläger nicht gänzlich von der Verpflichtung zur Darlegung iSd § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlängerung einer Baugenehmigung, Anwaltszwang, Auslegung als Prozesskostenhilfeantrag.
Vorinstanz:
VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 01.12.2023 – RN 6 K 22.852
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4465

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Dezember 2023 wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Verlängerung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage, die ihm ursprünglich mit Bescheid vom 29. Dezember 1997 erteilt wurde und unter Berücksichtigung von Tekturen letztmalig mit Bescheid vom 28. Januar 2020 durch das Landratsamt P. verlängert wurde. Seine Verlängerungsanträge vom 27. Oktober 2021 und vom 17. Januar 2022, zu denen die Beigeladene ihr Einvernehmen verweigerte, lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 2. März 2022 ab. Seine hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2023 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Bauvorhaben als sonstiges Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange beeinträchtige und aus der ursprünglichen Baugenehmigung sowie den folgenden Verlängerungen kein Vertrauensschutz abgeleitet werden könne. Mit seinem als „Rechtsbeschwerde“ bezeichneten, persönlich eingelegten Antrag verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Nach Hinweis auf die Notwendigkeit, sich vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen, beantragte der Kläger Prozesskostenhilfe.
2
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag des Klägers hat keinen Erfolg.
4
1. Die mit Schreiben vom 30. Dezember 2023 vom Kläger persönlich erhobene „Rechtsbeschwerde“ sowie sein Prozesskostenhilfeantrag vom 2. Februar 2024, eingegangen am 5. Februar 2024, werden unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten persönlichen Umstände nach § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass der Kläger in der Sache Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 1. Dezember 2023 begehrt.
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Unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens des anwaltlich nicht vertretenen Klägers ist die von ihm eingelegte „Rechtsbeschwerde“ nicht als juristischer Fachausdruck zu verstehen, sondern dahingehend, dass es dem Kläger aus der Laiensphäre heraus um die Einlegung eines statthaften Rechtsbehelfes geht, über den der Verwaltungsgerichtshof in der Sache in eigener Zuständigkeit zu entscheiden hat. Darüber hinaus werden die Hinweise auf seine fehlende Zahlungsmöglichkeit und hohe Verschuldung dahingehend gewertet, dass sein Antragsbegehren nicht so aufzufassen ist, dass ihm weitere erhebliche Kosten entstehen. Da gegen einen Gerichtsbescheid neben dem – hier nicht gestellten – Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mangels Zulassung der Berufung in der erstinstanzlichen Entscheidung nur der Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 i.V. mit § 124a Abs. 4 VwGO) statthaft ist, wird davon ausgegangen, dass mit dem als „Rechtsbeschwerde“ bezeichneten Schreiben der Kläger einen solchen statthaften Rechtsbehelf wählen wollte.
6
Unter Berücksichtigung seines Prozesskostenhilfeantrags vom 2. Februar 2024 wird das Begehren des Klägers nicht als Antrag auf Zulassung der Berufung angesehen. Denn unabhängig davon, dass der Kläger zwar umfangreich auf sein erlittenes Schicksal als „Versicherungsopfer“ im Zusammenhang mit einer Erkrankung hinweist, aber keinen Zulassungsgrund gem. § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt hat (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), wäre ein solcher Antrag als unzulässig zu verwerfen, weil es an der nach § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO erforderlichen Vertretung fehlte und dieser Mangel nicht mehr innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO behoben werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2020 – 15 ZB 20.25 – juris Rn. 8). Der Kläger wurde über das Vertretungserfordernis in dem angefochtenen Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ordnungsgemäß belehrt. Da die Monatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung gegen den am 7. Dezember 2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Januar 2024, 24:00 Uhr, abgelaufen ist (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB), ohne dass ein von einem Prozessbevollmächtigten gefertigter Antrag auf Zulassung der Berufung eingegangen ist, könnte ein formgemäßer Antrag auch nicht mehr nachgeholt werden. Anhaltspunkte für ein unverschuldetes Fristversäumnis gem. § 60 VwGO sind nicht ersichtlich. Der bloße Hinweis des Klägers auf „die Feiertage“, seinen schlechten Gesundheitszustand und dass er „mehrere Anwaltskanzleien konsultiert“ habe, genügt auch unter Berücksichtigung des erst mit Schriftsatz vom 12. Februar 2024 vorgelegten Schreibens einer einzelnen Rechtsanwaltsgesellschaft vom 12. Dezember 2023, aus dem sich ergibt, dass diese ein Mandat nicht übernehmen könne, nicht den Darlegungsanforderungen für die Bestellung eines Notanwalts (vgl. BVerwG, B.v. 28.3.2017 – 2 B 4.17 – juris Rn. 9 f.). Im Falle einer Ablehnung bzw. Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Berufung würden – ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 20.000 Euro gem. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 – für den sich als hoch verschuldet bezeichnenden Kläger nicht unerhebliche Kosten gem. § 154 Abs. 2 VwGO anfallen.
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2. Der im vorgenannten Sinn ausgelegte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen.
8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils gestellt werden und innerhalb von zwei Monaten nach der Urteilszustellung unter Darlegung von Zulassungsgründen (§ 124 Abs. 2 VwGO) begründet werden (§ 124a Abs. 4 Sätze 1 und 4 VwGO). Wird hierfür Prozesskostenhilfe beantragt, so gilt grundsätzlich das gleiche für den entsprechenden Antrag und seine Begründung. Die Tatsache, dass vorliegend die Zulassung der Berufung noch nicht beantragt wird, sondern erst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Zulassungsantrag, entbindet den nicht im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO vertretenen Kläger nicht gänzlich von der Verpflichtung zur Darlegung im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2020 – 15 ZB 20.25 – juris Rn. 11).
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Hier hat der Kläger allerdings weder innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, noch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO Zulassungsgründe vorgetragen, die hinreichende Erfolgsaussichten aufzeigen könnten. Dabei müssen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Zulassungsgrunds zumindest so weit dargetan werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die Gründe in der Weise bezeichnet, wie dies für die Darlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlich wäre. Geboten ist aber, dass sich aus der innerhalb der Antragsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) vorgelegten Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrunds zumindest in groben Zügen erkennen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 4.5.2011 – 7 PKH 9.11 – juris Rn. 2 m.w.N.; BayVGH, B.v. 3.8.2021 – 15 ZB 21.1854 – juris 12 m.w.N.). Letzteres ist nicht der Fall.
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Aus den Schreiben des Klägers vom 30. Dezember 2023, vom 29. Januar 2024 und vom 31. Januar 2024 ergibt sich nicht im Ansatz, dass und warum ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Gerichtsbescheids bestehen könnten (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung haben könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), der angegriffene Gerichtsbescheid von einer Entscheidung eines in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichts abweichen könnte oder ein der Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofs unterliegender Verfahrensfehler vorliegen könnte, auf dem der Gerichtsbescheid beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Eine Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange gem. § 35 Abs. 3 BauGB lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen. Der vom Kläger angedeutete Zusammenhang der Ablehnung seines Antrags mit dem Um- und Ausbau der Bundesstraße B 85 sowie der fehlenden Entschärfung einer Kreuzung durch die Straßenbaubehörde Passau ist nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich.
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Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. In Verfahren über Prozesskostenhilfeanträge werden weder Gerichtskosten erhoben noch dem Gegner entstandene Kosten erstattet (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Auslagen gem. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 5 ZPO sind nicht entstanden.
12
Die mit Schriftsatz vom 20. Februar 2024 vom Kläger erklärte Rücknahme, „falls mir das Gericht den PKH-Antrag ‚nicht genehmigt‘“, ist aufgrund der Bedinungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen unwirksam (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 92 Rn. 9). Da es dem Kläger aber im Wesentlichen darum geht, „keinen Cent“ bezahlen zu müssen, kommt es hierauf nicht an, denn die Auslegung seiner „Rechtsbeschwerde“ als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch durchzuführendes Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung führt insoweit – wie oben ausgeführt – zum selben Ergebnis.
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).