Titel:
Wirtschaftliche Gründe in Bezug auf den Abriss eines von einer Erhaltungssatzung geschützten Gebäudes – Villa im Jugendstil
Normenkette:
BauGB § 22 Abs. 5, § 172 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 173
Leitsatz:
Wird die erforderliche Genehmigung zum Abbruch eines aus städtebaulichen Gründen von einer Erhaltungssatzung geschützten Gebäudes rechtmäßig verweigert, so sind wirtschaftliche Gründe, die gegen dessen Erhalt sprechen könnten, zwar im Rahmen eines möglichen Verlangens auf Übernahme des entsprechenden Grundstücks (§ 173 Abs. 2 BauGB), aber nicht zwingend schon im Genehmigungsverfahren (§ 173 Abs. 3 BauGB) zu erörtern. (Rn. 9)
Schlagworte:
Erhaltungssatzung, städtebauliche Gestalt, erhaltungswürdige Villa im Jugendstil, beantragte Abrissgenehmigung, Abrissgenehmigung, Jugendstilvilla, Städtebaurecht
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 24.11.2022 – Au 5 K 21.2002
Fundstellen:
BayVBl 2024, 378
BeckRS 2024, 4464
LSK 2024, 4464
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt die Genehmigung zum Abriss einer im Jugendstil zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts errichteten und Anfang der 1950er Jahre vereinfacht wieder aufgebauten Villa. Das der Klägerin gehörende, entsprechende Grundstück liegt im Umgriff einer Erhaltungssatzung der Beklagten. Diese hat die Erteilung der Genehmigung verweigert, weil die Beseitigung des bestehenden Gebäudes einen massiven Eingriff in die Stadtgestalt und das Ortsbild bedeuten würde.
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Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin zum Abbruch des Gebäudes auf ihrem Grundstück ohne das Vorliegen einer Genehmigung nach § 172 BauGB befugt sei, hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Vorhaben sei tatsächlich genehmigungspflichtig und die Erhaltungssatzung der Beklagten, in deren Geltungsbereich das Grundstück der Klägerin zu Recht einbezogen worden sei, begegne keinen formellen oder materiellen Bedenken. Der hilfsweise gestellte Klageantrag, die Beklagte unter Aufhebung ihres ablehnenden Bescheides zu verpflichten, die beantragte Genehmigung zum Abbruch des Gebäudes gemäß § 172 BauGB zu erteilen, sei mangels eines entsprechenden Anspruchs der Klägerin ebenfalls unbegründet.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend. Außerdem weise die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Rechtlich zutreffend und mit ausführlicher Begründung ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, die gewünschte Beseitigung des streitgegenständlichen Gebäudes bedürfe aufgrund der geltenden und rechtmäßigen Erhaltungssatzung der Beklagten einer Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Diese könne der Klägerin gemäß § 172 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BauGB jedoch versagt werden, weil es sich bei dem zum Abbruch vorgesehenen Gebäude um eine bauliche Anlage handelt, die jedenfalls im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild und die Stadtgestalt des betreffenden Gebiets prägt. Der Vortrag im Zulassungsverfahren, auf dessen Darlegungen sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), gibt keinen Anlass, von dieser rechtlichen Beurteilung abzuweichen. Der Senat nimmt deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
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a) Die Klägerin hält zunächst an ihrer Auffassung fest, die Beseitigung der in ihrem Eigentum stehenden Villa bedürfe keiner Genehmigung nach § 172 BauGB, weil die streitgegenständliche Erhaltungssatzung der Beklagten jedenfalls materiell rechtswidrig sei. Denn diese Satzung stelle lediglich ein vorgeschobenes und damit unzulässiges Mittel dar, um gerade den Abbruch des auf ihrem Grundstück befindlichen Gebäudes zu verhindern. Dies ergebe sich aus der „Historie der Angelegenheit“, namentlich den Äußerungen einzelner Stadtratsmitglieder während einer Sitzung sowie der in Vorgesprächen zum Ausdruck gekommenen, ursprünglich positiven Einstellung der Beklagten gegenüber den Abriss- und Neubauplänen der Klägerin. Diese Einlassung verhilft ihrem Zulassungsbegehren nicht zum Erfolg. Abgesehen davon, dass nach Aussage der Beklagten im Rahmen der bereits geführten Gespräche stets eine „Lösung mit Erhalt und Umbau/Anbau des Bestands nahegelegt“ worden sei und von einem diesbezüglich geschaffenen Vertrauenstatbestand nicht die Rede sein könne (für dessen Bestehen sich im Übrigen auch aus den Verwaltungsakten keine belastbaren Anhaltspunkte ergeben), lässt der Verlauf der von der Klägerin in Bezug genommenen Stadtratssitzung einen derartigen Rückschluss nicht zu. Zwar geht aus der von ihr zitierten Stelle der entsprechenden Niederschrift (S. 32, Ordner Niederschrift) hervor, dass ein einzelnes Mitglied des Stadtrats im Laufe der Sitzung – u. a. – zu bedenken gegeben hatte, bei der Klägerin handele es sich um einen Investor, dem es um „Maximalprofite“ gehe. Allerdings stellt das nur den Ausschnitt einer einzelnen, nicht aber die Meinung des gesamten Stadtrats dar. Im Übrigen hatte die Oberbürgermeisterin der Beklagten ausweislich des Protokolls (S. 33 a.a.O.) in diesem Zusammenhang unverzüglich darauf hingewiesen, die betreffenden Ausführungen seien im Hinblick auf die Frage, ob eine Erhaltungssatzung erlassen werden solle oder nicht, „rechtswidrig“.
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Auch mit dem Einwand, die Erhaltungssatzung lege das Gebiet, für das sie Geltung beansprucht, in abwägungsfehlerhafter Weise fest und sei schon aus diesem Grund rechtswidrig, wiederholt und vertieft die Klägerin vor allem ihren erstinstanzlichen Vortrag. In dieser Hinsicht hat bereits das Verwaltungsgericht eingehend dargelegt (UA S. 12ff.), dass und warum die Einschätzung der Beklagten, der von der Erhaltungssatzung umfasste Bereich weise bis heute den schützenswerten Charakter einer Gartenstadt auf, deren typische Stadtgestalt mit ihrer Wohnqualität und ihrem harmonischen Orts- und Landschaftsbild bis auf wenige Störungen noch weitgehend intakt und durch charakteristische Merkmale gekennzeichnet sei, zutrifft. Insbesondere gelte dies – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch für fünf Gebäude in einem „auskragenden“ Bereich, zu dem auch das streitgegenständliche Grundstück gehört (vgl. UA S. 25). Diese Beurteilung ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der bei den Akten befindlichen Fotos nachvollziehbar und wird vom erkennenden Senat geteilt.
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b) Soweit die Klägerin außerdem unverändert geltend macht, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfe ihr eine Genehmigung gemäß § 172 Abs. 3 BauBG vor allem deshalb nicht versagt werden, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten zu spät ergangen sei, das zum Abbruch vorgesehene Gebäude die Stadtgestalt des betroffenen Gebiets nicht, auch nicht im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen, präge, seine Sanierung schon aus bautechnischen Gründen nicht mehr in Betracht komme und im Übrigen auch wirtschaftlich unzumutbar sei, überzeugt auch diese Argumentation nicht. Entgegen der Meinung der Klägerin ist der ablehnende Bescheid der Beklagten nicht außerhalb der höchstens zulässigen Bearbeitungsfrist von drei Monaten (vgl. § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB) ergangen, weshalb auch keine Genehmigungsfiktion gemäß § 173 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 22 Abs. 5 BauGB eingetreten ist. Mit dem Verwaltungsgericht ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass weder die von der Klägerin eingereichte Abbruchsanzeige (Art. 57 Abs. 5 Satz 2 BayBO) noch eine übersandte Baubeginnsanzeige (Art. 68 Abs. 8 BayBO) aufgrund ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen bzw. Ziele hier geeignet waren, ein Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung nach § 173 BauGB ordnungsgemäß einzuleiten. Dass das streitgegenständliche Gebäude auch als in den 1950er Jahren in vereinfachter Form erfolgte Rekonstruktion der ursprünglichen Jugendstilvilla das Ortsbild tatsächlich (mit) prägt, hat das Verwaltungsgericht überzeugend dargelegt. Auf die entsprechenden Ausführungen (S. 33 ff. UA) wird nochmals ausdrücklich Bezug genommen. Und was schließlich die geltend gemachten Aspekte einer bautechnisch angeblich schwierigen „Revitalisierung“ des Gebäudes und deren mangelnde Wirtschaftlichkeit betrifft, die nach dem Vortrag der Klägerin entgegen § 173 Abs. 3 BauGB in dem mit der Beklagten durchgeführten Erörterungstermin in verfahrensfehlerhafter Weise nicht zur Sprache gekommen seien, steht es der Klägerin frei, in einem für den Fall der Versagung einer solchen Genehmigung vorgesehenen, gesonderten Verfahren nach § 173 Abs. 2 BauGB unter den dort genannten Voraussetzungen von der Beklagten die Übernahme des Grundstücks zu verlangen. Auf diese Möglichkeit hat auch das Verwaltungsgericht die Klägerin bereits zu Recht hingewiesen. Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Abbruchgenehmigung, etwa wegen einer „atypischen Fallgestaltung“ und einer daraus resultierenden Ermessensreduzierung, eines Verfahrensfehlers oder eines – indes nur aus Sicht der Klägerin begründeten, s.o. – entsprechenden Vertrauensschutzes, entsteht daraus jedoch nicht.
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2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, die zu einer Zulassung der Berufung führen müssten (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist der Sachverhalt geklärt und die aufgeworfenen Fragen lassen sich anhand der einschlägigen Rechtsvorschriften beantworten. Soweit die Klägerin darauf verweist, bereits der „enorm hohe Begründungsaufwand“ des Verwaltungsgerichts zeige die Komplexität des streitgegenständlichen Falles, ist zwar anerkannt, dass auch der Begründungsaufwand eines erstinstanzlichen Urteils besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art indizieren kann. Das ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Begründungsumfang lediglich Folge des Bemühens ist, auf die Argumente des bzw. der Unterlegenen möglichst vollständig einzugehen (vgl. z.B. OVG NW Az. 1 A 180/16 Rn. 38 – juris). So liegen die Dinge hier. Die – in der Tat – ausführlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils deuten vorliegend auf eine gründliche Durchdringung des Streitstoffs seitens des Verwaltungsgerichts hin, rechtfertigen aber nicht zwingend den Schluss auf tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten, die nur in einem Berufungsverfahren zu klären wären.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).