Titel:
Anfechtung Aufhebungsvertrag – Gebot fairen Verhandelns
Normenkette:
BGB § 123 Abs. 1, § 138, § 242
Schlagworte:
Berufung, Aufhebungsvertrag, Anfechtungserklärung, Arglistige Täuschung, Widerrechtliche Drohung, Fairnessgebot, Sittenwidrigkeit
Vorinstanz:
ArbG Bayreuth, Endurteil vom 11.01.2024 – 1 Ca 295/23
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Beschluss vom 20.03.2025 – 6 AZR 301/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 44505
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 11.01.2024, Az.: 1 Ca 295/23, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages.
2
Der Kläger war seit dem 08.10.1990 bei der Beklagten, zuletzt mit einem Bruttomonatsgehalt von 2.600,00 €, beschäftigt. Er war zunächst im Hochregallager, anschließend 20 Jahre als Ansetzer und dann erneut 12 Jahre im Hochregallager beschäftigt.
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Der Kläger brachte im Oktober/November 2022 einen Zettel mit dem lnhalt “Altersteilzeit! oder Abfindung oder Vorruhestand A. 25.10.22“ und ich möchte ?! Kündigen Euer A.G.“ an der Tür der Personalabteilung an.
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lm Zeitraum vom 24.11.2022 bis 30.11.2022 war er arbeitsunfähig erkrankt.
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Nach Rückkehr des Klägers aus der Arbeitsunfähigkeit wurde ihm von der Beklagten ein Aufhebungsvertrag (Bl. 10 ff. d.A.) vorgelegt.
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§ 7 des Aufhebungsvertrages lautet auszugsweise:
„Das Unternehmen hat den Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages ggf. eine Sperre hinsichtlich der Arbeitslosenunterstützung die Folge sein kann. Er hat empfohlen, vor Abschluss des Aufhebungsvertrages entsprechende Informationen einzuholen. Das Unternehmen hat den Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass dieser sich zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld unverzüglich nach Abschluss dieses Aufhebungsvertrages beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden muss.“
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§ 8 des Aufhebungsvertrages lautet:
„Der Mitarbeiter ist darüber aufgeklärt worden, dass das Arbeitsverhältnis durch diesen Aufhebungsvertrag nur endet, sofern der Mitarbeiter den Vertrag unterschreibt, wozu er nicht verpflichtet ist.“
8
§ 9 des Aufhebungsvertrages lautet auszugsweise:
„Der Mitarbeiter bestätigt ausdrücklich, den vorliegenden Vertragstext sorgfältig gelesen, verstanden und nach reiflicher Überlegung unterschrieben zu haben, und erklärt, dass Widerrufs- und Anfechtungsrechte nicht bestehen.“
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Am 01.12.2022 fand ein Gesprächstermin im Betrieb der Beklagten statt. Teilnehmer waren neben dem Kläger die Betriebsratsvorsitzende Frau H., Frau I. und Herr J.. Der Aufhebungsvertrag wurde dem Kläger zur Prüfung mit nach Hause gegeben.
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Ein zweites Gespräch fand am 13.12.2022 statt. Anwesend waren neben dem Kläger Frau I., Herr J. sowie Herr K., der Produktionsleiter. Ein dem Kläger unterbreitetes Angebot, auf einer anderen Stelle in Werk 4 zu arbeiten, lehnte dieser ab. Anschließend unterzeichnete der Kläger den Aufhebungsvertrag, welcher unter anderem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 28.02.2023 sowie die Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000,00 € brutto beinhaltete.
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Durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 02.03.2023, der Beklagten zugegangen am 08.03.2023, erklärte der Kläger die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Durch Schreiben der Beklagten vom 15.03.2023 wurde die Anfechtungserklärung gemäß § 174 S. 1 BGB mangels Vorlage einer Vollmacht zurückgewiesen.
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Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass der Aufhebungsvertrag unwirksam sei. Dessen Arbeit sei schwer und gesundheitsschädlich gewesen und er hätte überobligatorisch Arbeit leisten müssen. Im Herbst 2022 sei er körperlich am Ende gewesen und habe an seinem letzten Arbeitstag ohne Pausen durchgearbeitet. Dies habe die Beklagte gewusst. Nach dem 1. Gesprächstermin am 01.12.2022 sei er durch Frau I. täglich zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr angerufen und damit unter Druck gesetzt worden. In dem 2. Gespräch habe er sich einem übermächtigen Druck ausgesetzt gefühlt, da keine Personen zugegen gewesen seien, die ihn und seine Interessen unterstützt hätten. Eine Vertrauensperson habe er nicht hinzuziehen dürfen. Auch die Betriebsratsvorsitzende habe ihn im Termin am 01.12.2022 nicht geholfen. Zudem sei er durch die Beklagte nicht über die Rechtsfolgen des Aufhebungsvertrages hinreichend informiert worden. Die gezahlte Abfindung stünde darüber hinaus in keinem Verhältnis zur langjährigen Beschäftigungsdauer und die maßgebende Kündigungsfrist sei nicht eingehalten worden.
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Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:
I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zum 28.02.2023 endete.
II. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Aufhebungsvertrag vom 30.11.2022 unwirksam ist.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Für den Fall, dass die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklärt, dass sie den Kläger weiterbeschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, wird weiter beantragt,
IV. die Beklagte zu verurteilen, der Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu I. zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
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Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, dass es nur Anrufe durch Frau I. nach der Krankmeldung des Klägers am 05./06.12.2022 gegeben habe. Es sei darum gegangen, wann der am 01.12.2022 vereinbarte 2. Termin stattfinden könne. Der Kläger sei in § 7 des Aufhebungsvertrages ausreichend über die sozialrechtlichen Folgen des Aufhebungsvertrages informiert worden. Zudem sei der Kläger in einem Telefonat gebeten worden, sich beim Arbeitsamt und der Rentenversicherung zu informieren. Selbst wenn der Kläger an seinem letzten Arbeitstag am Ende gewesen sei, habe er den Aufhebungsvertrag doch erst am 13.12.2022 und damit deutlich später unterzeichnet. Die Beklagte habe den Kläger in keiner Weise unter Druck gesetzt oder ausgenutzt. Die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungssumme sei durch den Kläger vorgeschlagen worden. Im Übrigen folge die Unwirksamkeit der Anfechtung aus § 174 Satz 1 BGB.
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Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 11.01.2024 die Klage abgewiesen. Die erklärte Anfechtung sei unwirksam. Es läge weder eine arglistige Täuschung des Klägers noch eine widerrechtliche Drohung vor. Eine arglistige Täuschung des Klägers scheide von vornherein aus, da die Beklagte keiner Aufklärungspflicht hinsichtlich sämtlicher Umstände oblag, die für die Entscheidung des Klägers zum Abschluss des Aufhebungsvertrages von Bedeutung hätten sein können. Auch sei eine widerrechtliche Drohung gegenüber dem Kläger nicht zu erkennen.
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Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 11.01.2024 ist dem Kläger am 15.01.2024 zugestellt worden. Die Berufungsschrift vom 15.02.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen. Die Berufungsbegründungsschrift vom 15.04.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am selben Tag eingegangen.
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Der Kläger trägt in seiner Berufungsbegründung vor, dass durch das Arbeitsgericht nur lückenhaft ermittelt worden sei, welche Angaben der Parteien der Wahrheit entsprechen bzw. zutreffend seien. Es sei nicht ermittelt worden, ob Frau I. den Kläger lediglich nach der Krankmeldung des Klägers am 05./06.12.2022 angerufen habe, inwieweit der Hinweis in § 7 des Aufhebungsvertrages ausreichend gewesen sei, ob es dem Kläger ermöglicht worden sei, eine Vertrauensperson zum Gespräch am 13.12.20222 hinzuzuziehen, inwieweit der Kläger gesundheitliche Probleme gehabt habe sowie inwieweit der Kläger durch Herrn L. darauf hingewiesen worden sei, seine Pausen einzuhalten. Die Beklagte habe den Kläger arglistig getäuscht, da diese ihren Aufklärungspflichten bewusst nicht bzw. nicht vollständig nachkam. Bei individueller Betrachtung des Klägers hätte die Beklagte erkennen müssen, dass deren Fürsorgepflicht in diesem Fall über das erforderliche Mindestmaß weit hinausging. Auch habe eine widerrechtliche Drohung der Beklagten vorgelegen. Diese läge im Aufbau einer Drucksituation durch tägliche Anrufe der Frau I. sowie der sodann erzeugten „3 gegen 1“ Konstellation in dem 2. Gesprächstermin. Der Kläger habe sich unter Druck und der Situation ausgeliefert gefühlt.
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Der Kläger und Berufungskläger stellt folgende Anträge:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 11.11.2024, Az. 1 Ca 295/23, wird abgeändert, soweit die Klageanträge zu 1) und 2) abgewiesen wurden.
II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zum 28.02.2023 endete.
III. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Aufhebungsvertrag vom 30.11.2022 unwirksam ist.
IV. Die Berufungsbeklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
- 1.
-
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 11. Januar 2024, Az.: 1 Ca 295/23, wird als unzulässig verworfen.
- 2.
-
Hilfsweise: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 11. Januar 2024, Az.: 1 Ca 295/23, wird zurückgewiesen.
- 3.
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Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die Beklagte trägt vor, dass die Berufung unzulässig und unbegründet sei. Der Kläger habe sich bereits nicht hinreichend mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt. Eine Parteivernehmung hätte unter keinen Umständen erfolgen dürfen. Der diesbezüglich geltend gemachte Vortrag des Klägers sei unschlüssig und entscheidungsunerheblich. Auch lägen die Voraussetzungen einer Parteieinvernahme nicht vor. Ein Anfechtungsgrund sei nicht erkennbar. Eine Täuschungshandlung der Beklagten liege gerade nicht vor. Die Beklagte habe keinen Umstand verschwiegen, hinsichtlich dessen eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger bestanden hätte. Stattdessen habe die Beklagte den Kläger gerade in § 7 des Aufhebungsvertrages über die Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages informiert. Darüber hinaus läge keine widerrechtliche Drohung vor. Eine solche sei dem Vortrag des Klägers in keiner Weise zu entnehmen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Sachverhalts im arbeitsgerichtlichen Urteil, auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht vom 11.01.2024 und dem Landesarbeitsgericht vom 02.10.2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Die Berufung ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sowie begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO.
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Die Berufung ist unbegründet. Die Kammer folgt weitgehend den Gründen und Erwägungen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung, denen sie sich anschließt, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:
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1. Die Klage ist nur teilweise zulässig. Der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemachte Feststellungsantrag ist gemäß § 256 ZPO zulässig. Der Klageantrag zu 2 ist demgegenüber unzulässig. Dieser Feststellungsantrag ist dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG nachgebildet und hat einen punktuellen Streitgegenstand. Eine solche Antragstellung ist jedoch nur bei einer Kündigungsschutzklage im Anwendungsbereich des § 4 bzw. § 13 Abs. 1 KSchG zulässig. Da der Antrag kumulativ zu dem Klageantrag zu 1 gestellt wurde, ist dieser einer Auslegung nicht zugänglich (vgl. BAG v. 10.11.2011 − 6 AZR 357/10).
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2. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch den Aufhebungsvertrag vom 30.11.2022/13.12.2022 wirksam zum 28.02.2023 beendet worden. Eine wirksame Anfechtung des Aufhebungsvertrages durch den Kläger liegt nicht vor.
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Die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages folgt darüber hinaus nicht aus einem Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns und aus einem Verstoß gegen die guten Sitten.
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2.1. Der Kläger kann sich bereits nicht darauf berufen, dass der Aufhebungsvertrag vom 30.11.2022/13.12.2022 durch Anfechtungserklärung der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 08.03.2023 wirksam angefochten wurde.
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Die nach Maßgabe von §§ 123 f. BGB erforderliche Anfechtungserklärung des Klägers war infolge der durch Erklärung der Beklagten mit Schreiben vom 15.03.2022 erklärten Zurückweisung unwirksam, § 174 Satz 1 BGB.
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Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber dem Erklärungsempfänger die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hat. Folge der Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist – unabhängig vom Bestehen der Vollmacht – die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus. § 174 BGB steht im Zusammenhang mit dem Verbot vollmachtlosen Handelns bei einseitigen Rechtsgeschäften (§ 180 Satz 1 BGB). Hat der Vertreter Vertretungsmacht, ist die Vertretung zwar zulässig. Ohne Nachweis dieser Vollmacht weiß der Empfänger aber nicht, ob das ihm gegenüber vorgenommene einseitige Rechtsgeschäft wirksam ist. § 174 BGB dient dazu, klare Verhältnisse zu schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit hat, dass der Erklärende wirklich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung tatsächlich zurechnen lassen muss. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Erklärung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen (vgl. BAG v. 14.04.2011 – 6 AZR 727/09).
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Die Beklagte hat mit Schreiben vom 15.03.2023 ausdrücklich die durch Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 02.03.2023 – ohne Vorlage einer Vollmacht – vorgenommene Anfechtungserklärung, der Beklagten – unstreitig – am 08.03.2023 zugegangen, mangels Vorlage einer Vollmacht zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auch unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), da diese innerhalb von 7 Tagen erfolgte. Die Zurückweisung muss nicht sofort erfolgen. Dem Erklärungsempfänger ist vielmehr eine gewisse Zeit zur Überlegung und zur Einholung des Rates eines Rechtskundigen darüber einzuräumen, ob er das einseitige Rechtsgeschäft wegen fehlender Bevollmächtigung zurückweisen soll. Innerhalb welcher Zeitspanne der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Bevollmächtigung zurückweisen muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Regelmäßig ist dabei davon auszugehen, dass eine Zeitspanne von einer Woche unter normalen Umständen ausreichend ist, um die Entscheidung über die Zurückweisung nach § 174 BGB zu treffen (BAG v. 08.12.2011 − 6 AZR 354/10).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die durch die Beklagte erfolgte Zurückweisung ohne schuldhaftes Zögern erfolgte. Umstände, die dieser Bewertung entgegenstehen könnten, wurden durch den Kläger nicht geltend gemacht.
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2.2. Darüber hinaus liegt ein nach Maßgabe von § 123 Abs. 1 BGB den Kläger zur Anfechtung berechtigender Grund nicht vor.
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2.2.1. Der Kläger ist nicht durch arglistige Täuschung i.S.v. § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB zum Abschluss des Aufhebungsvertrags bestimmt worden.
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Der Tatbestand der arglistigen Täuschung gemäß § 123 BGB setzt voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht. Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht (BAG v. 11.07.2012 – 2 AZR 42/11). Zwischen Täuschung und abgegebener Willenserklärung ist ein ursächlicher Zusammenhang erforderlich. Die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende; das gilt auch, soweit es um eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen geht (BAG v. 15.05.1997 – 2 AZR 43/96).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass eine arglistige Täuschung des Klägers durch die Beklagte in keiner Weise ersichtlich ist. Dies gilt auch, soweit der Vortrag des Klägers derart zu verstehen ist, dass die Beklagte den Kläger durch ein arglistiges Verschweigen ihr bekannter Umstände getäuscht haben solle. Insoweit ist bereits nicht erkennbar, auf welche Gesichtspunkte der Kläger abstellt, soweit er geltend gemacht hat, dass die Beklagte durch das Verhalten des Klägers hätte erkennen müssen, „dass deren Fürsorgepflicht über das erforderliche Mindestmaß weit hinausging“. Nachdem der Beklagten eine Verpflichtung zur Information des Klägers über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages – insbesondere, nachdem die Initiative zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages durch den Kläger ausging – von vornherein nur unter besonderen Voraussetzungen obliegen konnte (vgl. BAG v. 10.03.1988 – 8 AZR 420/85), die Beklagte gleichwohl den Kläger in § 7 des Aufhebungsvertrages über drohende nachteilige Konsequenzen bei der Beantragung von Arbeitslosengeld in Kenntnis gesetzt und der Kläger darüber hinaus in den §§ 8 und 9 des Aufhebungsvertrages ausdrücklich erklärt hat, diesen freiwillig und nach sorgfältigem Lesen und Verstehen des Vertragstextes und nach reiflicher Überlegung zu unterzeichnen, liegt eine die Willenserklärung des Klägers kausal bewirkende arglistige Täuschung der Beklagten unter keinen Gesichtspunkten vor. Jedenfalls wurde eine solche durch den Kläger in keiner Weise hinreichend dargelegt.
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2.2.2. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde dessen Erklärung vom 13.12.2022 auch nicht wirksam wegen einer widerrechtlichen Drohung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB angefochten.
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Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig dargestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende zwar an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit aus der Inadäquanz, d. h. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung ebenfalls rechtswidrig. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzung des Anfechtungstatbestandes hat der die Anfechtung erklärende Arbeitnehmer zu tragen (BAG v. 24.2.2022 – 6 AZR 333/21).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist auf Grundlage des Vortrages des Klägers festzustellen, dass eine widerrechtliche Drohung der Beklagten, die den Kläger zum Abschluss des Aufhebungsvertrages veranlasst hat, in keiner Weise erkennbar ist. Soweit der Kläger diesbezüglich auf die von ihm behaupteten Anrufe der Frau I. abgestellt hat, ist bereits nicht dargelegt, welches empfindliche Übel durch diese in welchen Telefonaten konkret in Aussicht gestellt wurde. Auch ist der durch den Kläger hinsichtlich des Gesprächs am 13.12.2022 dargestellten Gesprächssituation in keiner Weise zu entnehmen, dass die Vertreter der Beklagten dem Kläger ein künftiges Übel in Aussicht gestellt hätten. Das Vorliegen einer „3 zu 1 Situation“ als solcher ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend.
41
Nachdem folglich der diesbezügliche Vortrag des Klägers als in Gänze unsubstantiiert zu bewerten ist, bedurfte es – entgegen des Berufungsvorbringens – von vornherein keiner gesonderten Beweisaufnahme. Keiner Vertiefung bedarf es daher ebenso, dass die Voraussetzungen einer Parteieinvernahme des Klägers (§§ 445 ff. ZPO) nicht vorlagen.
42
2.3. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe im Rahmen der Verhandlungen und des Abschlusses des Aufhebungsvertrages das Mindestmaß an Fairness nicht gewahrt (vgl. BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18). Der Aufhebungsvertrag ist folglich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot fairen Verhandelns gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB unwirksam.
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Das Gebot fairen Verhandelns ist eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB.
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§ 241 Abs. 2 BGB schützt mit den „Interessen“ nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich auch die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners. Die Bestimmung trägt so dem Gebot Rechnung, unzulässiger Fremdbestimmung bei der Willensbildung in der vorkonsensualen Phase wirksam zu begegnen. Das Gebot fairen Verhandelns wird missachtet, wenn die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners in zu missbilligender Weise beeinflusst wird. Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Dabei geht es nicht um das Erfordernis der Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation, sondern um das Gebot eines Mindestmaßes an Fairness im Vorfeld des Vertragsschlusses. § 241 Abs. 2 BGB zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen, sondern nur zu einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite, indem er unfaire Verhandlungen missbilligt. Im Ergebnis schützt das Gebot fairen Verhandelns nicht den Inhalt des Vertrags, sondern den Weg zum Vertragsschluss und unterscheidet sich dadurch von der Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 BGB. Das Gebot fairen Verhandelns bezieht sich nur auf die den Vertragsschluss vorbereitenden Verhandlungen (vgl. BAG v. 24.02.2022 – 6 AZR 333/21).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass auf Grundlage des Vortrages des Klägers ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns nicht erkennbar ist. Insbesondere hat der Kläger keinerlei konkrete Anhaltspunkte vorgetragen, dass die Beklagte auf die Entscheidungsfreiheit des Klägers in zu missbilligender Weise eingewirkt hat. Vielmehr ist gerade festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger den Aufhebungsvertrag bereits am 30.11.2022 übermittelt hat und dieser auch nach dem Gespräch am 01.12.2022 die Möglichkeit hatte, diesen außerhalb der Betriebsstätte der Beklagten über einen erheblichen Zeitraum zur Kenntnis zu nehmen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf den aus seiner Sicht nachteiligen Inhalt des Aufhebungsvertrages abgestellt hat, ist dies im Zusammenhang mit der Einhaltung des Gebots fairen Verhandelns ohne Bedeutung.
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2.4. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die zwischen den Parteien getroffene Abfindungszahlung die Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geltend gemacht hat, ist diese auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
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Nach § 138 Abs. 1 BGB kann ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auch bei einer außergerichtlichen Abfindungsvereinbarung zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen. Nichtigkeit tritt ein, wenn neben einem groben Missverhältnis weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten. Derartige, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände liegen vor allem dann vor, wenn das objektiv wucherische Geschäft dadurch zustande gekommen ist, dass der wirtschaftlich oder intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat oder der objektiv sittenwidrig Handelnde sich böswillig oder leichtfertig der Erkenntnis verschließt, dass sich der andere Teil nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt. Ist das Missverhältnis des beiderseitigen Nachgebens ein besonders grobes, so kann sich bereits hieraus der Schluss rechtfertigen, dass der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat (vgl. BAG v. 30.07.1985 – 3 AZR 401/83).
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Unabhängig davon, ob vorliegend ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung überhaupt angenommen werden kann, wurden durch den Kläger – insbesondere nachdem eine Veranlassung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unstreitig durch den durch den Kläger veranlassten Zettel im Oktober/November 2022 – einschließlich der Aussage „ich möchte ?! Kündigen“ erfolgte – jedenfalls keine gesonderten sittenwidrigen Umstände vorgetragen. Ergänzend wird darüber hinaus auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
50
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).