Inhalt

LG Memmingen, Beschluss v. 16.07.2024 – 44 T 860/24
Titel:

Zwangsmedikation, Maßregelvollzug, Verfahrenspfleger, Begutachtung, Fremdgefährlichkeit, Krankheitseinsicht, Fixierung

Schlagworte:
Zwangsmedikation, Maßregelvollzug, Verfahrenspfleger, Begutachtung, Fremdgefährlichkeit, Krankheitseinsicht, Fixierung
Vorinstanzen:
AG Günzburg, Beschluss vom 21.05.2024 – 322 XIV 18/24 (L)
AG Günzburg, Beschluss vom 06.05.2024 – 322 XIV 18/24 (L)
Rechtsmittelinstanz:
BGH, Beschluss vom 12.03.2025 – XII ZB 417/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 44455

Tenor

I. Die Beschwerde des Betroffenen vom 30.05.2024 und 04.07.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts … vom 6. Mai 2024 in der Fassung des Beschlusses vom 21.05.2024 (Aktenzeichen jeweils 322 XIV 18/24 (L)) wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Betroffene befindet sich aufgrund des Unterbringungsbefehls des Landgerichts … vom 08.09.2011, eröffnet am 09.09.2012, in Unterbringung und wurde mit Urteil des Landgerichts … vom 15.03.2012, rechtskräftig seit 02.08.2012, wegen wiederholter in Tatmehrheit begangener versuchter Körperverletzung, in einem Fall in Tatmehrheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Betruges im Maßregelvollzug untergebracht und hält sich seit 17.10.2016 im Bezirkskrankenhaus … Maßregelvollzugseinrichtung, auf. Das Bezirkskrankenhaus … beantragte unter dem 27.03.2024 (Bl. 1/7 d.A.) die Genehmigung einer medikamentösen Zwangsbehandlung in Form der intramuskulären Verabreichung von 10 mg Haloperidol pro 24 Stunden und – bei Verträglichkeit – eine entsprechende Depotgabe im vierwöchigen Rhythmus. Zur Begründung führte das Bezirkskrankenhaus aus, dass bei dem Betroffenen eine paranoide Schizophrenie sowie eine Alkoholabhängigkeit (derzeit Abstinenz aufgrund der beschützenden Umgebung) bestünden. Die schizophrene Symptomatik äußere sich in erheblichen Störungen des formalen Denkens, sodass der Gedankengang zerfahren, weitschweifig und assoziativ gelockert sei. Dies manifestiere sich wiederum in einer zerfahrenen, weitschweifigen Sprache und Logorrhoe. Das inhaltliche Denken sei geprägt von Wahnwahrnehmungen, Wahneinfällen und Wahngedanken, die sich zu einem umfassend systematisierten Wahn formieren würden. Vordergründig bestehe insbesondere ein querulatorischer Wahn, welcher sich in dem kontinuierlichen Verfassen von Beschwerden und der wiederholten Erstattung von Anzeigen äußere. Darüber hinaus liege ein Beziehungswahn vor, der den Betroffenen dazu veranlasse, jegliche aktuellen Nachrichten in Bezug zu seiner eigenen Person, seiner eigenen Unterbringung und den vermeintlich von ihm aufgedeckten Affären zu setzen. Ferner persistiere ein Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn, auf dessen Basis der Betroffene permanent der Ansicht sei, man arbeite gegen ihn. Er zeige gegenüber den Behandlern ein sehr großes Misstrauen und interpretiere jegliches Verhalten des Personals als gegen ihn gerichtete Handlung. Schlussendlich bestehe ein Größenwahn, welcher sich insbesondere in einem Gefühl der intellektuellen Überlegenheit manifestiere. Die Wahndynamik sei durchweg hoch. Insbesondere bei Unterbrechung der Darstellungen des Betroffenen oder bei Äußerung von Zweifeln an seinen Schilderungen reagiere der Betroffene aufgebracht und verärgert. Er drohe entweder mit Beschwerden und Anzeigen oder beende seinerseits abrupt das Gespräch. Psychomotorisch erscheine der Betroffene antriebsgesteigert, manieriert und theatralisch im Sinne eines unnatürlichen Auftretens sowie einer äußerst eloquenten, stilisierten, oft jedoch deplatzierten Sprache, welche das Ziel verfolge, dem Gegenüber zu imponieren. Der Betroffene habe keinerlei Krankheitseinsicht und lehne die Einnahme jeglicher Psychopharmaka konsequent und dezidiert ab, sodass die wiederholten Versuche, ihn von der Notwendigkeit einer psychopharmakologischen Behandlung zu überzeugen, ihn ärztlich über Art, Dauer und Erfolgsaussichten sowie Risiken der indizierten Medikation aufzuklären und auf Basis dessen eine freiwillige Zustimmung zu bewirken, gescheitert seien. Andere Formen der therapeutischen Intervention hätten fehlgeschlagen, denn infolge der Denkstörungen und der hohen Wahndynamik sowie der großen psychomotorischen Spannungen sei der Patient nicht therapiefähig. Aufgrund der Schwere der Erkrankung sei auch nicht mit einer Spotanremission zu rechnen. Somatisch sein keinerlei Fortschritte erkennbar. Während des gesamten Aufenthalts im Bezirkskrankenhaus … habe der Betroffene die unzweifelhaft erforderliche medikamentöse Behandlung verweigert. Eine Psychotherapie sei zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise durchführbar gewesen. Ein geordnetes Gespräch über wenige Minuten sei nicht möglich.
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Die medizinische Prognose sei negativ, da die schwere psychische Erkrankung angesichts der fehlenden Krankheitseinsicht, der fehlenden Behandlungsbereitschaft sowie der fehlenden psychopharmakologischen Therapie nicht behandelt werden könne. Die Kriminalprognose sei weiterhin negativ. Wenn der Betroffene entlassen würde, würde er sehr zeitnah wieder Alkohol trinken, wodurch die Hemmschwelle gesenkt würde und mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten zu erwarten wären, welche hinsichtlich Art und Schwere dem Anlassdelikt ähneln und die Opfer entweder direkt körperlich oder seelisch schädigen oder zumindest in die Gefahr einer körperlichen oder seelischen Schädigung bringen würden. Zuletzt sei es am 13.03.2023 im Rahmen einer Zimmerkontrolle zu einem Übergriff auf das Personal gekommen. Zunächst habe der Betroffene den Anschein der Kooperationsbereitschaft signalisiert und die ersten Minuten seien unproblematisch verlaufen. Kurze Zeit später sei es jedoch zu einer raptusartigen, nicht vorhersehbaren massiven Attacke gegen einen Mitarbeiter gekommen, dem der Betroffene mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Der Mitarbeiter sei zu Boden gegangen. Dort habe sich der Betroffene auf ihn geworfen und den am Boden Liegenden mit Faustschlägen traktiert. Einem weiteren Mitarbeiter sei es nur unter energischem Aufwand gelungen, den Betroffenen von dem Kollegen wegzuzerren. Hierbei habe der Betroffene noch auf den am Boden Liegenden eingetreten. Der Mitarbeiter habe durch die Schläge starke Schmerzen sowie eine massive Rötung/Schwellung in der linken Gesichtshälfte sowie Kopfschmerzen erlitten. Am 29.06.2023 habe der Betroffene unvermittelt einem Mitpatienten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dem sei ein von dem Betroffenen provozierter Streit vorausgegangen. Die Zwangsbehandlung diene dem Zweck, die Entlassungsfähigkeit des Betroffenen herzustellen. Aus Sicht der Klinik seien alle weniger einschneidenden Maßnahmen erschöpft, um den Betroffenen in einen Zustand zu versetzen, in welchem er selbstständig, reflektiert und sachlich über die weiterführende Einnahme von Psychopharmaka entscheiden und weitere Behandlungsschritte durchführen könne. Weiter diene die Zwangsbehandlung dazu, eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit anderer Personen in der Einrichtung abzuwehren, da es in der Vergangenheit immer wieder körperliche Übergriffe auf Mitpatienten und das Personal gegeben habe. Ein Aufklärungs- und Überzeugungsversuch im eigentlichen Sinne sei mit dem Betroffenen nicht möglich. Das Amtsgericht … bestellte dem Betroffenen die Berufsbetreuerin … als Verfahrenspflegerin und erholte mit Beschluss vom 02.04.2024 (Bl. 11/12 d.A.) ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme.
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Die Sachverständige Dr. med. …, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Elchingen, erstattete ihr psychiatrisches Gutachten unter dem 03.04.2024 (Bl. 15/30 d.A.) und führte aus, dass der Betroffene an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leide. Es handele sich um eine chronifizierte Schizophrenie mit nach wie vor akuter Exazerbation. Unbehandelt müsse von einer weiteren Verschlechterung der Erkrankung mit zunehmender weiterer Chronifizierung ausgegangen werden. Wenn der Betroffene nicht behandelt werde, sei von einer weiteren negativen Beeinflussung der Neurotransmittersysteme auszugehen, sodass die Wahrscheinlichkeit von „Rebound-Psychosen“ erhöht werde. Dies bedeute eine Verschlechterung der Grunderkrankung. Zudem bestehe die konkrete Gefahr, dass der Betroffene im Rahmen einer unbehandelten Schizophrenie weiterhin wahnkonsequent fremdaggressiv agiere und dabei Abwehrreaktionen Dritter zu erwarten seinen, bei denen der Betroffene ebenfalls zu Schaden kommen würde. Aus medizinischer Sicht sei darüber hinaus die Genehmigung einer Fünfpunktfixierung zum Zwecke der Injektion des Neuroleptikums für die Dauer der Zwangsmedikation erforderlich. Anderenfalls sei davon auszugehen, dass die Applikation des Medikaments aufgrund zu erwartender Gegenwehr nicht sachgemäß durchgeführt werden könne. Der Betroffene könne insoweit krankheitsbedingt seinen Willen nicht mehr frei bilden. Es sei sinnvoll, das Medikament ausreichend lange, nämlich für zwölf Wochen, zu verabreichen und im Anschluss eine möglichst freiwillige Einnahme zu erreichen. Bei medizinischem Erfolg würde der Betroffene seine Umgebung nicht mehr ständig konflikthaft erleben und könnte zu mehr Ausgeglichenheit sowie innerer Ruhe finden. Perspektivisch wäre wieder ein annähernd normales Leben zu erwarten. Zunächst stehe jedoch die Behandlung im Maßregelvollzug im Vordergrund, die ohne Medikation nicht durchgeführt werden könne. Ohne eine neuroleptische Medikation drohe eine deutliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Betroffenen. Längerfristig wäre dann nur eine dauerhafte freiheitsentziehende Unterbringung möglich, was zu einer völligen sozialen Isolation führen würde. Die zwangsweise Unterbringung alleine würde insoweit nicht ausreichen. Der Betroffene könne auch im Rahmen der Unterbringung wahnkonsequent aggressive Impulse ausagieren und dann von ebenfalls psychisch kranken Menschen deutliche Abwehrreaktionen erhalten, die ihm erheblich schaden könnten. Zudem würde die Psychose auch im Rahmen einer Unterbringung weiter fortschreiten und zunehmend chronifizieren, sodass von einem Fortschreiten der Grunderkrankung ausgegangen werden müsse. Nach Abklingen des akuten Psychoseschubes bestehe die Möglichkeit, dass der Betroffene wieder an den Therapieangeboten teilnehmen könne und dann Perspektiven zu seiner weiteren Versorgung und Behandlung in Gestalt eines selbstbestimmten Lebens entwickelt werden könnten. Der Nutzen der Maßnahme wiege deutlich schwerer als die dadurch zu erwartende Beeinträchtigung. Die intramuskuläre Injektion könne im Allgemeinen zu vorübergehenden Reizungen des Muskelgewebes führen. Es sei jedoch nicht mit schwerwiegenden Gewebeschädigungen zu rechnen.
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Die Sachverständige führte weiter zu möglichen Nebenwirkungen aus und legte dar, dass dem Betroffenen eine erhebliche Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustandes drohe, sofern er keine antipsychotische Medikation erhalte. Der Erfolg, nämlich ein Durchbrechen des Wahns und eine Normalisierung seines verzerrten Realitätsbildes sowie eine verbesserte Krankheit- und Behandlungseinsicht, könnten nur durch die Zwangsbehandlung erreicht werden. Durch eine anschließende freiwillige Medikamenteneinnahme könnte ein nachhaltiger Erfolg erreicht werden. Die Sachverständige empfahl daher die intramuskuläre Injektion von 100 mg Ciatyl-Z Acuphase alle drei Tage und ab Tag neun eine intramuskuläre Injektion von 200 mg Ciatyl-Z Depot alle 14 bis 21 Tage für zwölf Wochen. Das Amtsgericht … gab das Sachverständigengutachten mit Verfügung vom 04.04.2024 (Bl. 31 d. A.) an den Betroffenen und die Verfahrenspflegerin hinaus und bat darum, den Betroffenen zweimal im Abstand von je mindestens 24 Stunden zur freiwilligen Einnahme der von der Sachverständigen empfohlenen Medikation zu bewegen und dies zu dokumentieren. Weiter bat das Gericht das Bezirkskrankenhaus um Mitteilung, ob auch die von der Sachverständigen vorgeschlagenen Fixierung genehmigt werden solle. Der Betroffene teilte unter dem 11.04.2024 (Bl. 33/38 d.A.) mit, dass die Bestellung der Verfahrenspflegerin fehlerhaft erfolgt sei, da das Amtsgericht … unzuständig sei. Darüber hinaus habe sich die Verfahrenspflegerin lediglich zehn Minuten vor ihrem Besuch angekündigt. Zur Entscheidung sei nicht das Amtsgericht, sondern die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen. Mit weiteren Schreiben vom 03. bzw. 04.04.2024 (Bl. 39/53 d.A.) legte der Betroffene Schriftverkehr mit dem Bayerischen Landtag sowie mit dem Landgericht Regensburg vor und äußerte unter anderem seinen Unmut über den unangemeldeten Besuch der gerichtlichen Sachverständigen. Darüber hinaus legte der Betroffene Auszüge aus einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 25.10.2023 vor. Das Bezirkskrankenhaus … beantragte unter dem 09.04.2024 (Bl. 54 d.A.) die Genehmigung einer Fünfpunktfixierung für die Dauer der Medikamentengabe. Mit Schriftsatz vom 04.04.2024 (Bl. 56 d.A.) änderte das Bezirkskrankenhaus … seinen Antrag nach Rücksprache mit der gerichtlichen Sachverständigen dahingehend ab, dass die Genehmigung einer Zwangsmedikation mit zunächst 100 mg Ciatyl-Z Acuphase intramuskulär und dann 200 mg Ciatyl-Z Depot intramuskulär alle zwei bis vier Wochen für den Zeitraum von zwölf Wochen beantragt werde.
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In weiteren Schreiben vom 10. und 11.04.2024 (Bl. 57/64 d.A.) beklagte sich der Betroffene erneut über die Bestellung der Verfahrenspflegerin … und beantragte, seine derzeitige Pflichtverteidigerin Rechtsanwältin …, zur Verfahrenspflegerin zu bestellen. Die Verfahrenspflegerin … nahm unter dem 17.04.2024 (Bl. 65/66 d.A.) dahingehend Stellung, dass sie versucht habe, den Betroffenen am 11.04.2024 und 16.04.2024 nach rechtzeitiger telefonischer Ankündigung ihrer Besuche von der freiwilligen Einnhme der Medikamente zu überzeugen. Hierbei habe der Betroffene mitgeteilt, dass er die Verfahrenspflegerin nicht akzeptieren werde, da der Bestellungsbeschluss aufgrund Unzuständigkeit des … Gerichts nicht ordnungsgemäß sei. Bei dem zweiten Besuch habe der Betroffene ein Gespräch mit der Verfahrenspflegerin verweigert und diese zum Gehen aufgefordert. Bei beiden Gesprächen habe der Betroffene zerfahren und weitschweifig gewirkt und immer wieder Wahneinfälle sowie Wahngedanken geäußert. Es bestehe keinerlei Krankheitseinsicht. Der Betroffene lehne die Einnahme jeglicher Medikamente und andere Formen der therapeutischen Intervention ab. Aufgrund der inhaltlichen Denkstörungen sowie der hohen Wahndynamik und der großen psychomotorischen Spannung sei der Betroffene nicht therapiefähig und zu keiner freien Willensbildung in der Lage. Die Verfahrenspflegerin befürwortete daher die Anwendung einer Fünfpunktfixierung zur Medikamentengabe sowie die Zwangsmedikation beginnend mit 100 mg Ciatyl-Z Acuphase intramuskulär einmalig zum Erreichen eines ausreichenden Wirkspiegels und anschließend 200 mg Ciatyl-Z Depot intramuskulär alle zwei bis vier Wochen zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Wirkspiegels für einen Zeitraum von zwölf Wochen. Eine andere, weniger einschneidende Maßnahme sei nicht ersichtlich. Weiter teilte die Verfahrenspflegerin mit, dass sie sich vom 01.05.2024 bis 05.06.2024 in Urlaub befinden werde. Rechtsanwältin ..., teilte unter dem 22.04.2024 (Bl. 71 d.A.) mit, dass sie die Verfahrenspflegschaft für den Betroffenen aufgrund der Ortsverschiedenheit zwischen Haftanstalt und Kanzleisitz nicht übernehme.
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Das Amtsgericht … hörte den Betroffenen am 24.04.2024 persönlich an (Vermerk Bl. 76 d.A.). Hierbei rügte der Betroffene die aus seiner Sicht fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts …, da er auf seine Verlegung warte. Zum Begutachtungszeitpunkt sei er aufgrund Fieber nicht begutachtungsfähig gewesen. Er lehne jedwede Medikation ab. Hierbei ginge es nur um seine Ruhigstellung. Wenn seine Verteidigerin die Verfahrenspflegschaft ablehnen würde, wolle er Herrn …. Der ärztliche Leiter der Einrichtung … erklärte im Rahmen der Anhörung, dass es sich bei der Zwangsmedikation um einen neuerlichen Therapieversuch handle.
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Dieser sei jedoch nicht so eilig, dass die Anordnung einer sofortigen Wirksamkeit erforderlich wäre. Der Betroffene übergab der angehörenden Richterin ein mit „abermalige Beschwerde“ überschriebenes Schreiben, in welchem er ausführte, dass die Verfahrenspflegerin … offensichtlich in einem verwandtschaftlichen Verhältnis mit dem Rechtspfleger … aus der Betreuungsabteilung des Amtsgerichts … stehe. Die Sachverständige Dr. med. … gab unter dem 26.04.2024 (Bl. 73/74 d.A.) eine ergänzende Stellungnahme ab und führte aus, dass der Betroffene an dem Untersuchungstag keine Anzeichen von Fieber gezeigt habe. Er sei zu zügiger Fortbewegung in der Lage gewesen und habe sich für die Untersuchung ein frisches Hemd angezogen. Er habe in seinen Ausführungen keinesfalls eingeschränkt, verlangsamt oder ermattet gewirkt, wie es bei einem fieberhaften Infekt zu erwarten gewesen wäre. Das Amtsgericht … bestellte mit Beschluss vom 30.04.2024 (Bl. 77/78 d.A.) den weiteren Beteiligten … zum Verfahrenspfleger und entpflichtete die bisherige Verfahrenspflegerin …. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass sich die bisherige Verfahrenspflegerin längerfristig im Urlaub befinde. Der Verfahrenspfleger … teilte unter dem 02.05.2024 (Bl. 80 d.A.) mit, dass nach aktuellem Stand keine verfahrenspflegerseits zu erhebenden Einwände ersichtlich seien.
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Daraufhin genehmigte das Amtsgericht … mit Beschluss vom 06.05.2024 (Bl. 81/86 d.A.) die Behandlung des Betroffenen gegen dessen Willen mit dem Medikament Ciatyl-Z Acuphase durch intramuskuläre Injektion von je 100 mg alle drei Tage von Tag eins bis Tag neun zum Erreichen eines ausreichenden Wirkspiegels und hiernach jeweils 200 mg Ciatyl-Z Depot in Form einer intramuskulären Injektion jeweils im Abstand von 14-21 Tagen für weitere zwölf Wochen. Darüber hinaus genehmigte das Amtsgericht … eine Fünfpunktfixierung für die Zeit der Durchführung der Injektion. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass es gemäß §§ 138 Abs. 4, 121a StVollzG zur Entscheidung berufen sei. Die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung nach Art. 6 Abs. 3 und Abs. 4 BayMRVG lägen vor. Der Betroffene habe in die beabsichtigte Behandlung nicht eingewilligt. Weiter legte das Amtsgericht … die wesentlichen Feststellungen der Sachverständigen dar und machte sich diese nach Prüfung zu eigen. Insbesondere ergebe sich aus ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen, dass der Betroffene begutachtungsfähig gewesen sei. Die Entlassungsfähigkeit des Betroffenen sei ohne die beabsichtigte Medikation aufgrund des schweren Krankheitsbildes nicht erreichbar. Es bestehe eine konkrete und schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit des Betroffenen, welche sich in dem geschilderten Vorfall vom 13.03.2024 bereits realisiert habe. Mildere Mittel würden keinen Erfolg versprechen. Nach den Ausführungen der Sachverständigen sei sinnvoll, das Medikament ausreichend lange, nämlich für zwölf Wochen, zu verabreichen. Auch die Notwendigkeit einer Fünfpunktfixierung während der Gabe des Neuroleptikums habe die Sachverständige dargelegt. Ohne Fixierung sei die Zwangsbehandlung nicht durchführbar. Von der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit sah das Amtsgericht … ab. Dieser Beschluss wurde am 06.05.2024 an den Betroffenen zur Post gegeben.
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Der Verfahrenspfleger teilte unter dem 15.05.2024 (Bl. 88/89 d.A.) mit, dass der Betroffene untergebracht sei und den Regelungen des BayMRVG unterliege. Entgegen dessen Auffassung sei das Amtsgericht … zuständig. Eine freiwillige Behandlung scheide aus. Der Betroffene lehne seit Jahren beständig jedwede medikamentöse Behandlung ab. Nach den Feststellungen der Sachverständigen lägen die medizinischen Voraussetzungen einer Zwangsmedikation vor. Hinsichtlich des Zustandekommens und der Verwertbarkeit des Gutachtens seien keine Bedenken zu erheben. Die Gutachterin habe nachvollziehbar dargelegt, dass der Betroffene begutachtungsfähig gewesen sei. Bezüglich der Fremdgefährlichkeit des Betroffenen bestünden angesichts der Vorfälle vom 29.06.2023 und 13.03.2024 keine Zweifel. Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayMRVG seien daher eröffnet. Medizinische Alternativen bestünden nicht. Das Medikament sei bei dem Betroffenen gemäß Erfahrungen in der Vergangenheit verträglich. Die möglichen Nebenwirkungen und die sonstigen Beeinträchtigungen seien dargelegt. Es würde jedoch der Nutzen diese deutlich überwiegen. Die Zwangsmedikation sei nach alledem geeignet, das Behandlungsziel zu erreichen. Die Abwägung des Gerichts begegne insoweit keinen Bedenken. Das Gutachten sei dem Betroffenen deutlich vor der richterlichen Anhörung übersandt worden. Nach Aktenlage sei zudem klar nachvollziehbar, dass alle Aufklärungs- und Überzeugungsversuche an dem Betroffenen abprallen würden, da er diese nicht zur Kenntnis nehme bzw. abbreche. Darüber hinaus seien Überzeugungsversuche hinsichtlich einer freiwilligen Behandlung dokumentiert. Auch bezüglich der Fixierung bestünden keine Einwände. Es sei davon auszugehen, dass der Betroffene die Zwangsmedikation durch Gegenwehr zum Scheitern bringen würde. Dies würde zu einer weiteren Selbstgefährdung des Betroffenen führen. Zudem sei durch Gegenwehr eine Selbstverletzungsgefahr gegeben. Ein Verfahrenspfleger sei bestellt worden, ein Gutachten eines externen Sachverständigen liege vor und der Betroffene sei angehört worden. In der Beschlussformel seinen Art der Behandlung, Medikament, Dosierung sowie Verabreichungsintervall, die Dauer der Genehmigung und die Dokumentationspflicht beschrieben. Die voraussichtlich erforderliche Dauer der Zwangsmedikation sei in dem Gutachten mit zwölf Wochen bestimmt. Eine Zwangsmedikation sei allerdings gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 4 BayMRVG maximal für zwölf Wochen zulässig. Der erlassene Beschluss genehmige eine Medikation von Tag eins bis Tag neun und hiernach für weitere zwölf Wochen, sodass die zulässige Höchstdauer überschritten sei. Möglicherweise handele es sich insoweit um ein Schreibversehen. Jedenfalls sei der Beschluss zu beschränken. Daraufhin änderte das Amtsgericht … den Beschluss vom 06.05.2024 mit Beschluss vom 21.05.2024 (Bl. 90/92 d.A.) dahingehend ab, dass die medizinische Behandlung des Betroffenen für insgesamt maximal zwölf Wochen ab Behandlungsbeginn genehmigt werde in Form der Behandlung mit dem Medikament Ciatyl-Z Acuphase intramuskulär je 100 mg alle drei Tage von Tag eins bis Tag neun zum Erreichen eines ausreichenden Wirkspiegels und hiernach jeweils 200 mg Ciatyl-Z Depot intramuskulär im Abstand von jeweils 14 bis 21 Tagen bis zum Erreichen der Behandlungshöchstdauer von insgesamt zwölf Wochen. Zur Begründung verwies das Amtsgericht auf die Einwendungen des Verfahrenspflegers.
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Mit Schreiben vom 30.05.2024, beim Amtsgericht … eingegangen per Telefax am 31.05.2024 (Bl. 96/112 d.A.), legte der Betroffene „(Vorab-)Beschwerde“ gegen den Beschluss vom 06.05.2024 ein und monierte, dass die bisherige Verfahrenspflegerin keine juristische Qualifikation gehabt habe. Darüber hinaus sei das Amtsgericht örtlich unzuständig. Es sei die Strafkammer des Landgerichts Regensburg zur Entscheidung berufen. Der neue Verfahrenspfleger … habe einen erbetenen Rückruf unterlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen. Das Amtsgericht … entschied mit Beschluss vom 12.06.2024 (Bl. 113/114 d.A.), der Beschwerde des Betroffenen nicht abzuhelfen und die Akte dem Landgericht Memmingen zur Entscheidung vorzulegen. Das Beschwerdegericht wies mit Verfügung vom 21.06.2024 (Bl. 122 d.A.) darauf hin, dass bislang keine formgerechte Zustellung der Beschlüsse vom 06.05.2024 und 21.05.2024 an den Betroffenen erfolgt sein dürfte. Dies holte das Amtsgericht in der Folge nach, sodass dem Betroffenen beide Beschlüsse ausweislich der bei der Akte befindlichen Postzustellungsurkunden am 01.07.2024 zugestellt wurden. Mit Schreiben vom 04.07.2024, beim Amtsgericht … gegangen per Telefax am selben Tage (Bl. 126/127 d.A.), beantragte der Betroffene die Entpflichtung des Verfahrenspflegers … und legte abermals Beschwerde ein gegen die Zwangsmedikation. Er habe nunmehr Rechtsanwältin … überzeugt, der Übernahme der Verfahrenspflegschaft doch zuzustimmen. Mit Schreiben vom 17.06.2024, beim Amtsgericht … eingegangen per Telefax am 20.06.2024, forderte der Betroffene erneut, die Zwangsmedikation zu stoppen und die Sache der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vorzulegen.
II.
11
Die statthafte (§ 58 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
12
Zur Begründung wird auf die zutreffenden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Erwägungen des Amtsgerichts … aus den angegriffenen Beschlüssen vom 06.05.2024 und 21.05.2024 Bezug genommen, welche sich die Beschwerdekammer nach Prüfung vollumfänglich zu eigen macht.
13
Ergänzend ist festzuhalten, dass das Amtsgericht … für die Genehmigung der beantragten Zwangsmedikation zuständig war. Soweit nach den Maßregelvollzugsgesetzen der Länder eine Maßnahme – wie hier gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayMRVG – der vorherigen gerichtlichen Genehmigung bedarf, richtet sich das gerichtliche Verfahren gemäß §§ 138 Abs. 4, 121b Abs. 1 Satz 1 StVollzG nach dem FamFG. Die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 4 FamFG anzuwendenden Bestimmungen gelten entsprechend (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2023, XII ZB 232/21). Über die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde hat gemäß § 121b Abs. 1 Satz 3 StVollzG das Landgericht zu entscheiden. Nach dem richterlichen Geschäftsverteilungsplan ist hierfür die 4. Zivilkammer und nicht die Strafvollstreckungskammer zuständig.
14
Das Amtsgericht … hat bei Erlass der in Rede stehenden Entscheidungen vollumfänglich wie auch zutreffend herausgearbeitet, dass die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsmedikation gegeben sind. Dies hat auch der Verfahrenspfleger … nochmals ausführlich dargelegt. Weiter haben das Amtsgericht und der Verfahrenspfleger ausführlich begründet, dass der Betroffene zum Begutachtungszeitpunkt begutachtungsfähig war. Das Beschwerdegericht macht sich diese Feststellungen nach Prüfung vollumfänglich zu eigen.
15
Soweit sich der Betroffene bereits im laufenden Verfahren gegen die Bestellung der Verfahrenspflegerin … bzw. des Verfahrenspflegers … gewandt hat, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht selbstständig anfechtbar ist (§ 317 Abs. 7 FamFG). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die dem Betroffenen gestellten Verfahrenspfleger nicht geeignet gewesen wären, die ihnen nach § 317 FamFG obliegenden Aufgaben zu erfüllen. Vielmehr ist der Beschwerdekammer sowohl hinsichtlich der Verfahrenspflegerin … als auch hinsichtlich des Verfahrenspflegers Rechtsanwalt … bekannt, dass diese die fachliche und persönliche Eignung zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben besitzen. Soweit der Betroffene die Übernahme der Verfahrenspflegschaft durch Rechtsanwältin … wünschte, hat das Amtsgericht – überobligatorisch – bei dieser angefragt, ob sie bereit sei, die Verfahrenspflegschaft zu übernehmen. Dies wurde jedoch verneint. Die nicht belegte Behauptung des Betroffenen, dass Rechtsanwältin … nunmehr zur Übernahme bereit sei, ist kein ausreichender Grund für die Bestellung eines neuen Verfahrenspflegers. Zweifel an der Eignung des Verfahrenspflegers … ergeben sich hierdurch nicht.
16
Der Beschwerde war nach alledem der Erfolg zu versagen.
III.
17
Nachdem die Beschwerde von dem Betroffenen eingelegt wurde, verzichtet die Kammer auf eine Kostenentscheidung nach § 84 FamFG (vgl. § 25 Abs. 2 GNotKG).
18
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2 und Abs. 3 GNotKG.