Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.03.2024 – 1 ZB 22.321
Titel:

Rückbauanordnung nach Duldung eines Gebäudes für Zwecke der Fischhaltung

Normenketten:
BayVwZVG Art. 36
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz:
In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal des „Dienens“ iSv § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist für die Frage, ob ein Gebäude für Zwecke der Fischhaltung genutzt wird, nicht der behauptete Zweck des Gebäudes maßgeblich, sondern entscheidend ist seine wirkliche Funktion nach den objektiven Gegebenheiten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fälligstellung eines Zwangsgelds, Erneute Zwangsgeldandrohung, Auslegung der Begrifflichkeiten in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, Duldungsvereinbarung, Dienen, Gesamtbetrachtung der objektiven Umstände, Ungleichbehandlung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.09.2021 – M 29 K 19.3107
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4443

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes sowie eine weitere Zwangsgeldandrohung.
2
Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung G., das mit einem eingeschossigen Gebäude mit Walmdach und breit geschwungener Schleppgaube bebaut ist. Der Kläger schloss am 18./24. Januar 2006 mit dem Beklagten einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Duldung von drei Hütten auf dem damals noch ungeteilten Grundstück FlNr. … Hinsichtlich des streitgegenständlichen Gebäudes verpflichtete sich der Beklagte, „die als Schafunterstand und Heuhütte bezeichnete Hütte für Zwecke der Fischhaltung“ zu dulden. Der Kläger verpflichtete sich, die drei Hütten nach der Aufgabe der geduldeten Nutzung auf seine Kosten innerhalb von drei Monaten abzubrechen. Für den Fall nicht fristgerechter oder nicht vollständiger Erfüllung wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro angedroht. Weiter unterwarf sich der Kläger der sofortigen Vollstreckung.
3
Nachdem bei mehreren Ortsterminen festgestellt wurde, dass die „Fischerhütte“ u.a. mit einer Einbauküche, einem Badezimmer mit Eckbadewanne, einem Kamin und Stuckelementen sowie das Zugangstor zur Fischerhütte mit Briefkasten, Klingel und Mülltonnenbehältnis ausgestattet ist, hat das Landratsamt den Kläger aufgefordert, die für Zwecke der Fischhaltung geduldete Hütte bis zum 31. Oktober 2018 abzubrechen. Da der Kläger dem nicht nachkam, stellte das Landratsamt das im öffentlich-rechtlichen Vertrag angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000 Euro fällig. Zudem drohte es ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro an, falls der Kläger der Verpflichtung zum Abbruch der Hütte nicht innerhalb von acht Wochen nachkommt.
4
Das Verwaltungsgericht hat die auf Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie gegen die erneute Zwangsgeldandrohung gerichtete Klage abgewiesen. Die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag ergebende Verpflichtung zur Beseitigung der Fischerhütte sei entstanden, da die aufschiebende Bedingung einer Nutzungsaufgabe des Gebäudes „für Zwecke der Fischhaltung“ eingetreten sei. Nach Durchführung des Augenscheins sei die Kammer davon überzeugt, dass die Hütte des Klägers nicht mehr für Zwecke der Fischhaltung genutzt werde, mithin nicht mehr der Fischhaltung diene. In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Privilegierung eines landwirtschaftlichen Vorhabens müsse ein Vorhaben nach Beschaffenheit, Gestaltung und Ausstattung durch die so umrissene Zuordnung auch äußerlich erkennbar geprägt werden. Das Gebäude des Klägers entspreche sowohl in seinem äußeren Erscheinungsbild als auch hinsichtlich seiner Ausgestaltung einem Wohngebäude. Sowohl Küche als auch Badezimmer seien großzügig ausgestattet. Das gesamte Erscheinungsbild sei nicht – erst recht nicht ausschließlich – nach den Gesichtspunkten ausgerichtet, die sich allein aus den konkreten Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Fischhaltung ergeben würden. Fehle es bereits an der äußerlichen erkennbaren Prägung, komme es nicht mehr darauf an, dass der Kläger Gerätschaften und Futtermittel für die Fischerei unterbringe und damit die Hütte (auch) für Zwecke der Fischhaltung verwende.
5
Für das Vorbringen der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze verwiesen; im Übrigen wird Bezug auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
7
Die Zulassungsbegründung zeigt keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal des „Dienens“ im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorgenommenen Auslegung der maßgeblichen Bestimmung im öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Duldung des Gebäudes für Zwecke der Fischhaltung auf. Die Ausführungen in der Zulassungsbegründung, dass hier eine andere Beurteilung geboten sei, da das Landratsamt das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits errichtete Gebäude in seiner äußeren Gestalt geduldet habe, rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zwar hat das Landratsamt das Gebäude in seiner äußeren Dimensionierung hingenommen. Daraus folgt aber nicht, dass das Gebäude – soweit es nicht für den Fischereibetrieb benötigt wird – zu anderen Zwecken ausgebaut und genutzt werden kann, zumal auch nach dem Vortrag des Klägers das Gebäude im Zeitpunkt des Abschlusses des öffentlichen Vertrages noch nicht ausgebaut war.
8
In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Merkmal des „Dienens“ im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist für die Frage, ob das Gebäude für Zwecke der Fischhaltung genutzt wird, nicht der behauptete Zweck des Gebäudes maßgeblich, sondern entscheidend ist seine wirkliche Funktion nach den objektiven Gegebenheiten (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 – 4 B 254.92 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 12.10.20023 – 1 ZB 23.688 – juris Rn. 12). Hiervon ausgehend kam das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis, dass das Gebäude nicht (mehr) im Sinn der vereinbarten Duldungsvereinbarung genutzt wird. Nach der vom Verwaltungsgericht vorgenommen Gesamtschau anhand der objektiven Umstände, die durch die im Zulassungsverfahren vom Kläger vorgelegten Lichtbilder eindrucksvoll bestätigt wird, handelt es sich um ein Gebäude, dass nach objektiven Gesichtspunkten – insbesondere Raumaufteilung, Belichtung, baulicher Ausstattung – vorwiegend zu Aufenthaltszwecken zu dienen bestimmt ist. Das Gebäude stellt sich nach seiner gesamten baulichen Ausgestaltung (haustechnische Einrichtungen und ausgebautes Dachgeschoss) als ein Wohngebäude bzw. ein hochwertiges Wochenendhaus dar. Für die Frage, welchem Zweck das Gebäude objektiv dient, ist die aktuelle Ausstattung mit Mobiliar allein nicht entscheidend, sodass auch der Vortrag, es bestehe keine Schlafgelegenheit, irrelevant ist. Dass in Räumlichkeiten, die nur einen geringen Teil der Gesamtfläche des Gebäudes einnehmen, auch Gegenstände der Fischerei aufbewahrt werden, macht das Gebäude nicht zu einer Fischerhütte im Sinn der geduldeten Nutzung. Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger – nach Ablauf der Begründungsfrist – vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme. Denn diese berücksichtigt nicht den anzulegenden rechtlichen Maßstab. Entscheidend ist nicht, ob die Räumlichkeiten auch zu Fischereizwecken genutzt werden können, sondern ausschlaggebend ist das wesentliche Gepräge des Gebäudes. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der objektiven Umstände überwiegt hier jedenfalls eine wohnähnliche Nutzung; eine zu einem geringen Teil gegebenenfalls auch vorliegende Nutzung zu Fischereizwecken fällt dagegen nicht ins Gewicht, sodass die in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbarte Bedingung für die Beseitigung des Gebäudes eingetreten ist. Für den Vortrag, dass sich in dem vormals auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude ebenfalls eine Küche mit Essecke, Zimmer und Abstellraum befunden haben soll, wird eine Relevanz für das hiesige Verfahren nicht aufgezeigt.
9
Soweit das Zulassungsvorbringen eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf andere illegale Nutzungen in der näheren Umgebung geltend macht, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach eine Ungleichbehandlung bereits deshalb ausscheide, da sich der Kläger selbst durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Beseitigung verpflichtet habe. Auch im Hinblick auf das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. …7 ist eine Ungleichbehandlung für die streitgegenständlichen Vollstreckungsmaßnahmen nicht dargelegt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag hinsichtlich der einzelnen Hütten differenzierende Regelungen getroffen wurden. Im Übrigen hat das Landratsamt nach dem Vortrag des Klägers auch diesbezüglich Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet, die Gegenstand des Parallelverfahrens vor dem Verwaltungsgericht waren.
10
Mit seinem Vortrag, dass ein Rückbau unverhältnismäßig sei, da als milderes Mittel auch eine Nutzungsuntersagung oder eine teilweise Umgestaltung in Betracht komme, wendet sich der Kläger in der Sache gegen die im öffentlich-rechtlichen Vertrag vereinbarte Grundverpflichtung, ohne damit aufzuzeigen, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag, dem bereits ein weitgehendes Entgegenkommen gegenüber dem Kläger zu Grunde lag, insoweit unwirksam ist.
11
Dem Vortrag, wonach dem Kläger trotz mehrfacher Anträge vom Landratsamt sowie vom Verwaltungsgericht Einsicht in die Fahrtenbücher und Stundenaufzeichnungen der Baukontrolleure verweigert worden sei, fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den Beschlüssen des Verwaltungsgerichts, in denen es die Beiziehung dieser Unterlagen abgelehnt hat.
12
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
13
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).