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AG Augsburg, Urteil v. 17.07.2024 – 9 Ds 309 Js 110435/24
Titel:

Tätlicher Angriff auf Mitarbeiter einer Sicherheitswacht

Normenkette:
StGB § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 2
Leitsatz:
Handelt es sich bei den vom Täter angegriffenen Mitarbeitern einer Sicherheitswacht weder um Personen, die die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben, noch um solche, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind, ist der Straftatbestand des tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, gem. §§ 115 Abs. 2, 114 Abs. 1 StGB nicht verwirklicht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vollstreckungsbeamter, Sicherheitswacht, Angriff, tätlicher Angriff
Rechtsmittelinstanzen:
LG Augsburg, Urteil vom 05.11.2024 – 2 NBs 309 Js 110435/24
BayObLG, Beschluss vom 10.03.2025 – 206 StRR 75/25
Fundstelle:
BeckRS 2024, 44082

Tenor

1. Der Angeklagte
A,
geb. am ... in A, ledig, Außenposten bei der D. Bahn, Staatsangehörigkeit(en):, derzeit: Justizvollzugsanstalt A.-G. ..., zuletzt wohnhaft:
ist schuldig der versuchten Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung.
2. Er wird unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 09.01.2024, Az.: zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.
3. Dem Angeklagten wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge aller Art auf öffentlichen Straßen zu führen.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Entscheidungsgründe

I.
Persönliche Verhältnisse:
1
Der am) geborene, ledige und kinderlose Angeklagte floh im Alter von 15 Jahren in die Türkei, wo er ein Jahr lang zur Unterstützung seiner Familie arbeitete. 2017 kam er nach Deutschland. Nachdem er die ohne Abschluss verlassen hatte, war er etwa zwei Jahre lang als Security tätig. Anschließend verlegte er Solarplatten auf Dächern. Nach Schließung des Unternehmens arbeitete der Angeklagte bis zu seiner Inhaftierung einen Monat lang über die .
2
2018 begann der Angeklagte mit dem Konsum von Marihuana. Seit zwei Jahren nimmt er gelegentlich, weniger als einmal im Monat, Kokain.
3
Der Auszug aus dem Bundeszentralregister des Angeklagten vom 15.07.2024 enthält 4 Eintragungen:
1. 10.08.2020 AG Augsburg (D2102) – Rechtskräftig seit 10.08.2020 Tatbezeichnung: gefährliche Körperverletzung Datum der (letzten) Tat: 29.08.2019 Angewendete Strafvorschriften: StGB § 224 Abs. 1 Nr.4, § 223 Abs. 1, JGG § 15, § 10
Erbringung von Arbeitsleistungen.
Richterliche Weisung.
Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen: 1W.
2. 06.04.2022 AG Augsburg (D2102) – Rechtskräftig seit 06.04.2022 Tatbezeichnung: vorsätzliches unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 3 Fällen Datum der (letzten) Tat: 21.07.2021 Angewendete Strafvorschriften: StGB § 53, BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr.1, JGG § 15 Geldauflage.
3. 01.02.2023 AG Augsburg (D2102) – Rechtskräftig seit 09.02.2023 Tatbezeichnung: versuchte gefährliche Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen Datum der (letzten) Tat: 02.07.2022 Angewendete Strafvorschriften: StGB § 224 Abs. 1 Nr.2, § 22, § 23 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 52, § 56 10 Monate Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahre.
Strafaussetzung widerrufen.
4. 09.01.2024 AG Augsburg (D2102) – Rechtskräftig seit 17.01.2024 Tatbezeichnung: vorsätzl. Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag Datum der (letzten) Tat: 08.07.2023 Angewendete Strafvorschriften: StGB § 44, PflVG § 1, § 6 Abs. 1 2 Monate Freiheitsstrafe. 1 Monat Fahrverbot.
4
Dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 09.01.2024, Az., liegt folgender Sachverhalt zugrunde.:
Der Angeklagte fuhr am 08.07.2023 gegen 21:05 Uhr mit dem haftpflichtversicherungspflichtigen Elektrokleinstfahrzeug Xiaomi auf der 8... A., obwohl für das Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen war.
Dies wusste der Angeklagte.
Ein am 08.07.2023 um 21:50 Uhr bei dem Angeklagten durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,27 mg/l.
Die Tat wurde bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen.
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Zur Strafzumessung führte das Gericht Folgendes aus:
I.
Strafrahmen
Der Strafrahmen war § 6 Abs. 1 PflVG zu entnehmen, welcher eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr vorsieht.
II.
Strafzumessung im Einzelnen
Das Gericht wertete zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis sowie, dass es sich um eine Spontantat und um eine relativ kurze Fahrtstrecke gehandelt hatte. Zulasten des Angeklagten war jedoch zu sehen, dass die Fahrt absolut überflüssig (reine Spaßfahrt) gewesen war, dass der Angeklagte in offener Bewährung handelte und eine erhebliche Rückfallgeschwindigkeit aufwies.
Unter Würdigung der Vorstrafen des Angeklagten war insbesondere die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich, § 47 Abs. 1 StGB.
Nach Gesamtabwägung dieser Umstände hielt das Gericht eine Freiheitsstrafe von 2 Monaten für tat- und schuldangemessen.
III.
Fahrverbot
Die Tat wurde bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen. Es handelte sich zudem um eine Vorsatztat. Aus diesem Grund hielt es das Gericht für angezeigt, ein Fahrverbot von 1 Monat gegen den Angeklagten zu verhängen.
IV.
Keine Strafaussetzung zur Bewährung
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte vorliegend nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Sozialprognose des Angeklagten ungünstig ist, § 56 Abs. 1 StGB. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass sich der Angeklagte die vorliegende Verurteilung würde zur Warnung dienen lassen keine weiteren Straftaten zu begehen.
Die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe im Verfahren wurde dem Angeklagten mit Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 26.10.2023 widerrufen, da dieser gröblich und beharrlich gegen die Auflage gemeinnützige Hilfsdienste zu leisten, verstieß.
Dies deshalb, da er die Tat in offener Bewährung und nicht einmal ein halbes Jahr nach der letzten Verurteilung beging. Vor diesem Hintergrund war eine Strafaussetzung zur Bewährung zu verneinen.
II.
Sachverhalt:
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Am 11.09.2023 gegen 20:50 Uhr befanden sich der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte
7
L im Parkhaus in der, 8... A., wo sie aufgrund ihres verdächtigen Verhaltens von den Sicherheitswacht-Mitarbeitern und H angesprochen wurden, woraufhin der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte L davonrannten. Kurze Zeit später kehrte der anderweitig Verfolgte L zurück und wurde einer Kontrolle unterzogen. Währenddessen schlich sich der Angeklagte von hinten an sein noch laufendes Fahrzeug. Um ein Wegfahren zu verhindern, ging die Geschädigte H zur Fahrertür. Daraufhin öffnete der Angeklagte die Fahrertür des Pkw und schlug diese gegen das linke Bein der Geschädigten H. Einem zweiten Versuch des Angeklagten, die Fahrertür gegen das Bein der Geschädigten zu schlagen, konnte die Geschädigte ausweichen. Zudem bedachte der Angeklagte die Geschädigte H im Zuge dessen mit der Äußerung „Verpiss dich du Schlampe“, um seine Missachtung auszudrücken. Entgegen des ursprünglich gefassten Tatplans des Angeklagten wurde die Geschädigte H durch den Schlag mit der Autotüre jedoch nicht verletzt.
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Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
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Die Staatsanwaltschaft hält darüber hinaus – soweit erforderlich – wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
III.
Beweiswürdigung:
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1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen insoweit glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung sowie dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
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2. Der Sachverhalt steht fest aufgrund des teilweisen Geständnisses des Angeklagten sowie den glaubhaften Angaben der Zeugen H und PHM B.
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Der Angeklagte gab an, er sei mit seinem Kollegen, dem anderweitig Verfolgten L, unterwegs gewesen, welcher einen in seiner Bauchtasche befindlichen Joint habe rauchen wollen. Als die Mitarbeiter der Sicherheitswacht in ihrer schwarzen Security-Kleidung mit Taschenlampen auf ihn und seinen Kollegen zulaufen seien, seien er und der L davon ausgegangen, dass die Polizei komme. Aus diesem Grund sei der anderweitig Verfolgte L weggerannt und er, der Angeklagte, hinterher. Schließlich seien sie beide zurückgekehrt, da das Auto des Angeklagten noch unverschlossen mit offenen Fenstern dagestanden sei und sich die Bauchtasche des L noch beim Pkw befunden habe. Zudem habe er, der Angeklagte, etwas aus seinem Auto herausholen wollen. Um was es hierbei handle, wolle er nicht sagen. Als er, der Angeklagte zum Auto zurückgekehrt sei, sei sein Kollege mit dem Zeugen L auf der Beifahrerseite und die Zeugin H auf der Fahrerseite gestanden. Um den nicht näher bezeichneten Gegenstand aus seinem Auto herauszuholen, habe er, der Angeklagte, die Fahrertür geöffnet. Dies habe er nicht vorsichtig getan, da er voller Adrenalin gewesen sei. Die Geschädigte H sei nicht im Weg gewesen, sondern habe sich vor dem Auto befunden. Deshalb habe er, der Angeklagte, nicht bemerkt, dass sich der Fuß der Geschädigten in der Nähe der Tür befunden habe. Auch habe er nicht gehört, dass die Geschädigte über Schmerzen geklagt habe. Er habe kurz in sein Auto hineingeschaut und sei dann zur Beifahrerseite herübergegangen. Anschließend sei die Polizei gekommen und habe sein Auto kontrolliert.
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Die Zeugin gab ruhig, detailliert, glaubhaft sowie ohne jeglichen Belastungseifer an, dass sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin der Sicherheitswacht, bekleidet mit einer Uniform in Form eines Polohemds mit bayerischem Wappen und Aufschrift sowie einem Gürtel mit Ausrüstungsgegenständen, mit ihrem Kollegen, Herrn L, auf Streife und hierbei auf dem Rückweg zu ihrem im -Parkhaus geparkten Dienstfahrzeug gewesen sei. Da die Lichter in der Garage ausgefallen seien, hätten sie mit Taschenlampen geleuchtet. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte L seien an der Mauer in der Garage gestanden und abgehauen, nachdem sie die Angehörigen der Sicherheitswacht bemerkt hätten. Währenddessen hätten der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte den Satz „Scheiße, die Bullen“ geäußert. Da der Schlüssel noch im Auto gesteckt sei, hätten sie, die Zeugen H und L, über die Dienststelle einen Streifenwagen angefordert. Während sie auftragsgemäß vor Ort auf die Streife gewartet hätten, sei dem Zeugen L aufgefallen, dass jemand außerhalb des Parkhauses an der Mauer entlanglaufe. Nachdem dieser jemand die Frage, ob er eine der Personen sei, die soeben weggerannt seien, bejaht habe, hätten sie, die Mitarbeiter der Sicherheitswacht, ihn gebeten, nach oben zu kommen und in ihrer Sichtweite auf die Polizei zu warten. Dem sei er nachgekommen. Daraufhin habe sich der Angeklagte angeschlichen und sei zunächst hinter dem Rücken der Zeugin Hgewesen. Er sei immer weiter auf sie, die Zeugin H zugekommen, obwohl diese ihn aufgefordert habe, weiter wegzugehen, und ihm mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet habe. Als sie, die Zeugin H, auf Höhe der Autotür gewesen sei, habe der Angeklagte absichtlich versucht, die Tür mehrfach aufzureißen. Der erste Schlag habe sie erwischt, bei den nächsten Schlägen habe sie ihr Bein zurückziehen können. Der erste Stoß sei kräftig gewesen. Beim zweiten Stoß habe sie der Angeklagte angeschaut. Während er die Scheibe festgehalten habe, habe er die Tür gegen sie, die Geschädigte H, geschoben. Sie sei dann weiter zurückgegangen und nicht verletzt worden, da ihre Hose ihr Bein geschützt habe. Der Angeklagte habe sich ein etwa handgroßes Päckchen aus der Mittelkonsole herausgeholt und sei dann mit diesem weggerannt. Der anderweitig Verfolgte L habe diese Situation ausgenutzt und sich seine Krankenkarte geschnappt. Herr L habe ihn kurzfristig festhalten können, allerdings habe sich der losgerissen und sei wie zuvor der Angeklagte in Richtung davongerannt.
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Der Angeklagte habe sie, die Zeugin H, auch beleidigt. An den genauen Wortlaut könne sie sich nicht erinnern; es sei irgendetwas in Richtung „Schlampe oder Bitch“ gewesen, jedoch nicht genau diese Worte. Zudem habe irgendetwas in die Richtung „Verpiss Dich“ gesagt.
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Die Zeugin H schilderte weiter, dass die PI A.-Süd ihr Dienstherr sei. Die Angehörigen der Sicherheitswacht seien im Auftrag der Polizei unterwegs und für die Sicherheit da. In ihren Aufgabenbereich falle es, mit Jugendgruppen ins Gespräch zu kommen und vor allem auch im Bereich auf die Lautstärke aufzupassen. Die Mitarbeiter der Sicherheitswacht hätten dieselben Rechte, die jeder Bürger habe. Im Rahmen des Jedermann-Festnahme-Rechts dürften sie Personen festhalten, bis die Polizei eintreffe. Darüber hinaus dürften sie Personalien aufnehmen und Pfefferspray verwenden. Zum Durchsuchen von Personen seien sie nicht befugt. Sofern jemand der Aufforderung, seine Personalien anzugeben, nicht nachkomme, dürfen sie keinen unmittelbaren Zwang anwenden, sondern müssten die Polizei zu Hilfe ziehen.
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Der Zeuge L schilderte ruhig, detailliert sowie glaubhaft, dass er und seine Kollegin H als Angehörige der Sicherheitswacht auf dem Rückweg zu ihrem am geparkten Dienstfahrzeug gewesen seien. Da es dunkel gewesen sei, hätten sie die Taschenlampen angemacht. Nachdem die zwei dort zwischen der Mauer und dem Auto befindlichen Herren auf sie aufmerksam geworden seien, seien sie über die Mauer gesprungen und geflüchtet. Dabei hätten sie: „Scheiße, die Bullen kommen“ gerufen. Die Türen des Autos seinen offen gestanden. Auf der Motorhaube seien eine Bauchtasche und eine Krankenkassen-Karte gelegen. Die Dienststelle habe ihn und seine Kollegin gebeten, vor Ort zu warten und nichts anzufassen. Als sie, die Mitarbeiter der Sicherheitswacht, die Umgebung „abgecheckt“ hätten, habe sich der anderweitig Verfolgte L außerhalb der Garage angeschlichen. Der Bitte, nach oben zu kommen, sei dieser nachgekommen, sodass sie zu dritt auf die Streife gewartet hätten. Währenddessen habe der anderweitig Verfolgte Lgeäußert, dass er „etwas dabeigehabt“ habe. Aus der anderen Richtung sei der Angeklagte gekommen, welchen sie zunächst nicht wahrgenommen hätten. Dieser sei der Zeugin H sehr nahe gekommen und habe ihre Aufforderung, stehen zu bleiben, nicht befolgt. Da die Zeugin H quasi im Weg gestanden sei, habe ihr der Angeklagte ruckartig und zügig mit der Autotür gegen das Schienbein geschlagen. Es seien mehrere Schläge gewesen. Er, der neben dem anderweitig Verfolgten Lstehende Zeuge H, hab dies nur aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Der Angeklagte habe ein Päckchen aus der Mittelkonsole herausgeholt und sei geflüchtet. Der anderweitig Verfolgte L habe die Situation ausgenutzt, seine Krankenkarte genommen und versucht, ebenfalls zu flüchten. Er, der Zeuge L, habe versucht, ihn zu festzuhalten; jedoch habe sich Letzterer losreißen können. Bei Eintreffen der Streife sei der Angeklagte zu seinem Auto zurückgekommen und habe wegfahren wollen. Die Streife habe er wohl nicht bemerkt.
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Der Angeklagte habe die Zeugin H beleidigt, allerdings könne er, der Zeuge L, sich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern. Zum Einsatzzeitpunkt hätten er, der Zeuge L, und seine Kollegin ein Polohemd mit der Aufschrift: „Bayerische Sicherheitswacht“ und eine Jacke getragen. Die Angehörigen der Sicherheitswacht hätten polizeilichen Aufgaben und Rechte, allerdings nur in abgeschwächter Form. Sie dürften Identitäten feststellen und Platzverweise aussprechen. Zwangsweise durchsetzen dürften sie dies nicht. Mitarbeiter bei der Sicherheitswacht sei eine ehrenamtliche Tätigkeit, wofür es eine geringe Vergütung gebe.
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Der Zeuge PHM B gab ruhig und glaubhaft an, er sei bei der Sachverhalts-Aufnahme vor Ort nicht dabei gewesen. Der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte L hätten kontrolliert werden sollen, seien jedoch abgehauen. Bei diesen Vorfall sei die Zeugin H verletzt worden. Zudem sei noch ein Betäubungsmitteldelikt hinzugekommen. Er, der Zeuge PHM B, habe die Vorladungen versendet. Bei den Angehörigen der Sicherheitswacht handle es sich um Angestellte der Polizeiinspektion Süd. Diesen würden die Brennpunkte mitgeteilt. Sofern die Sicherheitsleute Hilfe bräuchten, würden sie die Polizei anfunken und eine Unterstützungsstreife zu Hilfe rufen.
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Aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugen H und Lhält das Gericht die Einlassung des Angeklagten, wonach er die Geschädigte beim unvorsichtigen Öffnen der Fahrertür allenfalls unabsichtlich am Fuß erwischt haben könne, für klar widerlegt. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass der Angeklagte die Fahrertür seines Pkws mehrmals in Verletzungsabsicht in Richtung des linken Beins der Geschädigten H schlug. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin H war bereits der erste Stoß kräftig; beim zweiten Mal schlug der Angeklagte die Tür absichtlich gegen den Fuß der Geschädigten und schaute sie hierbei direkt an. Der Zeuge L gab ebenfalls glaubhaft und ohne jeglichen Belastungseifer an, dass der Angeklagte ruckartig und zügig mehrfach mit der Autotür gegen das Schienbein der Geschädigten H geschlagen habe. Der Angeklagte nahm daher zumindest billigend in Kauf, die Geschädigte H durch die Schläge mit der Autotür zu verletzen. Darüber hinaus schilderten die Zeugen H und L beide übereinstimmend und ohne jegliche Belastungstendenz, dass der Angeklagte die Zeugin H beleidigt hat.
IV.
Rechtliche Würdigung:
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Der Angeklagte hat sich durch sein Verhalten der versuchten Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung gem. §§ 223 Abs. 1, Abs. 2, 230 Abs. 2, 185, 194, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB schuldig gemacht.
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Er hat jedoch nicht den Straftatbestand des tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, gem. §§ 115 Abs. 2, 114 Abs. 1 StGB verwirklicht, da es sich bei den Mitarbeitern der Sicherheitswacht weder um Personen handelt, die die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben, noch um solche, die zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind. Gem. Art. 2 SWG unterstützen die Angehörigen der Sicherheitswacht in ihrer Dienstzeit die Polizei bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Straßenkriminalität. Gem. Art. 3 SWG dürfen die Mitarbeiter der Sicherheitswacht Anordnungen und sonstige Maßnahmen für den Einzelfall, die in Rechte anderer eingreifen, nur treffen, wenn sie durch Gesetz dazu besonders ermächtigt sind. Gem. Art. 4, 5 und 6 SWG gehört zu den Aufgaben der Angehörigen der Sicherheitswacht die Befragung von Personen nach deren Wahrnehmung zu tatsächlichen Ergebnissen, die Identitätsfeststellung zur Abwehr einer Gefahr sowie die Platzverweisung. Ausweislich der Angaben der Zeugen H und L sind die Angehörigen der Sicherheitswacht jedoch nicht zur zwangsweisen Durchsetzung ihrer Befugnisse berechtigt; hierfür müsse sie sich der Hilfe der Polizei bedienen. Sie sind primär dafür da, mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Zu Durchsuchungen sind sie ebenfalls nicht befugt. Sie haben lediglich das Jedermanns-Festnahme-Recht und führen nicht etwa eine Dienstwaffe, sondern lediglich am Gürtel eine Taschenlampenhalterung und ein Pfefferspray sowie im Dienstwagen eine Warnweste, ein Notfallset und eine Trillerpfeife sowie ein Funkgerät mit sich. Im Hinblick auf die erhöhte Strafandrohung der §§ 115, 114 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 3 Monaten sind die Tatbestandsvoraussetzungen des tätlichen Angriffs auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, restriktiv auszulegen. Da die Zeugen H und L als Angehörige der Sicherheitswacht abgesehen von Befragung, Identitätsfeststellung und Platzverweisung gerade keine hoheitlichen Befugnisse haben, sondern ihnen lediglich das Jedermanns-Festnahme-Recht zusteht und sie im Übrigen auch nicht zur Ausübung von unmittelbarem Zwang befugt sind, handelt es sich bei ihnen gerade nicht um Personen, die die gleichen Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben.
22
Zudem handelt es sich bei den Zeugen H und L nicht um Personen, die zur Unterstützung bei einer Diensthandlung hinzugezogen wurden. § 115 Abs. 2 StGB erweitert den Anwendungsbereich des § 113 StGB in Anlehnung an § 113 Abs. 3 StGB a. F. auf Personen, die von einem Vollstreckungsbeamten im Sinne des § 113 StGB oder in einem im Abs. 1 genannten Nichtamtsträger zur Unterstützung bei der Diensthandlung hinzugezogen sind. Nicht zugezogen im Sinne des Abs. 2 sind Personen, denen die selbständige Vornahme einer Amtshandlung übertragen worden ist (vgl. MüKo StGB/Bosch StGB § 115 Rn. 8, 9). Da die Zeugen H und Lin diesem Fall nicht unterstützend bei einer Vollstreckungshandlung durch die Polizei tätig waren, sondern vielmehr selbst auf Unterstützung durch eine Polizeistreife warteten, ist der Tatbestand des § 115 Abs. 2 StGB nicht erfüllt.
23
Der Angeklagte war demnach schuldig zu sprechen der versuchten Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung gem. §§ 223 Abs. 1, Abs. 2, 230 Abs. 2, 185, 194, 22, 23 Abs. 1, 52 StGB.
V.
Strafzumessung:
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Der Strafrahmen war § 223 Abs. 1 StGB zu entnehmen, welcher Geldstrafe (5 bis 360 Tagessätze) oder Freiheitsstrafe (1 Monat bis 5 Jahre) vorsieht. Da die Tat im Versuchsstadium stecken geblieben ist, konnte eine Strafrahmenverschiebung gem. § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen werden, sodass der Strafrahmen nunmehr Geldstrafe oder Freiheitsstrafe (1 Monat bis 3 Jahre 9 Monate) beträgt.
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Hinsichtlich der Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten zu werten, dass er zumindest die Beleidigung nicht in Abrede gestellt und dass er sich bei der Geschädigten H entschuldigt hat. Auf der anderen Seite musste jedoch zu seinen Lasten ins Gewicht fallen, dass er bereits mehrfach, teils einschlägig wegen (versuchter) gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist und dass er sich zum Tatzeitpunkt unter offener einschlägiger Bewährung befand.
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Unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt das Gericht für die versuchte Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten für tat- und schuldangemessen.
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Unter nochmaliger Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 09.01.2024, Az., die Verhängung einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten
für tat- und schuldangemessen.
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Gem. § 47 StGB war die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen zwingend geboten. Zur Einwirkung auf den Angeklagten kam die Verhängung von Geldstrafen nicht mehr in Betracht und wäre für das Rechtsempfinden der Allgemeinheit, insbesondere vor dem Hintergrund seiner Vorstrafen sowie des Umstands, dass die gegenständliche Tat unter offener einschlägiger Bewährung begangen wurde, nicht mehr vertretbar gewesen.
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Die Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, da keine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB vorliegt. Der Angeklagte ist bereits mehrfach, teils einschlägig, vorbestraft und befand sich zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung. Darüber hinaus hat er sich als krasser Bewährungsversager erwiesen, da er sowohl die gegenständliche Tat, als auch den dem einbezogenen Urteil vom 09.01.2024 zugrundeliegenden vorsätzlichen Gebrauch eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherung in offener Bewährung beging. Die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe im Verfahren wurde mit Beschluss es Amtsgerichts Augsburg vom 26.10.2023 widerrufen, da der Angeklagte gröblich und beharrlich gegen die Auflage, gemeinnützige Hilfsdienste zu leisten, verstieß. Vor diesem Hintergrund kam eine erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht in Betracht.
VI.
Kostenentscheidung:
30
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, 465 Abs. 1 StPO. gez.