Titel:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Geschäftsbesorgung, Anderweitige Erledigung, Strafrechtliche Vorschriften, Beseitigungsanspruch, Eigentümerversammlung, Prozeßbevollmächtigter, Umschreibung des Grundbuchs, Wohnungseigentumsgesetz, Elektronischer Rechtsverkehr, Wiederholungsgefahr, Aufgabe zur Post, Unterlassungsanspruch, Schlichtungsverfahren, Einzelabrechnung, Gemeinschaftseigentum, Verwaltungsbeirat, Richtigstellungsanspruch, Wert des Beschwerdegegenstandes
Leitsatz:
Es wäre einem Rechtsstaat, der sich die Meinungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben hat, wesensfremd, einen Bürger per Gerichtsentscheidung dazu zu verpflichten, eine bestimme Meinung oder Rechtsansicht gegenüber anderen Bürgern zu vertreten. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Persönlichkeitsrecht
Fundstellen:
WuM 2025, 379
LSK 2024, 43605
BeckRS 2024, 43605
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin war seit 16.11.2011 Eigentümerin der Wohnung Nr. … mitsamt Tiefgaragenstellplatz in … M. Mit notarieller Urkunde vom 09.12.2022 übertrug sie die Wohnung einschließlich der Garage mit Nießbrauchsvorbehalt auf ihre Tochter …. Die Wohneinheit samt Stellplatz ist Teil der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) … in M. Seit 2020 war als Hausverwaltung (HV) die Unternehmung … bestellt.
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Nach der Gemeinschaftsordnung der WEG ist für die Umschreibung des Grundbuchs die Zustimmung der HV erforderlich. Die HV verweigerte jedoch die Zustimmung zur Grundbuchumschreibung und berief sich insoweit auf einen vorgeblichen Wohngeldrückstand der Klägerin. Dies führte zu einer starken Verärgerung bei der Klägerin, da nach ihrer Meinung die Buchhaltung der HV grobe Fehler aufgewiesen habe. Die Grundbuchumschreibung auf die Tochter erfolgte am 03.03.2023.
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In der WEG-Versammlung vom 06.07.2022 wurde mehrheitlich unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) 10 der folgende Beschluss gefasst:
„Die Wohnungseigentümer genehmigen die auf der Grundlage der jeweiligen Einzelwirtschaftspläne vom 10.06.2022 für die einzelnen Sondereigentumseinheiten festgesetzten Hausgeldvorschüsse, (…). Die monatlich bis spätestens zum dritten Werktag eines Kalendermonats zu leistenden Teilbeträge gelten rückwirkend für den Zeitraum ab 01. Januar 2022, bis die Wohnungseigentümer über eine Neufestsetzung der Vorschüsse beschließen. Der Differenzbetrag aus den neuen und bisherigen Vorschüssen wird 01.09.2022 fällig gestellt. Die neuen Vorschüsse werden erstmals ab 01.09.2022 zur Zahlung fällig.“
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Infolge dieses Beschlusses kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und der HV über die gezahlten respektive zu zahlenden Hausgelder. Die HV stellte sich auf den Standpunkt, dass die Klägerin mit den Hausgeldzahlungen rückständig sei; eine Ansicht, die die Klägerin nicht teilte. Mit Schreiben vom 20.07.2023 (Anlage K5a) monierte die HV der Klägerin gegenüber einen Rückstand infolge der Nachberechnung für das Jahr 2022 in Höhe von 216,80 Euro. Die Klägerin war hingegen der Ansicht, dass sie keinen Zahlungsrückstand zu vertreten habe, insbesondere weil sie den Beschluss dahingehend auffasste, dass er erst mit dem 01.09.2022 Wirkung entfalten hätte sollen.
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Im Rahmen dieser Kommunikation mit der HV fühlte sich die Klägerin „von oben herab behandelt“. Am 02.08.2023 sandte die Klägerin an eine Mitarbeiterin der HV die folgende E-Mail:
„(…) natürlich kenne ich den Beschluss TOP 10 vom 06.07.2022, aber ich wusste nicht, dass Ihre Intelligenz so überragend ist, dass Sie nicht einmal Ihre eigenen Beschlüsse verstehen. Bitte lassen Sie sich den Beschluss vorlesen und erklären.
Außerdem möchte ich Ihnen empfehlen, sich einen entsprechenden Stil anzugewöhnen, der Ihrer Position als Dienstleister der WEG entspricht und nicht eines Aufsehers der JVA.“
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Die E-Mail findet sich auf Seite 6 der Anlage K7. Unter dem 27.08.2023 richtete die Klägerin eine weitere E-Mail an die Mitarbeiterin, die unter anderem den folgenden Passus „Für meine Formulierung in der E-Mail vom 02.08.2023 – 19:43 Uhr möchte ich mich entschuldigen.“ enthielt. Wegen des weiteren Inhalts der Korrespondenz zwischen der HV und der Klägerin wird auf den Inhalt dieser Anlage verwiesen.
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Diese E-Mail gelangte zur Kenntnis des Beklagten. Der Beklagte leitete sie im Rahmen seines Rundschreibens vom 05.08.2023 an die Mitglieder der WEG weiter. Dieses Schreiben liegt als Anlage K10 vor und lautet auszugsweise:
„Wir hatten in der vorletzten Eigentümerversammlung eine zum Teil emotionale Diskussion, wie wir miteinander umgehen und kommunizieren. Leider wird nach wie vor seitens einzelner Eigentümer ein unserer Ansicht nach höchst unangemessener Umgangston an den Tag gelegt. Hierzu erhalten Sie einen Auszug einer aktuellen E-Mail vom 02.08.2023 an Frau (…). Bitte bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.“
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Es folgt die E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 ohne jedwede Schwärzungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K10 verwiesen.
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Mit Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 26.10.2023 wandte sich die Klägerin an den Beklagten: Gegenstand der Einschaltung der Prozeßbevollmächtigten sei das Rundschreiben des Beklagten vom 05.08.2023 an alle Miteigentümer. Man wende sich an den Beklagten insbesondere in seiner Funktion als Beiratsvorsitzender. Diese E-Mail betreffe schon keine Kommunikation innerhalb der WEG, sondern, wie eine E-Mail der Frau Mandantin an die Hausverwaltung. Der Beklagte überschreite in unzulässiger Weise seine Befugnisse als Beiratsvorsitzender der WEG. Als Verwaltungsbeirat solle er Bindeglied zwischen den Miteigentümern und der Hausverwaltung sein, die Hausverwaltung einerseits bei ihren Abrechnungen zu überwachen, anderseits bei der ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die ehrenamtliche Position für eigene Zwecke missbraucht werde. Denn der Beklagte habe offensichtlich bei Abfassung des Rundschreibens nicht bedacht, dass die Frau Mandantin durchaus ihre Gründe gehabt habe, entsprechend scharf gegenüber der Hausverwaltung zu reagieren.
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Anmerkung: Es folgen nun Ausführungen zu den diversen Streitpunkten zwischen der HV und der Klägerin, insbesondere zu der Grundbuchproblematik und zu den umstrittenen Hausgeldrückständen.
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Dies alles bleibe durch die isolierte Verbreitung der einzelnen E-Mail vom 02.08.2023 allerdings unberücksichtigt, weshalb bei den Miteigentümern ein völlig einseitiger und deshalb unzutreffender Eindruck entstehe, den der Beklagte allerdings gerade mit dem Nachsatz „Bilden Sie sich eine eigene Meinung“ bezweckte. Die Miteigentümer seien ohne Kenntnis der übrigen Umstände, gar nicht in der Lage, sich ein korrektes Meinungsbild zu machen.
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Mit der Bekanntmachung der E-Mail gegenüber den Miteigentümern, die ausschließlich an die Hausverwaltung gerichtet gewesen sei, habe der Beklagte das im Grundgesetz verankerte Briefgeheimnis der Mandantin (Art. 10 Abs. 1 GG) verletzt. Das Briefgeheimnis schütze den Verfasser einer E-Mail vor dem Veröffentlichen fremder E-Mails ohne ausdrückliche Zustimmung des Verfassers. Wer den Inhalt einer fremden E-Mail ohne Zustimmung des Verfassers veröffentlicht oder weiterträgt, mache sich sogar nach § 206 StGB strafbar. Zudem sei diese einseitige Bekanntmachung rufschädigend und ehrverletzend.
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Deshalb werde der aufgefordert, dies in Form eines Rundschreibens an die Miteigentümer gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, Ass, 2 BGB i.V.m. § 206 StGB; zivilrechtlicher Ehrenschutz) richtig zu stellen.
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Da die begangene Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr indiziere, werde der Beklagte ferner aufgefordert, entsprechende ehrverletzende Äußerungen und entsprechenden Bekanntmachungen in Bezug auf unsere Frau Mandantin im Rahmen von Rundschreiben an Miteigentümer zu unterlassen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog; BGH NJW 2016, 56 m.w.N.). Zur Absicherung dieser Richtigstellung und Unterlassungsverpflichtung sei der Beklagte ferner verpflichtet, eine strafbewehrte Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung abzugeben. Ein Muster einer solchen Erklärung liege bei. Für die Abgabe der Erklärungen werde Frist gesetzt bis spätestens 09.11.2023.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen K11 verwiesen.
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Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom 26.10.2023 und bot der Klägerin an, in einem Rundschreiben, das die Klägerin an die Miteigentümer verfassen sollte, ihre Gründe für ihre scharfe Reaktion gegenüber der Hausverwaltung darzulegen. Er würde dieses Schreiben in seiner Funktion als Beiratsvorsitzender wie sein Rundschreiben weiterleiten. Bezüglich der weiteren Forderungen verwies der Beklagte die Klägerin auf den Klageweg
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Die Klagepartei führt aus:
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In dem Rundschreiben bezeichne der Beklagte das Verhalten der Klägerin als „nicht zu tolerieren“, erwähne aber bewusst die gesamte Vorgeschichte, die zu der Verärgerung der Klägerin geführt hätte, nicht. Mit der Bekanntmachung der E-Mail der Klägerin, die ausschließlich an die Hausverwaltung gerichtet gewesen sei, gegenüber allen übrigen Miteigentümern, habe der Beklagte das im Grundgesetz verankerte Briefgeheimnis der Klägerin (Art. 10 Abs. 1 GG) verletzt. Das Briefgeheimnis schütze den Verfasser einer E-Mail vor dem Veröffentlichen fremder E-Mails ohne ausdrückliche Zustimmung des Verfassers. Wer den Inhalt einer fremden E-Mail ohne Zustimmung des Verfassers veröffentliche oder weitertrage, mache sich nach § 206 StGB strafbar. Zudem sei diese einseitige Bekanntmachung ohne Zustimmung des Verfassers ggf. rufschädigend und ehrverletzend.
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§ 15 a Abs. 1 Satz 1 EGZPO ermögliche nur in Fällen, die sich unter eine der dort genannten vier Gruppen einordnen ließen, eine obligatorische Streitschlichtung durch Landesrecht vorzuschreiben. Deshalb sei bei dem vorliegenden Sachverhalt, bei dem es primär um die Verletzung des Briefgeheimnisses gehe, ein Schlichtungsverfahren nach dem Schlichtungsgesetz nicht vorzuschalten. Dass das Verhalten des Beklagten zusätzlich auch die Persönlichkeitsrechte der Klägerin, insbesondere ihre Ehre, verletzt habe, könne im Zusammenhang mit dem eingewandten § 15 a Abs. 1 Satz 1 EGZPO letztlich dahinstehen. In dem Urteil des BGH vom 25.10.2022, Az.: VI ZR 258/21, werde ausgeführt, dass in diesem Fall kein Schlichtungsverfahren durchzuführen sei, da es sich nicht um eine Streitigkeit über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre im Sinne von § 15 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW handele. Insofern sei die Verletzung des Briefgeheimnisses gleichzeitig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG spreche nur von „Verletzung der persönlichen Ehre“. Mit diesem Wortlaut, der sich eng an der Öffnungsklausel des § 15 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO anlehne, sei nach Meinung des BGH die Auffassung nicht vereinbar, dass alle Ansprüche erfasst würden, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewähre. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze nicht nur die persönliche Ehre, sondern umfasse das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit. Deshalb würden dem § 52 Abs. 1 Nr. 2 JustG NRW, so der BGH, nur Ehrverletzungen im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften der §§ 185 ff StGB unterfallen. Dies gelte für den wortgleichen Art. 1 Nr. 2 BaySchlG entsprechend. Vorliegend gehe es, wie ausgeführt, um die Verletzung des Briefgeheimnisses der Klägerin, weshalb die Ausführungen des BGH umso mehr gelten.
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Die Klägerin habe einen Anspruch auf Richtigstellung. Dieser habe sich insbesondere darauf zu beziehen, dass der Beklagte nicht zu der Verbreitung der E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023, 19:43 Uhr berechtigt gewesen sei und damit ihr Postgeheimnis nach Art. 10 GG verletzt habe. Zudem habe die unberechtigte Verbreitung der E-Mail unter vollständiger Namensnennung ehrverletzende Wirkung, werde die Klägerin damit einseitig „an den Pranger“ gestellt, bleibe die gesamte Vorgeschichte und der Sachzusammenhang unbekannt. Dieser Anspruch ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i.V.m. § 185 ff StGB (zivilrechtlicher Ehrenschutz).
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Bei dem Antrag I. gehe es nicht um die Ehrverletzung seitens des Beklagten, sondern ausschließlich um die Verletzung des Briefgeheimnisses der Klägerin und die vom Beklagten geforderte Klarstellung mittels eines Rundschreibens an alle Miteigentümer, dass sein Verhalten nicht korrekt gewesen sei, weil es das Briefgeheimnis der Klägerin verletzt habe und die E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 vom Beklagten aus dem Sachzusammenhang gerissen worden sei. Vorliegend sei die Klägerin unter voller Namensnennung vor allen Miteigentümern diffamiert worden, da die E-Mail aus dem Sachzusammenhang gerissen und der Sachverhalt durch unvollständige oder einseitige Darstellung bemerkbar verzerrt worden sei. Deshalb hätten sich die angesprochenen Miteigentümer auch nur ein höchst einseitiges Bild machen können. Mit dem Klarstellungsanspruch könne die E-Mail der Klägerin wieder in den richtigen Kontext gestellt werden. Außerdem sollten die Miteigentümer erfahren, dass die Verbreitung der E-Mail rechtswidrig gewesen sei. Der Klarstellungsanspruch sei ein Unterfall des Berichtigungsanspruchs im Rahmen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Der Beklagte verkenne, dass es bei der E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 um einen Sachverhalt gehe (angeblich rückständige Wohngelder), der nur das Verhältnis der Klägerin zur (ehemaligen) Hausverwaltung betroffen habe und die Gesamtheit der Miteigentümer nicht zu interessieren gehabt habe. Zudem sie die E-Mail aus dem Sachzusammenhang gerissen worden.
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Ferner stehe der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 analog, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff BGB und § 206 StGB wegen der Ehrverletzung und Verletzung des Briefgeheimnisses sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu. Insoweit bestehe auch Anspruch auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Da der Beklagte die Verletzungshandlung bereits begangen habe und sich beharrlich weigere, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, werde die Wiederholungsgefahr indiziert. Es bestehe eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr aufgrund der bereits erfolgten konkreten Verletzungshandlung.
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Der Antrag II. bezwecke die Verpflichtung des Beklagten, entsprechende Verletzungen des Briefgeheimnisses künftig zu unterlassen. Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch zu. Für die Weiterleitung der E-Mail vom 02.08.2023 mit voller Namensnennung habe es keinen rechtfertigenden Grund gegeben, es hätte für die vom Beklagten vorgebrachten Informationszwecke vollkommen genügt, die E-Mail ohne Namensnennung weiterzuleiten. Das gelte auch für die eigentliche Aufgabe eines Beirats als Bindeglied zwischen Eigentümergemeinschaft und Hausverwaltung, habe der Beklagte durch sein Verhalten die Gräben nur vertieft.
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Der Umstand, dass sich der Beklagte weigere, eine Unterlassungserklärung abzugeben, indiziere die Wiederholungsgefahr. Daran ändere der Umstand nichts, dass der Beklagte zwischenzeitlich sein Amt als Beiratsvorsitzender aufgegeben habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er entsprechendes rechtswidriges Verhalten auch als bloßer Miteigentümer wiederhole. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Beklagte wieder als Beirat aufstellen lasse.
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Der Beklagte könne auch nicht glauben machen, er hätte hier das Briefgeheimnis der Beklagten verletzen dürfen zur Wahrnehmung berechtigter Interessen (vgl. § 193 StGB). Dem Beklagten sei es sicherlich unbenommen, sich in seinem Rundschreiben über einen etwaigen nach seiner Meinung unangemessenen Umgangston einzelner Miteigentümer zu beklagen und zur Mäßigung bei künftigen Diskussionen und künftiger Korrespondenz aufzurufen. Dies hätte auch den berechtigten Interessen genügt. Die wörtliche Wiedergabe einer E-Mail unter voller Namensnennung verletze dagegen das Briefgeheimnis und sei durch nichts zu rechtfertigen. Art. 10 Abs. 2 GG sei hier eindeutig. Dies gelte umso mehr, als der Beklagte als Verwaltungsbeiratsvorsitzender Mittler zwischen den Mitgliedern der WEG und der Hausverwaltung sein sollte. Insoweit habe er seine Kompetenzen völlig überschritten und letztlich die Unruhe und Spaltung in der WEG noch verstärkt. Die Klägerin sei zudem berechtigt gewesen, Missstände in der WEG und bei der ehemaligen Hausverwaltung zu benennen und kundzutun. Insofern seien die E-Mails der Klägerin vom 18.10.2022 (Anlagen B1 + B2) nicht zu beanstanden.
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Zu der E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 an die ehemalige Hausverwaltung sei es gekommen wegen des inhaltlichen Widerspruchs in dem Beschluss vom 06.07.2022, dort TOP 10. Diesen Widerspruch habe die ehemalige Hausverwaltung nicht aufgeklärt, vielmehr der Klägerin im Februar 2023 bestätigt, dass sie ein Guthaben in Höhe von Euro 2.481,94 habe und dieses ausbezahlt. Deshalb sei die Klägerin dann entsprechend irritiert und erbost gewesen, als sie die Mahnung der ehemaligen Hausverwaltung vom 20.07.2023 erhalten habe. Der Irrtum bei der Klägerin sei auf das Verhalten der ehemaligen Hausverwaltung zurückzuführen, sei er von dieser aufrechterhalten und nicht aufgeklärt worden, was zu der weiteren Verärgerung bei der Klägerin geführt habe.
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Die Klagepartei stellt die folgenden Anträge:
I. Der Beklagte wird verurteilt, die rechtswidrig an die Miteigentümer der WEG … in M., im Rundschreiben vom 05.08.2023 unter Ziffer 3 verbreitete E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023, 19:43 Uhr, insofern in einer schriftlichen Erklärung an die Miteigentümer der WEG… richtig zu stellen, als dies rechtswidrig unter Verletzung des Postgeheimnisses sowie des Persönlichkeitsrechts der Klägerin erfolgt ist und völlig aus dem Sachzusammenhang herausgerissen wurde.
II. Der Beklagte wird verurteilt, es künftig zu unterlassen, E-Mails der Klägerin ohne deren Zustimmung an Dritte, insbesondere an Mitglieder der WEG … in M., weiterzuleiten.
III. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffer II. ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von Euro 250.000,00 oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt werden kann.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von Euro 540,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab 10.11.2023 zu bezahlen.
V. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die beklagte Partei beantragt
die kostenpflichtige Abweisung der Klage.
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Es müsse bereits von der Unzulässigkeit der Klage aufgrund zwingend erforderlichen Schlichtungsverfahrens gemäß § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ausgegangen werden. Der Zulässigkeit stehe das nicht disponible Prozesshindernis des erforderlichen Schlichtungsverfahrens entgegen. Demnach könne vor den Amtsgerichten bei Streitigkeiten von Parteien mit Wohnsitz in demselben Landgerichtsbezirk über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sei, Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen hätten, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 des Bay-SchlG genannten Schlichtungs- oder Gütestelle beizulegen.
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Mit Ziffer I versuche die Klägerin zunächst, einen „Richtigstellungsanspruch“ dergestalt geltend zu machen, dass der Beklagte sich eine angebliche „Rechtswidrigkeit“ der „Verbreitung“ der E-Mail äußere. Richtigstellungsansprüche könnten im Äußerungsrecht allenfalls unter sehr engen Voraussetzungen in Gestalt eines Beseitigungsanspruchs (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) geltend gemacht werden. Zwingende Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei aber nach allgemeiner und herrschender Auffassung, dass durch den Schuldner dieses Beseitigungsanspruchs in rechtswidriger Art und Weise eine Rufbeeinträchtigung verursacht worden sei und dieser Zustand der Rufbeeinträchtigung noch fortbestehe. Es handele sich hierbei demnach um klassische, auf die Wiederherstellung der persönlichen Ehre bzw. des Rufes/Ansehens gerichtete Ansprüche.
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Art. 1 Nr. 2 BaySchlG formuliere hierzu bewusst nicht „Streitigkeiten ausschließlich wegen der Verletzung der persönlichen Ehre“, sondern eben „Streitigkeiten wegen der Verletzung der persönlichen Ehre“ und erfasse damit auch Ansprüche, die mit der persönlichen Ehre zusammenhingen, etwa, weil diese auch wegen der Verletzung der persönlichen Ehre geltend gemacht werden könnten. Hierfür spreche insbesondere die Erwägung des Gesetzgebers für die Einführung des § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO, wonach es sich bei den von dieser Regelung erfassten Ansprüchen „in aller Regel um in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht einfache Konflikte [handelt], die durch eine persönliche Erörterung der mit den Parteien beigelegt werden können“ (BT DS 13/11042, 33). Sei damit ein Klageantrag sowohl auf die Verletzung der persönlichen Ehre gestützt als auch auf andere Interessen, so erfasse der Zweck des § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO auch diesen Antrag zumindest dann, wenn die Verletzung der Ehre in der Anspruchsverfolgung kein vollkommen nachrangiges Element sei, welches in einem Schlichtungsverfahren ohnehin keine Relevanz hätte. Könne ein Anspruch auf mehrere Interessen gestützt werden und werde nicht klargestellt, ob es sich um eine Streitigkeit wegen Verletzung der persönlichen Ehre handele, ist dem Klageantrag und -Vortrag zu entnehmen, ob das Interesse der persönlichen Ehre zumindest auch in substanzieller Weise mitverfolgt werde. Dies sei hier ausweislich der rechtlichen Erwägungen der Fall. Auch der mit Ziffer II geltend gemachte Klageantrag wäre damit im Sinne der gesetzgeberischen Erwägungen durch eine persönliche Erörterung der Parteien beizulegen, da er sich zumindest im Dunstkreis der Ehrverletzung befindet. Ob das subsidiär mit angesprochene Interesse des „Briefgeheimnisses“ ebenfalls unter die Regelung des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG falle, könne damit dahinstehen.
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Der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verwaltungsbeirats der WEG, einen Sachverhalt von überragendem Informationsinteresse an die WEG weitergeleitet. Die Klägerin könne aufgrund ihres umfangreichen und intensiven Vorverhaltens, des sehr begrenzten Empfängerkreises des streitgegenständlichen Rundschreibens, der Bedeutung der mitgeteilten Angelegenheit für die WEG sowie des mindestens ehrverletzenden, wenn nicht sogar strafrechtlich relevanten Inhalts ihrer E-Mail keine rechtswidrige Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machen.
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Die HV habe im Rahmen der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG am 08.11.2022 mitgeteilt, dass sie den am 31.12.2022 auslaufenden Vertrag mit der WEG nicht zu verlängern gedenke und daher ab diesem Zeitpunkt für die Wahrnehmung der Hausverwaltung nicht mehr zur Verfügung stünde. Als Grund hierfür sei ausdrücklich die „Art und Weise der Kommunikation mit einigen Eigentümern“ genannt worden. Die Geschäftsführerin habe weiterhin ausgeführt, man bitte die Mehrheit der Eigentümer „um Verständnis, dass sie sich das Verhalten weniger Eigentümer anrechnen lassen müssen“. Es sei den anwesenden Mitgliedern der WEG bewusst, dass mit diesen „wenigen Eigentümern“ unter anderem die Klägerin gemeint gewesen sei. Eine Niederlegung hätte dem Willen der WEG widersprochen. Die Wertschätzung und Zustimmung der ganz überwiegenden Mehrheit der WEG zur Tätigkeit der Hausverwaltung habe sich empirisch belegt in dem Abstimmungsergebnis der Beschlussfassung über eine übergangsweise Bestellung der Hausverwaltung … bis zum 31.03.2023 gezeigt. Bei 534,990 Stimmanteilen hätten sich 519.287 Ja-Stimmen (97,06 %) gezeigt. Die ganz überwiegende Mehrheit habe sich damit grundsätzlich für die Tätigkeit der Hausverwaltung … ausgesprochen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B3 verwiesen.
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Der Beklagte habe sich angesichts des erkennbaren Willens der überwiegenden Mehrheit der WEG unmittelbar im Anschluss hieran um ein konstruktives Gespräch mit der Geschäftsführung der HV bemüht, um die Möglichkeiten einer weitergehenden Verlängerung der Zusammenarbeit über den 31.03.2023 hinaus zu erörtern. Zur Erleichterung der überragenden Mehrheit der WEG habe sich die Hausverwaltung … in Anschluss dennoch entschieden, für eine Tätigkeit über den 31.03.2023 hinaus zur Verfügung zu stehen. In der hieran anschließenden, außerordentlichen Eigentümerversammlung sei sodann über die Bestellung der Hausverwaltung … ab dem 01.04.2023 bis zum 31.12.2023 abgestimmt worden. Auch hier habe sich eine überragende Mehrheit in Form von 84,80 % zu Gunsten der HV gezeigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B5 verwiesen.
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Gemäß § 25 Abs. 1 WEG sei damit der rechtsverbindliche, mehrheitliche Wille der weiteren Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung … bestätigt worden. Bei einem erzwungenen Wechsel der Hausverwaltung seien auch erhebliche, finanzielle und organisatorische Konsequenzen zu befürchten gewesen: Der Wechsel einer Hausverwaltung sei stets mit einer zeitintensiven Suche verbunden. Die nach überwiegender Mehrheit als positiv aufgefassten Dienstleistungen der Hausverwaltung … hätten durch diejenigen einer neuen Hausverwaltung ersetzt werden müssen. Zwingend erforderliche Sanierungsarbeiten an den Immobilien der WEGseien m Jahr 2023 maßgeblich durch die Hausverwaltung … vorangetrieben worden. Ein Wechsel der Hausverwaltung hätte eine teilweise Neuorganisation des Sanierungsprojekts erfordert.
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Im weiteren Verlauf habe die Klägerin ihre E-Mail vom 19.04.2023 an den Beklagten sowie die Geschäftsführerin der HV mit dem Vorwurf des in der WEG-Versammlung vom 08.11.2022 gegen sie betriebenen „Mobbings“ sowie einem angeblich daraus resultierenden, in ihren Briefkasten gelegten „Totenkopfs“. Sie forderte die Adressaten auf, „bekanntzugeben (…), wer den Totenkopf in [den] Briefkasten gesteckt hat“. Die Geschäftsführerin der HV wies die Vorwürfe der Klägerin zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B6 verwiesen.
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Anders als die Klägerin es darzustellen versuche, sei die HV hierbei allerdings nicht „um keine rasche Aufklärung bemüht“ gewesen. Vielmehr habe die HV in der E-Mail vom 31.07.2023 um 14:56 Uhr das zutreffende Verständnis der zugrundeliegenden Beschlussfassung dargelegt: „Bezüglich Ihrer Einwendung bezüglich der Position Wohngeldnachberechnung 2022 für die Wohnung 75 handelt es sich um die Differenz zwischen alter und neuer Wohngeldhöhe für die Monate Januar bis August 2022. Die Änderung des Wohngeldes war rückwirkend zum 01.01.2022 beschlossen und fällig.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K7 verwiesen. Es sei dann die bekannte E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 gefolgt. Die Klägerin habe nicht nur nahtlos an die Kommunikationsweise angeknüpft, die zuvor bereits fast dazu geführt hätte, ein Ende der Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung … gegen den ganz überwiegenden Willen der WEG zu veranlassen. Vielmehr stellte diese E-Mail eine nochmalige Eskalation der von der Klägerin durchgehend ausgehenden, emotionalen Belastung für die Mitarbeiterinnen der Hausverwaltung … dar und habe damit nochmals verstärkt den im Interesse der ganz überwiegenden Mehrheit der WEG liegenden Bestand der Zusammenarbeit gefährdet. Es sei hier angemerkt, dass die Klägerin selbst sich mindestens an der Schwelle des justiziablen Bereichs einer Beleidigung gemäß § 185 StGB bewegt habe. Es sei intern die Entscheidung gefällt worden, den Verwaltervertrag aus den bereits im November 2022 geäußerten und sich – insbesondere durch die E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023 – weiter verstärkten Gründen nicht zu verlängern. Zum Bedauern der nach wie vor ganz überwiegenden Mehrheit der WEG habe die Hausverwaltung … mit Informationsschreiben vom 16.08.2023 (Anlage B8) sodann die Entscheidung zur Niederlegung der Tätigkeit mitgeteilt.
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Es stünden angesichts des Vorstehenden die folgenden, für die Bewertung des gegenständlichen Sachverhalts – insbesondere des streitgegenständlichen Rundschreibens – elementare Begleitumstände fest: Einige, wenige Mitglieder der WEG, auch die Klägerin, hätten vermehrt scharfe und von der ganz überwiegenden Mehrheit der WEG E.straße inhaltlich nicht geteilte Kritik an der Arbeit der Hausverwaltung … geäußert. Es sei aufgrund des bewusst weit gewählten Adressatenkreises der E-Mails der Klägerin sowie deren Verhalten und Aussagen in WEG-Versammlungen dem ganz überwiegenden Teil der WEG bekannt gewesen, dass die Klägerin häufig sehr scharfe Kritik gegenüber der Hausverwaltung … geäußert habe. Die ganz überwiegende Mehrheit der WEG habe diese Abneigung und Kritik gegenüber der Hausverwaltung … nicht geteilt, sondern habe explizit für eine langfristige Fortsetzung der Zusammenarbeit gestimmt. Nur durch diplomatisches Geschick des Beklagten und Bezeugung des guten Willens dieser großen Mehrheit der WEG-Mitglieder sei es nach der ersten Beinahe-Eskalation im Jahr 2022 noch möglich gewesen, eine unwirtschaftliche und dem Willen der überwiegenden Mehrheit der WEG widersprechende Niederlegung der Tätigkeit der Hausverwaltung … zu verhindern. Die einseitige Eskalationsspirale seitens der Klägerin mündete in die mittelbar streitgegenständliche E-Mail der Klägerin vom 02.08.2023. Hier habe die Klägerin bewusst zu einer herabwürdigenden und die soziale Stellung gezielt erniedrigenden Wortwahl gegriffen.
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Aus den vorstehenden Aspekten ergebe sich, dass der Abdruck des Auszuges der E-Mail nicht im Ansatz geeignet gewesen sei, berechtigte Interessen der Klägerin zu verletzen. Vielmehr habe sich diese im Zuge der immer stärkeren Eskalationsspirale bewusst und proaktiv in den Aufmerksamkeitsfokus der WEG begeben, sodass sie schon unabhängig von dem Inhalt der jeweiligen Kommunikation kein schützenswertes, grundlegendes Interesse mehr an einer Geheimhaltung ihrer Korrespondenz mit der Hausverwaltung … haben hätte können. Darüber hinaus sei der Abdruck des Auszugs der E-Mail von der dem Verwaltungsbeirat zugewiesenen Tätigkeit der Unterstützung des Verwalters gemäß § 29 Abs. 2 S. 1 WEG und bewege sich innerhalb des privilegierten Kommunikationsraums der WEG in einem legitimen Interesse. Selbst unabhängig hiervon wäre aufgrund des konkreten Inhalts der E-Mail vom 02.08.2023 ein überwiegendes Informationsinteresse der WEG gegeben, welches aufgrund der allenfalls sehr geringen Eingriffsqualität den Abdruck des Ausdrucks gerechtfertigt habe.
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Ein Richtigstellungsanspruch scheide schon aus, weil hierfür nach ganz herrschender Ansicht eine unwahre Tatsachenbehauptung erforderlich sei. Etwaiges mache die Klägerin weder geltend noch wäre eine solche ersichtlich. Ein Anspruch auf Richtigstellung könne nur geltend gemacht werden, wenn er geeignet und erforderlich sei, einen Störungszustand in Gestalt einer fortdauernden Rufbeeinträchtigung zu beseitigen. Eine – in der Sache ohnehin grob unrichtige – Äußerung des Beklagten, er hätte die E-Mail „rechtswidrig“ und „völlig aus dem Zusammenhang gerissen“ weitergeleitet, würde einzig einem Überzeugungswandel gleichkommen, denn die Klägerin zwangsweise – und in der Sache unbegründet – durchzusetzen versuche.
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Der Versand des Rundschreibens an die Mitglieder der WEG sei rechtmäßig gewesen: Die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung einer, an einen begrenzten Personenkreis bestimmten E-Mail müsse stets nach einer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Interessenbetrachtung erfolgen, die das Interesse der Offenlegung und das Interesse an der Geheimhaltung der offengelegten Kommunikation gegeneinander abwäge. Zugunsten des Abdrucks des Ausschnitts der E-Mail und des Versands im streitgegenständlichen Rundschreiben spreche zunächst, ganz allgemein, dass die Offenlegung einer Kommunikation innerhalb einer WEG keinen wesentlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründen könne. Für die Beurteilung des Gewichts des Eingriffs sei stets zu beurteilen, wie starke Breitenwirkung von dem erreichten Adressatenkreis ausgehe. Von der Rechtsprechung anerkannt sei insofern, dass innerhalb einer WEG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung allenfalls nur sehr eingeschränkt greife. Nachdem unstreitig sei, dass das streitgegenständliche Informationsschreiben einzig WEG-intern versendet worden sei, komme bereits ein allenfalls sehr geringes Gewicht etwaiger Geheimhaltungsinteressen der Klägerin in Betracht. Zugunsten des Abdrucks des Ausschnitts der E-Mail und des Versands im streitgegenständlichen Rundschreiben spreche weiterhin, dass es sich bei dem hierin enthaltenen Inhalt um ein Thema von ganz erheblichem Informationsinteresse für die einzig adressierte WEG gehandelt habe. Eine weitergehende Eskalation des Verhaltens unter anderem der Klägerin gegenüber der Hausverwaltung … habe dringende Interessen der WEG betroffen und eine Information an diese legitimiert. Der konkrete Wortlaut der abgedruckten E-Mail begründe ein nochmals stärkeres Interesse an der grundsätzlichen Offenlegung der Kommunikation. Die Klägerin habe nicht berechtigt erwarten dürfen, dass sie zunächst gegenüber einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung potenzielle Straftaten begehe und im Anschluss den Schutz des „Briefgeheimnisses“ für sich in Anspruch nehmen könne, anstatt sich mit ihrem Vorverhalten auseinandersetzen zu müssen. Nochmals verstärkend komme hinzu, dass der Verwaltungsbeirat bei Offenlegung der Kommunikation in Erfüllung der ihm gesetzlich gemäß § 29 Abs. 2 S. 1 WEG zugewiesenen Aufgaben gehandelt habe. Die Klägerin habe ihre Kommunikation mit der Hausverwaltung … nachweislich nicht unter vier Augen geführt, sondern jeweils eine Vielzahl weiterer WEG-Mitglieder in die Kommunikation eingespannt. Die nunmehr erneut erfolgte namentliche Zuordnung der Klägerin zu einer hitzigen, mit der Hausverwaltung geführten Korrespondenz betreffe damit von vorneherein keine gewichtigen Geheimhaltungsinteressen der Klägerin, da ein wesentlicher Teil des Empfängerkreises des Rundschreibens aufgrund dieser Selbstöffnung ohnehin über starke Differenzen zwischen der Klägerin und der Hausverwaltung Bescheid gewusst habe.
43
Die Auffassung der Klägerin, das „Briefgeheimnis“ schütze sie bedingungs- und schrankenlos davor, dass Dritte von ihren verschriftlichten Kommunikationsvorgängen Kenntnis erlangten, irritiere. Die Parteien seien keine Träger öffentlicher Gewalt, sodass eine unmittelbare Grundrechtsbindung des Beklagten über Art. 10 GG nicht in Betracht komme.
44
Im Fall der Kollision privatrechtlicher Interessen könne sich die Rechtswidrigkeit eines angeblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht stets und erst aus einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ergeben. Auch im Fall der Offenlegung von Kommunikationsvorgängen sei dies nach ständiger Rechtsprechung der Fall. Für diese Interessenabwägung seien insbesondere (1) das legitime Informationsinteresse des Empfängerkreises, (2) das Gewicht des Eingriffs aufgrund der Größe des Empfängerkreises, (3) das Vorverhalten des von der Offenlegung Betroffenen, sowie (4) das (un)berechtigte Vertrauen des von der Offenlegung Betroffenen, sich nicht mit dem Echo auf seine Kommunikation auseinandersetzen zu müssen, zu berücksichtigen.
45
Der Antrag zu II. sei bereits ganz überwiegend unbegründet, weil der Antrag deutlich über den streitgegenständlichen Sachverhalt hinausgehe. In Bezug auf diesen überschießenden Teil bestehe schon keine Wiederholungsgefahr. Der Antrag zu II. versuche, einen generellen Unterlassungsanspruch in dem Umfang durchzusetzen, „es künftig zu unterlassen, E-Mails der Klägerin ohne deren Zustimmung an Dritte, insbesondere an Mitglieder der WEG … in M. weiterzuleiten“. Untersagt wäre damit ganz pauschal die Weiterleitung jeglicher E-Mails an Dritte und an die Mitglieder der WEG, sofern eine Zustimmung der Klägerin nicht vorliege. Angesichts der vorstehenden Ausführungen erkläre es sich von selbst, dass eine solche Weiterleitung nicht in jedem denkbaren Fall rechtswidrig sei, sondern das Informationsinteresse der Adressaten – wie hier – überwiegen könne. Selbst, wenn – wie nicht – der vorliegende Abdruck inklusive Weiterleitung an die WEG rechtswidrig gewesen wäre, ginge der Unterlassungstenor weit über den streitgegenständlichen Vorwurf hinaus, indem er eine Unterlassung unabhängig von der konkreten Interessenabwägung beinhalten würde. Eine hier verfolgte „vorbeugende Unterlassungsklage“ sei im Presse- und Äußerungsrecht ganz allgemein unbegründet.
46
Das Gericht hat keine Beweisaufnahme und keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Mit Zustimmung beider Parteien wurde im Wege des schriftlichen Verfahrens entschieden. Wegen des weiteren Sachvortrags und der rechtlichen Argumentation wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
47
Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
48
Ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren gemäß § 15 a Abs. 1 EGZPO, Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ist nicht zwingend vorgeschrieben. Nach Art. 1 Nr. 2 BaySchlG ist die Erhebung einer Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, erst zulässig, nachdem vor einer Gütestelle die einvernehmliche Streitbeilegung versucht wurde. Entscheidend ist insoweit, dass es sich um Ansprüche wegen einer Verletzung im Sinne strafrechtlicher Vorschriften nach §§ 185 ff StGB handelt (BGH, Urteil vom 25.10.2022, VI ZR 258/21). Das Gericht schließt sich insoweit der Argumentation der Klagepartei an. Die Parteien streiten im Kern über einen Anspruch wegen der Weiterleitung einer E-Mail der Klägerin durch den Beklagten, dies betrifft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I, Art 1 GG. Kerngegenstand der Ansprüche ist damit weder ein nach §§ 185 ff StGB strafbares Handeln noch ein Anspruch, der die persönliche Ehre als solche beträfe.
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Zum Antrag Ziffer I. (Anspruch auf Richtigstellung respektive Klarstellung):
50
Der Klägerin steht ein derartiger Anspruch nicht zu.
51
Das Gericht darf aus der Entscheidung des BGH vom 22.04.2008 (VI ZR 83/07) auszugsweise zitieren:
„In Anlehnung an § 1004 BGB und verwandte Bestimmungen hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass der Betroffene vom Störer die Berichtigung einer unwahren Tatsachenbehauptung verlangen kann, um einem Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen und so die rechtswidrige Störung abzustellen (vgl. Senat, BGHZ 128, 1, 6; Urteil vom 17. Februar 1987 – VI ZR 77/86 – GRUR 1987, 397, 398 sowie BGHZ [GS] 34, 99, 102). Formen der Berichtigung sind insbesondere der Widerruf oder die für den Störer weniger einschneidende Richtigstellung (vgl. BVerfGE 99, 185, 199; Senat, Urteil vom 25. November 1997 – VI ZR 306/96 – VersR 1998, 195, 196 m.w.N.; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 688 ff.; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 31.11 ff.; Wenzel/Gamer, Das Recht der Wort- und Bildberichter- stattung, 5. Aufl., Kap. 13 Rn. 6 ff.).
Die Revision zielt damit darauf ab, dass mit einem Berichtigungsanspruch nur Tatsachenbehauptungen bekämpft werden können, wenn deren Unwahrheit feststeht. Dagegen kann die Berichtigung von Äußerungen, die auf ihren Wahrheitsgehalt im Beweisweg objektiv nicht überprüft werden können, weil sie nur eine (subjektive) Meinung, also ein wertendes Urteil enthalten, nicht verlangt werden, selbst wenn die in ihnen zum Ausdruck kommende Kritik nicht haltbar ist. Art. 5 Abs. 1 GG, der die freie Meinungsäußerung gewährleistet, verbietet es, auf diese Weise das Aufgeben einer nur wertenden Kritik mit staatlichen Mitteln zu erzwingen (vgl. Senat, Urteile vom 4. Juni 1974 – VI ZR 68/73 – VersR 1974, 1080, 1081; vom 22. Juni 1982 – VI ZR 251/80 – VersR 1982, 904, 905). Zu beachten ist zudem, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, indem sie etwa darauf gerichtet sind, dem Leser ein eigenes Urteil über ein geschildertes Verhalten zu ermöglichen (vgl. BVerf-GE 90, 241, 247 f.; BVerfG NJW 2003, 1109; NJW 2003, 3760; Senat, Urteile vom 26. November 1996 – VI ZR 323/95 – VersR 1997, 325, 326; vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 – VersR 2007, 249, 250). Gleiches gilt, wenn es um eine Äußerung geht, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird (vgl. Senat, BGHZ 132, 13, 20 f.; 139, 95, 101 f.; Urteile vom 29. Januar 2002 – VI ZR 20/01 – VersR 2002, 445, 446; vom 5. Dezember 2006 – VI ZR 45/05 – a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der veröffentlichte Artikel wird vielmehr maßgeblich durch die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen und nicht durch Elemente einer Meinungsäußerung geprägt.
Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03 – VersR 2005, 277, 278 m.w.N.). Eine solche Überprüfung ist hinsichtlich der hier maßgeblichen Aussagen des Artikels möglich, die weiter oben bereits gewürdigt worden sind und im Richtigstellungsausspruch zusammengefasst werden.
Der Anspruch auf Richtigstellung setzt grundsätzlich voraus, dass die Unwahrheit der Behauptung feststeht, weil niemand durch Richterspruch verpflichtet werden darf, etwas als unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (vgl. Senat, BGHZ 37, 187, 189 f.; 69, 181, 182 f.; Urteil vom 17. Februar 1987 – VI ZR 77/86 – GRUR 1987, 397, 399; Löffler/Steffen, a.a.O., Rn. 285; Wenzel/Gamer, a.a.O., Kap. 13 Rn. 17 ff.).“
52
Das LG Berlin führt in seiner Entscheidung vom 24.09.2019 (27 O 189/19) zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Richtigstellung aus:
„Ein Anspruch auf Richtigstellung steht demjenigen zu, über den unwahre Tatsachenbehauptungen verbreitet worden sind. Ohne dass es dem Einzelnen einen Anspruch darauf verliehe, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist, schützt es ihn jedenfalls vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen seiner Person und Beeinträchtigungen seines Persönlichkeitsbildes (BVerfG v. 14.1.1998, 1 BvR 1861/93, juris m.w.N.). Der Anspruch auf Richtigstellung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass die Unwahrheit der Behauptung feststeht, weil niemand durch Richterspruch verpflichtet werden darf, etwas als unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist (BGH v. 22.4.2008, VI ZR 83/07, juris Rn. 21). Dagegen kann eine Richtigstellung von Äußerungen, die auf ihren Wahrheitsgehalt im Beweisweg objektiv nicht überprüft werden können, weil sie nur eine (subjektive) Meinung oder ein wertendes Urteil enthalten, nicht verlangt werden, selbst wenn die in ihnen zum Ausdruck kommende Kritik nicht haltbar ist (vgl. BGH v. 22.6.1982, VI ZR 251/80, juris Rn. 12).“
53
Danach kann der Klägerin kein Anspruch auf Richtigstellung gegenüber dem Beklagten zustehen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form der Beklagte objektiv unzutreffende Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben soll. Es steht fest, dass die Klägerin die durch den Beklagten weitergeleitete E-Mail mit dem nämlichen Inhalt verfasst und an die Mitarbeiterin der HV gesendet hatte. Der Beklagte hat demnach keine objektive unzutreffende Behauptung aufgestellt.
54
Die Klagepartei versucht, den geltend gemachten Anspruch auf ein Recht zur Klarstellung zu stützen. Vorliegend sei die Klägerin unter voller Namensnennung vor allen Miteigentümern diffamiert worden, da die E-Mail aus dem Sachzusammenhang gerissen und der Sachverhalt durch unvollständige oder einseitige Darstellung bemerkbar verzerrt worden sei. Deshalb hätten sich die angesprochenen Miteigentümer auch nur ein höchst einseitiges Bild machen können. Mit dem Klarstellungsanspruch könne die E-Mail der Klägerin wieder in den richtigen Kontext gestellt werden. Laut Klagepartei soll der Beklagte den Eigentümern in der WEG gegenüber zum Ausdruck bringen, dass die E-Mail der Klägerin aus dem Sachzusammenhang gerissen worden sei und dass sein Rundschreiben mit der E-Mail der Klägerin das Postgeheimnis und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt habe.
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Die Klagepartei verfolgt das Ziel, die E-Mail der Klägerin in den „richtigen Kontext“ stellen zu wollen. Den Einblick in die gesamte Vorgeschichte der E.Mail hat aber die Klägerin und nicht der Beklagte. Nur die Klägerin selbst kann ihre E-Mail in den „richtigen Kontext“ stellen, da nur sie über sämtliche notwendigen Informationen verfügt. Eine bloße Aussage des Beklagten, dass die E-Mail „aus dem Zusammenhang gerissen“ sei, würde dieses Ziel nicht erfüllen. Im Übrigen wird jeder objektive Leser der E-Mail erkennen, dass es einen Kontext gibt, nämlich eine Auseinandersetzung um den Inhalt und die Bedeutung eines WEG-Beschlusses. Zur Überzeugung des Gerichts könnte die Klägerin an dieser Stelle ggf. über einen Anspruch auf eine Art Gegendarstellung verfügen. Einen solchen Anspruch macht die Klagepartei aber zum einen nicht geltend und zum anderen hat der Beklagte ein derartiges Angebot bereits vorgerichtlich unterbreitet.
56
Ferner muss das Gericht zum Inhalt des Postgeheimnisses folgende Feststellung treffen:
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Nach den gesetzlichen Regelungen dürfen Postsendungen, die an einen bestimmten Adressaten gerichtet sind, von anderen Personen weder geöffnet noch gelesen werden. Nur für Briefe gilt das Briefgeheimnis, Postkarten oder Pakete fallen unter den Oberbegriff des Postgeheimnisses. Der Grundrechtsschutz des Briefgeheimnisses umfasst aber nur den Versendungsvorgang als solchen, das heißt von der Aufgabe des Briefes bis zur Ankunft des Briefes beim Empfänger. Ist der Brief beim Empfänger angekommen und legt dieser den geöffneten Brief beiseite, ist eine Verletzung des durch Art. 10 GG geschützten Briefgeheimnisses durch Dritte nicht mehr möglich. Eine Verletzung des Postgeheimnisses ist schon begrifflich nicht denkbar, da es sich um eine elektronische Nachricht und nicht um eine physisch verkörperte Nachricht (Brief, schriftliche Aufzeichnung, Postkarte) gehandelt hat. Der Beklagte hat vorliegend aber nicht in den Übermittlungsvorgang eingegriffen. Die E-Mail der Klägerin wurde ohne jeden Eingriff an die Adressatin übermittelt. Ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis ist nicht ersichtlich. Entsprechend kann die Klägerin insoweit weder Richtigstellung noch Klarstellung verlangen.
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Die Klägerin kann auch keine Klarstellung seitens des Beklagten verlangen, dass seine Weiterleitung der E-Mail die Klägerin in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt hat. Denn zum einen hat sich der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht rechtswidrig verhalten. Eine ausführliche Begründung wird später erfolgen. Es wird an dieser Stelle zunächst unterstellt, dass die Klägerin durch den Beklagten in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist. Auch unter dieser Prämisse kann die Klägerin keine derartige Klarstellung durch den Beklagten verlangen.
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Es darf daran erinnert werden, dass eine rechtliche Schlussfolgerung keine Tatsachenbehauptung darstellt. Nur die der Schlussfolgerung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen stellen Tatsachenbehauptungen dar. Ob das Handeln des Beklagten die Klägerin in deren Persönlichkeitsrecht verletzt hat oder nicht, stellt eine rechtliche Bewertung dar. Es handelt sich insoweit auch nicht um einen Grenzfall, der im Graubereich zwischen Bewertung (Meinung) und Tatsachenbehauptung angesiedelt ist. Wer bspw. eine andere Person als „Dieb“ oder „Betrüger“ tituliert, der nimmt eine juristische Subsumtion und damit eine Bewertung vor. Die Begrifflichkeiten „Dieb“ und „Betrüger“ beinhalten aber einen bestimmten Tatsachenanteil, der die sich äußernde Person ebenfalls mit zum Ausdruck bringt. Vorliegend liegt ein derartiger Grenzfall nicht vor. Die Klagepartei verlangt von dem Beklagten, dass dieser eine bestimmte rechtliche Wertung abgeben solle. Der Beklagte solle durch das Gericht und damit durch die Staatsgewalt dazu angehalten und ggf. durch Zwangsmaßnahmen gezwungen werden, eine bestimmte Wertung zu vertreten. Eine solche gerichtliche Entscheidung wäre zur Überzeugung des Gerichts nicht mit der verfassungsmäßigen Ordnung in Einklang zu bringen, sondern stellte einen eklatanten Verstoß gegen die in Art. 5 verankerte Meinungsfreiheit dar. Das LG Berlin (siehe oben) hat ausgeführt: „Der Anspruch auf Richtigstellung setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass die Unwahrheit der Behauptung feststeht, weil niemand durch Richterspruch verpflichtet werden darf, etwas als unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist.“ Das muss in gleicher Weise auch für (reine) Meinungsäußerungen und damit auch für rechtliche Bewertungen gelten. Es ist selbstverständlich Teil eines rechtsstaatlichen Systems, dass ein Bürger die Entscheidung eines Gerichts hinzunehmen und ggf. auch umzusetzen hat. Es steht diesem Bürger aber selbstverständlich frei, die Entscheidung des Gerichts für nicht gerechtfertigt und falsch zu erachten. Es seht diesem Bürger weiterhin frei, seine Meinung und seine rechtliche Bewertung im öffentlichen Diskurs zu vertreten. Es wäre einem Rechtsstaat, der sich die Meinungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben hat, wesensfremd, einen Bürger per Gerichtsentscheidung dazu zu verpflichten, eine bestimmte Meinung oder Rechtsansicht gegenüber anderen Bürgern zu vertreten. (Falsche) Tatsachenbehaupten hingegen sind abweichend zu beurteilen; insoweit kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Richtigstellung geltend gemacht werden.
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Die Klage war daher in diesem Punkt unbegründet.
Zum Antrag Ziffer II. (Unterlassungsanspruch bezüglich der Weiterleitung von Äußerungen):
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Das Handeln des Beklagten war zur Überzeugung des Gerichts nicht rechtswidrig. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Beklagten jedenfalls kein Eingriff in das Post-, Brief- oder Fernmeldegeheimnis vorgehalten werden kann. Die verfahrensgegenständliche E-Mail der Klägerin wurde, soweit ersichtlich, ordnungsgemäß an den angedachten Empfänger übermittelt. Diese E-Mail wurde sodann durch den Empfänger an den Beklagten weitergereicht, der diese E-Mail wiederum weitergeleitet hat. Ein Verstoß gegen Art. 10 GG ist nicht erkennbar.
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Die Weitergabe einer Nachricht an Personen, für die diese Nachricht nicht bestimmt war, kann allerdings unter gewissen Voraussetzungen als Eingriff in das nach Art. 2 GG geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person darstellen. Insoweit hat das Gericht eine umfassende Abwägung der betroffenen rechtlichen Positionen und Interessen der Beteiligten vorzunehmen. Das Gericht erachtet die folgenden Aspekte als maßgeblich:
Beeinträchtigungstiefe: An diesem Punkt kommt es maßgeblich auf zwei Kriterien an. Welchen Inhalt hatte die Nachricht und welchem Personenkreis wurde die Nachricht zugänglich gemacht? Eine Nachricht mit Inhalten, die der Intimsphäre zugehören (medizinische Informationen, sexuelle Orientierung, Vermögensverhältnisse, anderweitige sensitive Daten), werden einen höheren Schutz genießen als Nachrichten mit Allerweltsinhalten. Vorliegend kann ein objektiver Dritter aus der Nachricht herauslesen, dass zwischen der Klägerin und der HV eine Meinungsverschiedenheit über die Auslegung des Beschlusses TOP 10 aus der Eigentümerversammlung bestand. Ferner wird man erkennen, dass die Klägerin keine hohe Meinung von einer bestimmten Mitarbeiterin der HV hat. Der Inhalt der Nachricht kann danach nicht als sonderlich schutzbedürftig angesehen werden.
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Der Beklagte hat diese Nachricht den Miteigentümern der WEG zugänglich gemacht. Diesen Personenkreis hatte die Klägerin für ihre Nachricht erkennbar nicht intendiert. Von erheblicher Relevanz ist aus der Sicht des Gerichts aber die Fragestellung, welche Erwartungshaltung die Klägerin, was den Empfängerkreis angeht, vernünftigerweise haben konnte. Die Klägerin hat ihre E-Mail an eine Mitarbeiterin der HV gesendet und dabei eine geschäftliche Thematik (Auslegung des Beschlusses unter TOP10) mit persönlichen Angriffen gegen die Mitarbeiterin verbunden. Die Nachricht war, soweit ersichtlich, weder als persönlich noch als vertraulich gekennzeichnet. Danach musste die Klägerin vernünftigerweise damit rechnen, dass ihre Nachricht das folgende Schicksal nehmen kann: Bei einer Abwesenheit der Mitarbeiterin (Urlaub oder Erkrankung) ist damit zu rechnen, dass die Nachricht von anderen Mitarbeitern bearbeitet wird. Die Nachricht wird, da sie Teil eines geschäftlichen Vorgangs ist, archiviert und zu den Verwaltungsakten der WEG genommen. Die Nachricht wird von der Mitarbeiterin den staatlichen Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung vorgelegt. Es bleibt damit festzuhalten, dass die Klägerin eigenverantwortlich dafür gesorgt hat, dass ihre Nachricht nicht notwendigerweise nur einem bestimmten Adressaten vorgelegt werden wird.
64
Gemäß § 18 Abs. 4 WEG hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen; dabei ist dieser Anspruch – allgemein anerkannt – nicht auf einzelne Teile oder „Arten“ von Unterlagen beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich sämtliche Verwaltungsunterlagen. Teil der Verwaltungsunterlagen sind alle originären Unterlagen mit Bezug zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowie sämtliche Unterlagen, die später entstanden sind, etwa aus der Geschäftsbesorgung des Verwalters. Dazu zählen grundsätzlich auch die Einzelabrechnungen der jeweiligen Miteigentümer. Man wird nun nicht unterstellen können, dass jeder Miteigentümer regelmäßig von diesem Recht Gebrauch machen wird und jede einzelne Einzelabrechnung studieren wird, damit ihm dann die E-Mail der Klägerin in die Hände fallen wird. Es steht aber festzuhalten, dass es sich bei der Nachricht der Klägerin um eine solche gehandelt hat, die den weiteren Miteigentümern rechtlich und faktisch zugänglich war. Dieser Umstand wird bei einer Gesamtabwägung zu berücksichtigen sein.
65
Bei dem Inhalt der E-Mail der Klägerin handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um eine strafbare Handlung der Beleidigung nach § 185 StBG. Man wird insoweit eine abweichende Meinung vertreten können und am Ende des Tages wird es auf diese rechtliche Bewertung auch gar nicht ankommen. Entscheidend ist aus der Sicht des Gerichts: Wer als Mitglied einer WEG sich gegenüber einem Mitarbeiter der HV derart im Ton vergreift, der muss sich nicht wundern, wenn dieser Umstand im Rahmen des Verhältnisses zwischen WEG und HV thematisiert wird. Die Versuche der Klagepartei, die Äußerung der Klägerin durch deren „Verärgerung“ über Fehler in der Arbeit der HV zu erklären oder zu beschönigen, können nicht überzeugen. Es geht gar nicht darum, ob die HV Fehler gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit Abrechnung oder der Umschreibung des Grundbuchs zu vertreten hat oder nicht. Diese Fehler der HV kann man sogar zu Gunsten der Klägerin unterstellen. Es mag auch sein, dass die Klägerin infolge dieser (unterstellten) Fehler über die Leistung der HV verärgert war. Dies kann aber in keiner Weise den persönlichen Angriff auf eine bestimmte Mitarbeiterin weder rechtfertigen noch entschuldigen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, welchen Beitrag diese Mitarbeiterin zu der Verärgerung der Klägerin geleistet haben soll. Es sei noch angemerkt, dass es sich um eine Mitarbeiterin und nicht um die Geschäftsführung der Beklagten gehandelt hat.
66
Das Gericht hat sich noch Gedanken über die Fragestellung gemacht, ob der Beklagte nicht zu einem milderen Mittel hätte greifen sollen und müssen, nämlich konkret die fragliche E-Mail der Klägerin zu anonymisieren. Dies wäre mit einem zumutbarem Aufwand umsetzbar gewesen. Der zuständige Richter ist indessen der Überzeugung, dass eine solche Anonymisierung nicht erforderlich war. Die HV für eine WEG übernimmt die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Rechtsgrundlagen sind die gesetzlichen Vorgaben im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) und insbesondere die in § 27 WEG genannten Aufgaben und Befugnisse. Die Mitglieder einer WEG haben damit ein natürliches und schützenswertes Interesse an der Zusammenarbeit mit einer kompetenten HV. Ob die HV … vorliegend kompetent war oder ob die Vorwürfe der Klägerin zutreffen, ist für das Gericht nicht von Relevanz. Denn die Beurteilung der Kompetenz steht nicht dem Gericht zu, sondern der Gemeinschaft der Eigentümer, die über die Beauftragung oder die Beendigung des Mandats einer HV entscheidet. Der jeweilige Miteigentümer hat danach ein schützenswertes Interesse zu erfahren, ob und welcher Miteigentümer bei welcher Gelegenheit und in welcher Form Straftaten gegenüber Mitarbeitern der HV begeht. Diesem Miteigentümer darf die Möglichkeit gegeben werden, auf den anderen Miteigentümer einzuwirken.
67
Das Gericht kommt damit bei einer Gesamtabwägung sämtlicher Interessen und rechtlicher Positionen der Beteiligten zu der Überzeugung, das das Handeln des Beklagten nicht als rechtswidrig einzustufen ist.
68
Die Klage war danach auch in Ziffer II. als unbegründet abzuweisen.
69
Die weiteren Anträge teilen das rechtliche Schicksal der Hauptforderungen. Sie waren ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
70
Die Kostenfolge bestimmt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO bestimmt.