Titel:
unterlassene Verlängerung, Jagdschein, gröblicher Verstoß, Besitz von Munition ohne Erlaubnis
Normenketten:
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5
WaffG § 13
Schlagworte:
unterlassene Verlängerung, Jagdschein, gröblicher Verstoß, Besitz von Munition ohne Erlaubnis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 43585
Tenor
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Landratsamtes … vom 26.8.2024, Az. … wird bezüglich Ziffer 3 aufgehoben. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu 2/3, der Antragsgegner zu 1/3 zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 3.625,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Landratsamts … (Landratsamt) vom 26. August 2024, mit dem seine Waffenbesitzkarte Nr. … widerrufen wurde und weitere Anordnungen getroffen wurden.
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Dem Antragsteller wurde am 28. April 2017 als Jäger die Waffenbesitzkarte Nr. … erteilt.
3
Bei einer unangekündigten Waffenschrankkontrolle am 31. Januar 2024 wurde festgestellt, dass der Antragsteller seinen Jagdschein Nr. … nicht ab dem 1. April 2023 verlängert hatte und damit über keinen gültigen Jagdschein verfügte. Dennoch wurde Langwaffenmunition aufgefunden (6 Patronen im Kaliber 16/70, 2 Patronen im Kaliber 7x57R, 19 Patronen im Kaliber 8x57JS und 22 Patronen im Kaliber .22WMR).
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Das gegen den Antragsteller eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens nach § 52 Abs. 3 Waffengesetz (WaffG) wurde mit Verfügung vom 17. April 2024 nach § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 25. Juni 2024 an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wurde Gelegenheit zur Äußerung zu dem beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarte gegeben. Gemäß § 13 Abs. 1 und 5 WaffG bedürften Inhaber eines gültigen Jagdscheins zum Erwerb und Besitz von Langwaffenmunition keiner Erlaubnis. Der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Kontrolle jedoch keinen gültigen Jagdschein gehabt und sei im Besitz von erlaubnispflichtiger Munition gewesen, wobei nur für seine Kurzwaffen eine Munitionsberechtigung vorhanden gewesen sei. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG besäßen Personen in der Regel die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften u.a. des Waffengesetzes verstoßen hätten. Der Besitz von erlaubnispflichtiger Munition ohne Berechtigung (gültiger Jagdschein) sei ein grober Verstoß gegen die waffenrechtlichen Vorschriften. Der illegale Munitionsbesitz sei eine Tatsache, die zu einem Widerruf führen müsse (§ 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG).
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Mit Schreiben vom 19. Juli 2024 äußerte sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten dahingehend, dass der Antragsteller unstreitig bei rechtzeitiger Antragstellung einen Rechtsanspruch auf Verlängerung des Jagdscheins sowie die Erteilung einer Besitzerlaubnis für Langwaffenmunition besessen hätte. Der Antragsteller trete der Bewertung des Landratsamtes entgegen, wonach eine irrtümlich unterlassene Antragstellung auf Verlängerung des Jagdscheins ein gröblicher Verstoß im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG sei. In seinem Verhalten spiegele sich weder eine fehlerhafte Einstellung zur waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften wieder noch habe sich der Antragsteller besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt. Bei der erstmaligen Verlängerung seines im Jahre 2017 erteilten Jagdscheins sei der Antragsteller wegen Zugangsbeschränkungen zum Landratsamt aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen schriftlich zur Verlängerung aufgefordert worden. Eine solche Aufforderung sei später nicht mehr erfolgt, was Ursache gewesen sein mag, dass der Antragsteller die notwendige Verlängerung des Jagdscheins übersah. Dieser Verstoß sei vor dem Hintergrund des Ordnungszwecks des Waffengesetzes (Sicherheitsrecht, Verhinderung von Missbrauch) weder objektiv schwer noch liege in diesem Verhalten in subjektiver Hinsicht eine grobe Pflichtverletzung. Es sei Aufgabe der Behörde, den Antragsteller an die rechtzeitige Antragstellung zu erinnern. Zudem sei in solchen Fällen bei einmaligen Verstößen sowohl durch das Landratsamt als auch durch andere Jagdbehörden zunächst „erinnert“ worden. Eine Unzuverlässigkeit aufgrund der getroffenen Feststellung anzunehmen, sei bei der anzustellenden Prognoseentscheidung unangemessen.
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Mit Bescheid vom 26. August 2024 wurde die Waffenbesitzkarte Nr. … des Antragstellers widerrufen (Ziff. 1). Es wurde angeordnet, diese bis 27. September 2024 im Landratsamt abzugeben (Ziff. 2). In der Waffenbesitzkarte eingetragene Waffen und die im Besitz des Antragstellers befindliche Munition sei bis 25. September 2024 unbrauchbar zu machen oder an Berechtigte zu überlassen. Ein Nachweis hierüber sei dem Landratsamt durch Vorlage entsprechender Dokumente (z.B. Überlassungsvertrag, Vernichtungsbelege) bis 27. September 2024 zu erbringen (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehung in Ziffer 2 und 3 werde angeordnet (Ziff. 4). Für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung unter Ziffer 2 werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200 EUR zur Zahlung fällig (Ziff. 5). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der unter Ziffer 3 getroffenen Anordnung werde die Sicherstellung von Schusswaffen und gegebenenfalls noch vorhandener Munition angedroht. Sofern nicht innerhalb eines Monats nach Sicherstellung eine empfangsbereiter Berechtigter benannt werde, werde die Einziehung und Vernichtung der sichergestellten Schusswaffen oder Munition angedroht (Ziff. 6). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziff. 7), sowie Gebühren und Auslagen (Ziff. 8).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG eine Erlaubnis zwingend zu widerrufen sei, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sei die erforderliche Zuverlässigkeit des Antragstellers eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse. Die erforderliche Zuverlässigkeit fehle Personen, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften u.a. des Waffengesetzes verstoßen haben, gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Der Besitz von erlaubnispflichtiger Munition ohne Berechtigung (gültiger Jagdschein) sei ein grober Verstoß gegen die waffenrechtlichen Vorschriften. Gemäß § 13 Abs. 1 und 5 WaffG bedürften Inhaber eines gültigen Jagdscheines zum Erwerb und Besitz von Langwaffenmunition keiner Erlaubnis. Der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Kontrolle keinen gültigen Jagdschein gehabt und sei im Besitz von erlaubnispflichtiger Munition gewesen, wobei nur für seine Kurzwaffen eine Munitionsberechtigung vorhanden gewesen sei. Somit erfülle er die Tatsache zur Annahme seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG (VG München, Urteil vom 04.03.2015 – M 7 K 14.3523). Es bestehe keine Verpflichtung der Behörde, einen Jagdscheininhaber darauf hinzuweisen, dass sein Jagdschein abgelaufen ist. Dies gelte erst recht mit Blick auf die waffenrechtlichen Konsequenzen eines fehlenden, gültigen Jagdscheins.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rückgabe der Waffenbesitzkarte in Ziffer 4 beruhe auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Bei der Abwägung der Interessen des Antragstellers an einem Zuwarten bis zur anschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Ziffer 1 dieses Bescheides (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) und der Notwendigkeit der Gefahrenabwehr für die Allgemeinheit müssten nach Auffassung des Landratsamts die Interessen des Betroffenen zurückstehen. Die Möglichkeit zum Umgang mit Schusswaffen sei dem Antragsteller als waffenrechtlich unzuverlässiger Person sofort zu verwehren. Eine Ausnahmekonstellation, die eine andere Interessenbewertung rechtfertige, sei nicht ersichtlich. Die Anordnung in Ziffer 3 beruhe auf § 46 Abs. 2 WaffG, jene in Ziffer 6 auf § 46 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 WaffG. Die Androhung des Zwangsgelds unter Ziffer 5 des Bescheides stütze sich auf Art. 18, 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 30, 31 und 36 des Bayrischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
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Gegen diesen am 3. September 2024 zugestellten Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch sein Prozessbevollmächtigten, am 17. September 2024 Klage. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt er,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes in Ziffer 1 anzuordnen sowie
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes in Ziffer 2 und 3 wiederherzustellen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Erfordernis der Zuverlässigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Feinsteuerung von behördlichen Entscheidungen diene und Gefahren für die Allgemeinheit oder Dritte vermeiden solle. Entsprechend dieser Funktion gehe es nicht um die Sanktionierung von Fehlverhalten, sondern um die Gewährleistung künftig ordnungsgemäß und insbesondere gefahrlosen und rechtstreuen Agierens. Die Zuverlässigkeitsprüfung verlange daher für die Bewertung des Merkmals der Zuverlässigkeit der Vornahme einer Prognose. Eine derartige Prognose sei in den Ausführungen des Landratsamtes nicht enthalten. Die Wiederholungsgefahr, dass der Antragsteller Langwaffenmunition ohne Berechtigung besitze, sei verschwindend gering. Weder sei zu erwarten, dass der Antragsteller erneut die Verlängerung seines Jagdscheins „übersehe“, noch verschließe sich der Antragsteller der Empfehlung, eine Langwaffen-Munitionsbesitzerlaubnis in die Waffenbesitzkarte eintragen zu lassen. Dem Kläger könne einzig und allein vorgeworfen werden, dass er es versäumt habe, rechtzeitig vor Ablauf des Jagdjahres 2022/23 die Verlängerung des Jagdscheins zu beantragen. Dieser Verstoß sei weder objektiv schwerwiegend, noch liege in diesem Verhalten in subjektiver Hinsicht eine grobe Pflichtverletzung vor. Dies werde auch durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens seitens der Staatsanwaltschaft … nach § 153a Abs. 1 StPO belegt. Es liege, da sich die Behörde nicht mit dem unbestimmten Rechtsbegriff des „gröblichen Verstoßes“ auseinandersetze, ein Ermessensausfall vor. Es liege ausschließlich die Außerachtlassung einer verwaltungsrechtlichen Pflicht, der Beantragung der Verlängerung des Jagdscheins vor, welche keinen kriminellen Charakter habe.
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Mit Schriftsatz vom 24. September 2024 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids vom 26. August 2024 bestehe, da dieser rechtmäßig sei. Gröblich sei auch eine fahrlässige Zuwiderhandlung, die nach ihrem objektiven Gewicht und ihrer Verwertbarkeit als schwerwiegend zu beurteilen sei. Es liege kein Fall vor, der eine Abweichung von der Regelvermutung rechtfertige. Es sei Aufgabe des Betroffenen sich um sämtliche Voraussetzungen für den Besitz von Munition zu kümmern. Dies könne nicht auf die Behörde verlagert werden. Der Antragsteller habe wenigstens fahrlässig gehandelt, indem er es versäumt habe, seinen Jagdschein rechtzeitig verlängern zu lassen. Das Waffenrecht verlange von Waffenbesitzern eine entsprechend hohe Sorgfaltspflicht. Würde die schlichte Argumentation, das habe man halt vergessen, man habe geglaubt, der Jagdschein sei noch gültig, genügen, eine Unzuverlässigkeit zu verneinen, würde der ordnungsrechtliche Zweck des Waffengesetzes konterkariert. Die Sorgfaltspflichten würden dann auf ein dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht mehr gerecht werdendes Niveau reduziert. Nach Erkenntnissen der Behörde sei der Antragsteller mit dem Jagdschein noch zur Jagd gegangen und es hätte ihm auffallen müssen, dass der Jagdschein abgelaufen war. Auch die Bezugnahme auf das Strafverfahren verfange nicht. Der Behörde stehe kein Ermessen zu. Im Übrigen werde auf die Begründung des Bescheids verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
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1. Der zulässige Antrag hat in der Sache teilweise Erfolg.
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Gegen den nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG erfolgten Widerruf der Waffenbesitzkarten, der kraft Gesetzes nach § 45 Abs. 5 WaffG sofort vollziehbar ist, ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage statthaft. Gleiches gilt für die kraft Gesetzes nach Art. 21a VwZVG sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung in Ziff. 5 des Bescheids. Der Antrag ist gem. §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage auch diesbezüglich begehrt.
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Die in Ziffer 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Verpflichtungen wurden in Ziffer 4 für sofort vollziehbar erklärt, so dass der gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ebenfalls statthaft ist.
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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antrag im tenorierten Umfang Erfolg. Die erhobene Anfechtungsklage hat jedoch bei summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg.
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a. Das formelle Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im Hinblick auf Ziffer 2 des Bescheids gerade noch erfüllt.
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Die im Bescheid gemachten Ausführungen zeigen, dass sich das Landratsamt in Bezug auf die Abgabeverpflichtung des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war, im Gegensatz zu dem kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Widerruf der Waffenbesitzkarte. Der Bescheid enthält die Erwägungen, die das Landratsamt für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat, auch wenn im Wesentlichen nicht auf den Besitz der Waffenbesitzkarte an sich und den damit verbundenen Rechtsschein abgestellt wird, sondern auf die Gefährdungslage durch den Umgang mit Waffen durch den Antragsteller als waffenrechtlich ungeeignete Person. Wegen der besonderen Sicherheitslage im Waffenrecht besteht das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug aus Gründen der Gefahrenabwehr auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen waffen- und vollstreckungsrechtlichen Nebenentscheidungen und damit auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung von entsprechenden Maßnahmen ohne zusätzliche Begründung, weil Waffen in Händen von unzuverlässigen Personen für die Gemeinschaft nicht hinnehmbare Gefahren darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17 und B.v. 11.10.2023 – 24 CS 23.1565 – juris Rn. 11).
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Der bezüglich Ziffer 3 angeordnete Sofortvollzug ist aufzuheben. Zwar sind an das Begründungserfordernis inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr eine schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 10). Da der bezüglich Ziffer 3 angeordnete Sofortvollzug jedoch mit keinem einzigen Wort begründet wird, genügt dies nicht dem Formerfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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b. Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Widerrufsvoraussetzungen lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses vor (vgl. BayVGH, B.v. 05.01.2018 – 21 CS 17.1521 – juris, Rn. 13 m.w.N.).
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Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund liegt vor, wenn die betreffende Person die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht besitzt. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG Personen in der Regel nicht, die wiederholt oder gröblich gegen Vorschriften des Waffenrechts verstoßen haben.
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Gröblich i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ist ein Verstoß, wenn die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat, sodass sich in dem Verstoß die fehlerhafte Einstellung zu waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften widerspiegelt (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris, Rn. 10; OVG NW, U.v. 31.8.2006 – 20 A 523/05 – juris Rn. 29; N. Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 25 m.w.N.). Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Waffengesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zweck; das Gesetz will das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst geringhalten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BayVGH B. v. 20.7.2020 – Az. 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 11 f.).*Gröblich meint gem. 5.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) eine schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige), nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende, womöglich mit Nachdruck begangene Zuwiderhandlung.
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Die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2023 – Az. 24 CS 23.495 – juris Rn. 20). Die zuständigen Verwaltungsgerichte stellen eigenständig fest, welche Gesetzesverletzungen der Betroffene begangen hat und bewerten rechtlich, ob diese als gröbliche oder wiederholte Verfehlungen qualifizierbar sind (vgl. BayVGH B. v. 20.7.2020 – Az. 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 13). Die Einstellung des Strafverfahrens schließt die Annahme eines gröblichen Verstoßes nicht aus.
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Zutreffend hat der Antragsgegner festgestellt, dass der Antragssteller in objektiver Hinsicht schwerwiegend gegen zentrale Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen hat, da es zu dessen fundamentalen Grundsätzen zählt, dass der Umgang mit näher definierten Waffen und bestimmter Munition eine behördliche Erlaubnis voraussetzt (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2020 – Az. 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 13). Nach § 13 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 WaffG bedürfen Inhaber eines gültigen Jagdscheins für den Erwerb und Besitz von Munition für Langwaffen keiner Erlaubnis, sofern sie nicht nach dem Bundesjagdgesetz in der jeweiligen Fassung verboten ist. Der Antragsteller verfügte entgegen § 13 Abs. 1 WaffG im Zeitpunkt der Kontrolle am 31. Januar 2024 nicht über einen gültigen Jagdschein, da dieser abgelaufen war. Es handelt sich dabei um eine Straftat nach § 52 Abs. 3 Nr. 2b WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 WaffG. Der Antragsteller hat die nötige Sorgfalt außer Acht gelassen, in diesem sicherheitsrechtlich relevanten, hochsensiblen Bereich dafür Sorge zu tragen, dass die in seinem Besitz befindliche Munition von entsprechenden Erlaubnissen gedeckt ist. Dies gilt auch, wenn wie hier das gegen den Antragsteller eingeleitete Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt wurde.
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Anhaltspunkte, die ein Abweichen von dieser Regelvermutung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn 5; BayVGH, B.v. 18.4.2011 – 21 CS 11.373 – juris Rn. 8).
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Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des Antragsgegners, sondern des Antragsstellers, sich um die Einhaltung der waffenrechtlichen und jagdrechtlichen Vorschriften zu kümmern und die für seine Waffen und Munition erforderlichen Erlaubnisse zu überprüfen und zu erneuern. Der Einwand des Klägers, ein gröblicher Verstoß könne deswegen nicht angenommen werden, da ein bloßer Hinweis des Landratsamts auf die Unrichtigkeit der Eintragungen und eine damit gebotene Korrektur dieser Eintragungen auf seinen Antrag hin und unter Rückgabe der unrichtigen Karte ausgereicht hätten, um rechtmäßige Zustände herzustellen, geht fehl. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe die Verlängerung übersehen, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Ein gröblicher Verstoß i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG liegt auch bei einem lediglich fahrlässig begangenen Verstoß vor, da auch ein solcher strafbewehrt ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2020 – 24 ZB 19.1204 – juris Rn. 15 ff.).
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In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem unstreitig erfolgten Verstoß um keine Bagatelle handelt, sondern um einen Straftatbestand nach § 52 Abs. 3 Nr. 2b, Abs. 4 WaffG. Letztlich dient die Vorschrift des § 13 Abs. 1, 5 WaffG dem allgemeinen Zweck des Waffenrechts, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (vgl. BayVGH, B.v. 13.4.2021 – Az. 24 B 20.2220 – juris Rn. 18 zu § 13 Abs. 3 WaffG).
31
c. Ziffer 2 erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Die Rückgabe der Waffenbesitzkarten dient der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2014 – 21 CS 14.2330 – juris Rn. 13). Sie stellt eine begleitende Verfügung dar und ist eine mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung nach § 46 Abs. 1 WaffG. Es kommt nicht darauf an, ob der Antragsteller die Waffenbesitzkarte mittlerweile abgegeben hat, da für freiwillig abgegebene Erlaubnisdokumente § 46 Abs. 1 WaffG den Rechtsgrund für das Einbehalten der Dokumente darstellt.
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d. Die knappe Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 des Bescheides beruht auf Art. 18, 19 Abs. 1, 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungsu. Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) und ist nicht zu beanstanden, auch wenn sich die Ausführungen im Wesentlichen auch hier in der Aufzählung und Wiedergabe der gesetzlichen Vorschriften erschöpfen (vgl. BayVGH B.v. 3.4.2023 – 9 ZB 23.79 – juris Rn. 9).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57). Für den Widerruf der Waffenbesitzkarte des Antragstellers ist der Auffangwert (5.000,00 EUR) anzusetzen, wobei hierin zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten ist. Für jede weitere Waffe ist entsprechend Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs eine Erhöhung um 750,00 EUR vorzunehmen (vgl. VGH BW, B.v. 8.1.2020 – 1 S 2212/19 – juris Rn. 4). Dies führt bei insgesamt 4 eingetragenen Waffen zu einem Streitwert von 7.250,00 EUR, wobei im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der für das Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert zu halbieren ist.
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Da durch diesen nur teilweise ablehnenden Beschluss die Anordnung in Ziffer 2. sofort vollziehbar wäre, regt das Gericht an, dem Antragsteller eine neue, angemessene Frist zur Abgabe der Waffenbesitzkarte zu setzen, sofern die Abgabe nicht bereits erfolgte. Auf das Anwendungsermessen nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG wird hingewiesen. Erst wenn innerhalb dieser neuen Frist die Verpflichtung nicht erfüllt wurde, kann das Landratsamt die Vollstreckung des Zwangsgeldes betreiben.