Titel:
Unzulässige Klage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Möbelmarktes zu einem Fahrradfachmarkt durch einen Grundstückseigentümer und dessen Pächter, der ebenfalls einen Fahrradfachmarkt betreibt
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 109
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, S. 2, Abs. 4, Abs. 6 Nr. 4, Nr. 8 lit. a, Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
BauNVO § 11 Abs. 3, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 66 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks setzt eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Vorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob einer Baugebietsfestsetzung eine über die Gebietsgrenze hinausreichende drittschützende Wirkung zukommt und damit ausnahmsweise ein "baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch" besteht, hängt davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB ist nicht nachbarschützend. Das Planungserfordernis gewährt Dritten auch dann kein Recht, wenn die Behörde eine Einzelfallgenehmigung ggf. mit einer Befreiung von Bebauungsplanfestsetzungen erteilt und dadurch die Vorschriften über die Bauleitplanung und das Beteiligungsrecht nach § 3 BauGB unterlaufen werden. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baurecht, Nachbarklage eines Wettbewerbers, Fehlende Klagebefugnis, Baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch (verneint), Wettbewerbsneutralität des Bauplanungsrechts, Nutzungsänderung, Möbelmarkt, Fahrradfachmarkt, großflächiger Einzelhandel, Klagebefugnis, konkurrierender Wettbewerber, Sondergebiet, Befreiung, gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch, Gebot der Rücksichtnahme, Planungserfordernis, Anspruch auf Änderung eines Bebauungsplanes, Umgehung von Beteiligungsrechten, obligatorische Berechtigung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4352
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen die der Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Möbelmarktes zu einem Fahrradfachmarkt.
2
Der Kläger zu 1) ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … und … der Gemarkung … (…, …), welche an die Klägerin zu 2) verpachtet sind, die dort einen Fahrradfachmarkt (…) betreibt. Das Grundstück … ist von der Liegenschaft der streitbefangenen Baugenehmigung auf öffentlichen Straßen ca. 2,5 km bzw. fünf Fahrminuten mit dem Pkw entfernt.
3
Die Baugrundstücke liegen – im Gegensatz zu den Grundstücken des Klägers zu 1) – im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „…“, welcher seit 30. Oktober 2013 rechtsverbindlich ist. Der Bebauungsplan setzt zwei Sondergebiete für ein Einrichtungshaus (SO 1) und für einen Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt (SO 2) fest. Die Baugrundstücke sind im SO 2 situiert. Der Bebauungsplan enthält unter anderem folgende textliche Festsetzung:
1. Art der baulichen Nutzung (…)
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1.2. Das Sondergebiet 2 (gem. § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) dient der Unterbringung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes mit der Zweckbestimmung Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt mit einer Verkaufsfläche von max. 13.000 m2 („SO 2 – Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt“). Dabei darf die Verkaufsfläche des Gartenmarktes höchstens 4.500 m2 betragen. In dem Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt dürfen die innenstadtrelevanten Randsortimente im Bereich Baumarkt auf max. 2.900 m2 und im Bereich Gartenmarkt auf max. 2.500 m2 angeboten werden.
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Als innenstadtrelevante Randsortimente dürfen geführt werden: Elektrogeräte, Leuchten, Elektrozubehör, Schnittblumen und Gestecke, Topfpflanzen, Balkon- und Beetpflanzen, Zooartikel, Tiernahrung und -bedarf, Sämereien und Zwiebeln. Bei der Ermittlung der zulässigen Verkaufsflächen sind überdachte Freiflächen mit 50% und Freiflächen mit 25% anzusetzen.
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Dem Bebauungsplan liegt ein Raumordnungsverfahren zugrunde. Die Regierung von M. teilte diesbezüglich mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 mit, dass die Errichtung eines Einrichtungszentrums sowie eines Bau- und Gartenmarktes den Erfordernissen der Raumordnung entspreche, wenn gewisse Maßgaben unter anderem hinsichtlich der zulässigen Verkaufsflächen und der Verkehrssteuerung eingehalten würden. In dem Schreiben weist die Regierung von M. auch darauf hin, dass im Rahmen der landesplanerischen Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten weder eine Bedarfsprüfung durchgeführt noch Konkurrenzschutz für bestehende Handelseinrichtungen betrieben noch die Summenwirkung des untersuchten Vorhabens mit bereits bestehenden Handelsbetrieben der gleichen Branche berücksichtigt werden könne. Die Beklagte nimmt im Rahmen der Begründung des Bebauungsplans Bezug auf das durchgeführte Raumordnungsverfahren sowie auf die Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms 2006 und des Regionalplans für die Industrieregion M. (vgl. S. 10 ff. der Begründung).
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Hinsichtlich der Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung führte die Beklagte in der Begründung zum Bebauungsplan unter anderem Folgendes aus (vgl. Ziff. 5.1, S. 79 ff. der Begründung):
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Die Auswirkungen des Planvorhabens auf Innenstädte und Versorgungsbereiche im Einzugsgebiet sind erstmals 2003 in einem Gutachten der … untersucht worden. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass keine erheblich nachteiligen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der untersuchten Innenstädte und Versorgungsbereiche zu erwarten sind. Nach mehr als fünf Jahren Planungszeit, wurde die … im Jahr 2008 mit Erstellung einer neuen Auswirkungsanalyse beauftragt, um festzustellen, ob aufgrund neuer Entwicklungen eine abweichende Bewertung des Planvorhabens notwendig wird. Die im Oktober 2008 von der … vorgelegten Ergebnisse der neuen Untersuchung und deren Aktualisierung im Juni 2012 zeigten, dass dies nicht der Fall war. Danach ist die geplante Ansiedlung eines großflächigen Fachmarktzentrums, bestehend aus einem Einrichtungszentrum und einem Bau- und Gartenmarkt in …, ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenklich. Nach Einschätzung der Stadt beruht diese gutachterliche Bewertung auf einer methodisch einwandfreien und gut nachvollziehbaren Analyse.
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Im Rahmen der Abwägung (vgl. S. 92 ff. der Begründung) wurde unter Ziffer 6.6.1 hinsichtlich der Belange der Wirtschaft (vgl. S. 95 der Begründung) erneut auf die beiden Auswirkungsanalysen aus den Jahren 2003 und 2008 verwiesen und festgestellt, dass die geplante Ansiedlung eines großflächigen Fachmarktzentrums, bestehend aus einem Einrichtungszentrum und einem Bau- und Gartenmarkt in …, ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenklich sei.
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Am 15. Februar 2023 machte die Beklagte in ihrem Amtsblatt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Beigeladene für das Vorhaben „Nutzungsänderung des bestehenden Möbelmarktes … zu einem Fahrradfachmarkt“ auf dem Anwesen …, …, öffentlich bekannt. Die Baugenehmigung enthält Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich des Betriebs eines Fahrradfachmarktes anstatt eines Bau-, Heimwerker- und Gartenmarktes sowie von der Trauf- und Attikahöhe im Bereich des Eingangsportals (12,25 m anstatt max. 11 m).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Baugebietsfestsetzung als Grundzug der Planung mit dem aktuellen Einzelhandelsbetrieb eingehalten sei. Die geplante Verkaufsfläche sei geringer als die gemäß Bebauungsplan im Sondergebiet 2 (SO 2) maximal zulässige Verkaufsfläche. Die Auswirkungen auf bestehende Einzelhandelsstandorte seien im Rahmen einer Auswirkungsanalyse fachgutachterlich untersucht worden. Es sei gutachterlich bestätigt worden, dass städtebauliche Auswirkungen nicht zu erwarten seien. Es werde davon ausgegangen, dass die notwendige Befreiung von der besonderen Zweckbestimmung „Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt“ mit den festgesetzten Sortimenten für das abweichend geplante Sortiment Fahrräder und Fahrradzubehör städtebaulich vertretbar sei. Nachbarliche Belange (Einzelhandelsstandorte, Nachbarkommunen) seien im Rahmen des Gutachtens untersucht und gewürdigt worden. Aufgrund des durch den Gutachter gezogenen Fazits werde davon ausgegangen, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.
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Die Kläger haben am 14. März 2023 Klage gegen diesen Bescheid erhoben und Akteneinsicht in die Behördenakte beantragt. Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2024 ist zudem der Erlass eines Zwischenurteils über die Zulässigkeit beantragt worden.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Beklagte den Klägern die Akteneinsicht bislang verweigert habe, obwohl in der öffentlichen Bekanntmachung der unbeschränkte Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Genehmigungsakte enthalten sei, sodass die Kläger nicht in der Lage seien, ihre Betroffenheit und somit die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts substantiiert darzutun. Die Kläger seien auf die Akteneinsicht jedoch dringend angewiesen. Die Klägerin zu 2) befürchte aufgrund dramatischer Umsatzneuverteilungen aufgrund des marktstarken, großflächigen neuen Fahrradfachmarkts in einer Weise bedroht zu sein, dass ihr hieraus eine wirtschaftliche Existenzbedrohung erwachse und sie ausschließlich in Kenntnis der Einzelhandel-Auswirkungsanalyse, die in der Amtlichen Mitteilung im Amtsblatt der Beklagten erwähnt sei, die Verletzung eigener Rechte hinreichend beurteilen und infolge dessen wahren könne. Es sei der Klägerin zu 2) durchaus bewusst, dass eine bloße, im Wirtschaftsleben übliche Wettbewerbssituation womöglich kein wehrfähiges Recht verleihe, diese Ausgangslage ändere sich indes bei der Existenzbedrohung durch die Zulassung eines zukünftig marktbeherrschenden Konkurrenten, was ausschließlich anhand der im Genehmigungsverfahren zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben üblichen Auswirkungsanalyse ersichtlich sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich von reinen Wettbewerbsverhinderungsklagen dadurch, dass die Beklagte die streitgegenständliche Baugenehmigung unter Befreiung hinsichtlich des Betriebs eines Fahrradfachmarkts anstatt des festgesetzten Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkts erteilt habe. Bereits auf den ersten Blick und ohne eine ggf. tiefergehende Begründung für diese Befreiung in der Baugenehmigung bzw. den Befreiungsbescheid zu kennen, dränge sich die handgreifliche Wahrscheinlichkeit auf, dass diese Befreiung in die Grundzüge der Planung des Bebauungsplans Nr. … der Beklagten eingreife bzw. die Grundzüge der Planung berühre. Gerade bei einem Sondergebiet, welches explizit für eine bestimmte Nutzung ausgewiesen worden sei, sei eine umfassende Befreiung von der Nutzungsart äußerst kritisch. Aus dieser Gemengelage einer Baugenehmigung mit dem Inhalt einer womöglich erdrückenden, existenzgefährdenden Konkurrenz, die wahrscheinlich unter Verletzung der Vorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB hervorgerufen worden sei und der fehlenden Möglichkeit der Klägerin zu 2), sich durch Einblick in die Genehmigungsakte einen fundierten Überblick über die Rechtslage zu verschaffen, ergebe sich zweifelsfrei die Möglichkeit einer substanziellen Rechtsverletzung der Klägerin zu 2), so dass die Zulässigkeit dieser Klage gegeben sei. Gleiches gelte für den Kläger zu 1) als Eigentümer der Grundstücke, auf welchen die Klägerin zu 2) ihren Einzelhandelsbetrieb unterhalte. Für ihn streite ein wehrfähiges Recht aus Art. 14 GG. Im Falle einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz seines Mieters, der Klägerin zu 2), mit der Folge der Einstellung deren Geschäftsbetriebs und bei Realisierung des genehmigten Vorhabens werde der Kläger zu 1) sein Grundstück nicht mehr wie bisher nutzen können, weil bei Aufgabe der derzeitigen Einzelhandelsnutzung durch die Klägerin zu 2) eine entsprechende Nachnutzung nicht zu erwarten sei.
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Die Klage sei zulässig. Die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung sei gegeben. Ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch sei nicht völlig ausgeschlossen. Im Rahmen der Planaufstellung seien die Auswirkungen der damaligen Planvorhaben in Form zweier sehr großflächiger Einzelhandelsbetriebe auf Innenstädte und Versorgungsbereiche im Einzugsgebiet untersucht worden. Gegenstand solcher Einzelhandelsgutachten seien regelmäßig und ganz zentral die durch das Planvorhaben voraussichtlich ausgelösten Umsatzverlagerungen. Diese Untersuchungen hätten Nachbarstädte, die eigene Innenstadt der satzungsgebenden Kommune und Versorgungsbereiche im Einzugsgebiet im Fokus. Maßgebliche Beurteilungsparameter seien hierbei Umsatzverteilungseffekte und sich daraus ergebende städtebauliche Auswirkungen auf Innenstädte und Versorgungsbereiche. Dies stelle den üblichen und erforderlichen Kanon solcher Untersuchungen dar, um zum einen die Versorgungssicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten und zum anderen Innenstädte vor dem „Ausbluten“ durch den Verlust vorhandener Wettbewerber der betroffenen Marktsegmente und Branchen zu bewahren. Die immerzu wiederholte These, dass das Planungsrecht nicht wettbewerbsrelevant sei bzw. dass der Topos des Wettbewerbsschutzes nicht Gegenstand des Planungsrechts sei, sei in einer solch apodiktischen Darstellung nicht zutreffend und nicht zielführend. Die beschriebenen Untersuchungen der Ansiedlung großflächiger Fachmärkte würden auf die städtebauliche Unbedenklichkeit, aber auch gerade auf die ökonomische Verträglichkeit für vorhandene Einzelhandelsgeschäfte und somit mittelbar auf den Schutz von Innenstädten und Versorgungsbereichen abzielen.
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Ein solcher Schutz ergebe sich auch aus dem Planungswillen der Beklagten, wie er aus der Planbegründung zum Bebauungsplan Nr. … ersichtlich sei. Verwiesen sei lediglich auf das Kapitel 5 „Begründung der Festsetzungen im Bebauungsplan“ und dort auf die Ziff. 5.1 „Art der baulichen Nutzung“. Der Planungswille der Beklagten umfasse hiernach die „ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenkliche“ Ansiedlung. Die ökonomische Verträglichkeit unmittelbar und die städtebauliche Unbedenklichkeit mittelbar würden auf den Schutz vorhandener Einzelhandelsangebote in den betreffenden Branchen und Segmenten abzielen. Die Beklagte habe, ersichtlich und klar zum Ausdruck gebracht, die Auswirkungen für außerhalb des Geltungsbereichs und gar weiter entfernt liegende Betriebe im innerstädtischen Bereich und in Versorgungsbereichen in ihre Abwägung mit aufnehmen und schützen wollen. Es dürfe davon ausgegangen werden, dass die Festsetzungen zu SO 1 und SO 2 gerade nicht beschlossen worden wären, wenn die ökonomische Verträglichkeit und städtebauliche Unbedenklichkeit nicht gutachterlich festgestellt worden wären. So fuße der Bebauungsplan auf einem umfangreichen Raumordnungsverfahren. In diesem sei detailliert geprüft worden, welche Sortimente und Verkaufsfläche an dem Standort nach der Landesplanung zulässig seien. Die Prüfung sei laut der Begründung des Bebauungsplans sowohl mit Blick auf die Gesamtauswirkungen des Vorhabens auf die benachbarten Versorgungsstrukturen als auch betreffend der Frage, ob die geplanten Verkaufsflächen sortimentsbezogen zulässig seien, erfolgt. Die Ziele hinsichtlich der zulässigen Verkaufsflächen in den zugrundeliegenden Landesentwicklungsprogrammen aus den Jahren 2006 und 2020 würden dazu dienen, flächendeckende Geschäftsaufgaben zu vermeiden. Der vorhandenen Versorgungsstruktur solle kein großer Teil der sortimentsbezogenen Kaufkraft entzogen werden. Der Bebauungsplan Nr. … verfolge mithin das aus der Raumordnung abgeleitete Ziel, dass im einzelnen Sortiment ein Projekt nur eine bestimmte Kaufkraft binden dürfe und damit Geschäftsaufgaben der benachbarten Bestandsbetriebe vermieden werden sollen. Dieses Ziel gelte mithin auch dem Schutz des im gleichen Sortiment tätigen Wettbewerbers außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans. Darüber hinaus habe die Beklagte laut der Begründung des Bebauungsplans im Raumordnungsverfahren unter anderem zum Schutz anderer Wettbewerber für die festgesetzten Sortimente (Möbelmarkt, Garten- und Baumarkt) nachweisen müssen, warum die festgesetzten Sortimente nicht in Innenstadtlagen ausgewiesen werden könnten und warum ein entsprechender Bedarf für die Ausweisungen bestehe. Auch ansonsten werde in der Begründung des Bebauungsplans herausgearbeitet, dass – gerade auch bezogen auf die benachbarten Wettbewerber – untersucht worden sei, welche Auswirkungen das geplante Vorhaben habe und dass betreffend die untersuchten Sortimente die Auswirkungen des Vorhabens eher gering seien. Der Bebauungsplan spreche über die Auswirkungen im Bereich des „typengleichen Wettbewerbs“. In Ziffer 5.1 der Begründung werde nochmals bestätigt, dass die Festsetzungen auf der landesplanerischen Beurteilung vom 12. Dezember 2003 fußen würden. Der Bebauungsplan treffe also drittschützende Festsetzungen zugunsten von Wettbewerbern, weshalb im vorliegenden Fall nicht von einer Wettbewerbsneutralität des konkreten Bebauungsplans ausgegangen werden könne. Vor diesem Hintergrund seien die Kläger im rechtlichen Sinne Gebietsnachbarn mit einem potentiellen Anspruch auf Gebietserhaltung. Jedenfalls sei ein solch subjektiver Abwehr- bzw. Erhaltungsanspruch nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Auch wenn Festsetzungen in Bebauungsplänen nur in Ausnahmefällen planübergreifenden Drittschutz vermitteln würden, weise die Begründung des Bebauungsplans Nr. … Anhaltspunkte dafür auf, dass der Plangeber außerhalb des Plangebiets bestehende Belange in die planerische Abwägung einbezogen habe und insoweit selbstständig durchsetzbare subjektive Rechte habe vermitteln wollen.
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Wenn man dieser Betrachtungsweise nicht folge, zeige sich das rechtsstaatlich bedenkliche Ergebnis, dass betroffene Einzelhändler und Grundstückseigentümer nicht einmal die Möglichkeit erhalten würden, auch nur die Verteidigungsfähigkeit ihrer Rechtsposition zu prüfen. Im Aufstellungsverfahren für einen Bebauungsplan würden alle relevanten Untersuchungen, deren Kenntnis für den einzelnen potentiell Betroffenen zur Rechtsverteidigung elementar sei, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese könnten sodann die Ergebnisse der Einzelhandelsgutachten, deren Herleitung und Systematik auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit überprüfen. Diese Voraussetzung für die Ergreifung effektiven Rechtsschutzes sei dagegen im Rahmen einer Baugenehmigung, die, wie die streitgegenständliche, in gleicher Weise wie eine erstmalige bauleitplanerische Festsetzung geeignet sei, Drittinteressen zu beeinträchtigen, nicht möglich, wenn man in dieser Konstellation entgegen der vorgetragenen Argumente die Figur des gebietsübergreifenden Bestandsschutzes und die Nachbareigenschaft der Kläger, jedenfalls des Klägers zu 1), ablehne. Hierdurch bestehe seitens der Behörden ein Potential zum Rechtsmissbrauch, nachdem so die Möglichkeit bestünde, wie hier, statt eine Änderung des Bebauungsplans vorzunehmen, eine (rechtswidrige) Befreiung zu erteilen, um so betroffenen Dritten den Zugang zu den Bauvorlagen und Gutachten zu verwehren. Es sei betont, dass die Beklagte vorliegend anscheinend versuche, den Klägern die Möglichkeit von Rechtsbehelfen und Einwendungen zu entziehen. Auch im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG erscheine das Vorgehen der Beklagten mehr als fragwürdig.
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Die Kläger beantragen,
die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klage bereits unzulässig sei, da hinsichtlich beider Kläger schon keine Klagebefugnis gegeben sei. Der hier im Mittelpunkt stehende Schutz vor wirtschaftlicher Konkurrenz sei aufgrund der Wettbewerbsneutralität des Städtebaurechts kein Belang, der eine Nachbareigenschaft oder eine Klagebefugnis begründen könnte. Dass der Kläger zu 1) als Grundstückseigentümer durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in baurechtlich drittschützenden Rechten verletzt würde, werde weder dargelegt noch sei hierfür aufgrund der räumlichen Entfernung auch nur ansatzweise etwas ersichtlich. Allein die Befürchtung, dass die Klägerin zu 2) als Mieterin zukünftig das Mietverhältnis beenden könnte, weil der Betrieb dort wegen eines etwaigen Umsatzrückgangs nicht mehr rentabel erscheine, gebe dem Kläger zu 1) jedoch keine Klagebefugnis gegen die Baugenehmigung. Die Klägerin zu 2) sei als nur obligatorisch berechtigte Mieterin keine Nachbarin im baurechtlichen Sinne und aus den genannten Gründen ebenfalls nicht klagebefugt.
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Entgegen der Ansicht der Kläger lasse sich eine Klagebefugnis auch nicht aus einem gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch ableiten. Ein solcher bestehe nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht und lasse sich vorliegend auch nicht ausnahmsweise aus der Begründung des Bebauungsplans entnehmen. Aus der Begründung zum Bebauungsplan gehe lediglich hervor, dass die Gutachten zu dem einhelligen Ergebnis kämen, dass ein großflächiges Fachmarktzentrum, bestehend aus Einrichtungshaus (SO1) sowie Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt (SO₂) ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenklich sei. Die gutachterlichen Untersuchungen (2003, 2008 und 2012) hätten selbstverständlich und notwendigerweise ein größeres Untersuchungsgebiet für die Auswirkungsanalyse gewählt, als die Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereiches des Bebauungsplanes. Anhand dieser Ausführungen lasse sich eben nicht unmissverständlich ableiten, dass die Beklagte seinerzeit im Rahmen des Aufstellungsverfahrens beabsichtigt habe, auch Nachbarn außerhalb des Geltungsbereiches zu schützen. Der Begründung lasse sich vielmehr entnehmen, dass Festsetzungen im Bebauungsplan getroffen worden seien, die auf die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Innenstädte und des zentralen Versorgungsbereiches abzielen würden. Die Ausformulierung in der Begründung zur ökonomischen Verträglichkeit und städtebaulichen Unbedenklichkeit genüge dagegen weiterhin nicht als Beleg für einen entsprechenden Planungswillen der Beklagten, denn hier sei stattdessen die Dokumentation der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB erfolgt. Durch Festsetzungen zur Gewährleistung der Innenstadtverträglichkeit werde nicht automatisch ein umfassender Nachbarschutz und damit gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch auf die Bereiche außerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes manifestiert. Konkret aufgeführt werde in der Planbegründung jedoch nur die Gewährleistung einer innenstadtverträglichen Nutzung, die mithilfe von verschiedenen Festsetzungen erreicht werden solle, unter anderem einer Festlegung der Verkaufsflächen für innenstadtrelevante Randsortimente inklusive deren näherer Sortimentsbezeichnung, jeweils für die Sondergebiete SO1 und SO2. Hieraus lasse sich allenfalls ein Schutzanspruch in Bezug auf die Verkaufsfläche und das Sortiment ableiten, um im Besonderen die Innenstädte in ihrer Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Explizite bzw. unmissverständliche Ausführungen hinsichtlich eines beabsichtigten weiterführenden Nachbarschutzes außerhalb des Geltungsbereiches durch entsprechende Festsetzungen würden sich allerdings weder in der Begründung inklusive der Anlagen noch auf dem Planblatt erkennen lassen.
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Die Beigeladene beantragt,
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Klage offensichtlich unzulässig sei, da die Kläger nicht klagebefugt seien. Eine Verletzung der Kläger in eigenen Rechten sei hier offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise denkbar. Dem klägerischen Vorbringen lasse sich kein subjektives öffentliches Recht entnehmen, das möglicherweise durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt sein könnte. Die Kläger seien keine Nachbarn im baurechtlichen Sinne. Die Grundstücke des Klägers zu 1) lägen räumlich deutlich vom Vorhabengrundstück der Beigeladenen abgesetzt und nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Beklagten. Der Kläger zu 1) sei kein Nachbar im baurechtlichen Sinne. Die Klägerin zu 2) sei als Pächterin lediglich obligatorisch und nicht dinglich berechtigt. Damit sei auch die Klägerin zu 2) nicht im baurechtlichen Sinne Nachbarin. Auch die angebliche Verletzung eines gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs sei unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung stehe einem Eigentümer, dessen Grundstück sich außerhalb des jeweiligen Baugebiets befinde, ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger Gebietserhaltungsanspruch regelmäßig nicht zu. Der Nachbarschutz für außerhalb der Grenzen des Plangebiets liegende Grundstücke bestimme sich bundesrechtlich vielmehr nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme. Es liege auch kein von diesem Regelfall abweichender Sonderfall vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG sei das Interesse eines Gewerbetreibenden oder eines Eigentümers von Gewerbeimmobilien, von Festsetzungen, die die Ansiedlung eines Konkurrenten gestatten, verschont zu bleiben, grundsätzlich nicht schutzwürdig. Dies gelte selbst dann, wenn der Bebauungsplan die Grundlage für die Ansiedlung eines Konkurrenten im Einzugsbereich der eigenen wirtschaftlichen Betätigung, sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft, bilde. Grundsätzlich müsse jeder Gewerbetreibende stets mit neu hinzutretender Konkurrenz rechnen. Das Städtebaurecht sei wettbewerbsneutral. Die Bauleitplanung dürfe nicht in den leistungsfördernden Wettbewerb im Einzelhandel staatlich eingreifen. Warum dieser Grundsatz hier nicht zielführend sein soll, sei nicht zu erkennen. Die Begründung der Kläger sei jedenfalls nicht tragfähig; diese würden den Zweck und die Bedeutung der hier durchgeführten einzelhandelsgutachterlichen Untersuchung der (städtebaulichen) Auswirkungen des Bebauungsplans Nr. … verkennen. Entgegen der Auffassung der Kläger würden die Einzelhandelsgutachten gerade nicht dem Schutz einzelner Gewerbebetriebe im Einzugsgebiet des Vorhabens, sondern allein der Berücksichtigung städtebaulicher und raumordnungsrechtlicher Belange im Rahmen der Planaufstellung dienen. Das Ziel der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche sowie einer ausgeglichenen Versorgungsstruktur sei ein anerkannter ausschließlich öffentlicher städtebaulicher Belang. Auch unter Berücksichtigung der Planbegründung ergebe sich keine abweichende Beurteilung. In der Planbegründung fänden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte einen baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch zugunsten planexterner Betriebe habe begründen wollen. Die durch die Kläger zitierte erste Fundstelle in der Planbegründung beziehe sich auf die einzelhandelsgutachterliche Untersuchung der …, nicht das Planungsziel der Beklagten. Im Ergebnis werde in der Planbegründung lediglich festgestellt, dass die geplante Ansiedlung eines großflächigen Fachmarktzentrums ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenklich sei. Anhaltspunkte, dass die Beklagte die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung in irgendeiner Weise drittschützend habe aufladen wollen, die einen plangebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch rechtfertigen könnte, seien nicht ersichtlich. Insbesondere die Feststellung der ökonomischen Verträglichkeit und der städtebaulichen Unbedenklichkeit beziehe sich allein auf öffentliche Belange. Der Plangeber habe die Verträglichkeit der städtebaulichen Auswirkungen des Bebauungsplans auf die zentralen Versorgungsbereiche sichern, aber nicht einzelne Betriebe vor diesen Auswirkungen schützen wollen. Entgegen der Einschätzung der Kläger habe die wettbewerbliche Situation gerade nicht konserviert werden, sondern die Funktionsfähigkeit der Zentrenstruktur gesichert werden sollen. Würde man dagegen der klägerischen Auffassung folgen, hätten möglicherweise betroffene Wettbewerber im Bestand – unabhängig von jeglicher Betroffenheit in eigenen Rechten – grundsätzlich ein Abwehrrecht gegen die Neuansiedlung eines Konkurrenten. Dieses unzutreffende Ergebnis stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerwG hinsichtlich der Wettbewerbsneutralität des Planungsrechts und der fehlenden Schutzwürdigkeit einer vorteilhaften Wettbewerbssituation.
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Auch aus dem Umstand, dass der Aufstellung des Bebauungsplans ein Raumordnungsverfahren vorausgegangen sei, lasse sich kein gebietsübergreifender Drittschutz ableiten. Dies zeige bereits die Rechtsnatur des Raumordnungsverfahrens. Dieses treffe keine verbindliche Entscheidung über die Raumverträglichkeit von Vorhaben. Es besitze damit faktisch keine Bindungswirkung. Im Übrigen komme den Zielen der Raumordnung zugunsten Privater keine drittschützende Wirkung zu. Gleiches gelte für die Ziele des Landesentwicklungsprogramms.
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Soweit die Klagepartei meine, ihr werde jegliche Rechtsschutzmöglichkeit abgeschnitten, so sei anzumerken, dass die Klagepartei zum einen schlicht nicht in ihren Rechten betroffen sei und zu anderen auch im Rahmen eines Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 2 VwGO nicht antragsbefugt wäre, nachdem dort im Wesentlichen der gleiche Maßstab gelte.
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Vor diesem Hintergrund sei hier auch der gestellte Antrag auf Akteneinsicht abzulehnen. Offensichtlich diene das ganze Klageverfahren nur dem Zweck, Einsicht in die Baugenehmigungsunterlagen eines Wettbewerbers nehmen zu können. Würde das Gericht die Bauakten der Beklagten anfordern, erhielten die Kläger die Möglichkeit, im Rahmen ihres Akteneinsichtsrechts Kenntnis von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen zu erlangen, die für wettbewerbliche Strategien und Einzelmaßnahmen der Beigeladenen von Bedeutung seien. Die gerichtliche Eröffnung der Kenntnisnahme der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch Wettbewerber und damit die Ermöglichung ihrer Verarbeitung im Wettbewerb beeinträchtige die Ausschließlichkeit der Nutzung der betroffenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse für den eigenen Erwerb im Rahmen beruflicher Betätigung. Darin läge ein Grundrechtseingriff. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit der Beigeladenen wäre auch nicht gerechtfertigt. Deren Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG sei – vor dem Hintergrund der fehlenden Zulässigkeit der Klage – auch unter Berücksichtigung des kollidierenden Interesses der Kläger an effektivem Rechtsschutz ein überwiegendes Gewicht zuzumessen.
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Die zur Entscheidung berufene Kammer hat die Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 17. März 2023 und 31. Juli 2023 darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage von einer unzulässigen Klage ausgegangen und daher von der Anforderung der Behördenakten abgesehen werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den Bebauungsplan samt zugehöriger Materialien sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage führt nicht zum Erfolg. Sie ist bereits mangels Klagebefugnis unzulässig.
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Insoweit konnte die Kammer nur durch Endurteil und nicht, wie von Klägerseite beantragt, durch Zwischenurteil nach § 109 VwGO entscheiden, da über die Zulässigkeit der Klage nur dann durch Zwischenurteil entschieden werden kann, wenn die Zulässigkeit bejaht wird (vgl. mit eingehender Begründung OVG RhPf, U.v. 12.5.2016 – 1 A 10842/15 – juris Rn. 20 ff.). Selbst wenn hier die Möglichkeit für ein Zwischenurteil bestanden hätte, hätte die Kammer hiervon keinen Gebrauch gemacht, da dies voraussichtlich nicht der Prozessökonomie gedient (vgl. dazu BVerwG, B.v. 21.1.2015 – 4 B 42.14 – juris Rn. 5), sondern nur das Verfahren verlängert hätte.
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1. Die Klage ist zwar als Anfechtungsklage statthaft und fristgemäß erhoben worden, jedoch fehlt den Klägern die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, nachdem subjektive Rechte der Kläger ersichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können.
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Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn die Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Ausreichend aber auch erforderlich ist es hierbei, dass die Kläger möglicherweise in ihren Rechten verletzt sind, d.h. die geltend gemachte Rechtsverletzung muss aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen möglich sein. Da durch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO lediglich Popularklagen und solche Klagen ausgeschlossen werden sollen, mit denen die Kläger außerrechtliche Interessen verfolgen, ist die Klagebefugnis nur dann zu verneinen, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des Klagevorbringens subjektive Rechte der Kläger ersichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 16).
32
Der Kreis der Anfechtungsberechtigten einer Baugenehmigung deckt sich grundsätzlich mit den als Nachbarn nach Art. 66 BayBO zu beteiligenden Personen, die sachlich und personell den Nachbarbegriff erfüllen. In personeller Hinsicht stellt der Nachbarbegriff des Art. 66 BayBO grundsätzlich auf das Eigentum am benachbarten Grundstück ab. Den Kreis der Personen, denen das Baurecht nachbarliche öffentliche Rechte einräumt, umgrenzt Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit den „Eigentümern benachbarter Grundstücke“, wobei die benachbarten Grundstücksberechtigten natürliche oder juristische Personen sein können. Bei der sachlichen Abgrenzung des Nachbarbegriffs wird darauf abgehoben, dass benachbart im baurechtlichen Sinne alle Grundstücke sind, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt werden können. Der Nachbarbegriff im Baurecht ist zwar relativ weit gefasst. Er erfasst im Regelfall die direkt – auch nur punktuell – an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke. Der Begriff des Nachbarn darf aber nicht allein nach den äußeren Merkmalen des Angrenzens im Sinne einer gemeinsamen Grundstücksgrenze bestimmt werden. Ob und welche Grundstücke benachbart sind, muss in jeden Einzelfall geprüft und entschieden werden. Hierfür kann kein allgemein geltendes Schema aufgestellt werden. Entscheidend sind jeweils die Lage des Vorhabens, die Art des Vorhabens und insbesondere die von ihm für die Umgebung zu erwartenden Auswirkungen, soweit sie öffentlich-rechtlich von Bedeutung sind. Die Nachbareigenschaft eines Grundstücks setzt jedoch eine bestimmte räumliche Beziehung zum Baugrundstück voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Vorhabens, der nach Art und Intensität der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt (VG Augsburg, U.v. 21.5.2012 – Au 5 K 11.510 – juris Rn. 53).
33
Nach gefestigter Rechtsprechung kann Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts grundsätzlich nur der jeweilige – zivilrechtliche – Eigentümer eines benachbarten Grundstücks oder der Inhaber vergleichbarer dinglicher Rechte an einem Grundstück in Anspruch nehmen. Das Bebauungsrecht ist grundstücks-, nicht personenbezogen. Wer dagegen lediglich ein obligatorisches Recht an einem Grundstück von dessen Eigentümer ableitet (Mieter, Pächter usw.), hat aus dieser Rechtsposition gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung grundsätzlich kein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht. Er kann seine Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geltend machen (BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 9 C 17.1023 – juris Rn. 8).
34
Gemessen an diesen Maßstäben sind die Kläger nicht klagebefugt.
35
a) Der Kläger zu 1) ist nicht klagebefugt. Bereits die bloße Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung ist eindeutig ausgeschlossen, nachdem ein baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch nach jeglicher Betrachtungsweise nicht in Betracht kommt, das Gebot der Rücksichtnahme offensichtlich nicht beeinträchtigt ist, aus der Wahl des Verfahrens durch die Beklagte keine Rechtsverletzung resultieren kann und auch etwaige sonstige Rechte nicht tangiert werden.
36
aa) Durch die im Rahmen der streitgegenständlichen Baugenehmigung erteilten Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. … über ein Sondergebiet für einen Bau-, Heimwerker- und Gartenmarkt, kann der Kläger zu 1) nicht in seinen Rechten verletzt sein.
37
Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Bei einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gem. § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 21 m.w.N.).
38
Während Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung grundsätzlich generell und unabhängig davon, ob der Nachbar durch die gebietswidrige Nutzung unzumutbar oder auch nur tatsächlich spür- und nachweisbar beeinträchtigt wird, schon kraft bundesrechtlicher Vorgabe als drittschützend angesehen werden, folgt aus Art. 14 GG kein Gebot, Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO) drittschutzfreundlich auszulegen (BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23 m.w.N.).
39
Zwar betrifft die streitgegenständliche Befreiung eine Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung (SO 2), welche im Grundsatz nachbarschützend ist, allerdings gilt dies nur dann, wenn sich sowohl das Vorhabengrundstück als auch das Nachbargrundstück – anders als hier – in demselben Plangebiet befinden (BayVGH, B.v. 5.12.2023 – 9 CS 23.1241 – juris Rn. 16).
40
Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, besteht ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz der Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet grundsätzlich nicht (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 18 m.w.N.).
41
Die Gemeinde kann – was in der Praxis der Ausnahmefall bleiben wird – mit einer Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgen, auch „Gebietsnachbarn“ einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Ob einer Baugebietsfestsetzung eine derartige über die Gebietsgrenze hinausreichende drittschützende Wirkung zukommt und damit ausnahmsweise ein „baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch“ besteht, hängt – wie der Nachbarschutz durch andere Bebauungsplanfestsetzungen – davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 19).
42
Vorliegend lassen sich weder dem Bebauungsplan selbst noch der zugehörigen Begründung noch sonstiger, Materialen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagte mit der streitgegenständlichen Festsetzung ausnahmsweise auch Dritte außerhalb des Bebauungsplangebiets schützen wollte.
43
Die Klagepartei stützt ihre Argumentation hinsichtlich des Vorliegens eines gebietsübergreifenden Gebietsbewahrungsanspruchs im Wesentlichen darauf, dass im Rahmen der Planaufstellung Auswirkungsanalysen und Einzelhandelsgutachten bezüglich der damaligen Planvorhaben eingeholt worden seien. Auch ergebe sich aus der Begründung zum Bebauungsplan – speziell aus Ziff. 5.1, S. 79 ff. – der Wille der Beklagten, betroffenen Einzelhandelsgeschäften außerhalb des Bebauungsplangebiets durch die Festsetzung der Sondergebiete Schutz zukommen lassen zu wollen.
44
Dem kann nicht gefolgt werden.
45
Mit der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … sollte die Grundlage für die Ansiedlung eines großflächigen Einrichtungszentrums sowie eines Bau-, Heimwerker- und Gartenmarktes geschaffen werden, um die Entwicklung von großflächigem Einzelhandel im Ballungsraum … zu intensivieren. Hierzu seien die zwei Sondergebiete SO 1 und SO 2 festgesetzt worden, um durch die Konzentration großflächiger Handelsbetriebe auf einen Teilbereich des Stadtgebietes mit günstigen Standortfaktoren und sehr guter verkehrlicher Anbindung die Entwicklung der Beklagten positiv zu beeinflussen und der Forderung nach Entwicklung von qualifizierten Arbeitsplätzen Rechnung zu tragen. Ziel des Satzungsverfahrens zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … sei es gewesen, die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen zur Verwirklichung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung und Ermöglichung einer den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gerecht werdenden baulichen Nutzung i. S. des § 1 Abs. 5 BauGB zu schaffen. Hierbei seien die umweltschützenden Belange i. S. des § 1a BauGB und die Verringerung der zu erwartenden Lärmbelastung auf ein verträgliches Maß besonders zu berücksichtigen gewesen (vgl. S. 18 der Begründung zum Bebauungsplan, Ziff. 3).
46
Im Vorfeld der Aufstellung des Bebauungsplans wurde durch den Vorhabensträger die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens beantragt. Die zuständige Regierung von M. kam dabei zum Ergebnis, dass das Vorhaben – unter Einhaltung gewisser Maßgaben – den Erfordernissen der Raumordnung entspreche. Die Regierung von M. wies dabei in ihrer Stellungnahme vom 12. Dezember 2003 darauf hin, dass im Rahmen der landesplanerischen Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten weder eine Bedarfsprüfung durchgeführt noch Konkurrenzschutz für bestehende Handelseinrichtungen betrieben noch die Summenwirkung des untersuchten Vorhabens mit bereits bestehenden Handelsbetrieben der gleichen Branche berücksichtigt werden könne (vgl. S. 17 der Stellungnahme). Die Beurteilung der Regierung von M. basiert unter anderem auf einer Wirkungsanalyse der … aus dem Jahr 2003. Dieses Gutachten wurde in der Folge durch die … im Rahmen eines weiteren Gutachtens aus dem Jahr 2008 bzw. einer Stellungnahme aus dem Jahr 2012 aktualisiert. Die genannten Gutachten verfolgten dabei jeweils das Ziel, zu den möglichen anzunehmenden Auswirkungen der Verkaufsflächen mit projektrelevanten Sortimenten auf ausgewählte zentrale Standorte in …, … und … und im projektrelevanten Einzugsgebiet Stellung zu nehmen (vgl. S. 8 des Gutachtens aus dem Jahr 2008; S. 5 der gutachterlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2012). Hierzu wurden allgemeine Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Verkehrsdaten hinsichtlich des Makro-Standorts … sowie des Mikro-Standorts des Projektvorhabens erhoben, Struktur- und Leistungsdaten des relevanten Einzelhandels im Einzugsgebiet (Innenstädte von …, … und … sowie …) ermittelt, die Wettbewerbssituation im sortimentsspezifischen Einzelhandel analysiert, das perspektivische Einzugsgebiet und Nachfragevolumen des Projektvorhabens bestimmt, der Zielumsatz sowie die Kaufkraftabschöpfung und Umsatzrekrutierung des Planvorhabens skizziert, die Vereinbarkeit mit den Zielen und Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms geprüft und eine Wirkungsanalyse vorgenommen.
47
Die Beklagte griff das durchgeführte Raumordnungsverfahren und die eingeholten Gutachten der … im Aufstellungsverfahren auf und stellte in der Begründung zum Bebauungsplan fest, dass das Planvorhaben mit den Zielen und Vorgaben der Raumordnung und Landesplanung insbesondere mit den Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms sowie des Regionalplans vereinbar sei. Es handele sich um einen städtebaulich integrierten Standort und die Funktionsfähigkeit zentraler Orte sowie die verbrauchernahe Versorgung würden nicht beeinträchtigt (vgl. S. 10 ff. der Begründung zum Bebauungsplan, Ziff. 2.1). Die Beklagte kam außerdem zum Ergebnis, dass die geplante Ansiedlung des Planvorhabens ökonomisch verträglich und städtebaulich unbedenklich sei. Die Gutachten seien dabei zum Ergebnis gekommen, dass keine erheblich nachteiligen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der untersuchten Innenstädte und Versorgungsbereiche zu erwarten seien (vgl. S. 79 ff. der Begründung zum Bebauungsplan, Ziff. 5.1). Dieses Ergebnis hob die Beklagte im Rahmen der Abwägung der Belange der Wirtschaft erneut hervor (vgl. S. 95 der Begründung zum Bebauungsplan, Ziff. 6.6.1).
48
Zusammenfassend lässt sich eindeutig erkennen, dass die Festsetzung des Sondergebiets nicht dem Schutz Dritter außerhalb des Plangebiets dienen soll. Sämtliche dem Bebauungsplan und der zugehörigen Begründung zu entnehmenden Erwägungen der Beklagten im Hinblick auf ökonomische Belange zielen ausschließlich darauf ab, der Vorgabe des § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind, gerecht zu werden und eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung i.S.v. § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB zu gewährleisten. § 1 Abs. 4 BauGB dient jedoch ausschließlich dem allgemeinen, überörtlichen Interesse. Die Vorschrift bezweckt weder den Schutz der Planungsinteressen regionaler Planungsverbände noch den Schutz von Gemeinden und dient erst recht nicht dem baurechtlichen Nachbarschutz von Grundstückseigentümern, die sich gegen ein konkretes Bauvorhaben wenden (VG Augsburg, U.v. 21.5.2012 – Au 5 K 11.510 – juris Rn. 70; VG Stuttgart, B.v. 5.9.2012 – 6 K 1717/12 – juris Rn. 30). Gleiches gilt für die Ziele der Raumordnung und die Darstellungen des Landesentwicklungsprogramms sowie des Regionalplans. Auch diese dienen ausschließlich den öffentlich-rechtlich zu wahrenden überregionalen Planungsinteressen und nicht dem Schutz nachbarlicher Interessen. Der private Eigentümer wird durch sie weder unmittelbar berechtigt noch verpflichtet (HessVGH, U.v. 13.2.2014 – 3 C 833/13.N – juris Rn. 31; OVG RhPf, U.v. 15.2.2017 – 8 A 10717/16 – juris Rn. 45).
49
Im Übrigen ermittelte (§ 2 Abs. 3 BauGB) und stellte die Beklagte in die nach § 1 Abs. 7 BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen anzustellende Abwägung unter anderem die Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 4 und Nr. 8 Buchst. a) BauGB ein. Dass die Beklagte im Rahmen der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials sowie bei der Abwägung selbst auch Belange zu berücksichtigen hat, die ein benachbartes Plangebiet oder andere außerhalb des Plangebiets liegende Grundstücke betreffen, liegt in der Natur der Sache und führt dabei für sich gesehen aber nicht schon zur Annahme eines baugebietsübergreifenden, von der konkreten Betroffenheit des Eigentümers eines Grundstücks im benachbarten Plangebiet unabhängigen Gebietserhaltungsanspruchs (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 19). Gleiches gilt für den Umstand, dass die eingeholten Gutachten der … auch die Wettbewerbssituation im Einzugsgebiet unter Auflistung konkreter Wettbewerber darstellt. Dies ist vielmehr zwingend die Grundlage dafür, um die Auswirkung auf die zentralen Versorgungsbereiche i.S.v. § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB, nicht jedoch auf den einzelnen Wettbewerber, zu ermitteln. Das Ziel der Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 1 Abs. 6 Nr. 4, § 2 Abs. 2 Satz 2, § 34 Abs. 3 BauGB) vermittelt der Klagepartei jedoch kein subjektives Recht. Es handelt sich bei § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB um einen ausschließlich im öffentlichen Interesse bestehenden Belang (BayVGH, B.v. 5.3.2012 – 2 NE 12.215 – juris Rn. 19).
50
bb) Die Möglichkeit der Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots ist ausgeschlossen.
51
Für den Fall, dass ein von der konkreten Belastungswirkung unabhängiger baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch ausscheidet und dass auch ein Verstoß gegen sonstige drittschützende Festsetzungen des Bebauungsplans nicht in Betracht kommt, kommt ein bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur noch unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rücksichtnahme in Betracht (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 20).
52
Da es der Klagepartei mit ihrer Klage letztlich um den Schutz vor Konkurrenz geht, das Bauplanungsrecht aber nach ganz herrschender Auffassung wettbewerbsneutral ist, kommt auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme über § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO offensichtlich nicht in Betracht. Denn das Gebot der Rücksichtnahme nach § 15 Abs. 1 BauNVO beinhaltet keinen wirtschaftlichen Schutz durch befürchtete Kaufkraftverluste und keinen Schutz vor einem Verdrängungswettbewerb zwischen Mitbewerbern. Das Bauplanungsrecht bezweckt nicht den Schutz der vorhandenen Einzelhandelsbetriebe um ihrer selbst willen. In diesem Zusammenhang ist auch nicht die Verhinderung von Konkurrenzsituationen und die Verringerung von Marktchancen geschützt (vgl. BayVGH, B.v. 2. 12.2010 – 14 ZB 10.2084 – juris Rn. 5; VG Augsburg, U.v. 21.5.2012 – Au 5 K 11.510 – juris Rn. 82).
53
Darüber hinaus hat die Klagepartei keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geltend gemacht. Aufgrund der großen Entfernung zwischen den klägerischen Grundstücken und den Baugrundstücken sind auch anderweitig keine Verstöße gegen das Rücksichtnahmegebot ersichtlich oder auch nur denkbar.
54
cc) Soweit sich die Klagepartei darauf beruft, dass die Beklagte den Bebauungsplan hätte ändern müssen und eine Genehmigung durch die Erteilung einer Befreiung der Klagepartei Beteiligungsrechte abschneidet, so kann dies nicht zur Bejahung der Klagebefugnis führen.
55
Der Einzelne kann zwar verlangen, dass seine materiellen Rechte gewahrt werden, er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren geschieht. Er soll die Beachtung der Verfahrensvorschriften nicht um ihrer selbst willen erzwingen können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Verfahrensvorschrift einem betroffenen Dritten unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will. Aus ihrem Regelungsgehalt müsste sich ergeben, dass diese Regelung des Verwaltungsverfahrens mit einer eigenen Schutzfunktion zugunsten Einzelner ausgestattet ist, und zwar in der Weise, dass der Begünstigte unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung der behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können (BayVGH, U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.397 – juris Rn. 19 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 A 7.98 – juris Rn. 9).
56
Die Klagepartei hat weder einen Anspruch auf die Änderung eines Bebauungsplans noch besteht durch den Verzicht der Beklagten, ein Bebauungsplanänderungsverfahren durchzuführen, die Möglichkeit der subjektiven Rechtsverletzung.
57
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach den jeweiligen planerischen Konzeptionen einer Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele sie sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Die Vorschrift gibt allerdings keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf Planaufstellung oder Änderung, selbst wenn dies objektiv-rechtlich geboten ist, da auch § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB keinen Anspruch auf Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes gewährt. Auch in den Fällen, in denen objektiv-rechtlich die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplanes erforderlich ist, existiert kein subjektiver Anspruch auf Planaufstellung bzw. Planänderung. Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist daher nicht nachbarschützend. Das Planungserfordernis gewährt Dritten auch dann kein Recht, wenn die Behörde eine Einzelfallgenehmigung ggf. mit einer Befreiung von Bebauungsplanfestsetzungen erteilt und dadurch die Vorschriften über die Bauleitplanung und das Beteiligungsrecht nach § 3 BauGB unterlaufen werden (OVG Hamburg, B.v. 15.6.1995 – Bs II 262/95 – juris Rn. 15; VG Augsburg, U.v. 21.5.2012 – Au 5 K 11.510 – juris Rn. 68 f. m.w.N.).
58
Im Übrigen hätte sich die Klagepartei auch gegen eine Bebauungsplanänderung nicht zur Wehr setzen können, nachdem eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO nicht gegeben wäre. Das Interesse, ein Gewerbe frei von Konkurrenz anderer ausüben zu können, ist nämlich in aller Regel kein abwägungserheblicher Belang, weil ihm der städtebauliche Bezug fehlt; das Bauplanungsrecht verhält sich gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahingehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Bebauungsplan die Grundlage für die Ansiedlung eines Konkurrenten im Einzugsbereich der eigenen wirtschaftlichen Betätigung, gegebenenfalls sogar in der unmittelbaren Nachbarschaft, bildet (BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 8) und selbst dann, wenn der Eigentümer eines nicht im Plangebiet liegenden Grundstücks befürchten muss, dieses bei Realisierung der Planung nicht mehr wie bisher nutzen zu können, weil bei Aufgabe der derzeitigen Einzelhandelsnutzung eine entsprechende Nachnutzung nicht zu erwarten ist (vgl. OVG NW, U.v. 3.12.2015 – 2 D 91/14.NE – juris Rn. 42).
59
dd) Auch eine Verletzung sonstiger drittschützender Vorschriften liegt offensichtlich nicht vor.
60
Weder aus den planungsrechtlichen Vorschriften noch aus dem Rücksichtnahmegebot, das für grundstücksbezogene Nachteile und nicht für die Minderung von Erwerbschancen gilt, lässt sich Nachbarschutz gegen Umsatz- und Gewinneinbußen aufgrund der künftigen Konkurrenz durch den Fahrradmarkt der Beigeladenen ableiten. Ein über die Normen des öffentlichen Baurechts hinausgehender unmittelbar auf Art. 14 GG gestützter Anspruch scheidet ebenfalls aus. Denn die verschärfte Konkurrenzsituation führt zwar möglicherweise zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen, nicht aber zu einer die Klagepartei schwer und unerträglich treffenden nachhaltigen Verschlechterung der Grundstückssituation. Diese ist nicht gehindert, ihre Grundstücke künftig in anderer Weise gewerblich nutzen zu lassen, etwa wenn die Konkurrenz durch das Gewerbe der Beigeladenen zur Folge hätte, dass der von der Klägerin zu 2) auf den Grundstücken des Klägers zu 1) betriebene Fahrradmarkt aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr existenzfähig wäre. Ebenso wenig besteht ein Abwehranspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der als Sach- und Rechtsgesamtheit den Eigentumsschutz des Art. 14 GG genießt. Gewinn- oder Umsatzchancen können zwar für das Unternehmen von existentieller Bedeutung sein, sie werden im Sinn von Art. 14 GG eigentumsrechtlich aber nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Gewerbebetriebs zugeordnet (BayVGH, B.v. 14.1.2003 – 14 CS 02.2395 – juris Rn. 7 f.).
61
b) Die Klägerin zu 2) ist lediglich Pächterin der Grundstücke des Klägers zu 1). Eine Verletzung von subjektiven Rechten durch die streitgegenständliche Baugenehmigung ist daher bereits aufgrund der lediglich obligatorischen Berechtigung der Klägerin zu 2) nicht denkbar. Dies gilt auch, soweit die Klagepartei darauf verweist, auf dem Grundstück einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu betreiben. Zu den schutzfähigen Rechtspositionen im Sinne des Art. 14 GG gehören grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet. Im Falle eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, ist – soweit das Recht überhaupt von Art. 14 GG (und nicht von Art. 12 GG) erfasst wird – über Art. 14 GG allein die „Substanz“ der Sach- und Rechtsgesamtheit, nicht jedoch künftige Verdienstmöglichkeiten, in der Zukunft liegende Chancen oder Absatzmöglichkeiten oder die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann, geschützt (HessVGH, U.v. 13.2.2014 – 3 C 833/13.N – juris Rn. 28). Im Übrigen gelten die hinsichtlich des Klägers zu 1) angeführten Aspekte ebenso für die Klägerin zu 2), sodass auch deshalb eine Klagebefugnis nicht vorliegt.
62
Nach alldem ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Die Umstände, die zur Unzulässigkeit der Klage führen, können dabei ohne Weiteres anhand der vorgelegten Unterlagen zum Bebauungsplan Nr. … beurteilt werden, sodass die Kammer davon absehen konnte, die Baugenehmigungsakte von der Beklagten anzufordern.
63
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem sich die Beigeladene durch die Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen.
64
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.