Titel:
Eröffnetes Insolvenzverfahren, Ausländisches Insolvenzverfahren, Rechtsmißbrauch, Ordre public, Zwischenurteil, Landgerichte, Streithelfer, Barabfindung, Lebensmittelpunkt, ausländisches Verfahren, Mitgliedstaaten, Beglaubigte Abschrift, Akteneinsichtsgesuch, Prozeßbevollmächtigter, Anhängiger Rechtsstreit, Urkundenprozess, Teilversäumnisurteil, Eröffnungsentscheidung, Rechtskräftiges Vorbehaltsurteil, Auskunftserteilung
Normenkette:
EuInsVO Art. 18, Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 33; ZPO § 149, § 156, § 240
Leitsätze:
1. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 EuInsVO zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats ist in allen anderen Mitgliedstaaten automatisch anzuerkennen, ohne dass ein Anerkennungsverfahren erforderlich ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Unterbrechung eines in Deutschland anhängigen Rechtsstreits durch die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens richtet sich gem. Art. 18 EuInsVO in Deutschland nach § 240 ZPO, wenn das ausländische Verfahren nach Art. 19 EuInsVO anerkannt wird. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens kann nicht verweigert werden, selbst wenn die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts erschlichen wurde, soweit dies nicht gegen den deutschen ordre public verstößt. (Leitsätze der Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrensunterbrechung, Insolvenzverfahren, Rechtsmissbrauch, Wohnsitzverlagerung, Prozessverschleppung, Ordre public
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 12.06.2024 – 2 HK O 2503/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 20.01.2025 – 14 U 2456/24 e
Fundstellen:
BeckRS 2024, 43289
FDInsR 2025, 943289
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Augsburg vom 12.6.2024 Az. 2 HKO 2503/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
B.- Hintergrund ist folgende Einschätzung des Senats:
Gegenstand der Berufung ist ein Zwischenurteil des Landgerichts vom 12.6.2024.
Der Verfahrensgang bis zu diesem Zwischenurteil ist zusammengefasst folgender:
1. – Die Klägerin betreibt ein Sachverständigenbüro; ihr Geschäftsführer ist öffentlich bestellter Sachverständiger für die Auswertung von Buchauszügen, und die Klägerin betreibt Dienstleistungen für Handelsvertreter, die sie bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützt, insbesondere indem sie Buchauszüge auswertet.
Die Beklagte ist oder war Handelsvertreterin und nahm die Unterstützung der Klägerin in Anspruch, mit der sie von ihrer früheren Prinzipalin nach jahrelanger Auseinandersetzung vor dem Landgericht München I eine Barabfindung von 2 Mio. € erhielt (Blatt 2 LGA), und zwar im Wege eines Vergleichs (mit dem Inhalt von K 3; vgl. Klageerwiderung S. 14 = Blatt 28 LGA; im einzelnen Blatt 354 LGA).
2. – In dem durch den Vergleich erledigten Verfahren (= „Prozess München I“) hatte die Beklagte (als dortige Klägerin) Provisions- und Auskunftsansprüche, Ausgleichsansprüche, Ansprüche gegen das Vertreterversorgungswerk und Schadensersatzansprüche geltend gemacht (Blatt 216 LGA).
Der Prozess München I lief für die Beklagte zunächst unbefriedigend: Hinweise des Landgerichts München I deuteten auf einen baldigen Verlust des Prozesses hin. Die dortige Klägerin (= hiesige Beklagte) schaltete dann die hiesige Klägerin ein und schloss mit ihr eine Vereinbarung (K 2), durch welche die hiesige Klägerin an „etwa erstrittenen Summen“ mit 30% beteiligt wurde (K 2 Abschnitt III) und diese Beteiligung ihr auch bereits still abgetreten wurde (K 2 Abschnitt V).
Der Prozess München I nahm eine für die hiesige Beklagte (= dortige Klägerin) günstigere Wendung, nachdem sie die Klage von Buchauszug auf Bucheinsicht umstellte; dem gab das Landgericht München I im Juni 2020 statt (B 2). Der Prinzipal bot im Vergleichswege 1,5 Mio. € an (K 12), die hiesige Beklagte (= dortige Klägerin) lehnte das ab und verhandelte mit dem Prinzipal weiter, jedoch unter Ausschluss ihres bisherigen Prozessbevollmächtigten und der hiesigen Klägerin, allerdings mit der Bekräftigung, diese nicht um die Früchte ihrer Arbeit bringen zu wollen (Blatt 354 LGA), und ohne den jeweiligen Mandatsvertrag zu kündigen (Blatt 356 LGA).
3. – Im vorliegenden Verfahren erster Instanz vor dem Landgericht Augsburg verlangte die Klägerin mit Teilklage im Urkundenprozess von der Beklagten 600.000 € als unstreitig vereinbarte (Blatt 1/2 LGA; Blatt 17 LGA; K 2) Vergütung von Unterstützungsleistungen.
Die Klägerin war der Meinung, einen höheren Anspruch zu haben, bezifferte ihn aber in der Klage auf 600.000 €, weil das 30% der Vergleichssumme aus K 3 (“Barabfindung“; Blatt 339 LGA) waren und weil die Vereinbarung (K 2) dahin ging, dass der Klägerin „30% der etwa erstrittenen Summen“ zustehen sollten (Blatt 80 LGA).
Alle Summen des Vergleichs K 3 seien „erstritten“ in diesem Sinne, und die 30% stünden der Klägerin bereits unter dem Gesichtspunkt einer stillen Zession zu, die die Parteien (K 2 Abschnitt V) vereinbart haben.
4. – Die Beklagte bestritt die Kausalität der klägerischen Leistungen für den Vergleich, zumal darin noch weitere (= im Prozess München I nicht streitgegenständliche) wechselseitige Ansprüche erledigt worden seien. Die Vereinbarung K 2 griff sie als insgesamt unwirksam an (im einzelnen Blatt 356/357 LGA und Blatt 526/530 LGA). Zugleich behauptete die Beklagte Gegenforderungen (KE S. 15 ff und Blatt 181 LGA) aus Vertragsstrafen (200.000 €) und Anwaltskosten (rund 190.000 €, KE S. 16, B 16, B 17), mit denen sie hilfsweise aufrechne (Blatt 83, 86 LGA; im einzelnen Blatt 358 LGA; detaillierter Blatt 530/535 LGA).
5. – Die Beklagte hat der A. GmbH ihren vormaligen anwaltlichen Bevollmächtigten (Rechtsanwälte …), die sie im Prozess vor dem Landgericht München I vertraten, den Streit verkündet (Blatt 81 LGA). Diese A. GmbH ist auf Seiten der Klägerin beigetreten (Blatt 158 LGA).
Die Klägerin hat dem vormals bei der A. GmbH tätigen Rechtsanwalt … den Streit verkündet, der für sie seinerzeit die Vereinbarung K 2 entworfen hatte (Blatt 95 LGA) und die Beklagte vor dem Landgericht München I vertreten hatte (Blatt 104 LGA). Der Streithelfer … trat auf Seiten der Klägerin durch eigene Erklärung bei (Blatt 103 LGA) und tat dies ein weiteres Mal (Blatt 158 LGA) vertreten durch andere Anwälte.
6. – Mit rechtskräftigem Vorbehaltsurteil vom 9.8.2023 (Blatt 351 ff LGA) samt Ergänzungsurteil (Blatt 496/498 LGA) hat das Landgericht der Klage im Urkundsprozess stattgegeben (Blatt 351 LGA). Die Beklagte hat kein Rechtsmittel eingelegt, indessen die Erstrichterin erfolglos wegen Befangenheit abgelehnt (Blatt 377/460 LGA).
7. – Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28.12.2023 die Klage um 45.000 € erweitert auf 645.000 € in der Hauptsache: Sie habe Grund zur Vermutung, dass die Klägerin von der Prinzipalin mehr als jene 2 Mio. € erhalten habe, die dem Vergleichsinhalt K 3 entsprächen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 22.2.2023 (Blatt 574) die Klage ferner erweitert um eine Stufenklage: (a) Auskunft darüber, inwieweit der mit der Prinzipalin geschlossene Vergleichsbetrag über 2,15 Mio. € hinausgeht (b) eidesstattliche Versicherung (c) Zahlung nach Auskunft.
Das Landgericht bestimmte Termin im Nachverfahren (Blatt 470 LGA).
8.- Die Klägerin hatte bereits mit Schriftsatz vom 5.10.2023 behauptet (Blatt 442/443 LGA), die Beklagte habe die Barabfindung beiseite geschafft mit Hilfe ihrer Familie. Sie sei nach Auskunft der Gerichtsvollzieherin unbekannt verzogen.
Die Klägerin trug mit Schriftsatz vom 27.2.2024 vor, dass die Beklagte über eine Stiftung in Liechtenstein Vermögenswerte beiseite geschafft habe (Blatt 579 LGA).
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilte mit, er vertrete diese nicht mehr (Schriftsatz 4.3.2024 = Blatt 581 LGA), und gab eine irische Postanschrift an, unter der die Beklagte zu erreichen sei.
Im Nachverfahrens-Termin (Blatt 604/606) am 6.3.2024 erschien für die Beklagte niemand. Die Klägerin erwirkte ein Teil-Versäumnisurteil, mit dem
(1) das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt wurde und die Beklagte
(2) zur Zahlung weiterer 45.000 € sowie
(3) Auskunftserteilung verurteilt wurde (Blatt 609 LGA).
Mit Schriftsatz vom 19.3.2024 (Blatt 614 LGA) meldete sich Frau Rechtsanwältin … aus einer Anwaltssozietät, die ausweislich einer Vollmacht (Anlage A 1) die Beklagte „im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Beratung“ vertrat (Blatt 615 LGA). Die Vollmacht (Anlage A 1) ist „umfassend“ als „außergerichtliche Vollmacht und Prozessvollmacht“ formuliert.
Frau Rechtsanwältin … teilte mit: Die Beklagte habe „ihren ständigen Wohnsitz bereits seit Mitte 2023 in Dublin“. Der High Court of Dublin habe am 11.3.2024 ein irisches Insolvenzverfahren eröffnet (Anlage A 2). Seitdem sei das hiesige Verfahren unterbrochen (§§ 352 Abs. 1 InsO, 240 ZPO). Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Beklagte und „auch gegen Dritte“ (die GmbH und Stiftung in Liechtenstein und den Ehemann der Beklagten) seien „sofort einzustellen“ und die (in anderen Verfahren ergangenen) Arreste aufzuheben.
9. – Die Klägerin wandte ein, das irische Insolvenzverfahren sei nicht anzuerkennen, da es Teil eines treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB) der Beklagten sei und daher der deutsche ordre public dagegen stehe. Das vorliegende Verfahren sei mithin nicht unterbrochen (Blatt 644 LGA).
9.1 Die vorgeblich irischen Anlagen seien unecht (Blatt 646), das irische Insolvenzverfahren gebe es gar nicht. Der Beschluss des Dubliner Gerichts (K 5) sei keine Insolvenzeröffnung iSd §§ 1, 27, 104 InsO oder jedenfalls dem deutschen Insolvenzverfahren nicht „gleichwertig“. Auch werde nicht deutlich, wie sich das Dubliner Gericht von seiner Zuständigkeit, nämlich davon überzeugt habe, dass die Klägerin in Irland wohnt oder arbeitet oder in sonstiger Weise dort ihren Lebensmittelpunkt (Centre of Main Interest, abgekürzt CMI) unterhält (Blatt 664). Das bestreite die Klägerin.
9.2 Selbst wenn das irische Insolvenzverfahren existiere, sei der vorliegende Prozess nicht als unterbrochen zu sehen, da sich die Beklagte rechtsmissbräuchlich verhalte:
9.2.1 Der irische Gerichtsstand sei erschlichen, die Anerkennung des irischen Insolvenzverfahrens sei zu versagen nach Art. 33 EuInsVO (Blatt 722), weil die Beklagte, sofern sie zahlungsunfähig wäre, dies selbst herbeigeführt hätte.
(1) Der Lebensmittelpunkt der Beklagten liege nicht in Irland (Blatt 647), insbesondere (a) habe die Beklagte Mitte 2023 (genauer: 29. Juni bis 1. Juli 2023) gerade daheim in Augsburg eine häusliche Belastungserprobung im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einer deutschen psychiatrischen Klinik absolviert [meint: Blatt 249, 251, 269, 287, 298 LGA] und sei in der Klinik bis zum Entlassgespräch am 27.7.2023 behandelt worden [Blatt 280],
(b) betreibe die Beklagte mit ihrem Ehemann eine Versicherungsmaklerei in Augsburg mit gemeinsamem Konto, während sie sich bereits im Mai 2022 von ihm getrennt haben wolle (Blatt 647), was nicht wahr sei.
(2) Die Beklagte habe dem irischen Gericht verschwiegen, dass sie ihr Aktiendepot an eine GmbH übertragen hat, deren Gesellschafterin sie neben einer liechtensteinischen Stiftung ist (Blatt 686 LGA). Sie sei nicht insolvent, sondern verfüge mit Hilfe ihres angeblich getrennt lebenden Ehemannes und/oder der Stiftung über erhebliche Mittel, wie außergerichtliche Vergleichsangebote der Beklagten an die Klägerin und andere erkennen ließen (im einzelnen Blatt 685).
9.2.2 Die Beklagte benutze das irische Insolvenzverfahren im wesentlichen dazu, die Klägerin um die eingeklagte Vergütung zu prellen, wozu sie auch sonst nichts unversucht lasse:
(1) Sie habe auf die Aufforderung, die Vergleichsvereinbarung mit der Prinzipalin im Original vorzulegen, nur deren letzte Seite im Original vorgelegt, angeheftet an Seiten, die nicht das Original seien, sondern nur das seinerzeitige Vergleichsangebot der Prinzipalin (K 3) enthalten (Blatt 648 LGA).
(2) Die Beklagte habe im – zeitlich früher beantragten – Fremdinsolvenzverfahren des AG Augsburg angegeben, die Barabfindung „aufgezehrt“ zu haben (Blatt 649/650 LGA) – was so nicht stimmen könne angesichts ihrer Investitionen in die Liechtensteiner Stiftung.
(3) Die Beklagte habe derweil den vorliegenden Prozess verschleppt durch zwei Befangenheitsanträge [Blatt 296 ff und Blatt 377 ff], Terminsverlegungsanträge und Flucht in die Säumnis (Blatt 650 LGA).
(4) In mehreren Arrestverfahren sei nachgewiesen, dass die Beklagte Vermögenswerte beiseite geschafft hatte (Blatt 684 LGA) kurz nachdem sie im vorliegenden Verfahren am 21.6.2023 bereits absehen konnte, dass das Landgericht sie in erheblichem Umfang verurteilen würde (Blatt 684/685 LGA; ausführlicher Blatt 705/706 LGA).
(5) Die Inanspruchnahme des irischen Insolvenzverfahrens sei eine Straftat der Beklagten nach §§ 283, 283a StGB. Denn es sei ja weiterhin unbestritten, dass die Beklagte von der Allianz eine Barabfindung von mehr als 2,15 Mio. € erhalten habe: Die Beklagte lasse sich zu dem diesbezüglichen Sachvortrag der Klägerin bewusst nicht ein (Blatt 703). Sie habe am 21.6.2023 noch eine Million Euro hiervon besessen (Blatt 704 LGA, Zeugnis des Ehemannes der Beklagten).
10. – Mit Schriftsatz vom 26.3.2024 (Blatt 630 LGA) legte Frau Rechtsanwältin … (nachfolgend: jetzige Beklagtenvertreterin) Einspruch gegen das Teil-Versäumnisurteil ein, und zwar „vorsichtshalber“, da sie daran festhielt, das Verfahren sei ohnehin unterbrochen und daher die Beklagte nicht mehr „passivlegitimiert“ (Blatt 696 LGA).
Den Einwendungen der Klägerin hielt sie entgegen:
10.1 Das irländische Insolvenzverfahren sei real (Blatt 689/695).
Das irische Insolvenzverfahren sei nach Art. 19 VO (EU) 2015/848 in Deutschland anzuerkennen. Das bedeute nach Art. 20 Abs. 1 unter anderem, dass die Eröffnung in Irland ohne weitere förmliche Zwischenschritte zur in § 240 ZPO vorgesehenen Unterbrechung führt (Blatt 695).
10.2 Die Beklagte sei wegen eines burnout nach Irland gezogen, erhole sich dort und sei arbeitsunfähig, lebe von irgendeiner Berufsunfähigkeitsrente (Blatt 731/732). Sie arbeite auch nicht in der Versicherungsmaklerei des Ehemannes mit. Die Ehe sei „kaputt“ (Blatt 731 LGA). Ein gemeinsames Geschäftskonto hätten die Noch-Eheleute nicht.
10.3 Die Beklagte habe von der Prinzipalin nur 2 Mio. € im Wege des Vergleichs erhalten (Blatt 733).
II. – Das Landgericht hat am 12.6.2024 über die Frage der Verfahrensunterbrechung im Wege eines Zwischenurteils entschieden.
Gegen dieses richtet sich die vom Streithelfer … für die Klägerin eingelegte Berufung.
Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils nimmt der Senat Bezug.
Soweit das Landgericht meint, es sei durch Zwischenurteil (nicht etwa: Beschluss) zu entscheiden (LGU S. 5; Zöller Rn 5 zu § 303), richtet sich die Berufung (BB S. 6) hiergegen nicht.
Gleiches gilt, soweit das Landgericht annimmt, die jetzige Beklagtenvertreterin sei wirksam bevollmächtigt (LGU S. 5/6), was durch eine schriftliche Vollmacht bewiesen sei, die die Beklagtenvertreterin nachgereicht habe (LGU S. 6), die Vollmacht richte sich an diejenige Anwaltskanzlei, in der die Beklagtenvertreterin „of counsel“ tätig sei – was ausreiche. Sie sei auch postulationsfähig (LGU S. 6, insoweit unangegriffen von der Berufung, siehe BB S. 6).
Das Landgericht hat, soweit für die Berufung von Belang, im wesentlichen ausgeführt:
Die Unterbrechung nach §§ 240 ZPO, 352 InsO sei eingetreten.
1. – Die Klageforderung falle in die Insolvenzmasse (LGU S. 6; von der Berufung nicht bezweifelt).
2. – Das irische Insolvenzverfahren sei real und vom High Court in Dublin eröffnet (LGU S. 7; von der Berufung nicht mehr bezweifelt, siehe BB S. 6).
3. – Es sei anzuerkennen nach Art. 19 Abs. 1 EuInsVO ohne jeden weiteren Zwischenschritt.
4. – Die Anerkennung könne hier auch nicht etwa ganz ausnahmsweise nach Art. 33 EuInsVO verweigert werden, weder unter dem Gesichtspunkt des deutschen ordre public noch unter dem des Rechtsmissbrauchs.
Die für Rechtsmissbrauch darlegungs- und beweisbelastete Klägerseite habe dessen Vorliegen nicht dartun oder jedenfalls nicht beweisen können (im einzelnen LGU S. 8 ff):
Dass die Beklagte sich das irische forum concursús erschlichen habe, stehe nicht fest, weil die Klägerin (a) nicht widerlegt habe, dass die Beklagte ihren Wohnsitz in Irland genommen hat, und (b) andererseits nicht bewiesen habe, dass sie das ausschließlich getan habe, um der Klägerseite die Realisierung ihrer Forderungen unmöglich zu machen (LGU S. 8).
(a) Für die Wohnsitznahme in Irland spreche bereits, dass das irische Gericht seine Zuständigkeit aufgrund des „Centre of Main Interest“ bejahte, d.h. gestützt auf die Annahme, dass die Beklagte ihren Lebensmittelpunkt in Irland habe. Die Klägerin könne nicht beweisen, dass der High Court mit dieser Annahme offensichtlich fehlerhaft entschieden habe.
(b) Selbst wenn man meine, das irische Insolvenzgericht habe sich zu Unrecht für zuständig gehalten, so sei das kein Verstoß gegen den deutschen ordre public, da Art. 5 Abs. 1 EuInsVO in diesem Fall ein Rechtsmittel bereit hielte (LGU S. 8). Davon unabhängig könne selbst eine erschlichene Zuständigkeit kein Grund sein, dem irischen Verfahren die Anerkennung zu versagen, da anderenfalls entgegen dem Zweck der EuInsVO das deutsche Landgericht es unternehmen würde, die Entscheidung eines anderen EuInsVO-Mitgliedstaates (hier: Irland) zu überprüfen (LGU S. 8, BeckOK InsR/Mock EuINsVO 2017 Art. 33 Rn 7). Das müsse selbst dann gelten, wenn die Erschleichung des Insolvenzgerichtsstandes mit einem Prozessbetrug zusammenfalle, denn der Vorbehalt des ordre public decke nicht eine Kontrolle von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten (LGU S. 8/9) auf deren Richtigkeit.
5. – Kein ausreichender Grund, die Anerkennung zu versagen, liege in „Widersprüchlichkeiten“, die der Beklagten angelastet werden:
5.1 Die Beklagte gebe an, von ihrem Ehemann getrennt zu sein, sei aber gleichwohl unstreitig Gesellschafterin einer GmbH, deren Geschäftsführer ihr Noch-Ehemann ist.
Dass sie mit ihrem Noch-Ehemann eine Versicherungsagentur betreibe einschließlich gemeinsamen Kontos, habe sie über einen Prozessbeistand eingeräumt, bis die Beklagtenvertreterin es im Termin bestritt.
Die Beklagte habe lange erkennen lassen, nicht einräumen, sondern bestreiten zu wollen, dass sie aus dem Vergleich mit dem Prinzipal mehr als 2 Millionen € erzielt hat, und habe dies auch im Termin vom 8.5.2024 bestreiten lassen. Das werfe die Frage auf, warum sie lange Zeit weder das Original des schriftlichen Vergleichs mit dem Prinzipal vorgelegt noch die in der Klageerweiterung begehrte Auskunft erteilt hat.
5.2 All diese Ungereimtheiten seien aber kein Grund, dem irischen Insolvenzverfahren die Anerkennung unter Berufung auf den deutschen ordre public zu versagen oder anzunehmen, die Beklagte bediene sich rechtsmissbräuchlich des irischen Insolvenzverfahrens (LGU S. 9).
6. – Kein ausreichender Grund, die Anerkennung zu versagen, finde sich im Zusammenhang mit Angaben der Beklagten dazu, auf welchen Abgeltungsbetrag sie sich mit dem Prinzipal im Vergleich geeinigt hat.
6.1 In tatsächlicher Hinsicht habe die Beklagte keine falschen Angaben gemacht: Die Beklagte habe beteuert, die Vergleichssumme sei nicht höher als 2 Mio. € gelegen, und das finde sich bestätigt dadurch, dass das Landgericht dem Prinzipal nach § 142 ZPO die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des geschlossenen Vergleichs und eine Auskunft dazu aufgegeben hat, was er an die Beklagte im Vergleichswege bezahlt habe (LGU S. 9). Aus der notariellen Abschrift des Vergleichs ergebe sich, dass der vereinbarte Zahlbetrag sich tatsächlich auf 2 Mio. € beläuft und nicht auf eine höhere Summe (LGU S. 10).
6.2 In rechtlicher Hinsicht wäre eine Falschangabe – so sie vorläge – zwar als Prozessbetrug zu werten, aber würde nach obigen Grundsätzen nicht dazu führen, dass dem irischen Insolvenzverfahren die Anerkennung zu versagen und daher an der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO zu zweifeln wäre (LGU S. 9).
7. – Kein ausreichender Grund, die Anerkennung zu versagen, finde sich im Zusammenhang damit, dass die Klägerin der Beklagten Straftaten nach §§ 283, 288 StGB vorwirft.
7.1 Der Vortrag der Klägerin sei hierzu zwar „in weiten Teilen unstreitig“ (LGU S. 10), aber begründe nicht die Überzeugung, dass eine Straftat nach § 288 StGB begangen wurde, sondern lediglich einen dahingehenden Verdacht, dessentwegen ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg (510 Js 106592/24) ja noch laufe. Die gegen die Beklagte ergangenen Arrestbeschlüsse basierten auf glaubhaft gemachten (= als überwiegend wahrscheinlich angenommenen) Tatsachen, nicht aber auf einer zur vollen Überzeugung erwiesenen Begehung einer Bankrottstraftat (LGU S. 10).
7.2 Offenbleiben könne hiernach, ob im Fall, dass die Straftatbestände verwirklicht wären, hieraus folgen würde, dass der Insolvenzeröffnungsentscheidung des irischen Gerichts die Anerkennung zu versagen wäre unter Berufung auf Rechtsmissbrauch oder den deutschen ordre public (LGU S. 10).
7.3 Das Verfahren sei andererseits auch nicht nach § 149 ZPO mit Blick auf das o.g.
Ermittlungsverfahren auszusetzen. Wäre das Insolvenzverfahren statt in Irland in Deutschland eröffnet worden, so läge auf der Hand, dass es unterbrochen ist und schon deshalb keine Aussetzung nach § 149 ZPO mehr in Betracht kommt, insbesondere nicht ermessensgerecht sein kann. Dass die Unterbrechung hier durch ein ausländisches Insolvenzverfahren eintritt, mache insoweit keinen Unterschied (LGU S. 10/11).
III. – Der Berufungsführer (= Streithelfer …) beantragt,
das Zwischenurteil des Landgerichts Augsburg vom 12.06.2024 (Geschäftszeichen 2 HK O 2503/21) aufzuheben und festzustellen, dass das Verfahren nicht nach § 240 ZPO unterbrochen ist.
Er hat hilfsweise angeregt, die Revision zuzulassen.
IV. – Der Berufungsführer (= Streithelfer …) bringt vor:
1. – Das Landgericht hätte dem Klägervortrag folgen sollen dahin, dass die Beklagte einen Wohnsitz in Irland bloß vorgeschoben habe und dies offensichtlich dazu gedient habe, der Klägerseite die Realisierung ihrer Forderungen unmöglich zu machen (BB S. 7).
Die Beklagte habe keinen Mietvertrag vorgelegt. Das Landgericht akzeptiere an dieser Stelle lediglich die Wertung des High Court, der den Lebensmittelpunkt der Beklagten in Irland sah (BB S. 7). Das gesamte Verhalten der Beklagten verstoße aber gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), denn die Beklagte nutze es aus, dass irische Gerichte keinen Amtsermittlungsgrundsatz kennen: Das irische Gericht habe den irischen Lebensmittelpunkt der Beklagten nicht selbst ermittelt, während ein deutsches Insolvenzgericht diese getan hätte (BB S. 8).
2. – Die im Ersturteil richtig erkannten „Widersprüchlichkeiten“ im Verhalten der Beklagten hätte das Landgericht in einer Gesamtschau (BB S.9), „notfalls auch im Sinne eines Indizienbeweises“, „allesamt einer Bewertung unterziehen müssen“, nämlich dahin, dass das irische Insolvenzverfahren gegen den deutschen ordre public (BB S. 9) verstoße.
3. – Es sei rechtsfehlerhaft (BB s. 4) und „eigentlich unfassbar“ (BB S. 10), dass das Landgericht das Verfahren nicht nach § 149 ZPO aussetze mit Blick auf das Ermittlungsverfahren betreffend die klägerseits auch vorliegend vorgetragene Verschiebung von Vermögenswerten der Beklagten nach Liechtenstein (BB S. 9/18), bei der ihr Ehemann Hilfe leiste. Die Vermögensverschiebungen hätten nicht umsonst zu Arrestbefehlen außerhalb des vorliegenden Prozesses geführt und stünden zugleich im zeitlichen Zusammenhang damit, dass sich im vorliegenden Prozess Entscheidungen zum Nachteil der Beklagten absehen ließen.
4. – Das Landgericht habe versäumt, dem Berufungsführer vor dem Zwischenurteil die von diesem am 7.6.2024 beantragte (Blatt 794 LGA) Einsicht in die Akte des Landgerichts zu geben, deren Zweck gewesen sei,
(1) die Originalvollmacht der jetzigen Beklagtenvertreterin zu sehen (BB S. 2) und
(2) die Echtheit des Vergleichs darauf zu prüfen, ob (a) der Prinzipal überhaupt, wie vom Landgericht angeordnet, eine beglaubigte Abschrift des Vergleichstextes vorgelegt hat (BB S. 2, ABV 2), und – wenn ja -
(b) wie es sein kann, dass die letzte Seite gewellt ist, die anderen nicht (BB S. 2/3, ebenso bereits erstinstanzlich Blatt 793/794 LGA).
5. – Das Landgericht hätte die im Termin vom 8.5.2024 geschlossene mündliche Verhandlung wiedereröffnen sollen, was die Parteien teils beantragt, teils befürwortet hatten, „um möglicherweise eine gütliche Einigung zu erzielen“ (BB S. 4). Das wäre ein Wiedereintrittsgrund nach § 156 Abs. 1 ZPO gewesen.
V. – Die Berufung ist ohne Erfolgsaussicht.
Das transparent strukturierte und sorgfältig begründete Urteil des Landgerichts leidet nicht an Rechtsfehlern (§ 546 ZPO). Die zugrunde zu legenden Tatsachen (§ 529 ZPO) gebieten keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Eine mündliche Verhandlung erscheint auch sonst nicht geboten.
Deutschland und Irland sind Mitgliedstaaten der EuInsVO. Tragender Grundsatz in Art. 19 Abs. 1 EuInsVO ist, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats in allen übrigen Mitgliedstaaten anerkannt wird, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist (Grundsatz gegenseitigen Vertrauens, vgl. MüKoInsO/Thole VO (EU) 2015/848 Art. 19 Rn 2). Ein Anerkennungsverfahren ist gerade nicht vorgesehen, in diesem Sinne erfolgt die Anerkennung „automatisch“ (MüKoInsO/Thole VO (EU) 2015/848 Art. 19 Rn 3).
Das Landgericht hat richtig gesehen, dass das auf das vom High Court in Dublin eröffnete Insolvenzverfahren zutrifft. Hinsichtlich der Wirkungen eines solchen, nach Art. 19 Abs. 1 EuInsVO gleichsam „automatisch“ anzuerkennenden ausländischen Insolvenzverfahrens bestimmt zwar Art. 20 Abs. 1 EuInsVO als Grundsatz eine Erstreckung der Wirkungen, „die das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt“. Davon macht aber Art. 18 EuInsVO eine wichtige, vorliegend einschlägige Ausnahme: Für die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht, der bzw. das Teil der Insolvenzmasse ist, gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Dies bedeutet für einen in Deutschland anhängigen Rechtsstreit wie den vorliegenden, dass das im Ausland eröffnete Verfahren insoweit behandelt wird wie ein in Deutschland eröffnetes Insolvenzverfahren, vorliegend also: dass kraft Gesetzes eine Unterbrechung im Sinne von § 240 ZPO so eintritt, wie das bei Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens der Fall wäre (s. für ein in Österreich eröffnetes Konkursverfahren BGH, Zwischenurteil v. 23.4.2013, X ZR 169/12, juris Rn. 5 zu dem mit Art. 18 EuInsVO im Wesentlichen inhaltsgleichen Art. 15 EuInsVO a.F.).
Die klägerseits dagegengehaltene Prüfung der Ausnahmevorschrift des Art. 33 EuInsVO betrifft (wie bei § 343 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO) vorliegend allein die Frage, ob bereits die Eröffnung selbst aufgrund verfahrensrechtlicher Mängel gegen den deutschen ordre public verstößt (BGH X ZR 79/06 = NZI 2009, 859 Rn 21). Denn um Folgewirkungen des irischen Insolvenzverfahrens geht es hier noch nicht, da zu weiteren Entscheidungen des High Court nichts vorgetragen ist. Die vorliegend umstrittene Folgewirkung (Unterbrechung des hiesigen Prozesses) ist nach der Kollisionsnorm des Art. 18 EuInsVO eine des deutschen Prozessrechts: Sie ergibt sich aus § 240 ZPO unmittelbar infolge der Anerkennung der irischen Eröffnungsentscheidung.
1. – Indessen hatte das Landgericht nicht zu überprüfen, ob der High Court zuständig war (MüKoBGB/Kindler EuInsVO Art. 19 Rn 9, Rn 10 mwN; OLG Celle 2 U 147/12 = BeckRS 2012, 25573 Rn), da der High Court die Zuständigkeit nach Art. 3 EuInsVO in Anspruch genommen hat. Insoweit spielt es keine Rolle, ob der High Court zutreffend zu der Annahme gelangt ist, die Beklagte habe ihren Lebensmittelpunkt (Centre of Main Interest) in Irland.
Die Wohnsitzfrage konnte einzig in den Zusammenhang eine Rolle spielen, dass die Klägerin behauptete, die Beklagte habe dem High Court erstens wahrheitswidrig einen Wohnsitz in Irland vorgetäuscht und dies zeige zweitens, dass sie rechtsmissbräuchlich entgegen § 242 BGB und zugleich in einer dem deutschen ordre public widerstreitenden Weise (Art. 33 EuInsVO) das irische Verfahren dazu benutze, die Klageansprüche zu vereiteln. Auf dieser gedanklichen Ebene war die Klägerin allerdings beweisbelastet, und zwar – an dieser Stelle – dafür, dass die Beklagte ihren Wohnsitz in Irland nur vorgetäuscht habe.
Keine solche Beweisführung der Klägerin liegt in dem Berufungseinwand, die Beklagte habe keinen Mietvertrag vorgelegt [der dafür sprechen solle oder könne, dass sie in Irland wohnhaft sei, etwa unter der Adresse, unter der sie dort postalisch zu erreichen ist]. Auch sonst waren keine Umstände vorgebracht, die es ausgeschlossen erscheinen ließen, dass die Beklagte im Zeitpunkt ihres Insolvenz-Eigenantrags ihren Lebensmittelpunkt bereits seit Mitte 2023 in Irland hatte. Der erstinstanzlich thematisierte stationäre Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik (mit Belastungserprobung daheim) ging, soweit ersichtlich, bis Ende Juli 2023.
1.1 Das Landgericht akzeptiert daher an dieser Stelle zutreffend die Wertung des High Court, der den Lebensmittelpunkt der Beklagten in Irland sah, und zwar allein deshalb, weil die Klägerin das nicht widerlegt hat, insbesondere nicht durch ihren mannigfaltigen Vortrag dazu, was die Beklagte alles unternommen habe, um den vorliegenden Prozess zu verschleppen, eine transparente eigene Einlassung zum Vergleichsbetrag möglichst lange zu vermeiden und den Geschäftsführer der Klägerin auch außerprozessual mit (teils flagrant unethischen) Mitteln von der Geltendmachung seiner Forderung abzubringen.
1.2 Soweit die Berufungsbegründung herausstellt, dass irische Gerichte keinen Amtsermittlungsgrundsatz kennen, hilft dies nicht weiter, denn es bietet keinen Ansatzpunkt für die Annahme, dass die irische Eröffnungsentscheidung dem deutschen ordre public widerstritte:
Es mag sein, dass das irische Gericht den irischen Lebensmittelpunkt der Beklagten nicht selbst ermittelt hat. Auch deutsche Zivilgerichte ermitteln indes nicht von Amts wegen. Sie prüfen ihre Zuständigkeit „von Amts wegen“, aber stellen dazu keine eigenen Ermittlungen an, sondern wägen lediglich beigebrachte Beweismittel darauf ab, ob sie sich aus diesen eine freie Überzeugung bilden können.
2. – Die im Ersturteil gesehenen „Widersprüchlichkeiten“ im Verhalten der Beklagten führen weder für sich allein noch in einer Gesamtschau von Indizien zu der Bewertung, dass bereits die Eröffnung des irischen Insolvenzverfahrens in Deutschland ignoriert werden müsse, weil anders der deutsche ordre public nicht gewahrt werden könne.
Dass man, um den deutschen ordre public zu wahren, die irische Eröffnungsentscheidung beiseiteschieben müsse, liegt fern. Denn es ist nicht vorgetragen, dass die Klägerin in dem irischen Insolvenzverfahren von vorneherein ohne Chance wäre, ihren Vortrag anzubringen, wonach die Beklagte erhebliche Vermögenswerte besitze oder/und durch anfechtbare Geschäfte verschoben habe und/oder eine behauptete Zahlungsunfähigkeit künstlich selbst herbeigeführt habe.
3. – Rechtsfehlerfrei und im übrigen auch ohne weiteres „fassbar“ hat das Landgericht das Verfahren nicht nach § 149 ZPO ausgesetzt.
3.1 Vorrang gegenüber jeder Aussetzung hat schon nach allgemeiner Rechtslogik eine deklaratorische Feststellung, dass das Verfahren qua lege nach § 240 ZPO unterbrochen „ist“. Ein gleichsam „automatisch“ (siehe oben) unterbrochenes Verfahren kann nicht mehr per Ermessensentscheidung auszusetzen sein.
3.2 Davon unabhängig wäre ein zu erwartender „Erkenntnisgewinn“ aus dem Ermittlungsverfahren voraussichtlich nicht geeignet, eine Beurteilung der Frage zu erleichtern, ob dem irischen Insolvenzverfahren ausnahmsweise nach Art. 33 EuInsVO die Anerkennung zu versagen wäre.
Denn wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter anderem (= neben zahlreichen hier nicht relevanten Sachverhalten) bekräftigen sollten, dass die Beklagte Vermögenswerte nach Liechtenstein verschoben hat und ihr Ehemann dabei mithalf, nachdem sich im vorliegenden Prozess Entscheidungen zum Nachteil der Beklagten abzeichneten, so würde das nicht zu der Annahme führen, wonach bereits die Eröffnung des irischen Insolvenzverfahrens dem deutschen ordre public entgegenstünde. Denn auch hier gilt, dass niemand vorbringt, es bestehe keine Chance, dem irischen Insolvenzgericht die Behauptungen zu unterbreiten, die Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen sind, und damit das irische Insolvenzverfahren im erstrebten Sinne zu beeinflussen.
4. – Auch darin, dass das Landgericht über das Akteneinsichtsgesuch des Berufungsführers vom 7.6.2024, soweit ersichtlich, bisher nicht befunden hat, kann kein Berufungsgrund gesehen werden. Das Landgericht war berufungsrechtlich nicht gehalten, die Akteneinsicht noch vor Erlass des Zwischenurteils zu erledigen:
4.1 Soweit die Akteneinsicht bezweckte, die Originalvollmacht der jetzigen Beklagtenvertreterin zu sehen, ist die Wirksamkeit von deren Vollmacht in der Berufung nicht mehr umstritten.
4.2 Soweit die Akteneinsicht bezweckte, die Authentizität des beklagtenseits behaupteten Vergleichsinhalts darauf zu prüfen, ob der Prinzipal überhaupt, wie vom Landgericht angeordnet, eine beglaubigte Abschrift des Vergleichstextes vorgelegt habe (BB S. 2, ABV 2), war diese Vorlage den Parteien bereits bekannt, bevor das Zwischenurteil erging. Gleiches gilt für die Auskunft, die der Prinzipal dem Landgericht dazu erteilte: Sie ging – zusammengefasst – dahin, dass der vereinbarte Vergleichsbetrag 2 Mio. € nicht überstieg und die Beklagte auch nicht mehr als diesen Betrag vom Prinzipal bezahlt erhalten hatte (Blatt 773).
4.3 Soweit die Akteneinsicht Aufschlüsse darüber bezweckte, wie es sein kann, dass die letzte Seite des Originals der notariell beglaubigten Abschrift des Vergleichs gewellt ist, die anderen nicht, brauchte das bei der oben umrissenen Sachlage die angegriffene Entscheidung des Landgerichts nicht zu beeinflussen. Niemand hatte vorgetragen, dass der Prinzipal das Landgericht zu täuschen versuche und den der Beklagten im Vergleich versprochenen oder hierauf bezahlten Betrag zu gering angegeben habe.
5. – Das Landgericht musste die im Termin vom 8.5.2024 geschlossene mündliche Verhandlung auch nicht wiedereröffnen „um möglicherweise eine gütliche Einigung zu erzielen“.
Ein solches Anliegen, das nicht zu den zwingenden Wiedereröffnungsgründen des § 156 Abs. 2 ZPO zählt, kann zwar im Einzelfall nach § 156 Abs. 1 ZPO eine Wiedereröffnung ermessensgerecht erscheinen lassen. Von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht zu haben, begründet aber keinen Verfahrensfehler des Landgerichts. Wenn die Parteien zu einer gütlichen Einigung finden wollen, können sie diesen Weg nach wie vor beschreiten, auch ohne die Mitwirkung des Landgerichts. Dieses hatte den Parteien schon vor Erlass des Vorbehaltsurteils einen Vergleich anempfohlen (Blatt 275 LGA), zu dessen Abschluss es bekanntlich nicht kam. Das Landgericht musste sich auch unter Berücksichtigung des weiteren Verfahrensganges nicht gedrängt sehen, das Zwischenurteil noch zurückzuhalten, um recht unbestimmt mitgeteilten Vergleichsabsichten der Parteien einen weiteren Verhandlungstermin zu widmen.
Hierzu kann sich die berufungsführende Seite, soweit noch beabsichtigt, äußern bis zum 5.12.2024.
Die Berufungsgegnerin braucht vorerst nicht zu erwidern.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).