Titel:
Wahl einer juristischen Person in den Verwaltungsbeirat
Normenkette:
WEG § 24
Leitsätze:
1. Eine Anwesenheit Dritter zur Erläuterung und Beratung ist nur punktuell für einzelne Tagesordnungspunkte zulässig. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Alleine aus der Anwesenheit eines Dritten folgt noch kein schwerwiegender Verstoß, so dass die Kausalität des Verstoßes erforderlich ist, dies setzt insoweit Vortrag des Klägers voraus. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch eine juristische Person kann in den Verwaltungsbirat gewählt werden. (Rn. 17 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Die Ungültigerklärung eines Beschlusses wegen Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung scheidet aus, wenn feststeht, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
juristische Person, Verwaltungsbeirat, Grundsatz der Nichtöffentlichkeit, Kausalität
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 13.06.2023 – 1294 C 15185/22
Fundstellen:
BeckRS 2024, 43263
LSK 2024, 43263
ZMR 2025, 246
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 13.06.2023, Az. 1294 C 15185/22 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.1. Der in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 10 gefasste Beschluss mit dem Wortlaut:
„Die Eigentümergemeinschaft beauftragt die IGSP mit der Planung (LPH 1-7 HOAI) der Sanierung der Dächer ... und ... gemäß Angeboten vom 09.07.2022 mit Kosten in Höhe von insg. 80.141,11 Euro brutto (hier wurde der zusätzliche 5%-ige Nachlass berücksichtigt, der bei Beauftragung beider Dächer gewährt war).
Die Planungs-Ingenieurkosten werden zu Lasten der Rücklage finanziert“
wird für ungültig erklärt.
1.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1.3. Von den Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz tragen die Klägerin 17% und die Beklagte 83%.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 17% und die Beklagte 83%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist, soweit es nicht abgeändert wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts München abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i. H. von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird insoweit zugelassen, als die Anfechtungsklage gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefassten Beschluss abgewiesen wurde.
1. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.302,25 € festgesetzt.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.06.2023, mit dem der Streitwert für die 1. Instanz auf 6.680,32 € festgesetzt wurde, wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für den Rechtsstreit in 1. Instanz auf 4.302,25 € festgesetzt wird.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin ist als Eigentümerin der Wohnung Nr. ..., mit der ein Miteigentumsanteil von 5,91/1.000 am gemeinschaftlichen Eigentum verbunden ist, Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft (im Folgenden: GdWE). Mit der vorliegenden Klage hat sie die in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 gefassten Beschlüsse zu TOP 7, mit dem Frau ... in den Verwaltungsbeirat gewählt wurde und zu TOP 10 betreffend die Beauftragung von Planungsleistungen für die Erneuerung der Dächer ... und ... angefochten.
2
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der in 1. Instanz gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils, das als Anlage K 2 vorgelegte Protokoll der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022, die Klageschrift vom 27.10.2022 sowie die Klagebegründung vom 24.11.2022 verwiesen.
3
Das Amtsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 13.06.2023 abgewiesen. Zur Begründung der Abweisung der Anfechtungsklage gegen den Beschluss zu TOP 7 hat das Amtsgericht dabei ausgeführt, weder habe die Anwesenheit des Herrn ... in der Eigentümerversammlung dazu geführt, dass der Beschluss wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit an einem formellen Mangel leide, noch begründe der Umstand, dass Frau ... selbst nicht Mitglied der GdWE sei, sondern nur die Gemeinde ..., bei der Frau ... angestellt sei, einen materiellen Beschlussmangel. Da sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 nicht ergebe und die Klägerin auch nicht vorgetragen habe, dass die Anwesenheit des Herrn ... während der Eigentümerversammlung gerügt worden sei, hätten die Eigentümer auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit stillschweigend verzichtet. Frau ... hätte als Angestellte der Gemeinde ... , die Eigentümerin einer Sondereigentumseinheit sei, in den Verwaltungsbeirat gewählt werden können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vertretung von juristischen Personen in der Eigentümerversammlung gelte insoweit entsprechend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.
4
Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihre in 1. Instanz gestellten Klageanträge weiterverfolgt.
5
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klagepartei u. a. aus, die angefochtenen Beschlüsse würden entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bereits an einem formellen Mangel leiden, weil Herr ..., bei dem es sich nicht um einen Wohnungseigentümer, sondern um einen Mitarbeiter der Fa. ... handele, während der Diskussion und der Abstimmung über die streitgegenständlichen Beschlüsse anwesend gewesen sei. Rechtsfehlerhaft sei das Amtsgericht dabei von einem stillschweigenden Verzicht auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit ausgegangen. Nach Auffassung der Klägerin ist die Wahl der Frau ... in den Verwaltungsbeirat gem. § 29 WEG zudem nicht zulässig, weil nach dieser Vorschrift nur Wohnungseigentümer in den Verwaltungsbeirat gewählt werden könnten. Sei eine juristische Person Wohnungseigentümer, könnten lediglich vertretungsberechtigte Organe der juristischen Person in den Verwaltungsbeirat gewählt werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vertretung juristischer Personen in der Eigentümerversammlung könne entgegen der Ansicht des Amtsgerichts auf die Wahl der Beiratsmitglieder nicht entsprechend angewendet werden. So könnten grundsätzlich alle Wohnungseigentümer eine dritte Person mit ihrer Vertretung in der Eigentümerversammlung bevollmächtigen. Demgegenüber sei die Wahl eines durch einen Wohnungseigentümer mit seiner Vertretung Bevollmächtigten in den Verwaltungsbeirat grundsätzlich unzulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 12.10.2023 sowie den Schriftsatz der Klagepartei vom 01.10.2024 verwiesen.
6
Die Klägerin beantragt,
- 1.
-
Das Urteil des Amtsgerichts München vom 13.06.2023 (Aktenzeichen 1294 C 15185/22 WEG) wird aufgehoben.
- 2.
-
Der am 27.09.2022 in der ordentlichen Eigentümerversammlung der WEG ..., ...unter TOP 7: Nachwahl Verwaltungsbeirat gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
- 3.
-
Der am 27.09.2022 in der ordentlichen Eigentümerversammlung der WEG ... unter TOP 10: Beauftragung Planungsleistungen für die Erneuerung der Dächer ... und ...gefasste Beschluss wird für ungültig erklär Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2024 zuletzt den Klageantrag Ziffer 2 aus der Klageschrift vom 27.10.2022 (Anfechtungsklage gegen TOP 10) anerkannt und beantragt,
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Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
8
Sie ist der Auffassung, dass Frau ... als Mitarbeiterin einer Gemeinde, die Mitglied der GdWE ist, in den Verwaltungsbeirat gewählt werden konnte. Mit dem zum 01.12.2020 in Kraft getretenen WEMoG habe der Gesetzgeber § 29 WEG in zwei Punkten wesentlich geändert, um das grundsätzlich ehrenamtliche Amt als Beiratsmitglied attraktiver zu gestalten, nachdem tendenziell immer weniger Wohnungseigentümer bereit seien, sich hierfür zur Verfügung zu stellen. Die Gesetzesänderung und die dahinter stehenden Beweggründe des Gesetzgebers, das Amt des Verwaltungsbeirates attraktiver zu gestalten und die Bereitschaft bei Wohnungseigentümern zu wecken, sich für dieses Amt zur Verfügung zu stellen, würden dafür sprechen, bei der Frage, ob eine Mitarbeiterin einer juristischen Person als Mitglied des Verwaltungsbeirates bestellt werden kann, eine großzügige Betrachtungsweise in Ansatz zu bringen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 12.08.2024 verwiesen.
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Die Kammer hat den Parteien mit Verfügung vom 27.06.2024 Hinweise erteilt, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
10
In der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2024 hat die Beklagte die Anfechtungsklage gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 10 gefassten Beschluss anerkannt.
11
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2024, die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und alle sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung ist nur insoweit begründet, als die Beklagte die gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 10 gefassten Beschluss erhobene Anfechtungsklage anerkannt hat. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen, weil der in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefasste Beschluss mit dem Wortlaut: „Die Eigentümergemeinschaft wählt Frau ... in den Verwaltungsbeirat“ weder aus den von der Klagepartei innerhalb der zweimonatigen materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG vorgetragenen Gründen rechtswidrig ist und ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, noch Umstände vorgetragen wurden oder sonst ersichtlich sind, aus denen sich eine Nichtigkeit des Beschlusses ergeben könnte.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beschluss nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit für ungültig zu erklären.
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1.1. Richtig ist allerdings, dass die Versammlung der Wohnungseigentümer nicht öffentlich ist. Ist durch Teilungserklärung oder Vereinbarung nichts anderes bestimmt, so sind nur die Wohnungseigentümer und deren bevollmächtigte Vertreter zur Teilnahme befugt (vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.1993, Az: V ZB 24/92, juris Rn 16; BGH, Urteil vom 21.07.2023, Az: V ZR 215/21, juris Rn 10; Hogenschurz in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., Rn 52 zu § 24 WEG; Hügel/Elzer, 3. Aufl., Rn 32 zu § 24 WEG). Durch die Anwesenheit des Herrn ..., bei dem es sich unstreitig weder um einen Wohnungseigentümer noch um einen bevollmächtigten Vertreter eines Wohnungseigentümers handelte, bei der Diskussion und der Abstimmung über die Beschlussfassung zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 wurde daher gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung verstoßen, so dass der Beschluss an einem formellen Mangel leidet.
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1.2. Die Anwesenheit des Herrn ... war vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb zulässig, weil dieser als Geschäftsführer der ... Ingenieurgesellschaft die Eigentümer wegen der Dachsanierung, die Gegenstand des Beschlusses zu TOP 10 war, beraten und informieren sollte. Zwar ist die Anwesenheit Dritter, insbesondere technischer oder rechtlicher Berater (zB Mieter, Hausmeister, Architekten, Buchprüfer, Rechtsanwälte etc) im Interesse der GdWE, grundsätzlich zulässig. Zur Wahrung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit dürfen diese Personen in der Wohnungseigentümerversammlung aber nur zwecks punktueller Anhörung, Befragung oder Beratung zu einzelnen Tagesordnungspunkten anwesend sein und müssen die Versammlung vor deren interner Behandlung wieder verlassen (vgl. Merle in Bärmann, 15. Aufl., Rn 106 zu § 24 WEG; Häublein in Staudinger, Neubearbeitung 2023, Rn 186 zu § 24 WEG). Letzteres war vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr war Herr ... nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin auch während der Diskussion und Abstimmung über die zu TOP 7 gefassten Beschlüsse anwesend, obwohl hierfür keinerlei Bedürfnis bestand.
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1.3. Die Ungültigerklärung eines Beschlusses wegen eines formellen Mangels scheidet aber in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich der Beschlussmangel auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat. Anders verhält es sich nur bei schwerwiegenden Verstößen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitgliedes in gravierender Weise unterlaufen wird oder wenn die Regeln des Wohnungseigentumsgesetzes über die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums systematisch missachtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2020, Az: V ZR 159/19, juris Rn 18; BGH, Urteil vom 02.07.2021, Az: V ZR 201/20, juris Rn 32). Von einem derart schwerwiegenden Verstoß kann hier aber nicht ausgegangen werden, so dass es im Ergebnis darauf ankommt, ob sich die Anwesenheit des Herrn ... auf das Ergebnis des in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefassten Beschlusses, mit dem Frau ... in den Verwaltungsbeirat gewählt wurde, ausgewirkt hat. Hierfür trifft die Klägerin aber zumindest eine (sekundäre) Darlegungslast (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2021, Az: V ZR 201/20, juris Rn 31-33; Schultzky in Jennißen, 8. Aufl., Rn 207 zu § 23 WEG). An einer entsprechenden Darlegung fehlt es jedoch. Insbesondere hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass sich Herr ... an der Abstimmung zu TOP 7 beteiligt oder im Rahmen der Erörterungen zu TOP 7 geäußert hätte. War das aber nicht der Fall, ist eine Ursächlichkeit des Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit für das Zustandekommen des Beschlusses zu verneinen (vgl. Merle in Bärmann, 15. Aufl., Rn 90 zu § 24 WEG; G. Hermann, BeckOGK zum WEG, Stand: 01.09.2024, Rn 257 zu § 24 WEG).
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2. Ebenso wenig greifen die von der Klägerin erhobenen inhaltlichen Rügen gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefassten Beschluss durch.
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2.1. Wie eine nochmalige Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer ergeben hat, ist bereits die Annahme der Klagepartei fehlerhaft, dass mit dem 1. der beiden unter TOP 7 gefassten Beschlüsse Frau ... persönlich in den Verwaltungsbeirat gewählt wurde. Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind „aus sich heraus“ – objektiv und normativ – auszulegen. Dabei kommt es maßgebend darauf an, wie der Beschluss nach seinem Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses dürfen allerdings nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind, weil sie sich etwa aus dem – übrigen – Versammlungsprotokoll ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2016, Az: V ZR 75/15, juris Rn 20; BGH, Beschluss vom 25.10.2023, Az: V ZB 9/23, juris Rn 14; BGH, Urteil vom 23.02.2024, Az: V ZR 132/23, juris Rn 22). Die Auslegung des Beschlusses nach diesen Grundsätzen ergibt, dass mit dem 1. der beiden zu TOP 7 gefassten Beschlüsse nicht Frau ... zum Mitglied des Verwaltungsbeirates gewählt wurde, sondern vielmehr die Gemeinde ... als juristische Person des öffentlichen Rechts und es sich bei Frau ... lediglich um die bei der Gemeinde ... für die Durchführung der Beiratstätigkeit grundsätzlich zuständige Mitarbeiterin handelt. Denn ausweislich des als Anlage K 2 vorgelegten Protokolls der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 hat sich ... für die Gemeinde ... zur Nachwahl in den Verwaltungsbeirat gestellt. Nächstliegend kann das nur so verstanden werden, dass Frau ... hier als Vertreterin der Gemeinde ... handeln und nicht persönlich für den Verwaltungsbeirat kandidieren wollte. Es kann insbesondere nicht angenommen werden, dass Frau ... die Tätigkeit außerhalb ihrer Arbeitstätigkeit und Arbeitszeit für die Gemeinde ... wahrnehmen und die persönliche Haftung für etwaige Fehler bei der Wahrnehmung der Aufgaben des Verwaltungsbeirates übernehmen wollte. Zwar hat nach dem sodann protokollierten Beschlusswortlaut die Eigentümergemeinschaft Frau ... in den Verwaltungsbeirat gewählt. Da aber nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Person in den Verwaltungsbeirat gewählt werden sollte, die hierfür nicht kandidiert hatte und daher mangels Einverständnisses nicht wirksam zum Verwaltungsbeirat bestellt werden konnte (vgl. BGH, Az: V ZR 126/09, juris Rn 7; Becker in Bärmann, 15. Aufl., Rn 24, 31 zu § 29 WEG), hat der Beschluss bei nächstliegendem Verständnis die Wahl der durch Frau ... vertretenen Gemeinde ... zum Inhalt.
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2.2. Die Wahl der Gemeinde ... , bei der es sich um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, 21. Aufl., Rn 4 zu § 17 ZPO; Geis in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 4. EL November 2023, Rn 20 zu § 11 VwVfG), in den Verwaltungsbeirat ist gem. § 29 I Satz 1 WEG zulässig. Nach dieser Vorschrift können Wohnungseigentümer durch Beschluss zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt werden. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten ist die Gemeinde ... Eigentümerin einer Sondereigentumseinheit und damit Mitglied der beklagten GdWE.
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Allerdings wird vertreten, dass es sich bei der Arbeit des Verwaltungsbeirates um eine Tätigkeit von höchstpersönlicher Natur handelt, die nur natürlichen Personen übertragen werden kann und daher juristische Personen selbst nicht in den Verwaltungsbeirat gewählt werden können, sondern allenfalls deren vertretungsberechtigte Organe und besonders bevollmächtigte Sachbearbeiter (vgl. Hogenschurz in Jennißen, 8. Aufl., 10/2023, Rn 16 zu § 29 WEG; Leist in Elzer, StichwortKommentar zum Wohnungseigentumsrecht, 1. Aufl., Edition 2 2024, Verwaltungsbeirat Rn 12-14; Wolicki in Münchener Handbuch zum Wohnungseigentumsrecht, 8. Aufl., Rn 69 zu § 29 WEG; Dötsch in Bärmann/Pick, 20.Aufl., Rn 14 zu §§ 29 WEG).
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Nach anderer Ansicht können dagegen auch juristische Personen, die Mitglied der GdWE sind, in den Verwaltungsbeirat gewählt werden (vgl. Lehmann-Richter in Staudinger, Neubearbeitung 2023, Updatestand: 31.08.2024, Rn 33 zu § 29 WEG; Greiner in BeckOGK zum WEG, Stand: 01.09.2024, Rn 7 zu § 29 WEG; Burgmair in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., Rn 23 zu § 29 WEG; Hügel in BeckOK zum WEG, 71. Edition, Stand: 01.08.2024, Rn 8 zu § 29 WEG; wohl auch Becker in Bärmann, 15. Aufl., Rn 12 zu § 29 WEG; Munzig in BeckOK zum BGB, 58. Edition, Stand: 18.10.2024, Rn 15 zu § 29 WEG; Fichtner in Müller/Fichtner, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 7. Aufl., § 12 Rn 6).
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Nach Auffassung der Kammer sprechen die besseren Argumente für die letztgenannte Ansicht. Nach dem Wortlaut des § 29 I Satz 1 WEG können nur Wohnungseigentümer zum Mitglied des Verwaltungsbeirates bestellt werden. Eine weitergehende Einschränkung dahingehend, dass es sich um eine natürliche Person handeln muss, ergibt sich dagegen weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Gesetzesbegründung (BR-Drs 168/20, 87). Es würde zudem zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung von juristischen Personen gegenüber sonstigen Wohnungseigentümern führen, wenn man deren Wählbarkeit zum Verwaltungsbeirat ablehnen würde (vgl. Lehmann-Richter in Staudinger, Neubearbeitung 2023, Updatestand: 31.08.2024, Rn 33 zu § 29 WEG; Burgmair in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., Rn 23 zu § 29 WEG). Auch die Tätigkeit des Verwaltungsbeirats erfordert es nicht, deren Ausübung auf natürliche Personen zu beschränken. Gem. § 29 II WEG unterstützt und überwacht der Verwaltungsbeirat den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben. Dass die Tätigkeit des Verwalters selbst einer juristischen Person übertragen und daher eine juristische Person auch zum Verwalter bestellt werden kann, entspricht dabei allgemeiner Ansicht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2006, Az: V ZB 132/05, juris Rn 12; BGH, Urteil vom 22.06.2012, Az: V ZR 190/11, juris Rn 13, 18; Becker in Bärmann, 15. Aufl., Rn 15 zu § 26 WEG; Jennißen in Jennißen, 8. Aufl., 10/2023, Rn 7, 22; Wicke in Grüneberg, 83. Aufl., Rn 1 zu § 26 WEG). Dann ist aber nicht nachvollziehbar, warum eine juristische Person nicht auch zum Mitglied des Verwaltungsbeirates bestellt werden können soll, der eine mit der Tätigkeit des Verwalters vergleichbare Tätigkeit ausübt, indem er den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben unterstützt und überwacht (vgl. Greiner in BeckOGK zum WEG, Stand: 01.09.2024, Rn 7 zu § 29 WEG). Sofern gegen die Möglichkeit der Bestellung einer juristischen Person zum Verwaltungsbeirat eingewandt wird, dieser fehle die Eignung hierzu, weil sie die Tätigkeit im Verwaltungsbeirat nicht selbst ausüben könne, sondern es hierzu wiederum einer natürlichen Person bedürfe, die für die juristische Person handele aber nicht selbst Eigentümer sei und es daher an der für eine Tätigkeit im Verwaltungsbeirat erforderlichen Vertrauensstellung, Kontinuität und unmittelbaren Teilhabe am Verwaltungsgeschehen der Gemeinschaft fehle (vgl. Wolicki in Münchener Handbuch zum Wohnungseigentumsrecht, 8. Aufl., Rn 69 zu § 29 WEG; Dötsch in Bärmann/Pick, 20. Aufl., Rn 14 zu § 29 WEG), überzeugt das nicht. So müssen auch natürliche Personen, um in den Verwaltungsbeirat gewählt zu werden, nicht zwingend selbst in der Wohnanlage oder auch nur in deren Nähe wohnen und kann es daher auch bei diesen an der unmittelbaren Teilhabe am Verwaltungsgeschehen fehlen. Zudem bleibt es den Wohnungseigentümer bzw. der GdWE, vertreten durch die Wohnungseigentümer unbenommen, eine juristische Person nicht in den Verwaltungsbeirat zu wählen, wenn sie damit verbundene Schwierigkeiten fürchtet. Das gilt umso mehr, als nach der zum 01.12.2020 geänderten Rechtslage der Verwaltungsbeirat nicht mehr zwingend aus drei Mitgliedern bestehen muss, sondern auch eine geringere Anzahl von Verwaltungsbeiratsmitgliedern gewählt werden kann.
23
2.3. Sonstige Gründe, die gegen die Wahl der Gemeinde ... in den Verwaltungsbeirat sprechen könnten, hat die Klägerin innerhalb der zweimonatigen materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG nicht vorgetragen. Die Kammer sieht es insbesondere als unbedenklich an, dass die Aufgaben des Verwaltungsbeirates grundsätzlich durch die bei der Gemeinde ... angestellte Frau ...für diese wahrgenommen werden sollen. Wie bei der Bestellung einer juristischen Person zum Verwalter handelt es sich bei der Wahrnehmung der Aufgaben einer zum Verwaltungsbeirat bestellten juristischen Person um eine betriebsbezogene Pflicht, die jeder wahrnehmen kann, der zum Unternehmen gehört (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2021, Az: V ZR 201/20, juris Rn 15; Jacoby in Staudinger, Neubearbeitung 2023, Updatestand: 18.08.2024, Rn 131 zu § 26 WEG; Greiner in BeckOGK zum WEG, Stand: 01.09.2024, Rn 38 zu § 26 WEG und Rn 7 zu § 26 WEG; Lehmann-Richter in Staudinger, Neubearbeitung 2023, Updatestand: 31.08.2024, Rn 33 zu § 29 WEG). Soweit die Klägerin vorgetragen hat, bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses seien die Nein-Stimmen nicht gezählt und von der Hausverwaltung lediglich das mehrheitliche Zustandekommen des Beschlusses festgestellt worden, ergibt sich daraus schon nicht, dass der Beschluss tatsächlich nicht mit Stimmenmehrheit gefasst wurde. Zudem erfolgte der Vortrag, ebenso wie die Behauptung, der Sitzungsraum sei für jedermann von der Straße aus zugänglich gewesen und es habe am Eingang keinerlei Kontrollen über die Anwesenheitsberechtigung gegeben, erstmals im Schriftsatz vom 23.02.2023 und damit nach Ablauf der zweimonatigen materiellen Ausschlussfrist des § 45 WEG und kann daher bei der Entscheidung keine Berücksichtigung finden.
24
1. Die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz erfolgte gem. § 92 I ZPO, die Verteilung der Kosten des Berufungsverfahrens gem. §§ 92 I, 97 I ZPO nach dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens zum Unterliegen.
25
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
26
3. Die Revision gegen das Urteil war gem. § 543 I Nr. 2, II ZPO zuzulassen, soweit die Klage gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefassten Beschluss über die Wahl der Frau ... in den Verwaltungsbeirat abgewiesen wurde, da die Frage, ob eine juristische Person in den Verwaltungsbeirat gewählt werden kann hoch umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, sich aber in einer Vielzahl von Fällen erneut stellen kann und daher grundsätzliche Bedeutung hat.
27
4. Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren erfolgte in Anwendung der Vorschriften der §§ 49, 47 I, II GKG.
28
4.1. Gem. § 49 GKG ist der Streitwert von Beschlussklagen auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen, darf jedoch den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen. Das jeweilige Interesse ist dabei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten, wobei nur auf das unmittelbare Interesse der Parteien an der Rechtsverfolgung, nicht auf etwaige mittelbare wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung abzustellen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2022, Az: V ZR 149/22, juris Rn 6).
29
4.2. Danach hat die Kammer für die erfolgte Anfechtung des in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 7 gefassten Beschlusses einen Streitwert von 750,00 € angekündigt. Das wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers an der Entscheidung über eine von ihm erhobene Anfechtungsklage gegen einen Beschluss über die Bestellung der Mitglieder des Verwaltungsbeirates ist dabei regelmäßig auf 750,00 € zu schätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2019, Az: V ZR 121/18, juris Rn 10). In gleicher Höhe schätzt die Kammer auch das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an der Entscheidung. Da sich die Interessen jeweils wirtschaftlich decken, kam eine Zusammenrechnung nicht in Betracht, sondern war der Streitwert insgesamt auf 750,00 € festzusetzen.
30
4.3. Das Interesse der Wohnungseigentümer an der Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen den in der Eigentümerversammlung vom 27.09.2022 zu TOP 10 gefassten Beschluss betreffend die Beauftragung von Planungsleistungen für die Erneuerung der Dächer ... und ... richtet sich nach den voraussichtlichen Gesamtkosten der Maßnahme (vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2023, AZ: V ZR 222/22, juris Rn 3), die in dem streitgegenständlichen Beschluss auf 80.141,11 € brutto beziffert werden. Das Interesse der Klägerin entspricht der Höhe des auf sie entfallenden Anteils an den Kosten (vgl. BGH, Beschluss vom 15.06.2023, AZ: V ZR 222/22, juris Rn 4), der sich bei einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen und einem Miteigentumsanteil der Klägerin von 5,91/1000 auf 473,63 € beläuft. Da der siebeneinhalbfachen Wert des Interesses der Klägerin mit 3.552,25 € unterhalb des Gesamtinteresses liegt, war der Streitwert in Höhe des siebeneinhalbfachen klägerischen Interesses, mithin auf 3.552,25 € festzusetzen.
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4.4. Insgesamt ergibt sich damit ein Streitwert in Höhe von 4.302,25 €.
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5. Aus den vorstehend unter Ziffer 4. dargelegten Gründen war der vom Amtsgericht festgesetzte Streitwert für das Verfahren in 1. Instanz gemäß § 63 III Nr. 2 GKG von Amts wegen ebenfalls auf 4.302,25 € herabzusetzen. Zwar lautet die Vorschrift des § 63 III GKG lediglich dahingehend, dass die Festsetzung von Amts wegen geändert werden „kann“. Damit wird die Änderung jedoch nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern lediglich dessen Zuständigkeit für die Änderung begründet. Erkennt das Gericht die Unrichtigkeit der erfolgten Streitwertfestsetzung, so muss es diese daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 63 III GKG abändern (vgl. Jäckl in BeckOK zum Kostenrecht, 47. Edition, Stand 01.10.2024, Rn 29 zu § 63 GKG; Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl., Rn 10 zu § 63 GKG).