Inhalt

LG München I, Endurteil v. 25.10.2024 – 14 S 2770/24
Titel:

Beweiswürdigung, Veräußerung, Eigenbedarfskündigung, Kündigungssperrfrist, Aufteilung in Wohnungseigentum, Entstandenes Wohnungseigentum, Begründung von Wohnungseigentum, Umwandlung in Wohnungseigentum, Eigenbedarfsklage, Kündigungsbeschränkung, Dachgeschossausbau, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Teilungserklärung, Wohnungsgrundbuch, Mietverhältnis, Geschäftsführender Gesellschafter, Wohnungen der Gesellschafter, Weiterer Gesellschafter, Rechtsträgerwechsel, Erstgericht

Leitsatz:
Die Veräußerung i.S.v. § 577a Abs. 1 BGB erfasst zunächst alle rechtsgeschäftlich veranlassten Eigentumswechsel an dem gebildeten Wohnungseigentum (§§ 873, 925 BGB). Fristauslösend ist die erste Veräußerung, wobei – anders als bei § 577 BGB – der Zeitpunkt der Vollendung des Eigentumserwerbs (§§ 873, 925) maßgeblich ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Wohnraummiete
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 02.02.2024 – 420 C 18349/22
Fundstellen:
LSK 2024, 43229
ZMR 2025, 202
BeckRS 2024, 43229

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.02.2024, Az. 420 C 18349/22, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenfolge für den Beklagten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.720,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten über die Räumung und Herausgabe einer Wohnung nach klägerseitiger Eigenbedarfskündigung.
2
Frau vermietete die streitgegenständliche Wohnung des Anwesens F.-straße in M. mit Mietvertrag vom 16.02.2004 ab 01.04.2004 an den Beklagten. Der Nettomietzins betrug zuletzt 310,00 €.
3
Der Gesellschafter W. erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 05.02.2021 und Eintragung im Grundbuch am 31.05.2021 das Eigentum am Anwesen F.-straße, M..
4
Am 28.09.2021 erfolgte die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung nach § 8 WEG und am 11.02.2022 wurde die Aufteilung in Wohnungseigentum im Grundbuch eingetragen.
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Mit Einbringungsvertrag vom 28.12.2021 brachte der Gesellschafter W. das Anwesen F.-straße in M. in die klägerische Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein, die den Gesellschaftszweck der Verwaltung und Nutzung des Anwesens F.-straße in M. hat. Die Eigentumsumschreibung wurde im Grundbuch am 11.02.2022 vollzogen.
6
Mit Schreiben vom 27.07.2022 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit dem Beklagten zum 30.04.2023 wegen Eigenbedarfs. Sie begründete die Kündigung im Wesentlichen damit, dass die streitgegenständliche Wohnung der Gesellschafterin S. W. zu Wohnzwecken zur Verfügung gestellt werden solle. Der Bedarf resultiere daraus, dass die 25-jährige Gesellschafterin S. W., die bei ihren Eltern in S. ein Zimmer bewohne, derzeit eine postgraduale Ausbildung absolviere und ab April 2023 ihre neue Arbeitsstelle in der in der K.-straße in M. antreten werde und somit Wohnraum für einen eigenen Hausstand benötige.
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Ergänzend wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
8
Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Eigenbedarfskündigung wirksam sei und das Mietverhältnis beendet habe, sodass ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen den Beklagten bestehe.
9
Nach unbeeideter Einvernahme der Zeugin S. W. und formloser Anhörung des Gesellschafters der Klägerin, G. W. hat das Amtsgericht München mit Endurteil vom 02.02.2024 – 420 C 18349/22 der Klage auf Räumung und Herausgabe unter Gewährung einer Räumungsfrist bis 30.04.2024 stattgegeben.
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Das Erstgericht hat dabei den Standpunkt vertreten, dass die Kündigung nicht gemäß § 577a Abs. 1 BGB gesperrt gewesen sei.
11
Nach § 577a Abs. 1 BGB (Kündigungsbeschränkung nach Wohnungsumwandlung) könne sich ein Erwerber einer vermieteten Wohnung auf ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB erst nach Ablauf von drei Jahren (bzw. 10 Jahren nach § 577a Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 S. 2 MiSchuV) seit der Veräußerung berufen, wenn an dem vermieteten Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist.
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Zwar könnten nach dem Wortlaut die Voraussetzungen des § 577a Abs. 1 BGB vorliegen, da nach der Überlassung der Wohnung an den Beklagten die Umwandlung nach § 8 WEG und die „Veräußerung“ an die GbR erfolgt sei, die nunmehr neue Eigentümerin sei und zugleich nach § 566 Abs. 1 BGB neue Vermieterin geworden sei.
13
§ 577a Abs. 1 sei jedoch vorliegend nicht anwendbar und insoweit (falls tatsächlich einschlägig) teleologisch zu reduzieren, da der Schutzzweck der Norm in der vorliegenden Konstellation in keiner Weise einschlägig sei.
14
In der Entscheidung des BGH vom 22.6.2022 – VIII ZR 356/20, Rz. 37 ff. werde folgendes ausgeführt:
15
Mit der Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen will der Gesetzgeber den Mieter davor schützen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnbedarfs erworben werden, der durch die Kündigungsschutzbestimmungen erstrebte Bestandsschutz für den Mieter dadurch also besonders gefährdet ist. Der Mieter soll vor „willkürlichen Kündigungen“ geschützt werden, die regelmäßige Folge eines durch die Veräußerung erst geschaffenen Eigenbedarfs sind. Gerade die erhöhte Gefahr einer Eigenbedarfs- bzw. Verwertungskündigung nach Umwandlung des vermieteten Wohnraums in eine Eigentumswohnung und Veräußerung an einen neuen Eigentümer stellt nach der Auffassung des Gesetzgebers auch die Rechtfertigung für die mit der (verlängerten) Kündigungssperrfrist verbundene Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Eigentümerbefugnisse (Art. 14 I GG) sowohl des Veräußerers als auch des Erwerbers dar. Auf den Schutz vor einer unabhängig von der Umwandlung bestehenden Eigenbedarfslage ist die Vorschrift nach ihrem Normzweck dagegen nicht zugeschnitten. Die Wartefristregelung aus § 577a I, II BGB für eine Eigenbedarfskündigung greift dabei nicht schon bei der Begründung von Wohnungseigentum ein, sondern erst nach Veräußerung der Eigentumswohnung. Angesichts des Schutzzwecks des § 577a I BGB setzt eine Veräußerung an einen Erwerber einen tatsächlichen Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers voraus, und zwar dergestalt, dass mit einem solchen Wechsel des Rechtsträgers neu in Betracht kommender, bis zu diesem Zeitpunkt für den Mieter nicht zu befürchtender Eigen- bzw. Verwertungsbedarf geschaffen wird.
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Das Erstgericht vertrat dabei die Ansicht, durch die Einbringung des Anwesens in die Klägerin habe kein im Sinne des § 577a Abs. 1 BGB relevanter Rechtsträgerwechsel stattgefunden, da sich für den Beklagten das Risiko einer Eigenbedarfskündigung nicht erhöht habe.
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Vorliegend seien neben Herrn G. W. (als Rechtsvorgänger) mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern lediglich nahe Angehörige Gesellschafter der Klägerin. Für diese Gesellschafter hätte der Rechtsvorgänger G. W. bereits zuvor Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geltend machen können. Dass dieses Ergebnis zutreffend sei, zeige auch die Regelung in § 577a Abs. 1a S. 2 BGB, wonach bei einer Veräußerung an eine GbR, bei der die Gesellschafter der GbR derselben Familie angehören, die Kündigungsbeschränkung nach § 577a Abs. 1 BGB nicht gelte. Allein der vorliegende Umstand, dass neben der Veräußerung (hier Einbringungsvertrag) zugleich eine Aufteilung in Wohnungseigentum erfolgt sei, könne nicht dazu führen, dass bei gleichbleibendem Eigenbedarfsrisiko nunmehr eine 10-jährige Sperrfrist gelte. Insoweit werde auch auf § 577a Abs. 2a BGB verwiesen, wo der Fristbeginn an die Veräußerung und nicht an eine spätere Umwandlung in Wohnungseigentum geknüpft werde.
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Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten vom 05.03.2024, begründet mit Schriftsatz vom 30.04.2024 innerhalb der bis zum 08.05.2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist. Die Berufung ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die verfahrensgegenständliche Kündigung unwirksam sei. Denn zum einen sei die Sperrfrist des § 577a BGB noch nicht abgelaufen, zum anderen könne jedenfalls der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nicht gefolgt werden. Auch seien die vom Beklagten seit 20 Jahren bewohnten Speicherräume im 4. Obergeschoss zwar in tatsächlicher Hinsicht zum Wohnen geeignet, aber bauordnungsrechtlich nicht als Wohnung genehmigt, weshalb eine Eigenbedarfskündigung ausscheide.
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Rechtsfehlerhaft verneine das Amtsgericht aber entgegen dem eindeutigen Wortlaut von § 577a Abs. 1 BGB dessen Anwendbarkeit bzw. nehme eine teleologische Reduktion vor, da nach Ansicht des Amtsgerichts der Schutzzweck in der vorliegenden Konstellation in keiner Weise einschlägig sei.
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Unstreitig sei die streitgegenständliche Wohnung an den Beklagten bereits vermietet und an ihn überlassen gewesen, als der Alleineigentümer G. W. das Grundstück mit notarieller Urkunde vom 28.09.2021 in Wohnungseigentum aufgeteilt habe. Im Anschluss daran sei es veräußert worden mit der Urkunde zur Einbringung in die GbR vom 28.12.2021 (Bestandteil von Anlage K4). Eine Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum gemäß § 8 WEG (Teilung durch den Eigentümer) durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt erfordere die sogenannte notarielle Teilungserklärung. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entstehe dann bereits unmittelbar, sofort und direkt mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher gemäß § 9a Abs. 1 S. 2 WEG, ohne dass es weiterer Eintragungen hierzu bedürfe. Die Klägerin sei aufgrund des Rechtsgeschäfts der Gründung der GbR und Einbringungsvereinbarung (Anlage K4 mit Anlage 2) jeweils als Eigentümerin der einzelnen Wohnungen in den einzelnen Wohnungsgrundbüchern im Grundbuch eingetragen worden. Beides sei zwar am selben Tag im Grundbuch eingetragen worden. Allerdings sei hier vor der Eintragung der Klägerin als neue Eigentümerin die Begründung von Wohnungseigentum bereits abgeschlossen gewesen durch notarielle Teilungserklärung und die vollzogene Anlegung der Wohnungsgrundbücher.
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Der Beklagte vertritt die Ansicht, das Tatbestandsmerkmal des § 577a BGB „veräußert worden“ sei damit am 11.02.2022 zeitlich erst dann vollendet worden, als das Wohnungseigentum bereits abschließend durch Anlegung der Wohnungsgrundbücher begründet gewesen sei. Eine Veräußerung werde bei Grundstücken erst durch Eintragung des Erwerbers als neuer Eigentümer im Grundbuch abgeschlossen. Damit habe die Klägerin an der Wohnung das bereits durch die Beurkundung der Teilungserklärung und Anlegung der Wohnungsgrundbücher entstandene Wohnungseigentum zum Eigentum erworben. Mithin sei § 577a Abs. 1 BGB eindeutig anwendbar und die Kündigungssperre greife ein. Sie habe am 11.02.2022 begonnen, betrage in M. 10 Jahre und ende somit erst am 11.02.2032.
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Die Berufung vertritt weiter die Ansicht, das Amtsgericht zitiere zur Begründung der teleologischen Reduktion der Anwendbarkeit von § 577a BGB zutreffend aus dem Urteil des BGH vom 22.06.2022:BGH: „Angesichts des Schutzzwecks des § 577a I BGB setzt eine Veräußerung an einen Erwerber einen tatsächlichen Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers voraus, und zwar dergestalt, dass mit einem solchen Wechsel des Rechtsträgers neu in Betracht kommender, bis zu diesem Zeitpunkt für den Mieter nicht zu befürchtende Eigen- bzw. Verwertungsbedarf geschaffen wird.“
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Das Erstgericht ziehe daraus aber die falschen Schlüsse. Denn vorliegend habe, wie vom BGH gefordert, ein tatsächlicher Wechsel in der Person des Wohnungseigentümers stattgefunden. Aufgrund des Wechsels des Rechtsträgers komme neuer Eigenbedarf in Betracht durch die nahen Angehörigen der weiteren Gesellschafter – bspw. durch die leiblichen Verwandten der Ehefrau, neue Familienangehörige der Kinder. Dies habe das Amtsgericht bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt und gewürdigt.
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Auch der dann folgende Versuch des Amtsgerichts, sein Ergebnis mit Verweis auf § 577a Abs. 1a S. 2 BGB zu stützen, gehe fehl. Denn in § 577a Abs. 1 BGB und § 577a Abs. 1a BGB gehe es um zwei völlig unterschiedliche Fallgestaltungen. § 577a Abs. 1a BGB habe eine Regelungslücke im sog. „München Modell“ geschlossen, wenn die Kündigung vor der Umwandlung erfolgte. Auch der Verweis auf § 577a Abs. 2a BGB sei vorliegend nicht einschlägig, da hier die Umwandlung der Veräußerung vorangegangen sei.
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Die Klagepartei verteidigt demgegenüber das erstgerichtliche Urteil. Sie ist der Ansicht, durch die Einbringung des Anwesens in die klagende Familien GbR habe kein relevanter Rechtsträgerwechsel im Sinne von § 577a Abs. 1 BGB stattgefunden Die Beklagtenpartei versuche anhand des Wortlautes der gesetzlichen Regelung den Tatbestand auf den streitgegenständlichen Erwerbsvorgang auszuweiten, was nicht überzeugend sei. Der Gesetzgeber habe mit Sicherheit nicht den vorliegenden konkreten Sachverhalt bei der Neuregelung des § 577a BGB vor Augen gehabt. Dies werde auch daran deutlich, dass der Gesetzgeber in § 577a Abs. 1a BGB den Erwerb einer Wohnimmobilie durch eine Familien GbR, so wie dies auch vorliegend der Fall sei, privilegiere. Nach dem Willen des Gesetzgebers hätte daher die Klagepartei bereits den Ursprungserwerb durchführen können, ohne dass die Kündigungssperrfrist gegriffen hätte, da es sich bei der Klägerin ausschließlich um eine Familien GbR handele. Hätte die Klägerin von Anfang an die Immobilie erworben und nicht erst über den geschäftsführenden Gesellschafter, Herrn G. W., so hätte sich der Beklagte ohnehin nicht auf eine Kündigungssperrfrist berufen können, da diese gemäß § 577a Abs. 1a BGB nicht entstanden wäre. Auch die erwerbende GbR hätte damit ohne Weiteres Wohnungseigentum begründen können, ohne dass dies zur Kündigungssperrfrist geführt hätte. Erst wenn die Klägerin eine Wohnung veräußert hätte, was aber seitens der Klagepartei nicht geplant sei, wäre die Kündigungssperrfrist ausgelöst worden. Vor diesem Hintergrund gehe die Klagepartei davon aus, dass die Problematik hinsichtlich der Kündigungssperrfrist im vorliegenden Fall nur ein Scheinproblem sei und die Vorschrift des § 577a Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung komme. Die Ausführungen der Beklagtenpartei, dass durch die Familien GbR der Personenkreis beliebig erweitert worden sei, für die Eigenbedarf geltend gemacht werden könnte, sei nicht überzeugend und auch vollkommen verfehlt. Es finde gerade keine beliebige Erweiterung des Personenkreises, für den Eigenbedarf geltend gemacht werden könne, statt. Vielmehr beschränke sich dieser Personenkreis wiederum nur auf nahe Familienangehörige, für die der ursprüngliche Alleineigentümer, Herrn G.W., wiederum Eigenbedarf hätte geltend machen können. Es gebe hier keinen substanziellen Unterschied. Entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei sei die Umwandlung in Wohnungseigentum zum Zeitpunkt der Eintragung der Klägerin im Grundbuch auch nicht vollendet gewesen. Auch dies habe das Erstgericht in zutreffender Weise erkannt und in den Entscheidungsgründen des Urteils dargelegt.
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Auch sei das Erstgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der von der Klagepartei geltend gemachte Eigenbedarf zu Gunsten der Gesellschafterin S. W. begründet sei. Die Zeugin W. werde in die Wohnung einziehen. Auf die Frage, ob die Wohnung bauordnungsrechtlich genehmigt sei, komme es nicht an, da der Beklagte hierfür als beweisbelastete Partei keinen Nachweis vorgelegt habe. Eine Nutzungsuntersagung habe der Beklagte nicht vorgelegt. Wenn der Beklagte in den Wohnräumen lebe, könne dies die Eigenbedarfsperson S. W. ebenfalls. Aus den Bauunterlagen in Anlage B3 von 1950 ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Räumlichkeiten im DG als Zimmer bezeichnet seien, welche sehr wohl als Wohnraum vermietet werden könnten.
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Der Beklagte beantragen in zweiter Instanz zu erkennen:
I. Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 02.02.2024 (AZ: 420 C 18349/22) wird aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
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Die Klagepartei beantragt demgegenüber:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.Hilfsweise: Die Revision wird zugelassen.
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Ergänzend wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer Bezug genommen.
II.
31
Die zulässige Berufung des Beklagten erweist sich als begründet. Sie führt zur Abänderung des erstgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung.
32
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts besteht nach Überzeugung der Kammer in Ermangelung einer wirksamen Eigenbedarfskündigung kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung. Vielmehr besteht das Mietverhältnis zwischen den Parteien ungekündigt fort.
33
Zwar ist die erstgerichtliche Beweiswürdigung, entgegen der Berufung, nicht zu beanstanden. Eine wirksame Eigenbedarfskündigung konnte vorliegend jedoch noch nicht ausgesprochen werden, da die 10-jährige Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 S. 2 der Bayerischen Mieterschutzverordnung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen war und nach wie vor nicht abgelaufen ist.
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Hierzu im Einzelnen:
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1. Zwar bestehen auch nach Überzeugung der Kammer keine Zweifel am klägerseits behaupteten Eigenbedarf.
36
Soweit das Erstgericht hier davon überzeugt war, dass ein ernsthafter Überlassungswille der Klägerin bestehe und die Gesellschafterin S.W. in die streitgegenständliche Wohnung einziehen wolle, ist dies nicht zu beanstanden.
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Den hiergegen gerichteten Angriffen der Berufung bleibt der Erfolg versagt.
38
Auf Grundlage seiner – auch durch die Kammer einer Entscheidung zugrunde zu legenden – Feststellungen war das Amtsgericht davon überzeugt, dass die Klägerin der Eigenbedarfsperson die streitgegenständliche Wohnung zur Eigennutzung überlassen und dass die Zeugin die Wohnung künftig auch selbst nutzen wolle.
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Die diesbezügliche ausführliche und sorgfältige Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Soweit die Berufung die Beweiswürdigung angreift, vermag sie keine Fehler oder Verstöße gegen Denkgesetze aufzuzeigen, welche Zweifel an den Feststellungen begründen würden. Sie ersetzt vielmehr in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes durch ihre eigene; dies ist der Kammer in ihrer Entscheidung aber grundsätzlich verwehrt. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes unterliegt nur in dem nach § 529 Abs. 1 ZPO beschränkten Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht. Konkrete Anhaltspunkte zu Zweifeln an der Vollständigkeit des seitens des Amtsgerichts zugrunde gelegten Sachverhaltes, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, können sich etwa aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil oder aus dem Übergehen des erstinstanzlichen Vorbringens ergeben (vgl. BGH NJW 2004, 1876). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Amtsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1987, 1557). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt u.a. dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH NJW 1991, 1894).
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Dies ist hier jeweils nicht der Fall.
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Das Amtsgericht hat die Beweise – soweit erforderlich – erhoben und ausführlich gewürdigt. Ausweislich des erstgerichtlichen Sitzungsprotokolls vom 15.11.2023 ist insbesondere eine umfassende und gründliche Anhörung des geschäftsführenden Gesellschafters der Klägerin erfolgt. Zudem hat das Erstgericht die Zeugen S. W. ausführlich und gewissenhaft einvernommen. Auf Grundlage dieser Beweisaufnahme war das Erstgericht von der Richtigkeit der klägerseits behaupteten Bedarfslage überzeugt.
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Soweit die Berufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung dahingehend angreift, dass Herr W. vor der Eigenbedarfskündigung in nachdrücklicher Weise versucht habe, den Beklagten unter der Vorgabe des Dachgeschossausbaus zum Auszug zu bewegen und es nicht konkret dargelegt worden sei, wer, wann genau die Idee dazu gehabt habe, dass S. W. in die Wohnung einziehen solle, hat sich das Erstgericht nachvollziehbar und überzeugend mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Es war gleichwohl – unter besonderer Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin S. W. und deren Glaubwürdigkeit sowie der Angaben im Rahmen der Anhörung von G. W. – vom Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs überzeugt. Dies ist auch aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden, vielmehr tritt dadurch deutlich zu Tage, dass das Erstgericht einen angemessen kritischen Blick auf die Behauptungen der Klagepartei hatte und sämtliche relevanten Aspekte in die Beweiswürdigung einzubeziehen vermochte. Die Kammer fügt hinzu, dass sie bereits in einer Vielzahl von Eigenbedarfsklagen der Problematik begegnet ist, dass Zeugen und Parteien oftmals Schwierigkeiten haben, Einzelheiten betreffend eine familieninterne Kommunikation nach gewissem Zeitablauf noch präzise wiederzugeben. Dies sprich jedoch nicht maßgeblich gegen die Richtigkeit einer konkret behaupteten Eigenbedarfslage.
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Soweit die Berufung die erstgerichtliche Beweiswürdigung zudem damit angreift, dass die Klagepartei in der Kündigung ausführe, die Pläne zum Dachgeschossausbau hätten sich mit dem Eigenbedarf von S. W. geändert, wohingegen der Gesellschafter G. W. erstinstanzlich in seiner Anhörung am 15.11.2023 noch ausgeführt habe, der Dachgeschossausbau werde auf absehbare Zeit überhaupt nicht mehr verfolgt und dennoch habe Herr W. am 15.06.2023 und 12.07.2023 einen Antrag auf Baugenehmigung mit der Bezeichnung „Ausbau DG …“ eingereicht, wobei auf einem Grundriss zu erkennen sei, dass die Klägerin den Ausbau des DG mit zwei Wohnungen plane, der nur durch den Abriss der kompletten Wohnung verwirklicht werden könne, hat sich auch das Erstgericht mit der beantragten Baugenehmigung im Ersturteil auf Seite 12 f. kritisch auseinandergesetzt. Das Erstgericht sah es als nachvollziehbar an, dass das Planungsverfahren auch fortgesetzt werde, wenn der Dachgeschossausbau nicht unmittelbar durchgeführt werde, gerade auch im Hinblick auf die Unwägbarkeiten im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens. Ebenfalls war das Erstgericht davon überzeugt, dass S. W. einen längeren Bedarf an der Wohnung habe, der nicht nur vorübergehender Natur sei. Auch insoweit ist die nachvollziehbare Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht zu beanstanden.
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Ergänzend ist auszuführen, dass die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.07.2024 G. W. als Partei formlos angehört hat und dieser der Kammer überzeugend, glaubhaft und nachvollziehbar geschildert hat, warum sich die Ausbaupläne vorliegend aktualisiert hätten und dass hiervon die streitgegenständliche Wohnung gerade nicht betroffen sei. Die Ausführungen des glaubwürdigen Gesellschafters der Klägerin G. W. im Rahmen der Anhörung vor der Kammer erfolgten dabei ruhig und überzeugend, sämtliche Nachfragen der Kammer und der Prozessbevollmächtigten vermochte Herr W. ausführlich und schlüssig zu beantworten.
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Er gab hierzu bei seiner informatorischen Anhörung vor der Kammer insbesondere an, dass im streitgegenständlichen Gebäude ein enormer Sanierungsstau bestehe, aufgrund der günstigen Finanzierung der Ausbau zunächst geplant gewesen sei, aber wegen des aktuellen Zinsanstiegs die ursprünglich getätigte Aussage seinerseits gefallen sei, dass der Dachgeschossausbau mittlerweile nicht mehr gehe. Nun aber habe sich die Situation finanziell geändert. Er habe …€ aus einem Grundstücksverkauf erhalten und seiner Frau werde aus dem Erbe ihrer Mutter, die … 2023 verstorben sei, ein siebenstelliger Betrag zufließen und den Kindern je … €, wobei der Notarvertrag gerade vorbereitet werde. Deshalb könne man es sich nun leisten, den Dachgeschossausbau vorzunehmen, wobei zunächst nur die Seite ausgebaut werden solle, die die Wohnung des Beklagten nicht betreffe. Die andere Seite solle dagegen erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgebaut werden. Zudem stünden dringende Dacharbeiten- und Spenglerarbeiten an, da die Balkenköpfe der tragenden Decke teilweise angefault seien.
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Die Kammer hat damit keinen Zweifel an den sorgfältigen Feststellungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung.
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Auch im Übrigen stellen sich die Angriffe auf die Beweiswürdigung in Ansehung der überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts als unbehelflich dar.
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2. Soweit der Beklagte vorträgt, dem geltend gemachten Eigenbedarf stehe entgegen, dass die streitgegenständliche Wohnung bauordnungsrechtich nicht genehmigt sei, ist seitens der Parteien keine Nutzungsuntersagungsverfügung vorgelegt worden. Ergänzend ist auszuführen, dass der Beklagte in eben diesen Räumen seit nunmehr 20 Jahren wohnt. Zudem sind ausweislich der beklagtenseits erstgerichtlich mit Anlage B3 vorgelegten Bauunterlagen aus der Bauakte von 1950 die streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Zimmer bezeichnet, was grundsätzlich nicht gegen eine Eignung der betreffenden Räume zur Deckung von Wohnbedarf spricht.
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Im Ergebnis kommt es auf die Ausführungen gemäß Ziffer 1 und 2 jedoch nicht entscheidend an.
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3. Denn anders als das Erstgericht geht die Kammer hier davon aus, dass die maßgebliche Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 S. 2 der Bayerischen Mieterschutzverordnung zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen war.
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Die klägerseitige Eigenbedarfskündigung erweist sich von daher wegen Verstoßes gegen eine gesetzliche Kündigungsbeschränkung als unwirksam.
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a) Denn die Kammer ist im hier zu entscheidenden Fall der Überzeugung, dass die Regelung des § 577 a Abs. 1 BGB zur Anwendung kommt.
53
Im vorliegenden Fall führt das Erstgericht zunächst aus, dass nach dem Wortlaut die Voraussetzungen des § 577a Abs. 1 BGB vorliegen könnten.
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Dies ist nach Ansicht der Kammer zutreffend. Denn § 577a Abs. 1 BGB besagt:
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Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
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Danach gilt bei Einhaltung der chronologischen Reihenfolge von
- Vermietung
- Überlassung an Mieter
- Umwandlung in Wohnungseigentum
- erster Verkauf nach Umwandlung und schließlich
- Kündigung für die Kündigung die dort normierte Sperrfrist.
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§ 577a Abs. 1 BGB ist hiernach anwendbar, denn mit schriftlichem Mietvertrag vom 16.02.2004 mietete der Beklagte die streitgegenständliche Wohnung. Vorliegend erfolgte nach der Überlassung der Wohnung an den Beklagten die Umwandlung in Wohnungseigentum, denn der Gesellschafter G. W. erwarb zunächst mit notariellem Kaufvertrag vom 05.02.2021 und Eintragung im Grundbuch am 31.05.2021 das Eigentum am Anwesen F.-straße in M. . Am 28.09.2021 erfolgte die notarielle Beurkundung der Teilungserklärung nach § 8 WEG und am 11.02.2022 wurde die Aufteilung in Wohnungseigentum im Grundbuch eingetragen. Mit Einbringungsvertrag vom 28.12.2021 brachte der Gesellschafter G. W. das Anwesen F.-straße in M. in die klägerische Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein. Der Vollzug der Eigentumsumschreibung erfolgte ebenfalls am 11.02.2022. Dabei ist in den Wohnungseigentumsgrundbuchblättern als Eigentümerin die GbR, die hiesige Klägerin, eingetragen. Mit Schreiben vom 27.07.2022 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit dem Beklagten zum 30.04.2023 wegen Eigenbedarfs.
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Die Berufung führt zutreffend aus, dass gemäß § 9a Abs. 1 S. 2 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unmittelbar mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher entstanden und die Veräußerung von dem Eigentümer G. W. an die hiesige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Klägerin, erst durch die Eintragung des neuen Erwerbers im Grundbuch abgeschlossen worden sei. Denn die Veräußerung im Sinne von § 577 a Abs. 1 BGB erfasst zunächst alle rechtsgeschäftlich veranlassten Eigentumswechsel an dem gebildeten Wohnungseigentum (§§ 873, 925 BGB). Fristauslösend ist die erste Veräußerung, wobei – anders als bei § 577 BGB – der Zeitpunkt der Vollendung des Eigentumserwerbs (§§ 873, 925) maßgeblich ist (vgl. BeckOGK/Klühs, BGB § 577a Rn. 34). Dabei wurde Herr W. vom Notar bei der Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft gemäß Ziffer VII. darauf hingewiesen, dass das Eigentum erst mit der Umschreibung im Grundbuch auf den Erwerber übergeht (vgl. Anlage K4, Ziffer VII).
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b) Nach vorzugswürdiger Auffassung ist hingegen, entgegen der Ansicht des Erstgerichts auch keine teleologische Reduktion von § 577a Abs. 1 BGB vorzunehmen.
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Für diese Auffassung streiten – auch unter Berücksichtigung der durchaus beachtlichen, nachvollziehbaren Argumentation des Erstgerichts und der Klagepartei – letztlich die überzeugenderen Argumente der Berufung.
61
Denn vorliegend erfolgte gerade eine tatsächliche personelle Erweiterung von einem Eigentümer auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus vier Gesellschaftern. Der ursprüngliche Eigentümer G. W. brachte das Eigentum am streitgegenständlichen Anwesen in die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gesellschaftern G. W., dessen Ehefrau, dessen Tochter und dessen Sohn ein. Damit hat sich der Kreis der potentiellen Bedarfspersonen erweitert. Auch eine teilrechtsfähige (Außen-)GbR kann sich in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen berufen (BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15). Offen bleiben kann vorliegend, ob die zum 01.01.2024 in Kraft getretenen Neuregelungen des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) Auswirkungen auf das – bisher in ständiger Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH bejahte – Recht einer (Außen-)GbR hat, ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters zu kündigen. Denn die streitgegenständliche Kündigung wurde bereits am 27.07.2022 zum 30.04.2023 ausgesprochen. Die erst hiernach in Kraft getretenen Änderungen durch das MoPeG können deshalb auf die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung keinen Einfluss haben. Denn diese ist nach dem im Zeitpunkt der Kündigung geltenden Recht zu beurteilen (vgl. hierzu und zum Meinungsstand: BGH, Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23).
62
Auch wenn G. W. als vormaliger Eigentümer Eigenbedarf für seine Ehefrau und seine Kinder bereits hätte geltend machen können, wurde aufgrund der Veräußerung an die GbR neu in Betracht kommender Eigenbedarf, den der Mieter bis zu diesem Zeitpunkt nicht fürchten musste, geschaffen. Denn mit dem Rechtsträgerwechsel kommt neuer Eigenbedarf für nahe Angehörige der weiteren Gesellschafter (z.B. für leibliche Verwandte von O. W. und für neue Familienangehörige der Kinder) in Betracht.
63
Die Ansicht der Berufung, wonach auch eine teleologische Reduktion des § 577a Abs. 1 BGB im Hinblick auf die Vorschrift des § 577a Abs. 1a S. 2 BGB hier nicht in Betracht komme, ist aus Sicht der Kammer vorzugswürdig. Denn § 577a Abs. 1a BGB regelt eine andere Fallgestaltung, in der keine zwischenzeitliche Aufteilung in Wohnungseigentum stattgefunden hat. Die mit Gesetz vom 11.03.2013 erfolgten Neuregelungen des § 577a Abs. 1a BGB zielten primär darauf ab, eine dem Gesetzgeber bekannte Gesetzeslücke zu schließen, die durch Münchner Bauträger im Rahmen des „Münchner Modells“ gezielt ausgenutzt worden war (vgl. hierzu: Urteil der Kammer vom 09.08.2024 – 14 S 16755/23, zur Veröffentlichung in der ZMR vorgesehen).
64
Der gesetzlich intendierte Mieterschutz kann aus Sicht der Kammer nicht zu Lasten der Mieter, zumal entgegen dem Wortlaut der einschlägigen Norm, eingeschränkt werden.
65
Nach alledem ist das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
III.
66
Die Kostenfolge beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
67
Für die Streitwertfestsetzung ist der Jahresbetrag der mietvertraglich vereinbarten Nettomiete maßgeblich.
68
Eine Revisionszulassung ist nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO veranlasst. Denn die Rechtssache hat insbesondere hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit von § 577a BGB grundsätzliche Bedeutung.
69
Eine Sache hat namentlich dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind.