Titel:
Ausführendes Luftfahrtunternehmen, Fluggastrechte, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Passivlegitimation, Kosten des Berufungsverfahrens, Berufungsbeklagter, Herabstufung, Qualifizierte elektronische Signatur, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Buchungsunterlagen, Rechtsbehelfsbelehrung, Wert des Beschwerdegegenstandes, Berufungszurückweisung, Sicherheitsleistung
Schlagworte:
Passivlegitimation, Fluggastrechte, Herabstufung, Mehrstreckenflug, Code-Sharing Verfahren, Umbuchung, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Vorinstanz:
AG Erding vom 17.02.2023 – 117 C 2629/22
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 05.11.2024 – X ZR 10/24
BGH Karlsruhe, Berichtigungsbeschluss vom 13.03.2025 – X ZR 10/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 43221
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Erding vom 17.02.2023, Az. 117 C 2629/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.117,65 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage Entschädigung aufgrund einer Herabstufung nach Art. 10 VO (EG) Nr. 261/2004.
2
Der Kläger buchte bei der Deutschen Lufthansa AG einen Flug von München über Warschau, Frankfurt, Newark nach Orlando und zurück von Orlando über Chicago, Zürich, Warschau nach München. Der Flug wurde von verschiedenen Airlines ausgeführt. Der Flug von Orlando nach Chicago, der von United Airlines ausgeführt wurde, war verspätet, so dass der Kläger von United Airlines auf einen Flug von Orlando nach Newark und von Newark nach Zürich umgebucht wurde. Diesen Flug führte allerdings nicht die Beklagte aus, sondern United Airlines. Der Flug von Newark nach Zürich fand in der Business Class statt, der Flug von Orlando nach Newark wurde in der Economy Class durchgeführt. Der Kläger war in der ersten Klasse gebucht. Der in der ursprünglichen Buchung durch die Beklagte durchzuführende Flug von Chicago nach Zürich fand planmäßig statt.
3
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei passivlegitimiert. Das Amtsgericht wies die Klage mangels Passivlegitimation ab.
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Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
- 1.
-
Das Endurteil des Amtsgerichts Erding vom 17.02.2023 (Az. 117 C 2929/22) wird aufgehoben.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.117,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.06.2022 zu bezahlen.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Kammer wies mit Hinweis vom 24.11.2023 darauf hin, dass die Beklagte nicht passivlegitimiert sein dürfte und daher die Berufung nach vorläufiger Würdigung keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Der Kläger trug hierauf weiter vor, dass es auf das ausführende Luftfahrtunternehmen laut Buchungsunterlagen ankäme, was im vorliegenden Fall die Beklagte sei. Weiterer Vortrag erfolgte nicht.
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Auf den Hinweis vom 24.11.2023 wird vollinhaltlich Bezug genommen.
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Die Berufung ist unbegründet, da die Beklagte nicht passivlegitimiert ist, was das Amtsgericht Erding zutreffend erkannt hat.
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Die Beklagte war nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen auf der Teilstrecke, auf der der Kläger in einer niedrigereren Beförderungsklasse transportiert wurde. Gebucht wurde der Flug über die Deutsche Lufthansa AG. Die Umbuchung erfolgte über United Airlines. Die Beklagte sollte nur eine Teilstrecke ausführen, die sie auch planmäßig ausgeführt hat.
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Ausführendes Luftfahrtunternehmen bei einem Mehrstreckenflug im sog. Code-Sharing Verfahren ist das jeweils tatsächlich ausführende und als solches erkennbare Unternehmen. Denn dieses ist am Airport präsent, kann Einfluss auf den Flugbetrieb nehmen und ist daher bestmöglich in der Lage, den Fluggastrechten zu entsprechen, vgl. BeckOGK/Steinrötter/Bohlsen, 1.11.2023, Fluggastrechte-VO Art. 2 Rn. 24. Nachdem die Fluggesellschaft United Airlines den Kläger auf einen Flug umgebucht hat, an dem die Beklagte nicht mehr beteiligt war, erscheint es daher schon aus diesem Grund sachgerecht, als ausführendes Luftfahrtunternehmen United Airlines und nicht die Beklagte einzustufen.
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Zudem ist nach Art. 10 VO (EG) Nr. 261/2004 bei einem Mehrstreckenflug auf die jeweilige Teilstrecke abzustellen, da sich nur so die Vorschrift sinnvoll anwenden lässt, vgl. BeckOGK/Steinrötter/Bohlsen, 1.11.2023, Fluggastrechte-VO Art. 10 Rn. 22. Anderenfalls käme es zu einer Überkompensation des Fluggastes, wenn nur bei einem Teil des Mehrstreckenfluges eine Herabstufung erfolgt, die Erstattung aber auf den gesamten Flugpreis bezogen würde, vgl. EuGH (3. Kammer), Urteil vom 22.6.2016 – C-255/15 (Mennens/Emirates Direktion für Deutschland).
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Wenn aber auf die jeweilige Teilstrecke abzustellen ist, ist es nur logisch, auch nur das Luftfahrtunternehmen als passivlegitimiert anzusehen, das diese Teilstrecke durchführt, vgl. BeckOGK/Steinrötter/Bohlsen, 1.11.2023, Fluggastrechte-VO Art. 10 Rn. 24 unter Verweis auf Hausmann, Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen, 2012, 332 f. Dies war im vorliegenden Fall aber entgegen der Ausführungen auf die Stellungnahme zu dem Hinweis der Kammer nicht die Beklagte, sondern United Airline. Richtig ist, dass die Beklagte ausführendes Luftfahrtunternehmen für die Teilstrecke Chicago – Zürich war. Käme es rein auf die Buchungsunterlagen an, wäre die Beklagte ebenfalls nicht passivlegitimiert für einen Anspruch nach Art. 10 VO (EG) Nr. 261/2004, weil der Kläger diesen Flug nicht wahrgenommen hat, sondern er von einer anderen Fluggesellschaft auf einen anderen Flug umgebucht wurde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gem. § 47 GKG festgesetzt.
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Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da angesichts der unbestimmten Vielzahl vergleichbarer Fälle ein Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Handhabung des Rechts besteht.