Inhalt

VG München, Urteil v. 15.10.2024 – M 3 K 22.2478
Titel:

Antrag auf Terminsverlegung, Erstattung der Fahrtkosten zur Hochschule

Normenketten:
VwGO § 102 Abs. 2
VwGO § 173
ZPO § 227 Abs. 1
SchKfrG Art. 1 Abs. 1
SchKfrG Art. 3 Abs. 2
SchBefV § 1 Abs. 1
Schlagworte:
Antrag auf Terminsverlegung, Erstattung der Fahrtkosten zur Hochschule
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42974

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Erstattung der Fahrtkosten von seiner Wohnung bis zur TUM.
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Der Kläger stellte am 26. Mai 2020 bei der Beklagten Anträge auf Kostenfreiheit des Fahrtwegs zur TUM für die Zeiträume vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2019, vom 1. April bis 30. September 2019 und vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020. Er legte Immatrikulationsbescheinigungen sowie Kopien seines Studentenausweises und seiner Fahrkarten für die Zeit vom Wintersemester 2018/2019 bis zum Wintersemester 2019/2020 vor.
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Mit Bescheid vom 28. Mai 2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erstattung der aufgewendeten Fahrtkosten zum Besuch der TUM ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für den Besuch einer Universität keine Kostenfreiheit des Schulwegs beansprucht werden könne.
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Mit Schreiben vom 25. Juli 2020, bei der Beklagten eingegangen am 7. August 2020, legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass laut dem Gesetz die Kinder von Geringverdienern die Kosten erstattet erhielten, besonders, da seine Mutter seit dem 4. Januar 2019 dauerhaft krankgeschrieben sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2021, zugestellt am 19. Januar 2021, wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück.
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Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2021, bei Gericht eingegangen am 15. Februar 2021, hat sich der Kläger an das Bayerische Verwaltungsgericht München gewandt. Entgegen dem Widerspruchsbescheid liege sein Anliegen innerhalb der gesetzlichen Fristen. Weiter macht er geltend, es sei grausam, dass Kostenfreiheit des Schulwegs nicht für das Studium gewährt werde. Ein Studium habe den gleichen Wert wie eine Ausbildung. Der einzige Unterschied sei, dass man bei der Ausbildung Praxis, Theorie und Entlohnung habe, während das Studium eher auf Theorie fixiert sei. Eine Ausbildung biete nachweislich eine weniger vielversprechende Zukunft als ein Studium. Das Studium solle daher als eine Schulart betrachtet werden. Er sei als Student auf das BaföG angewiesen und bitte darum, ihm die mit dem Widerspruchsbescheid erhobenen Kosten von EUR 97,76 zu erlassen und eventuell die Fahrtkosten zu erstatten.
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Mit seinem Schreiben vom 31. März 2022 verweist der Kläger auf sein Schreiben vom 10. März 2021 an das Gericht, mit dem er mitgeteilt habe, dass er Klage erheben wolle.
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Mit Schreiben vom 29. April 2022 bekräftigt der Kläger, dass er Klage erheben wolle.
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Auf den richterlichen Hinweis vom 6. Mai 2022 stellt der Kläger mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022 klar, dass er an der Klage festhalte.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zur Begründung wird geltend gemacht, die Klage sei verfristet und zudem unbegründet. Die TUM sei keine Schule und der Kläger somit kein Schüler. Der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulweges sei nicht eröffnet.
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Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2022 bittet der Kläger um Fristverlängerung.
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Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2022 äußert der Kläger Zweifel an der Echtheit der Mitteilung des Gerichts vom 23. Mai 2022 über den Klageeingang sowie vom 8. Juni 2022, mit dem das Gericht den Schriftsatz der Beklagten dem Kläger zugesandt hat.
15
Mit Beschluss des Gerichts vom 3. September 2024 wird der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht mit Beschluss vom 12. September 2024 abgelehnt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2024 wird auf das Protokoll hierüber Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Streitsache konnte trotz Nichterscheinens des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2024 entschieden werden, da der Kläger nach § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen wurde, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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Die mündliche Verhandlung war auch nicht aufgrund der als Terminsverlegungsantrag auszulegenden E-Mail des Klägers vom 15. Oktober 2024, eingegangen um 7.12 Uhr bei der Poststelle des Gerichts, zu vertagen. Die Voraussetzungen nach § 173 Satz 1 VwGO, § 227 ZPO waren nicht gegeben.
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Nach § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Nach § 227 Abs. 2 ZPO sind die erheblichen Gründe auf Verlangen des Vorsitzenden bzw. des Gerichts glaubhaft zu machen. Wird jedoch der Antrag auf Terminsverlegung in „letzter Minute“ gestellt, so dass dem Gericht keine Zeit für ein Nachweisverlangen bleibt, kommt die Aufhebung des Termins nur in Betracht, wenn die Gründe substantiiert dargelegt und zugleich glaubhaft gemacht worden sind, so dass das Gericht die Frage der Verhinderung selbst beurteilen kann (BFH v. 5.6.2007 – VI B 132/06 – juris Rn. 7 m.w.N.). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen derartigen Verlegungsantrag „in letzter Minute“, da der Antrag weniger als zwei Stunden vor Beginn der mündlichen Verhandlung bei der Poststelle des Gerichts einging und der Vorsitzenden erst nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde. Der Kläger konnte angesichts der Kurzfristigkeit nicht erwarten, dass das Verlegungsgesuch der Vorsitzenden so rechtzeitig vorliegen würde, dass diese noch Rückfragen stellen und mit ihrer Beantwortung hätte rechnen können.
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Erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung wurden nicht glaubhaft gemacht. Der Kläger teilt als Verhinderungsgrund im Wesentlichen mit, dass seine Mutter im Moment starke Kopfschmerzen habe und sich übel fühle, und dass er, falls es noch schlimmer würde, mit ihr auch zum Hausarzt gehen werde. Der Kläger wohnt in München, der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens ist übersichtlich, so dass mit keiner langen Abwesenheit des Klägers aufgrund des Termins zu rechnen war. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass seine Mutter ständiger Betreuung bedürfte oder ihre gesundheitliche Verfassung am Sitzungstag so schlecht wäre, dass sie nicht für die überschaubare Zeit bis zur Rückkehr des Klägers von der mündlichen Verhandlung hätte allein bleiben können; der Kläger selbst trägt vor, nur im Fall einer weiteren Verschlimmerung mit ihr zum Hausarzt gehen zu wollen.
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2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Streitgegenstand der Klage ist die bei der Beklagten beantragte Erstattung der notwendigen Fahrtkosten zum Besuch der TUM im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2020.
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a) Die Klage ist zulässig. Das Gericht geht nach §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO davon aus, dass sich aus dem Schriftsatz des Klägers vom 11. Februar 2021 im Hinblick auf den letzten Absatz des Schriftsatzes und die vorgelegten Anlagen hinreichend deutlich entnehmen lässt, dass der Kläger Klage erheben wollte, so dass die Klagefrist gewahrt ist. Auch der Widerspruch ist nicht verfristet. Der Fristbeginn knüpft an die Bekanntgabe des angegriffenen Verwaltungsakts an (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 41 BayVwVfG). Voraussetzung der Bekanntgabevermutung nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG ist, dass der Zeitpunkt der Aufgabe zur Post feststeht (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 41 Rn. 120). Vorliegend lässt sich der vorgelegten Behördenakte nicht entnehmen, wann der ablehnende Bescheid vom 28. Mai 2020 zur Post gegeben wurde; damit fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für die Vermutung des Zeitpunkts der Bekanntgabe.
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b) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der ablehnende Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der notwendigen Fahrtkosten zum Besuch der TUM im Zeitraum vom 1. Oktober 2018 bis 31. März 2020 hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Schulwegkostenfreiheitsgesetz (SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2023 (GVBl. S. 444), in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98), hat die kreisfreie Stadt oder der Landkreis des gewöhnlichen Aufenthalts bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Realschulen, Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform), zweistufigen Wirtschaftsschulen und drei- bzw. vierstufigen Wirtschaftsschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 sowie bei Vollzeitunterricht an Berufsschulen die Aufgabe, die notwendige Beförderung der Schüler auf dem Schulweg sicherzustellen. § 1 Satz 1 Nr. 1 der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 2024 (GVBl. S. 281), in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung vom 8. Mai 2018 (GVBl. S. 356), ist diese Aufgabe auch bei öffentlichen Grundschulen, Mittelschulen und Förderschulen vorgesehen. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG erstattet der Aufgabenträger für Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform) und Wirtschaftsschulen ab Jahrgangsstufe 11, für Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Fachoberschulen und Berufsoberschulen sowie für Schüler im Teilzeitunterricht an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Berufsschulen die Kosten der notwendigen Beförderung (Art. 2 Abs. 1 SchKfrG), soweit die nachgewiesenen vom Unterhaltsleistenden aufgewendeten Gesamtkosten der Beförderung die Familienbelastungsgrenze (§ 7 SchBefV) je Schuljahr übersteigen.
27
Bei dem Katalog der in den oben genannten Vorschriften genannten Schularten, hinsichtlich derer Schulwegkostenfreiheit besteht, handelt es sich um eine abschließende Regelung (BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 7 ZB 18.1986 – juris Rn. 7; B.v. 13.8.2012 – 7 C 12.275 – juris Rn. 2).
28
Von diesen Bestimmungen wird der Fall des Klägers weder in direkter noch in analoger Anwendung erfasst. Der Normgeber hat in Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 SchKfrG, § 1 Satz 1 Nr. 1 SchBefV eindeutig Bezug genommen auf die Schularten nach dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen. Für eine analoge Anwendung auf die Hochschulen fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus den oben zitierten Bestimmungen ergibt sich die bewusste Entscheidung des Normgebers, die Schulwegkostenfreiheit nur für den Besuch bestimmter Schulen vorzusehen (BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 7 ZB 18.1986 – juris Rn. 7).
29
Ein Anspruch auf Kostenfreiheit des Weges für den Besuch weiterer Bildungseinrichtungen wie etwa der Hochschulen ergibt sich auch nicht aus der Verfassung. Insbesondere verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), dass der Gesetzgeber keine Kostenfreiheit des Fahrtweges zu den Hochschulen vorgesehen hat (vgl. auch BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 7 ZB 18.1986 – juris Rn. 7 zum Besuch des Staatsinstituts zur Ausbildung von Förderlehrern; B.v. 24.2.2017 – 7 ZB 16.1642 – juris Rn. 10 zum Besuch von Schulen des Zweiten Bildungswegs; B.v. 13.8.2012 – 7 C 12.275 – juris Rn. 3 zum Besuch der Fachakademie). Das vom Kläger aufgenommene Studium im Bachelorstudiengang Mathematik an der TUM schloss sich an seine schulische Ausbildung an und führt zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Der Besuch der Hochschule wird nach Maßgabe des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BaföG) gefördert. Insoweit besteht ein hinreichender Differenzierungsgrund gegenüber den im Katalog des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs genannten Schulen (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2012 – 7 C 12.275 – juris Rn. 3 zur Fachakademie; zum Prüfungsmaßstab BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf. 15-VII-08 – VerfGH 62, 121 ff.).
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Infolgedessen besteht kein Anspruch des Klägers auf Erstattung der aufgewendeten Fahrtkosten zum Besuch der TUM.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.