Titel:
Verteidigung der Rechtsordnung, Kostenentscheidung, Personalversammlung, Berufungsbeschränkung, Straffreie Lebensführung, Fristlose Kündigung, Berufungshauptverhandlung, Ergebnis der Beweisaufnahme, Genehmigungsverfahren, Unrechtsvereinbarung, Gewerbsmäßigkeit, Gesamtfreiheitsstrafe, Minder schwerer Fall, Selbstleseverfahren, Güterkraftverkehr, Strafzumessung, Verfahrensdauer, Gebührenbescheid, Steuerhinterziehung, Wertersatzeinziehung
Normenketten:
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c
StGB § 332
Leitsatz:
Eine pflichtwidrige Handlung i.S.d. § 332 StGB begeht auch, wer seine amtliche Stellung dazu missbraucht, eine durch die Dienstvorschriften verbotene Handlung oder eine Handlung, für die er unzuständig ist, vorzunehmen, die ihm gerade seine amtliche Stellung ermöglicht.
Schlagworte:
Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung, Einziehung von Wertersatz, Amtsträger, Gewerbsmäßigkeit, Strafzumessung, Bewährungsaussetzung
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2023 – 47 Ls 503 Js 2468/18
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42915
Tenor
Auf die Berufungen der Angeklagten Z und J sowie auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 11.12.2023 – 47 Ls 503 Js 2468/18 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Angeklagte Z ist schuldig der Bestechlichkeit in 17 tatmehrheitlichen Fällen und der Steuerhinterziehung in zwei tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Dem Angeklagten Z wird für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit abEnt, öffentliche Ämter zu bekleiden.
Gegen den Angeklagten Z wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 45.000 € angeordnet.
2. Der Angeklagte J ist schuldig der Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Die Vollstreckung der Enten Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen den Angeklagten J wird die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 24.000 € angeordnet.
3. Die weitergehenden Berufungen der Angeklagten Z und J werden als unbegründet verworfen.
4. Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Berufungen, deren Gebühr jeweils um ein Drittel ermäßigt wird.
Soweit durch die Berufung der Staatsanwaltschaft ausscheidbare Kosten entstanden sind, trägt diese die Staatskasse.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 bzgl. des Angeklagten J)
1
Das Amtsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 11.12.2023 den Angeklagten Z der Bestechlichkeit in 17 tatmehrheitlichen Fällen und der Steuerhinterziehung in zwei tatmehrheitlichen Fällen schuldig gesprochen und ihn deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben hat es gegen ihn die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 110.800 € angeordnet.
2
Zugleich hat das Amtsgericht den Angeklagten J der Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei tatmehrheitlichen Fällen schuldig gesprochen und ihn deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daneben hat es gegen ihn die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 8.000 € angeordnet.
3
Gegen dieses Urteil richten sich die unbeschränkten Berufungen beider Angeklagter sowie die auf die Rechtsfolgen beschränkte, zum Nachteil des Angeklagten J eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft.
Feststellungen zu den Tatvorwürfen
4
Der Angeklagte Z führte als Angestellter der IHK … (fortan: IHK) in den Jahren 2017 und 2018 in mindestens 17 Fällen Fachkundeprüfungen für den Taxenverkehr durch und erteilte hierüber Prüfungsbescheinigungen. Dabei ließ er sich von den Prüflingen jeweils dafür bezahlen, dass er ihnen – entgegen den Prüfungsbedingungen – bei der Beantwortung der Prüfungsfragen half. Der Angeklagte J unterstützte ihn dabei in zwei Fällen, indem er dem Angeklagten Z zahlungswillige Prüfungskandidaten aus B. zuführte. Beiden Angeklagten war dabei klar, dass die Bestechungen des Angeklagten Z rechtswidrig waren; beide Angeklagte handelten jeweils um des erstrebten Gewinns willen.
1. Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen
5
a) Der Angeklagte Z durchlief bei der IHK von 1987 bis 1990 eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Anschließend war er dort aufgrund Anstellungsvertrags vom 31.05.1990 mit Wirkung ab 01.06.1990 bis zu seiner fristlosen Kündigung am 08.10.2018 im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Der knappe schriftliche Arbeitsvertrag regelte u.a.:
1. Auf das Dienstvertragsverhältnis finden die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anwendung …
3. Herr Z erledigt die ihm überwiesenen oder besonders übertragenen Aufgaben nach den von der Leitung der Kammer erlassenen Anweisungen …
5. Zur dienstvertraglichen Übernahme von besoldeten Nebenbeschäftigungen ist die schriftliche Einwilligung des Hauptgeschäftsführers der Kammer notwendig, die nur widerruflich erteilt wird …
6
Der Angeklagte Z war in der IHK dem Geschäftsbereich Standortpolitik und Unternehmensförderung zugeteilt und dort im Referat 4 eingesetzt, das für die Bereiche Verkehrsinfrastruktur und Verkehrsplanung, Stadtentwicklung, Gefahrgutverkehr, Personenverkehr, Tourismus und Kommunikationsinfrastruktur zuständig war. Namentlich war er nach dem Geschäftsverteilungsplan der IHK (fortan kurz: GVP) vor dem Jahr 2010 originär verantwortlich für den Bereich Personenverkehr. Dazu gehörte die Beratung der Unternehmen im Personenbeförderungs- und Rettungsdienstbereich (inklusive Existenzgründung), die Anfertigung von Stellungnahmen zu Genehmigungsverfahren nach dem PBefG und BayRDG und von Stellungnahmen zu Beförderungstarifen im Straßenpersonenverkehr. Ihm oblag weiter die Leitung und Durchführung von Eignungsprüfungen nach der PBZugV (sog. Taxiunternehmerprüfung) und der BayRDGEignungsV, die Erstellung von Nachweisen der fachlichen Eignung ohne Prüfung, und die fachliche Betreuung der Themen Arbeitszeit- und Lenkzeitregelungen im Straßenpersonenverkehr, Voraussetzungen für grenzüberschreitende Beförderungen im Straßenpersonenverkehr (internationale Vorschriften) sowie Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Personenbeförderungsschein). Als Vertreter seines Kollegen B – der hierarchisch mit ihm auf einer Stufe stand und wie dieser dem gemeinsamen Vorgesetzten und Referatsleiter S berichtete – war der Angeklagte Z weiter zuständig für die Bereiche Güter- und Gefahrgutverkehr.
7
Neben seiner Tätigkeit in der IHK führte der Angeklagte Z zumindest seit der Jahrtausendwende eine bei der IHK bekannte und dort genehmigte, entgeltliche Nebentätigkeit bei der Taxizentrale in … aus, indem er regelmäßige Schulungen zur Vorbereitung auf die Taxiunternehmerprüfung durchführte. Im Jahr 2009 teilte der der Zeuge S dem Angeklagten mit, dass das so nicht weitergehe, weil eine Interessenkollision bestehe. Es gelte der Grundsatz, dass wer schule, nicht prüfen dürfe. Der Zeuge forderte den Angeklagten daher auf, die Nebentätigkeit aufzugeben, andernfalls müsse er seine IHKinterne Zuständigkeit für die Taxiunternehmerprüfungen abgeben. Nach einer Bedenkzeit teilte Z S mit, dass er seine Nebentätigkeit beibehalten wolle. Daraufhin untersagte S dem Angeklagten Z mündlich, künftighin Eignungsprüfungen für Taxiunternehmer nach der PBZugV durchzuführen. Das bedeutete, dass Z an den Taxiunternehmerprüfungen nicht mehr mitwirken durfte, soweit dies direkten Kontakt mit den Prüflingen beinhaltet hätte, d.h. die Prüfungsleitung und Prüfungsaufsicht waren dem Angeklagten Z, wie er wusste, nunmehr untersagt. Er durfte aber weiterhin bei den Prüfungen vor- und nachbereitende Tätigkeiten ausüben. Dazu gehörten im Vorfeld der Prüfungen die Koordinierung der Prüfungstermine, die Einladung der Prüfungsbeisitzer, die Organisation der Prüfungsräume, die Ausschreibung des Prüfungstermins und die Bearbeitung der Anmeldungen, die Verschickung der Prüfungseinladungen und – möglicherweise, die Kammer konnte das nicht abschließend klären – die Auswahl der schriftlichen Prüfungsaufgaben. In der Nachbereitung von Prüfungen oblag dem Angeklagten weiterhin die Ausstellung und der Versand der Prüfungsurkunden sowie der Gebührenbescheide.
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Die durch S ausgesprochene Untersagung hatte zur Folge, dass sich die internen Zuständigkeiten im Referat 4 veränderten. Seit dem Inkrafttreten des GVP 2010, bis zu seiner am 08.10.2018 durch den IHK-Hauptgeschäftsführer L ausgesprochenen fristlosen Kündigung bei der IHK war der Angeklagte Z originär zuständig für die Anfertigung von Stellungnahmen zu Genehmigungsverfahren nach dem GüKG, dem PBefG und dem BayRDG und von Stellungsnahmen zu Genehmigungserteilung für den grenzüberschreitenden Verkehr. Zudem war er zuständig für die Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen für das Carnet TIR, für Dauerausnahmegenehmigungen vom Sonntagsfahrverbot, für Arbeitszeit- und Lenkzeitenregelungen im Straßenverkehr sowie für die Voraussetzungen der Erteilung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Personenbeförderungsschein).
9
Weiterhin war der Angeklagte zuständig und tätig als Vertreter für seinen Kollegen B in dessen Bereich Gefahrgutverkehr. Dazu gehörte auch die Durchführung von ADR- und GbV-Prüfungen und die Ausstellung von ADR- und GbV-Bescheinigungen. Später wurde dem Angeklagten auch die Vertretung der IHK in verschiedenen Gremien oder bei Verbänden übertragen, so beim Landesverband der bayerischen Omnibusunternehmen (LBO), beim BIHK-Arbeitskreis Fachkunde Rettungsdienste, beim Landesverband Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen und bei der Taxikommission … Der Bereich der Eignungsprüfungen im Straßenverkehr nach den Berufszugangsverordnungen GüKG, PBefG und BayRDGEignungsV sowie die Erstellung von Nachweisen der fachlichen Eignung ohne Prüfung war dem Angeklagten seit dem GVP 2010 geschäftsplanmäßig entzogen und stattdessen dem Zeugen B übertragen.
10
b) Am 01.09.1987 erhielt der Angeklagte Z bei der IHK das Merkblatt über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete des Freistaates Bayern, dessen Empfang er unterschriftlich quittierte. Darin wurden die beamtenrechtlichen Rechtsgrundlagen (Art. 79 BayBG – Verbot der Annahme von Geschenken und die strafrechtlichen Bestimmungen (§§ 11, 332 StGB) näher erläutert.
11
In der vom Hauptgeschäftsführer der IHK, L, unterzeichneten Richtlinie zur Annahme von Geschenken und Belohnungen für die IHK, Stand November 2009, hieß es:
1. … Die Richtlinie dient dazu, das bestehende Vertrauen in die Institution IHK zu erhalten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Ergänzung zum „Merkblatt über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch die Bediensteten des Freistaates Bayern“ klare Hinweise für die Annahme von Geschenken und Belohnungen zu geben.
2. Belohnungen und Geschenke sind alle Zuwendungen, auf die Beschäftigte keinen Rechtsanspruch haben und durch die sie einen Vorteil erlangen … In Bezug auf die Tätigkeit bei der IHK ist ein Vorteil gewährt, wenn sich der Vorteilsgeber davon leiten lässt, dass der Beschäftigte eine bestimmte Funktion bei der IHK wahrnimmt.
3. Die Annahme von Geschenken und Belohnungen durch Dritte in Bezug auf die Tätigkeit bei der IHK ist grundsätzlich untersagt … Die Annahme von Geldgeschenken … darf nicht genehmigt werden …
6. Der Verstoß gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken stellt eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, die je nach Schwere mit Ermahnung, Abmahnung oder Kündigung geahndet werden kann. Für Mitarbeiter der IHK, die Amtsträger … sind, kann die nicht genehmigte Annahme von Geschenken als Vorteilsannahme (§ 331 StGB) oder Bestechlichkeit (§ 332 StGB) auch zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.
12
Der vom IHK-Hauptgeschäftsführer und vom Präsidenten der IHK am 18.06.2012 unterzeichnete Ehrenkodex der IHK postulierte:
1. Entscheidungen werden sachorientiert, uneigennützig und ohne Beeinflussung durch sachfremde Kriterien getroffen … Geschenke und sonstige Vorteile außerhalb von allgemeinüblichen Aufmerksamkeiten werden weder gewährt noch angenommen. Einzelheiten regelt die „Richtlinie zur Annahme von Geschenken und Belohnungen“ … Auftretende Interessenskonflikte legen wir offen …
5. Selbstverpflichtung. Jeder Mitarbeiter … ist aufgefordert, Verstöße gegen den Ehrenkodex aufzugreifen. Präsident und Hauptgeschäftsführer sind verpflichtet, diesen Hinweisen … nachzugehen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu ergreifen … Zur Einhaltung des Ehrenkodex wird einmal im Jahr im Präsidium sowie in der Personalversammlung berichtet.
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Der Ehrenkodex wurde an alle Mitarbeiter der IHK in Ablichtung verteilt und diese – so auch der Angeklagte Z – mussten den Empfang und die Kenntnisnahme unterschriftlich quittieren. Dessen Inhalt wurde von Führungskräften der IHK auf Personalversammlungen wiederholt angesprochen und den anwesenden Mitarbeitern, auch dem Angeklagten Z, zu Gehör gebracht. Die Inhalte der zitierten Dokumente waren dem Angeklagten Z bekannt.
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c) Für die Abnahme von Fachkundeprüfungen für den Taxenverkehr bei der IHK galt:
15
Wer im Verkehr mit Taxen unternehmerisch tätig sein will, bedarf der Genehmigung (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 mit § 46 ff., § 9 Abs. 1 Nr. 4 PBefG), wobei die Genehmigungserteilung unter anderem voraussetzt, dass der Antragsteller als Unternehmer oder die für die Führung der Geschäfte bestellte Person fachlich geeignet ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 PBefG). Zuständig für die Erteilung der Genehmigung ist die Genehmigungsbehörde, in deren Bezirk der Unternehmer seinen Sitz oder seine Niederlassung im Sinne des Handelsrechts hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 PBefG).
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Näheres zur fachlichen Eignung des Genehmigungsaspiranten regelt die Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV). Fachlich geeignet ist danach, wer über die Kenntnisse verfügt, die zur ordnungsgemäßen Führung eines Straßenpersonenverkehrsunternehmens erforderlich sind (§ 3 Abs. 1 PBZugV). Die fachliche Eignung wird durch eine Prüfung nachgewiesen, die sich aus zwei schriftlichen und gegebenenfalls einem ergänzenden mündlichen Prüfungsteil zusammensetzt (§ 4 Abs. 1 PBZugV). Die Prüfung und die Bewertung der Prüfungsleistungen erfolgen durch die Industrie- und Handelskammern auf Grund einer Prüfungsordnung (§ 4 Abs. 7 PBZugV). Abgelegt wird die Prüfung vor einem von der Industrie- und Handelskammer errichteten Prüfungsausschuss (§ 5 Abs. 1 PBZugV). Der Prüfungsausschuss besteht aus einem Vorsitzenden und mindestens einem Beisitzer, die von der Industrie- und Handelskammer bestellt werden (§ 5 Abs. 2, 3 PBZugV). Zuständig ist der Prüfungsausschuss, in dessen Zuständigkeitsbereich der Bewerber seinen Wohnsitz hat (§ 5 Abs. 4 Satz 2 PBZugV). Der Bewerber kann mit seiner Zustimmung an den Prüfungsausschuss einer anderen Industrie- und Handelskammer verwiesen werden, wenn innerhalb eines Vierteljahres weniger als drei Bewerber zur Prüfung anstehen oder dem Bewerber andernfalls wirtschaftliche Nachteile entstehen (§ 5 Abs. 4 Satz 5 PBZugV).
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Industrie- und Handelskammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 IHKG); der örtliche Zuständigkeitsbereich der IHK ist identisch mit dem Regierungsbezirk Mittelfranken (Art. 8 BayAGIHKG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 BayBezVIHK).
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Bei der IHK galt für den hier interessierenden Zeitraum die von der Vollversammlung der IHK am 25.03.2014 beschlossene Prüfungsordnung für Fachkundeprüfungen für den Straßenpersonen- und Güterkraftverkehr (fortan: Prüfungsordnung). Dort war auszugsweise geregelt:
… § 2 Abs. 1: Örtlich zuständig ist die IHK In deren Bezirk der Prüfungsbewerber / die Prüfungsbewerberin seinen / ihren Wohnsitz hat …
§ 3 Abs. 1: Die IHK bildet Prüfungsausschüsse für … b) die Durchführung von Prüfungen zum Zwecke des Nachweises der fachlichen Eignung zur Führung von Unternehmen des Straßenpersonenverkehrs.
Abs. 2: Zusammensetzung und Zuständigkeit der Prüfungsausschüsse richten sich nach den maßgeblichen Bestimmungen …, wobei die Prüfungsausschüsse aus einem Vorsitzenden / einer Vorsitzenden und einem / einer Beisitzer / Beisitzerin bestehen.
Abs. 5: Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Prüfungsausschüsse erhalten auf Antrag eine Entschädigung …
§ 10 Abs. 4: Unternimmt ein Prüfungsteilnehmer / eine Prüfungsteilnehmerin Täuschungshandlungen …, kann er / sie von der weiteren Teilnahme an der Prüfung ausgeschlossen werden …
§ 11 Abs. 4: Die Prüfung ist bestanden, wenn … mindestens 60% der möglichen Gesamtpunktezahl erreicht hat, …
Abs. 5: Der Prüfungsausschuss stellt das Ergebnis der Prüfung fest, indem er diese für „bestanden“ oder für „nicht bestanden“ erklärt. …
§ 14 Abs. 1: Nach bestandener Prüfung erhält der Prüfungsteilnehmer / die Prüfungsteilnehmerin eine Bescheinigung der IHK, die … dem Muster der Anlage 5 der PBZugV entspricht.
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Reguläre Prüfungstermine zur Abnahme der Taxiunternehmerprüfung (die sich je nach der Anzahl der Prüfungskandidaten auch über einige Tage ziehen konnten) führte die IHK regelmäßig einmal pro Quartal durch. Dazu wurden die Prüfungen öffentlich (online) ausgeschrieben und die angemeldeten Kandidaten und die Prüfungsbeisitzer – erfahrene Unternehmer aus dem Taxigewerbe – zum Termin geladen. Die regulären Termine fanden aufseiten des Prüfungsausschusses durchweg, insoweit abweichend von § 3 Abs. 2 Prüfungsordnung, in der Besetzung Prüfungsvorsitzender und zwei Beisitzer statt. Über die Prüfung war jeweils eine Niederschrift aufzunehmen. Die Prüfungsmappe bestand aus der genannten Niederschrift, einem Prüfungsbogen mit schriftlichen Fragen und einem weiteren Bogen für schriftliche Übungen und Fallstudien – die beide vom Prüfling auszufüllen und zu bearbeiten waren –, einem Bogen für die mündliche Prüfung und einem Bewertungsformblatt. Das Formular für die Niederschrift lautete auszugsweise:
Zur Prüfung am … (schriftlich) und … (mündlich) … erscheint: [Name Prüfling] … In der Prüfung sind als Prüfer anwesend:
Der Prüfling erklärt: Ich bin die in der Prüfungseinladung genannte Person … Die Identität des Prüflings wird festgestellt. …
Aufgrund der erbrachten Prüfungsleistungen (siehe Anlagen 1 und 2) wird die Prüfung für bestanden (), nicht bestanden () erklärt. …
Das Ergebnis der Prüfung wurde dem Prüfling bekannt gegeben.
<Unterschrift> <Unterschrift> <Unterschrift>
Beisitzer Vorsitz Beisitzer
2. Die einzelnen Fälle der Bestechlichkeit
20
a) In Kenntnis dessen, dass ihm die Leitung und Durchführung der Taxiunternehmerprüfungen mit den Prüfungskandidaten untersagt war, führte der Angeklagte Z in den Jahren 2017 und 2018 – zuletzt am 08.10.2018 – gleichwohl solche Prüfungen durch, in denen er als Prüfungsvorsitzender agierte. Hierzu beraumte er neben den regulären Prüfungsterminen sog. Sonderprüfungstermine an. Diese führte er bewusst entgegen den Vorgaben der Prüfungsordnung alleine durch, d.h. ohne die Mitwirkung von Beisitzern. Dabei bot er den Prüfungskandidaten – durchweg Personen mit Migrationshintergrund, die mehr oder minder große Probleme mit der deutschen Sprache und den inhaltlichen Anforderungen der Prüfung hatten – regelwidrige Unterstützung bei der Beantwortung der Fragen an, sodass sie die Prüfung allesamt bestanden. Die konkrete Hilfeleistung sah so aus, dass der Angeklagte Z im Prüfungstermin mit den Prüflingen die schriftlichen Prüfungsfragen durchging und gleich die richtige Antwort vorgab. Oder aber er ließ jeden Prüfling seine Antwort vorsagen; war die Antwort falsch, gab er dem Prüfling die richtige Antwort vor, die der dann in seinem Prüfungsbogen niederschrieb. Bei Prüflingen, die es erstmal selbst versuchen wollten, begnügte sich der Angeklagte Z auch damit, nur auf direkte Fragen der Prüflinge, wie denn die richtige Antwort laute, die richtige Lösung mitzuteilen. Der schriftliche Prüfungsteil hatte aufgrund dessen tatsächlich den Charakter eines lockeren Prüfungsgesprächs. Auf diese Weise schafften alle Prüflinge bereits die ausreichende Punktzahl im schriftlichen Prüfungsteil, sodass das Ablegen des mündlichen Prüfungsteils nicht mehr notwendig war.
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Für die Akten täuschte der Angeklagte Z einen regulären Prüfungsablauf vor, indem er die Prüfungsmappen bei späterer Gelegenheit den bei der IHK bestellten Beisitzern (den Zeugen De, La, Di und F) – deren Namen er zuvor ohne ihr Wissen und Einverständnis in die Prüfungsniederschriften eingetragen hatte – vorlegte und sie diese Niederschriften unter einem Vorwand unterschreiben ließ, obwohl die Beisitzer an den Prüfungen überhaupt nicht teilgenommen haben. Weiterhin erstellte er über die Prüfungen Prüfungsbescheinigungen, die er mit von ihm selbst unterschriebenen Anschreiben mit IHK-Briefkopf an die Prüflinge versandte. Diese Anschreiben lauteten:
Prüfungsausschuss für den Straßenpersonenverkehr …
Prüfung zum Nachweis der fachlichen Eignung
Sie haben am … vor dem Prüfungsausschuss Straßenpersonenverkehr der Industrie- und Handelskammer … die Prüfung zum Nachweis der fachlichen Eignung zur Führung eines Unternehmens des Taxen- und Mietwagenverkehrs bestanden. Hierzu möchten wir Ihnen recht herzlich gratulieren. Als Anlage erhalten Sie die Bescheinigung über die erfolgreich abgelegte Prüfung.
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Die kompletten, von den Prüflingen vorgeblich eigenständig bearbeiteten Prüfungsmappen samt den vom Angeklagten ausgefüllten Bewertungsbögen und Prüfungsniederschriften verblieben im Archiv der IHK. Der Angeklagte erstellte zudem in allen Fällen auf den Prüfungstag datierte Gebührenbescheide der IHK, in denen es jeweils hieß:
Gemäß Gebührenordnung der Industrie- und Handelskammer … (Anlage der Gebührenordnung vom 09.12.1971 in der jeweils gültigen Fassung) erheben wir folgende Gebühren: …
Gesamtbetrag: EUR 130,00 … Zahlbar sofort ohne Abzug …
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Abschriften der Gebührenbescheide reichte der Angeklagte Z sodann an die Buchhaltung der IHK weiter, wo diese eingestellt und die – von allen Prüflingen an die IHK bezahlten – 130 € an Gebühren verbucht wurden. Damit hatten die vom Angeklagten Z abgenommenen Prüfungen und ausgestellten Prüfungsbescheinigungen in der IHK, wie von ihm beabsichtigt, nach ihrer äußeren „Papierform“ den Anschein der Ordnungsgemäßheit.
24
Im Gegenzug ließ sich der Angeklagte Z seine bei diesen Sonderprüfungsterminen geleisteten Hilfestellungen durch die Prüflinge bezahlen, wobei sein eingeforderter „Tarif“ regelmäßig bei 1.000 € pro Prüfling lag (die 130 € Prüfungsgebühr waren dort nicht enthalten). Er handelte, um sich so auf Dauer eine nicht unbeträchtliche Einkommensquelle zu verschaffen. Auf diese Weise nahm er in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt (mindestens) 45.000 € ein, die auf beide Jahre jeweils gleich verteilt waren, pro Jahr mithin 22.500 €.
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Der Angeklagte Z kannte seine Stellung und seine Zuständigkeiten in der IHK, er wusste, dass er keinen Anspruch auf die Zahlungen der Prüflinge hatte, und es war ihm klar, dass er in jedem einzelnen Fall mit seinem Vorgehen gegen die Prüfungsordnung und gegen das Verbot der Annahme von Zuwendungen verstieß. Ebenso wusste er, welche Bedeutung der in der Taxiunternehmerprüfung zu erwerbende Nachweis der fachlichen Eignung im Rechtsverkehr hatte und dass er mit dem Abhalten der Prüfung und mit der Ausstellung der Nachweise verbotswidrig und in unzulässiger Form (ohne Beteiligung der Beisitzer) eine hoheitliche Aufgabe ausübte. Die einzelnen Prüflinge ihrerseits wussten, dass sie mit der Hingabe von Bargeld für die Prüfungshilfe rechtswidrig handelten, was ihnen aber gleichgültig war, weil sie den Taxiunternehmerschein erwerben wollten; auch das war dem Angeklagten Z bekannt.
26
b) Ein Teil der Prüflinge kam aus N. und Umgebung und wollte hier als Taxiunternehmer tätig werden. Unter den N. Taxifahrern war es bekannt und ein Gesprächsthema an den Taxistandplätzen, dass der Angeklagte Z bei der IHK gegen Geld beim Bestehen der Prüfung half. Durch diese unter Fahrerkollegen weitergetragenen Informationen animiert riefen die örtlichen Taxifahrer den Angeklagten Z an oder suchten ihn in der IHK auf und erbaten die Durchführung eines Sonderprüfungstermins mit Unterstützung des Angeklagten, den dieser jeweils durchführte. Der Angeklagte Z forderte für seine Leistungen von jedem Prüfling regelmäßig 1.000 €, die er zumeist auch erhielt.
27
Im Einzelnen handelte es sich mindestens um folgende sieben angeklagte Fälle (bei den Fällen wird der Gliederungs-Buchstabe der Anklageschrift genannt):
Fall
|
Prüfling
|
Prüfungsdatum
|
an Z gezahlter Betrag
|
c
|
BCI
|
22.01.2018
|
1.000 €
|
i
|
SCB
|
08.05.2018
|
1.000 €
|
j
|
KKA
|
08.05.2018
|
600 €
|
k
|
YY
|
08.05.2018
|
1.000 €
|
l
|
TST
|
09.05.2018
|
1.200 €
|
o
|
SA
|
01.08.2018
|
500 €
|
p
|
KQ
|
01.08.2018
|
1.000 €
|
|
Summe = 6.300 €
|
28
Von den Prüfungskandidaten KKA und SA hatte der Angeklagte Z zunächst jeweils 1.000 € gefordert. Die beiden Prüflinge waren aber nicht gewillt, diesen Betrag zu zahlen, sondern wollten weniger geben. Darauf ließ sich der Angeklagte Z jeweils ein und gab sich mit den geringeren, aus der obigen Tabelle ersichtlichen Beträgen zufrieden.
29
c) Der andere Teil der Prüflinge kam aus B. und Umgebung und wollte dort als Taxiunternehmer tätig werden. Nachdem das Ablegen der Taxiunternehmerprüfung bei der IHK B. als schwierig galt und die Prüfungstermine dort knapp waren, versuchten die Prüflinge ihr Glück beim Angeklagten Z. Dieser kannte Personen in B., insbesondere die nicht näher identifizierten Personen mit den Vornamen Te und E, die dort in der Taxifahrerszene streuten, dass es in N. die Möglichkeit gebe, mit einer Hilfeleistung seitens des Prüfers und ohne Wartezeit die Taxiunternehmerprüfung zu bestehen. Interessenten wurden von diesen Personen aufgefordert, dafür einen Geldbetrag – durchschnittlich in der Größenordnung von 5.000 € – an sie zu zahlen, damit sie die Prüfung organisieren.
30
Dieses Geld wurde in der Folge unter den Beteiligten verteilt. Der Angeklagte Z forderte und erhielt von den Personen aus B. für seine Leistungen pro Prüfling durchschnittlich 1.000 €. Einen Anteil aus den ihnen von den Prüflingen übergebenen Beträgen behielten Te und E für ihre Vermittlerdienste ein. Einen weiteren Anteil erhielten die Vermittler und Vermieter von Wohnungen in N. und Umgebung – so etwa der hier früher Angeklagte Se –, die mit den Prüfungskandidaten kurz vor dem jeweils anvisierten Prüfungstermin pro forma Mietverträge abschlossen und Wohnungsgeberbestätigungen erteilten und den Kandidaten so die Zweitwohnsitzanmeldung im Sprengel der IHK ermöglichten. Das war Voraussetzung dafür, dass diese vor der IHK ihre Prüfung überhaupt ablegen durften. Auch der Angeklagte J erhielt einen Anteil für das Organisieren der N. Zweitwohnungen und die Hilfe beim Ausfüllen des Prüfungsantrags. Die Zusammenarbeit der Beteiligten war nach alledem im Sinne eines durch den Gleichlauf der Interessen geformten, losen Netzwerks zu verstehen.
31
Im Einzelnen handelte es sich mindestens um folgende zehn angeklagte Fälle (bei den Fällen wird der Gliederungs-Buchstabe der Anklageschrift genannt):
Fall
|
Prüfling
|
Prüfungsdatum
|
gezahlter Gesamtbetrag
|
a
|
AC
|
02.08.2017
|
6.000 €
|
b
|
OO
|
20.12.2017
|
7.500 €
|
d
|
AB
|
30.01.2018
|
4.000 €
|
e
|
MB
|
30.01.2018
|
5.000 €
|
f
|
RF
|
30.01.2018
|
5.350 €
|
g
|
MBo
|
09.02.2018
|
5.000 €
|
h
|
MZ
|
05.03.2018
|
5.000 €
|
m
|
SR
|
17.05.2018
|
3.000 €
|
n
|
RNA
|
17.05.2018
|
500 €
|
q
|
AA
|
27.08.2018
|
5.000 €
|
32
Die Prüfungskandidaten übergaben ihr Geld jeweils an Te oder E und in zwei Fällen auch an den Angeklagten J. Ob der auf den Angeklagten entfallende Anteil diesem vor der Durchführung der jeweiligen Prüfung oder erst anschließend ausgehändigt wurde, ließ sich für die Kammer nicht feststellen. Z war vor der Abnahme jeder Prüfung aufgrund ausdrücklicher Absprache mit den B. Beteiligten oder zumindest aufgrund der mit ihnen gepflegten Übung jeweils klar, dass er für seine Tätigkeit jedenfalls mit der üblichen Bezahlung rechnen konnte und führte die Prüfungen allein hierdurch motiviert durch. Der Angeklagte Z vereinnahmte in den o.g. Fällen insgesamt 9.500 € (1.000 € pro Fall, im Fall n lediglich 500 €).
Der Angeklagte J wirkte an diesen beiden Fällen wie folgt mit:
33
aa) J sprach den Zeugen MZ im Spätwinter 2017/2018, jedenfalls vor dem 05.03.2018, in B. an und erläuterte ihm das geschilderte Modell der „leichteren“ Prüfungsablegung bei der IHK und dass er, J, ihm dabei helfen könne, wenn MZ 5.000 € zahle. MZ war interessiert, willigte ein, wollte jedoch nicht in Vorkasse gehen. Daher traf er sich, wie zuvor verabredet, am 05.03.2018 nach der bereits beim Angeklagten Z abgelegten Prüfung mit dem Angeklagten J auf der Toilette der IHK in N.. Dort übergab er J, wie zuvor ausgemacht, 5.000 € in bar. Bei dieser Gelegenheit waren noch zwei weitere Prüflinge zugegen, die ebenfalls jeweils 5.000 € an J übergaben. MZ bestand die Taxiunternehmerprüfung.
34
bb) Der Angeklagte J sprach den Zeugen AA im Sommer 2018, jedenfalls vor dem 26.08.2018, in B. auf der Straße an und erläuterte ihm das geschilderte Modell der „leichteren“ Prüfungsablegung bei der IHK und dass er, J, ihm dabei helfen könne, wenn AA 5.000 € zahle. AA war interessiert, willigte ein und traf sich, wie zuvor verabredet, bald darauf am 26.08.2018 mit dem Angeklagten J in einem Café in N.. Dort übergab er dem Angeklagten, wie von diesem zuvor gefordert, 5.000 € in bar. Bei dieser Gelegenheit waren noch zwei weitere Prüflinge zugegen, die ebenfalls jeweils 5.000 € an J übergaben. Am nächsten Tag legte AA beim Angeklagten Z die Taxiunternehmerprüfung ab und bestand.
35
Der Angeklagte J wusste, dass mit dem von ihm angenommenen Geld jeweils auch der Angeklagte Z für seine regelwidrige Prüfungshilfe entlohnt werden sollte und er handelte in beiden Fällen, um so auch für sich auf Dauer eine nicht unbeträchtliche Einkommensquelle zu schaffen. Von den jeweils pro Prüfling erhaltenen 5.000 € behielt er schlussendlich jeweils 500 € für sich. Den Rest übergab er jeweils später in B. an Te, der dann die weitere Verteilung des Geldes besorgte und unter anderem dem Angeklagten Z jeweils 1.000 € pro Prüfling zukommen ließ.
1. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen …
2. Feststellungen zur Sache
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Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den (teilweise) geständigen Einlassungen beider Angeklagter sowie auf der im Übrigen durchgeführten Beweisaufnahme. Die Kammer hatte danach keine Zweifel, dass sich der Sachverhalt abgespielt hat wie unter III dargestellt.
a) Einlassungen der Angeklagten
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(1) Am ersten Hauptverhandlungstag hat der Angeklagte Z über seinen Verteidiger erklären lassen – und bestätigte dessen Vortrag als richtig –, es treffe zu, dass er als Mitarbeiter der IHK im Anklagezeitraum Gelder in nicht genau bekannter Höhe von Prüfungsteilnehmern vereinnahmt habe. Er schätze die Summe auf insgesamt zwischen 40.000 € und 45.000 €, die er für die Unterstützung der Prüflinge bei der Prüfung erhalten habe. Er habe in folgenden Fällen Geld angenommen: AC, OO, BCI, RF, MBo, SCB, YY, TST, SR, RNA, SA und KQ. Zur Frage, woher die Bareinzahlungen auf sein Konto stammen, erklärte der Angeklagte, rund 40.000 € habe er von seinen Eltern erhalten, im Übrigen habe er Privatdarlehen vergeben, auf die Rückzahlungen erfolgt seien.
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In der IHK sei ihm untersagt worden zu prüfen, weil der Grundsatz angeführt worden sei, dass wer schule, nicht prüfe. Das Prüfungswesen, für das er, Z, beim Taxiverkehr tätig gewesen sei, habe sein Kollege B für den Bereich Güterkraftverkehr gemacht. Tatsächlich habe sich bei der IHK niemand für die Prüfungen interessiert. Die Vorgesetzten, die Zeugen S, Bu und L, hätten nicht hingeschaut. Es sei im Hause bekannt gewesen, dass er, Z, prüfe. So seien die 130 € Prüfungsgebühr pro Teilnehmer ordnungsgemäß gezahlt worden. Hinweise auf die Prüfungstermine seien am Eingang der IHK vom Hauspersonal offen ausgehängt und die Mitglieder des Prüfungsausschusses seien zu den Terminen geladen worden. Ebenso seien die Termine im digitalen Kalender der IHK eingetragen gewesen und die Prüfungen hätten im Haus stattgefunden, was beispielsweise Z´s Vorgesetzter S auch bemerkt habe, etwa als der in einer Mittagspause zu den Prüfungsteilnehmern herübergewunken habe. Für die Prüfungsaufsicht und Kontrolle sei Z aber offiziell nicht zuständig gewesen, dass sei B´s Aufgabe gewesen.
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Später erklärte der Angeklagte persönlich, dass er von 1990 bis 2012 die Taxi-Prüfungen mit Wissen und Wollen seiner Vorgesetzten abgenommen habe, obwohl ebenso bekannt gewesen sei, dass er beim Taxiverband die auf die Prüfungen vorbereitenden Schulungen durchgeführt habe. Anfangs sei ein Dr. … der Abteilungsleiter gewesen und ein Dr. …, der mittlerweile verstorben sei, sei damals für die Taxi-Prüfungen zuständig gewesen. Letzterer sei dann befördert worden und er, Z, habe von da an 22 Jahre lang die Prüfungen abgenommen. Im Jahr 2012 sei ihm das dann untersagt worden, weil wer schule nicht prüfen dürfe.
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(2) Am zweiten Hauptverhandlungstag erklärte der Verteidiger, vom Angeklagten bestätigt, Z habe in allen angeklagten Fällen Gelder zwischen 500 € und 1.000 € erhalten. Wieviel es im Einzelfall gewesen sei, wisse er nicht mehr. Er entschuldige sich, es tue ihm alles leid. Er sei durch das ganze Verfahren ziemlich belastet und möchte, wenn es gehe, den Schaden wiedergutmachen, er wolle deshalb 17.000 € zur Verfügung stellen.
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(3) Am dritten Hauptverhandlungstag, nach der Vernehmung der Zeugin De, führte der Verteidiger aus, Z sei erinnerlich insgesamt vier bis fünf Mal zu der Prüfungsbeisitzerin De gefahren. Dorthin habe er jeweils auch den Beisitzer La einbestellt. Ihnen habe er jeweils einen Stapel Prüfungsunterlagen zur Unterschrift hingelegt. Der Stapel habe jeweils nicht mehr als 15, eher zehn schriftliche Prüfungsmappen (eine pro Prüfling) enthalten. De und La hätten dann unterschrieben. Die anderen Beisitzer habe Z nicht aufgesucht. Allerdings habe er bei den regulären Prüfungsterminen, wenn die Beisitzer sowieso vor Ort gewesen seien, auch den Beisitzern Di und F jeweils einen Stapel Prüfungsmappen zur Unterschrift vorgelegt.
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(1) Für den Angeklagten J räumte am ersten Hauptverhandlungstag dessen Verteidiger – vom Angeklagten bestätigt – ein, dass es zwei Fälle der Beihilfe gegeben habe. Er, der Angeklagte, habe in B. mit Te und E, die er nicht weiter kenne, Termine telefonisch abgemacht und den Prüfungsteilnehmern geholfen, die Anmeldeformulare auszufüllen. Er habe für jeden Fall dieser Hilfe 150 € genommen und sei auch zwei- bis dreimal nach N. gefahren, wofür er jeweils 500 € erhalten habe.
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(2) Am zweiten Hauptverhandlungstag erklärte der Verteidiger – vom Angeklagten wiederum bestätigt –, der Angeklagte J habe Z 2014 kennengelernt, als J einen Busfahrerlehrgang gemacht habe. 2016 hätten Te und E erklärt, sie wollten mit J ins Geschäft kommen, da habe sich J an Z erinnert. J habe dann die Zweitwohnungen organisiert, Te habe sich um die Prüfungen gekümmert. Der Zeuge C. sei gekommen und habe die Taxiprüfung machen wollen, er habe deshalb Z direkt angesprochen. J sei dann eingestiegen. Te habe gesagt, sie – Z und J – sollten mit ihm zusammenarbeiten. J habe einen Termin mit Z ausgemacht und Te habe die Prüflinge geholt. Da habe J in einem Café 5.000 € pro Kopf bekommen. Davon habe er 1.500 € behalten und den Rest an Te gegeben. Wie der das Geld dann verteilt habe, wer wieviel vom Kuchen bekommen habe, wisse J nicht. J habe 150 € pro Kopf bekommen für das Organisieren und 500 €, wenn er mal nach N. gefahren sei.
b) Handlungsrahmen und Z´s Amtsträgereigenschaft
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(1) Die Amtsträgereigenschaft des Angeklagten Z ergibt sich zunächst aus seiner eigenen Einlassung zu den persönlichen Verhältnissen, wonach er von 1990 bis 08.10.2018 durchgehend im Verkehrsreferat (Geschäftsbereich Standortpolitik und Unternehmensförderung, Referat 4) der IHK beschäftigt war. Im Kern stützte sich die Kammer jedoch auf die im Selbstleseverfahren gelesenen Urkunden, namentlich auf die oben (III.1.a) zitieren Auszüge aus den GVP´s der IHK (gelesen wurden solche aus den Jahren 2007, 2011/2012 und 2018) und auf den Arbeitsvertrag des Angeklagten. Hierzu haben die Zeugen L, Hauptgeschäftsführer der IHK, und Bu, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK, übereinstimmend ausgeführt, dass der jeweilige GVP verbindlich sei und die Hierarchieverhältnisse abbilde. Dort seien auch die jedem Mitarbeiter zugeordneten Tätigkeiten und Zuständigkeiten erfasst. Der Zeuge S sei danach der unmittelbare Vorgesetzte des Angeklagten gewesen. Der weitere Zeuge B sei innerhalb des Referats 4 ein dem Angeklagten Z gleichgeordneter Kollege gewesen.
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Aus den GVP´s war einerseits ersichtlich, dass der Angeklagte Z 2007 noch für die Taxiunternehmerprüfung zuständig war; in den GVP´s 2011/2012 und 2018 war diese Funktion indes nicht mehr ihm, sondern dem Zeugen B zugeordnet. Aus den beiden späteren GVP´s ergibt sich weiter, dass der Angeklagte Z weiterhin im Referat 4 tätig war und dabei auch weiterhin hoheitliche Tätigkeiten wahrnahm, namentlich solche im Güterkraftverkehrs- und im Gefahrgutbereich.
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(2) Die Zuständigkeit für die Taxiunternehmerprüfungen war dem Angeklagten seit 2010 rechtlich wirksam entzogen. Das hat der Angeklagte zunächst selbst zugegeben, wobei er das Jahr 2012 nannte, was aber schon deshalb nicht stimmen kann, weil bereits im GVP 2011/2012 diese Funktion dem Zeugen B zugeordnet war. Weil er bei der … Taxizentrale die späteren Prüflinge ausgebildet habe, und er auf diese Nebentätigkeit nicht habe verzichten wollen, habe ihm sein Vorgesetzter S untersagt, weiterhin zu prüfen („wer schult, prüft nicht“). Das hat der Zeuge S, der von 2002 bis 30.04.2021 bei der IHK beschäftigt war, bestätigt. Er führte aus, Z´s Nebentätigkeit sei in der IHK bekannt und genehmigt gewesen. S habe Z nahegelegt diese aufzugeben, weil der Grundsatz gelte, dass wer schule, nicht prüfe. Z habe den Rat nicht befolgt und die Nebentätigkeit behalten wollen. Daraufhin habe S Z mündlich die Zuständigkeit für die Prüfungen entzogen und stattdessen den Zeugen B mit dem Bereich Taxiunternehmerprüfung betraut und ihn bei der Arbeit dort unterstützt. Das habe S in einem gemeinsamen Gespräch mit Z und B so festgelegt. Dabei habe S aber nicht ausdrücklich untersagt, dass B seinerseits die ihm übertragenen Aufgaben delegiert. S hätte aber nicht geduldet, dass Z weiterhin die Taxiunternehmerprüfungen abnimmt. Allerdings habe er seinen Mitarbeitern vertraut und nicht kontrolliert, ob seine Anordnung umgesetzt werde. Z sei bei den Taxiunternehmerprüfungen nicht vollständig herausgenommen worden, vielmehr habe er vor- und nachbereitende Tätigkeiten weiter ausführen dürfen, namentlich: Prüfungstermine koordinieren, ansetzen und ausschreiben, Beisitzer laden, Räume organisieren, Anmeldungen erfassen, Prüfungsaufgaben aussuchen, Prüfungsurkunden ausstellen und versenden, Gebührenbescheide erstellen. Z sei nur aus dem unmittelbaren Prüfungsgeschehen, wo es um den direkten Kontakt zum Prüfling ging, herausgenommen gewesen. Diese nur partielle Herausnahme bestätigten die Zeugen L und Bu. Weiter führte der Zeuge S aus, das Referat 4 sei sehr klein gewesen, sodass der GVP nicht immer sauber durchgeführt worden sei. Diese Aussagen sind insgesamt glaubhaft, weil deren Kern – die Verlagerung der Zuständigkeiten – in den jeweiligen GVP´s objektiv nachvollziehbar abgebildet wurde.
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Der Entzug der Zuständigkeit für die Taxiunternehmerprüfung beim Angeklagten Z wurde vom Zeugen B etwas abweichend geschildert: B, der in den Jahren 2017 und 2018 Kollege des Angeklagten Z im Referat 4 war, habe 2007 bei der IHK angefangen. Zu seinen Aufgaben habe der Bereich Güterverkehr und Gefahrgutstransport gehört. Der Vorgänger in Bs Referat sei ein Herr M. gewesen. Dieser habe 36 Jahre bei der IHK gearbeitet und habe die Dinge auf sehr eigene Art geregelt, die sich in vielen Punkten von der Linie in andern IHK´s unterschieden hätte. B habe den Arbeitsbereich wieder an den „Mainstream“ heranführen sollen. So habe er erfahren, dass bei andern IHK´s die Fachreferate, die Schulungen vornehmen, nicht zugleich für die Prüfungen zuständig seien. Letztere seien regelmäßig bei den Bildungsreferaten angesiedelt. B habe deshalb versucht, den Grundsatz, dass wer schule, nicht zugleich prüfe, auch bei der IHK zu implementieren. Das sei aber auf Widerstand gestoßen. S habe dem Angeklagten Z dessen Nebentätigkeit bei der Taxizentrale N. nicht verwehren wollen, auch um die Beziehung der IHK zur Taxizentrale nicht zu trüben. Allerdings sei der Handlungsdruck gewachsen, sodass sich die drei – Z, B und S – im Jahr 2009 besprochen und gemeinsam festgelegt hätten, dass in der Geschäftsordnung der IHK eine Änderung dahingehend erfolgen soll, dass B den Prüfungsbereich für den Taxiverkehr nominell in seine Zuständigkeit übernehme. Praktisch solle aber alles so laufen wie bisher, Z also die Taxiunternehmerprüfungen, deren Teilnehmer von der Taxizentrale gekommen sein, weiterhin durchführen. S´s Aussage, dass Z nicht mehr prüfen solle, sei keine Weisung, sondern ein Wunsch gewesen. B habe sich für die Taxiunternehmerprüfungen nicht interessiert. Er habe die Prüfungsmappen unterschrieben, die Z ihm regelmäßig als Stapel vorgelegt habe.
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B habe aber versucht, diese Praxis dadurch zu beenden, dass er bei S und im Jahr 2016 beim Personalchef der IHK, Fi, mehr Personal gefordert habe. Denn mit der geschäftsplanmäßigen Verlagerung der Zuständigkeit auf ihn sei er zeitlich überlastet gewesen sei. Für die Durchführung der Taxiunternehmerprüfungen habe er neben seinen sonstigen Aufgaben keine Zeit gehabt. Es hätten ihm auch bis zuletzt teilweise die technischen Voraussetzungen gefehlt, die ihm im GVP neu zugeordneten Tätigkeiten auszuführen. So habe er keinen Zugang zu dem Programm gehabt, in dem die Prüfungsfragen für den Bereich Rettungsdienst zugänglich gewesen sein. Die angeforderte Personalmehrung habe nicht stattgefunden.
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Letztlich bestätigt aber auch B´s Aussage die Entziehung der Zuständigkeit für die Taxiunternehmerprüfungen bei Z. Dass er sich zeitlich nicht in der Lage gesehen habe, diese Prüfungen zu betreuen, und dass die anderen beiden das gewusst hätten, ändert daran nichts, dass die Entziehung zunächst als verbindliche Binnennorm im GVP festgeschrieben wurde. Sie wurde anfangs auch gelebt. Die Prüfungsbeisitzerin De sagte aus, zunächst sei Z der Prüfungsleiter gewesen. Der Grundsatz, wer schult, prüft nicht, sei aber aufgekommen. Deshalb habe B prüfen sollen. Der sei auch in den Prüfungen aufgetaucht. Dies aber nur kurz, bald habe er gesagt, er hätte andere Prüfungen oder Z habe gesagt, B sei nicht da. Insgesamt habe sich B bald nicht mehr blicken lassen. Gleichsinnig bestätigte der Beisitzer Di, B habe nur kurz in den Prüfungen reingeschaut. Laut dem Beisitzer Lager sei Z der Chef der Prüfungen gewesen, B habe ihm nur gelegentlich ausgeholfen. Der Beisitzer F schließlich meinte, Z habe geprüft, irgendwann sei B dazugekommen und habe auch Prüfungen geleitet. Das sei aber nicht oft der Fall gewesen und nur über etwa ein Jahr so gegangen, dann habe Z wieder die Prüfungen geleitet.
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(3) Die Zuständigkeit für die Taxiunternehmerprüfungen ist dem Angeklagten Z auch nicht wieder verliehen worden. Anlass, das zu prüfen, gab diese im Verfahren gelesene Urkunde mit IHK-Briefkopf:
Vereinbarung zwischen der IHK …
Die IHK beauftragt Herrn Z, die Fachkundeprüfungen für Verkehr und Prüfungen für Gefahrgutbeauftragte und Gefahrgutfahrer im Auftrag der IHK zu beaufsichtigen und die Prüfungsaufgaben zu korrigieren.
Herr Z veranlasst, dass die korrigierten Prüfungsunterlagen umgehend an die IHK übersandt werden. Die IHK überprüft die Durchführung der Prüfungen sowie die Korrektur der Prüfungsunterlagen stichprobenartig.
Industrie- und Handelskammer … beauftragte Person
< Unterschrift B> <Unterschrift Z>
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Zum Verständnis dieser Vereinbarung führte der Angeklagte Z ergänzend aus, dass die im ersten Absatz genannten Fachkundeprüfungen für Verkehr die Taxiunternehmerprüfungen gemeint hätten. Er sei für die Prüfungen für die Taxis und die Gefahrgutbeförderung zuständig gewesen. Dazu hat der Zeuge B ausgeführt, dass dieses Dokument für das in der IHK durchgeführte Audit bestimmt gewesen sei. Bei diesem Audit werde regelmäßig überprüft, ob alle Qualitätsmerkmale erfüllt seien. B habe sich als berechtigt gesehen, dieses Schriftstück namens der IHK aufzusetzen, weil seine Zuständigkeit betroffen gewesen sei; ob es abweichende Unterschriftenregelungen gegeben habe, wisse er nicht. Die Urkunde habe die tatsächlich durchgeführte Praxis in der IHK abgebildet. B sei der Auffassung gewesen, dass auf höheren Hierarchieebenen bekannt gewesen sein muss, wie die Prüfungspraxis im Referat 4 sei. Die Zahl der Prüfungen, die Prüfungstermine, die Einnahmen aus den Gebührenbescheiden seien kein Geheimnis gewesen. Es sei in der IHK gern gesehen worden, dass viele Prüfungen stattfinden. Dies habe Einnahmen und Renommee gebracht. Kontrollen hätten nicht stattgefunden. Er sei auch bis zum Schluss nicht darauf angesprochen worden. Z habe im Taxibereich eigenständig geprüft, B habe dies nicht kontrolliert.
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Beide Zeugen L und Bu haben abweichend davon ausgeführt, dass nach den Grundsätzen der IHK B als Z gleichgeordneter Angestellter keine Kompetenz gehabt habe, eine solche Vereinbarung wirksam zu schließen. Das leuchtete der Kammer unmittelbar ein, wie auch die Aussage des Zeugen B plausibel erschien, die Vereinbarung habe lediglich für das anstehende Audit – die Urkunde wurde auch in dem Auditordner bei der Durchsuchung der IHK gefunden – als für die Akten bestimmter Beleg für ordnungsgemäße Verfahrensweisen herhalten sollen. Eine Rechtswirkung hat die Vereinbarung mithin weder entfaltet, noch hat sie sie entfalten sollen.
53
(4) Die weiteren für den rechtlichen Rahmen maßgeblichen Urkunden (oben III.1) wurden ebenfalls im Selbstleseverfahren gelesen: Die Prüfungsordnung der IHK, der Ehrenkodex der IHK, das Merkblatt über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete des Freistaates Bayern, die Richtlinie zur Annahme von Geschenken und Belohnungen für die IHK. Sie belegen die volle Überzeugung der Kammer von ihrem jeweiligen Urkundeninhalt. Die Zeugen L und Bu berichteten, dass die dort formulierten Regeln in der IHK regelmäßig kommuniziert worden seien.
c) Einzelfälle der Bestechlichkeit
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Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte Z in den Fällen der N. Prüflinge von diesen Geld dafür angenommen hat, dass er sie entgegen den Vorgaben der Prüfungsordnung bei der Ablegung der Taxiunternehmerprüfung unterstützt.
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(1) Dies ergibt sich – neben dem eher allgemein gehaltenen Geständnis des Angeklagten Z (oben IV.2.a.aa) – zunächst aus den im Kern übereinstimmenden und für die Kammer insgesamt glaubhaften Aussagen der N. Taxifahrer:
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Der Zeuge BCI (Fall c), ein N. Taxifahrer, führte aus, es sei am Taxistand am Hauptbahnhof in N. Gesprächsgegenstand gewesen, dass der Angeklagte Z bei der IHK bei der Ablegung der Taxiunternehmerprüfung helfe, wenn man sich nicht auskenne. Darauf sei der Zeuge zur IHK an die Anmeldung gegangen und sei zu Z vorgelassen worden. Z habe gesagt, der Zeuge müsse sich zur Prüfung anmelden und die Gebühr zahlen, dann solle er wiederkommen. Z habe dem Zeugen angeboten, wenn er wolle, könne er die Prüfung eigenständig ablegen. Dafür müsse der Zeuge kein Geld zahlen. Wenn er etwas Hilfe bei der Prüfung wolle, müsse er jedoch 500 € zahlen. 1.000 € müsse er zahlen, wenn ihm Z komplett behilflich sein solle. Nachdem BCI für die Prüfung nichts gelernt habe, habe er entschieden, 1.000 € zu zahlen. Rund zwei Wochen später habe die Prüfung stattgefunden. Der Zeuge sei mit Z dabei allein gewesen. Der Zeuge – der nur schlecht deutsch spricht und der sich in der Berufungshauptverhandlung eines Dolmetschers bediente – habe die auf deutsch gestellten Prüfungsfragen als schwierig empfunden, weshalb er Z um Antworten gefragt habe. Der habe sie ihm vorgegeben. BCI habe die Prüfung bestanden. Am Prüfungstag habe der Zeuge auch 1.000 € in bar an den Angeklagten Z für dessen Hilfestellungen übergeben, wobei er nicht mehr sagen konnte, ob die Übergabe vor oder nach der Prüfung stattgefunden habe.
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Der Zeuge SCB (Fall i) berichtete, er habe von einem Taxikollegen, Cu, gehört, er könne sich helfen lassen, wenn er die Taxiunternehmerprüfung machen wolle. Cu habe ihm auch gesagt, dass das 1.000 € koste. SCB sei dann am Prüfungstag zur IHK gegangen. Es seien noch weitere Prüflinge dagewesen und Z als alleiniger Prüfer. Vor der Prüfung habe Z einen Aktenkoffer genommen, ihn aufgemacht und sei damit zu den Prüflingen gegangen. Die hätten Geld in den Koffer gelegt, so auch SCB die ihm angegebenen 1.000 €. Dann habe die schriftliche Prüfung angefangen. Die sei aber eher wie Unterricht gewesen. Z habe reingeredet und Tipps gegeben. SCB habe die Prüfung bestanden.
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Die Erinnerung des Zeugen KKA (Fall j), der nur schlecht deutsch spricht und der sich in der Berufungshauptverhandlung eines Dolmetschers bediente, zum Anklagesachverhalt war schlecht. Er sei als Taxifahrer einmal überfallen worden, weshalb er traumatisiert sei. Er fahre kein Taxi mehr. Dass er bei der IHK eine Prüfung gemacht habe und dafür Geld gezahlt habe, wisse er noch. Gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO wurde daher seine Auskunft auf dem polizeilichen Zeugenfragebogen vom 10.09.2021 verlesen, aus der sich ergibt, dass er 700 € neben den Prüfungsgebühren gezahlt habe.
59
Der Zeuge YY (Fall k) sagte aus, er habe einen Anruf bekommen, er könnte bei der IHK die Prüfung machen. Der Anrufer, es sei nicht Z gewesen, habe gesagt, er solle sich dafür erkenntlich zeigen. YY sei zur IHK gegangen und habe die Prüfung gemacht. Z habe dabei Hilfestellungen gegeben. YY habe ihm 1.000 € in einem Umschlag auf den Tisch gelegt. Die Prüfung habe YY bestanden.
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Der Zeuge TST (Fall l) führte aus, er sei bereits mehrfach bei der Taxiunternehmerprüfung durchgefallen. Da habe ihm ein anderer Prüfungsteilnehmer gesagt, er solle 1.000 € bis 1.200 € mitbringen, dann werde er bestehen. TST habe daraufhin bei der IHK angerufen und sich bei Z einen Termin geben lassen. Z und er hätten in dem Termin beieinander gesessen und Z habe eine Handbewegung gemacht – hier machte der Zeuge eine kleine Handbewegung, wie wenn er jemanden zu sich heranwinken würde. TST habe daraufhin ein Kuvert mit 1.200 € an Z übergeben. Der habe es genommen, das Geld aber nicht nachgezählt. Gesprochen worden sei dabei nichts. Z habe ihm dann bei der Prüfung geholfen, TST habe sie bestanden.
61
Der Zeuge SA (Fall o) erklärte, er habe von Taxifahrern gehört, bei der IHK gebe es gegen Geld Hilfe bei der Taxiunternehmerprüfung. Das sei am Taxistand allgemein bekannt gewesen, es habe geheißen, das koste 1.000 €. Die Prüfung sei für ihn als Ausländer sehr schwierig. Daher sei SA unangemeldet am Vormittag bei der IHK erschienen und habe sein Anliegen genannt. Z sei einverstanden gewesen und habe 1.000 € verlangt. SA habe geantwortet, dass er schon viel wisse und nur 500 € zahlen könne. Der Angeklagte Z habe eingewilligt. Noch am selben Tag, so gegen 16.00 Uhr, sei SA dann zur Prüfung erschienen, habe die 500 € an Z übergeben und die Prüfung gemacht. Z habe ihm dabei etwas geholfen, SA habe bestanden.
62
Der Zeuge KQ (Fall p) berichtete, er habe für die Taxiunternehmerprüfung gelernt. Ein Kollege habe ihn gefragt, warum er lerne, das gehe auch einfacher. Es koste 1.000 €. Er habe das Geld in einen Umschlag getan. Bei der Prüfung seien fünf oder sechs Prüflinge anwesend gewesen. KQ habe den Umschlag mit dem Geld im Prüfungsraum Z in die Hand gegeben. Z habe alleine geprüft und ihm geholfen. KQ habe bestanden.
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Die vorstehend referierten Aussagen belegen zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte Z Geld dafür angenommen hat, dass er den Prüflingen entgegen den Vorgaben der Prüfungsordnung half, indem er ihnen Hilfestellungen bei der Beantwortung der Fragen gab. In der konkreten Ausführung gab es dabei Variationen, etwa ob die Vereinbarung der Bestechung ausdrücklich verhandelt oder nonverbal per Koffer oder Geste schlüssig vereinbart wurde. Auch scheint es variiert zu haben, ob das Geld vor (zumeist) oder nach der Prüfung übergeben wurde. Es war jedenfalls in allen Fällen klar und ist für die Kammer zweifelsfrei, dass Z´s Hilfe bei der Prüfung und die Hingabe von Bargeld an ihn in einem synallagmatischen Verhältnis standen. Ebenso hatte die Kammer auf der Grundlage der referierten Zeugenaussagen keine Zweifel daran, dass auch den Prüflingen jeweils klar war, dass das „Schmieren“ des Angeklagten für dessen Hilfe bei der Prüfung rechtswidrig war. Ihnen allen – und das gilt gleicherweise für die B. Fälle – kam es vorrangig darauf an, die Prüfung zu bestehen, die sie brauchten, um sich als Taxiunternehmer selbständig zu machen und die sie aufgrund ihrer individuellen Einschränkungen (Sprachprobleme, Überforderung mit dem Stoff) auf legalem Wege nicht oder nicht so schnell hätten schaffen können.
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Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen – und auch das gilt gleicherweise für die B. Zeugen – hat die Kammer im Blick gehabt, dass die genannten Zeugen im Grundsatz Anlass gehabt hätten, dem Angeklagten Z nicht wohlgesonnen zu sein: Sie sind infolge des hier abgeurteilten Geschehens selbst bei der Staatsanwaltschaft als Beschuldigte eingetragen worden, haben bei den Verfahrenseinstellungen nach § 153a StPO Geldauflagen gezahlt und sind ihre teuer bezahlten Taxiunternehmergenehmigungen wieder los, wie sie ausgeführt haben. Allerdings konnte die Kammer bei keiner der Zeugenbefragungen einen merklichen Belastungseifer feststellen, im Gegenteil machten die vernommenen Zeugen einen eher gleichmütigen Eindruck. Die Einschätzung ihrer jeweiligen Motivationslage ändert indes nichts daran – und das war für die Kammer der maßgebliche Punkt – dass ihre Aussagen sachlich in hohem Maße gleichsinnig und übereinstimmend das jeweilige Geschehen beschrieben und die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür hat, dass sich die Zeugen im Vorfeld hierüber abgesprochen haben. Im Übrigen waren die Aussagen mit dem Geständnis des Angeklagten Z vereinbar.
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(2) Die Überzeugung, dass die von den Zeugen berichteten Prüfungen stattgefunden haben, wird ergänzt und bestätigt durch die im Selbstleseverfahren gelesenen Urkunden. Hinsichtlich der vorgenannten Zeugen wurden die jeweiligen Prüfungsunterlagen auszugsweise gelesen: Die Niederschrift zur Prüfung, das Deckblatt zur mündlichen Prüfung, der vom Angeklagten Z unterschriebene Gebührenbescheid der IHK, womit dem Prüfling 130 € an Prüfungsgebühren in Rechnung gestellt wurden und das von Z unterschriebene Anschreiben mit IHK-Briefkopf, das der versandten Prüfungsbescheinigung beilag (beide letztgenannte sind unter III.2.a zitiert). Diese Urkunden bestätigen, dass die genannten Prüflinge an den Prüfungen jeweils teilgenommen und diese allesamt auch bestanden haben.
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(3) Die Kammer ist weiter überzeugt, dass der Angeklagte Z insgesamt planmäßig die Kulisse einer ordnungsgemäßen Prüfungsdurchführung errichtete und aufrechterhielt, indem er für die ordnungsgemäße Dokumentation der vermeintlichen Prüfungen sorgte.
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Dazu gehörte neben dem Ausstellen der Gebührenbescheide, die in die Buchhaltung der IHK Eingang fanden, und der Prüfungsbescheinigungen, auch, dass der Angeklagte den in der Prüfungsordnung vorgesehenen Beisitzern die Prüfungsmappen der von ihm im Alleingang durchgeführten und manipulierten Prüfungen zur Unterschrift vorlegte, sodass „nach Papierlage“ eine ordnungsgemäße Prüfung dokumentiert war. Das ergibt sich, neben dem insoweit abgegebenen Geständnis des Angeklagten, aus den Aussagen der Prüfungsbeisitzer De, F, Di und La. Die Zeugin De, damals im Vorstand der Taxizentrale …, sagte, sie sei einmal pro Quartal zu regulären Prüfungsterminen herangezogen worden. Ansonsten habe der Angeklagte Z bei wohl vier Gelegenheiten Prüfungsmappen bei ihr vorbeigebracht und sie gebeten zu unterschreiben. Bei diesen Gelegenheiten sei auch immer ihr Beisitzerkollege F einbestellt worden, der auch unterschrieben habe. Das habe Z so begründet, dass die Änderung der Prüfungsordnung anstehe, und dass künftig keine Beisitzer mehr gebraucht würden. Die mitgebrachten Mappen möge De noch unterschreiben. Das bestätigte die nach § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO verlesene Aussage des zwischenzeitlich verstorbenen Beisitzers F aus dem Ermittlungsverfahren. Dieser hat seinerzeit bei der Polizei erklärt, Z habe ihm die Prüfungsmappen zur Unterschrift vorgelegt. Als Grund habe er genannt, dass er die Unterschrift nicht leisten dürfte, da er die Schulungen abgehalten habe oder er habe erklärt, dass vergessen worden sei, die Prüfungsbögen zu unterschreiben. F habe die Mappen dann nur kurz durchgeblättert und unterschrieben.
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Der Zeuge Di, im Aufsichtsrat der … Taxizentrale sitzend, berichtete, der Angeklagte Z habe zu regulären Prüfungsterminen bei zwei oder drei Gelegenheiten Stapel mit Prüfungsmappen mitgebracht. Die hätten jeweils wohl um die zehn Prüflinge betroffen. Z habe gesagt, es seien nicht genügend Prüfer dagewesen und Di gefragt, ob er die Prüfungen nicht mal kurz abzeichnen könnte. Das habe Di getan. Der Zeuge La, früher im Vorstand der Taxizentrale …, führte aus, er habe an den regulären Prüfungsterminen bei der IHK mitgewirkt. Zu diesen Terminen habe Z wohl vier bis fünf Mal Prüfungsmappen mitgebracht und auch ihn – wie Di – gebeten, sie nachträglich zu unterschrieben. Die Prüfungen seien, so Z, ordnungsgemäß abgelegt worden, es fehlen nur die Unterschriften. La habe nicht nachgefragt und unterschrieben.
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(4) Es steht für die Kammer außer Zweifel, dass der Angeklagte Z durch sein Handeln seine Dienstpflichten in mehrfacher Hinsicht verletzte und dass ihm das auch klar war.
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Einerseits lagen die Verletzungen der Dienstpflichten in der GVPwidrigen Leitung und Durchführung der Prüfungstermine überhaupt; dies war ihm untersagt.
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Zum anderen verletzte der Angeklagte Z die Dienstpflichten dadurch, dass er die Prüfungen in der prüfungsordnungswidrigen Besetzung des Prüfungsausschusses durchführte (vgl. § 3 Abs. 2 Prüfungsordnung, oben III.1.c). In keinem der abgeurteilten Fälle war der Prüfungsausschuss ordnungsgemäß besetzt, vielmehr nahm der Angeklagte Z die Prüfungen jeweils im Alleingang vor. Das wird bestätigt durch die Aussagen der vier Prüfungsbeisitzer De, F, Di und La. Die sagten übereinstimmend und nachvollziehbar aus, sie hätten jeden Einsatz bei den Prüfungen, der jeweils mit einer mindestens halbtägigen Anwesenheit am Prüfungsort in der IHK verbunden gewesen sei, gegenüber der IHK auch abgerechnet. In keinem Fall hätten sie die Abrechnung unterlassen, die ihnen pro Prüfungstag 125 € plus Wegekosten eingebracht habe. Die durchgeführten Ermittlungen ergaben aber – wie der polizeiliche Chefermittler, der Zeuge KHK R, ausführte und auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK, der Zeuge Bu, bestätigte –, dass für die Tage, an denen die o.g. Prüflinge geprüft worden sind, keine Abrechnungen der Beisitzer eingereicht wurden. Daraus folgt für die Kammer, dass sie an diesen Prüfungsterminen tatsächlich auch nicht teilgenommen haben, wie auch die Prüflinge überwiegend bestätigten, Z habe sie allein geprüft.
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Drittens verletzte der Angeklagte die Dienstpflichten dadurch, dass er, wie von ihm eingeräumt und von den Zeugen jeweils bestätigt, den Prüflingen bei der Beantwortung der Prüfungsfragen half, indem er die richtigen Antworten vorgab. Es entspricht dem Sinn und Zweck einer jeden Prüfung und wird in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 PBZugV zugrunde gelegt, dass der Prüfling durch eigene Leistung den Nachweis erbringt, über die fachlichen Kenntnisse zum Führen eines Taxibetriebs zu verfügen. Das wird konterkariert, wenn der Prüfling den geforderten Nachweis gerade nicht erbringt, weil ihm ein Dritter die richtige Antwort vorgibt. Demgemäß sanktioniert § 10 Abs. 4 Prüfungsordnung die Vornahme von Täuschungshandlungen durch Prüflinge mit dem Ausschluss von der weiteren Prüfungsteilnahme. Dass ein Prüfungsleiter dienstpflichtwidrig handelt, wenn er Prüflingen Täuschungshandlungen ermöglicht, liegt auf der Hand und hat auch der Angeklagte Z eingeräumt.
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Schließlich verletzte der Angeklagte die Dienstpflichten dadurch, dass er für seine Hilfestellungen von den Prüflingen Geld annahm. Damit verstieß er gegen die Bestimmungen des von ihm selbst unterschriebenen Merkblatts über das Verbot der Annahme von Belohnungen oder Geschenken durch Bedienstete des Freistaates Bayern, gegen Nr. 3 der Richtlinie zur Annahme von Geschenken und Belohnungen für die IHK, gegen Nr. 1 des vom Angeklagten Z quittierten Ehrenkodex der IHK und schließlich gegen § 332 StGB (dazu unter V.1).
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(5) Die Kammer ist danach überzeugt, dass der Angeklagte – über die konkret angeklagten und abgeurteilten N. Fälle hinaus – für seine rechtswidrigen Hilfsleistungen einen „regelmäßigen Tarif“ von 1.000 € pro Fall verlangte und (meist) auch erhielt. Für die hier abgeurteilten Fälle steht das aufgrund der Aussagen der glaubhaften Angaben der bestechenden Zeugen fest. Auch von den beiden Zeugen KKA und SA, die letztlich weniger bezahlten, hatte der Angeklagte zunächst 1.000 € gefordert. Dass es in diesen beiden Fällen zu geringeren Zahlungen kam, war auf Interventionen der beiden Zeugen zurückzuführen.
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Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte Z in den Fällen der B. Prüflinge vermittelt über nicht näher identifizierte Mittelsmänner (Te, E) oder den Angeklagten J, wie oben unter III.2.c geschildert, Gelder für die prüfungsordnungswidrige Abnahme der Taxiunternehmerprüfungen sich zunächst versprechen ließ und diese dann auch angenommen hat.
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(1) Dies ergibt sich – neben den eher allgemein gehaltenen Geständnissen der Angeklagten Z und J (oben IV.2.a) – zunächst aus den im Kern übereinstimmenden und für die Kammer (im Fall n, RNA, allerdings nur eingeschränkt) glaubhaften Aussagen der B. Taxifahrer:
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Der Zeuge AC (Fall a) erklärte in seiner Vernehmung, es sei schwierig gewesen, in B. überhaupt einen Termin für die Taxiunternehmerprüfung zu bekommen. Te, den er in B. kennengelernt habe, habe die beiden Angeklagten gekannt und die Prüfung bei der IHK in N. organisiert. Er, AC, habe sich bei einem Bekannten in … selbst um eine Wohnsitzanmeldung gekümmert. Den Angeklagten Z habe er erst im Prüfungssaal als Prüfer erstmals getroffen. Der sei der einzige Prüfer gewesen und habe bei der Beantwortung der Fragen geholfen. Neben AC seien noch weitere Prüflinge bei der Prüfung zugegen gewesen, erinnerlich drei bis sechs Leute. Die Prüfung habe er bestanden. Geld habe AC an Z keines übergeben. Er habe aber am Tag der Prüfung an einem Restaurant an der Ecke zur IHK 6.000 € in bar an Te gezahlt. Den Angeklagten J kenne AC aus B. vom Taxistand, den habe er auch bei der IHK gesehen.
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Die erstinstanzliche Aussage des erkrankten Zeugen OO (Fall b) wurde gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Er habe Schwierigkeiten mit dem Mathe-Teil der Taxiunternehmerprüfung gehabt und von einem Bekannten gehört, dass es in N. leichter gehen soll. Über seinen Bekannten habe er E und Te kennengelernt, die hätten ihn überzeugt, es in N. zu machen, es koste aber Geld. OO habe dann in einem Hotel am Ostbahnhof in B. 7.500 € an E übergeben. Der Angeklagte J sei bei dieser Gelegenheit dabei gewesen. In … dann habe OO seinen Zweitwohnsitz angemeldet. E und Te habe er auch in N. gesehen. Bei der Prüfung habe OO dann Z gesehen. Die Prüfung sei schnell gegangen, Z habe die Antworten vorgesagt. OO habe bestanden.
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Die erstinstanzliche Aussage des ebenfalls erkrankten Zeugen AB (Fall d) wurde gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Eine Person, die er nicht mehr benennen könne, habe ihn in B. auf die Möglichkeit hingewiesen, die Taxiunternehmerprüfung in N. zu machen. Dafür habe er 4.000 € an diese Person gezahlt; bei der Prüfung habe er kein Geld übergeben, nur die Prüfungsgebühr bezahlt. Die Person habe auch die Anmeldung des Zweitwohnsitzes in … organisiert. Bei der IHK sei nur ein Prüfer anwesend gewesen und habe ihm, AB, und den weiteren Prüflingen geholfen. AB habe bestanden.
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Weiterhin wurde die erstinstanzliche Aussage des erkrankten Zeugen MB (Fall e) gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Es sei einer zu ihm an den Taxistand in B. gekommen und habe gesagt, er könne Taxi-Kleinunternehmer werden, dafür müsse er Geld zahlen und nicht viel lernen. Auch andere Taxifahrer seien so angesprochen worden. Der Mann habe ihm dann die Zweitwohnsitzanmeldung in N. gezeigt. An diesen Mann habe MB 4.000 € oder 5.000 € bezahlt. An den Prüfer bei der IHK habe er kein Bargeld gegeben. Es sei ein Prüfer bei der Prüfung dagewesen. Der habe bei der Prüfung mehrmals geschaut und geholfen, MB habe bestanden.
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Bei dem Zeugen RF (Fall f) – er wurde erstinstanzlich nicht vernommen – wurde dessen schriftlicher Fragebogen aus dem Ermittlungsverfahren gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Danach habe ihm ein Kunde erzählt, dass es bei der IHK Sonderprüfungstermine gebe. An einen Vermittler, dessen Namen er nicht kenne, habe Farah 5.350 € bezahlt. In N. habe er einen Prüfer gesehen, im Prüfungsraum seien noch weitere Prüflinge anwesend gewesen. Er, RF, habe die Prüfung bestanden.
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Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen MBo (Fall g) wurde gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Er habe Probleme mit der Mathematik gehabt, es hieß aber, in N. ginge das einfacher. Te habe ihm gesagt, dass man ihm in N. helfen könne. Darauf habe sich MBo eingelassen. Eine weitere Person habe ihm einen Zweitwohnsitz in … organisiert. Das Geld – 5.000 € – habe MBo´s Frau mit Te geklärt und ihm gegeben. Te habe ihm, MBo, gesagt, dass das Geld nicht allein für ihn, Te, sei, sondern dass jeder einen Teil daraus bekomme. MBo wisse aber nicht, wer welchen Anteil erhalte. In der Prüfung bei der IHK seien der Prüfer und insgesamt fünf Prüflinge gewesen. Der Prüfer, den der Zeuge im Sitzungssaal als Z identifiziere, sei sehr nett gewesen und habe vorgelesen, die Prüflinge hätten dann die Antworten angekreuzt. Der Prüfer habe von den Prüflingen kein Geld erhalten. Soweit der Zeuge wisse, sei überall der gleiche Preis gezahlt worden. MBo habe die Prüfung bestanden.
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Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen MZ (Fall h) wurde gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesen. Er berichtete, er habe sich erhofft, durch die Erlangung der Unternehmerprüfung ein eigenes Taxigewerbe zu eröffnen, um damit ausreichend Geld zu verdienen. Bei der B. IHK sei er schon durch die Prüfung gefallen. Die Wartezeit für einen neuen Prüfungstermin habe sechs bis sieben Monate betragen. Jemand, ein Türke namens Mo, den er in einem Café in B. getroffen habe, habe gemeint er habe „connections in N. bei der IHK“. Er wolle sich darum kümmern, MZ müsse nur 5.000 € bezahlen. Letzterer habe überlegt und zugesagt. Weiterhin hätten sich zwei Türken ebenfalls für die Prüfung interessiert. Da sei der Angeklagte J gekommen und habe gesagt, er organisiere alles. J habe auch Vorkasse gewollt, was MZ abgelehnt habe. Sie – MZ und die zwei Türken – hätten sich zur Fahrt nach N. verabredet, hätten dort den Zweitwohnsitz angemeldet und seien in die Prüfung gegangen. Dort habe Z, der allein geprüft habe, ihnen gesagt, wo sie was ankreuzen müssten. Nach 20 Minuten sei die Prüfung fertig gewesen und J habe die drei dann zu sich gerufen und das Geld verlangt. Auf der Toilette der IHK habe jeder der drei 5.000 € in bar an J gegeben. Z habe sie dann zu sich gerufen und die Zertifikate verteilt. An ihn selbst sei kein Bargeld übergeben worden. J sei der Boss gewesen, er habe einfach gesagt, wo es lang gehe. Mo habe gemeint, er bekomme für seine Vermittlerdienste eine Provision.
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Der Zeuge SR (Fall m) führte aus, er habe für den Taxiunternehmerschein gelernt. Da habe ihm ein Taxifahrerkollege erzählt, es ginge auch einfacher in N.. Dafür habe der Zeuge 3.000 € zahlen sollen, was er auch getan habe. Er habe in … dann einen Zweitwohnsitz angemeldet und sei zu Z in die Prüfung gegangen. Z habe allein geprüft, weitere Prüfer habe es nicht gegeben. Rahman habe den Großteil der Prüfung selbst geschafft, im Übrigen habe ihm Z geholfen, Rahman habe die Prüfung bestanden. Mit Z selbst habe Rahman nicht über Geld gesprochen.
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Der Zeuge RNA (Fall n) sagte aus, er sei für die Prüfung in N. angeworben worden. Dafür habe RNA 500 € in B. gezahlt. In N. habe er dann, wie ihm gesagt worden sei, den Zweitwohnsitz angemeldet und er sei noch am gleichen Tag zur Prüfung in die IHK gegangen. Der Angeklagte Z habe die Prüfung geleitet und ihm, dem Zeugen geholfen. RNA habe dann die Prüfung bestanden. Was mit dem bar hingegebenen Geld passiert sei, wisse er nicht.
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Der Zeuge AA (Fall q) berichtete, der Angeklagte J habe ihn in einem Café in B. angesprochen, ob der Zeuge für die Taxiunternehmerprüfung Hilfe brauche. Das habe J dann näher erklärt, dass es in N. die Möglichkeit gebe, die Prüfung leichter zu bestehen. Es müsse eine Zweitwohnung angemeldet werden und dann könne noch am selben Tag die Prüfung stattfinden. Für die Organisation seien 5.000 € an J zu zahlen gewesen. Darauf habe sich der Zeuge eingelassen. Bei der IHK sei nur Z als Prüfer anwesend gewesen. Der habe den Prüflingen geholfen und gesagt, was die richtigen Antworten seien; AA habe bestanden. Wie die 5.000 € verteilt worden seien, wisse der Zeuge nicht.
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Die Vernehmungen bzw. verlesenen Aussagen der genannten Zeugen ergaben zur Überzeugung der Kammer ein konsistentes und eindeutiges Bild. Danach waren in B. verschiedene Personen – der Angeklagte J, die nicht weiter identifizierten Te und E, möglicherweise noch weitere – aktiv, die wussten, dass der Angeklagte Z in N. kurzfristig Prüfungstermine anbot und bei diesen den Prüflingen unzulässige Hilfestellungen leistete. Diese Personen hatten die Funktion von Agenten oder Vermittlern, die ihr Angebot in der B. Taxiszene streuten, den Kontakt zwischen den Prüfungsaspiranten und dem Angeklagten Z herstellten und auch die Vermittlung von Zweitwohnsitzen übernahmen. Das ließen sie sich von den Prüfungsaspiranten mit erheblichen Bargeldbeträgen bezahlen.
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(2) Die Überzeugung, dass die von den Zeugen berichteten Prüfungen stattgefunden haben, wird ergänzt und bestätigt durch die im Selbstleseverfahren gelesenen Urkunden. Hinsichtlich der zehn vorgenannten Zeugen wurden die jeweiligen Prüfungsunterlagen auszugsweise gelesen: Die Niederschrift zur Prüfung, das Deckblatt zur mündlichen Prüfung, der vom Angeklagten Z unterschriebene Gebührenbescheid der IHK, womit dem Prüfling 130 € an Prüfungsgebühren in Rechnung gestellt wurden und das von Z unterschriebene Anschreiben mit IHK-Briefkopf, das der versandten Prüfungsbescheinigung beilag (beide letztgenannte sind unter III.2.a zitiert). Diese Urkunden bestätigen, dass die genannten Prüflinge an den Prüfungen jeweils teilgenommen und diese allesamt auch bestanden haben.
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Weiterhin wurden – mit Ausnahme des Zeugen AC – für die B. Prüflinge die Urkunden eingeführt, aus denen sich ergibt, dass diese am Vortag oder Tag der Prüfung bei der IHK jeweils einen Zweitwohnsitz in N. oder Umgebung anmeldeten und so die formale Voraussetzung dafür schufen, überhaupt in N. an der Prüfung teilnehmen zu können. Es handelte sich dabei um die Anmeldeformulare der Meldebehörde, die entsprechenden Screenshots aus der EDV der Meldebehörde, Wohnungsgeberbestätigungen und teilweise auch Schreiben der Se-Immobilien und Abmeldebescheinigungen. Hier stützte die Aussage des Zeugen Se das bereits gewonnene Bild: Der frühere Mitangeklagte Se – sein Verfahren wurde noch erstinstanzlich nach § 153a StPO gegen mittlerweile vollständig beglichene Geldauflage eingestellt – war ein Immobilienmakler, der für die Zeugen OO, AB, MB, RF, MBo, MZ, RNA und AA die Zweitwohnungen in N. vermittelte und zur Vorlage bei der N. Meldebehörde die genannten Wohnungsgeberbestätigungen ausstellte. Se habe, wie seine erstinstanzliche und hier nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesene Aussage ergab, früher die Wohnung eines Kunden über Airbnb vermietet. Darauf sei er von dem anderweit verfolgten EA angesprochen worden, der ihm erklärt habe, es gebe Leute aus B., die eine Prüfung machen wollten, was aber in B. schwierig sei. EA habe die Wohnung dann für diese Prüflinge angemietet. Se´s Putzfrau habe ihm aber berichtet, die Wohnung würde gar nicht bewohnt werden. Daraufhin habe Se EA angesprochen und dieser habe gesagt, die B. bräuchten für die Prüfung einen Zweitwohnsitz. Se habe für jede Vermietung 150 € kassiert, sich später jedoch mit EA zerstritten. Daraufhin habe Se Kontakt zum Angeklagten J erhalten und der habe anstelle des EA das Vermietungsgeschäft weitermachen wollen.
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Se´s Aussage fügt sich in das von den Prüflingen skizzierte Bild ein und belegt zur Überzeugung der Kammer, dass auch die Anmietung der Zweitwohnungen und die Ausstellung von Wohnungsgeberbescheinigungen als Voraussetzung für die Wohnsitzanmeldung und für die Anmeldung zur Prüfung bei der IHK organisiert wurde und eingespielt lief. Für den weiteren Zeugen SR wurde die Wohnungsgeberbestätigung von dem anderweit Verfolgten EA ausgestellt.
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(3) Die Kammer hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme keine Zweifel, dass es in jedem der zehn B. Fälle die für die Bestechlichkeit notwendige Unrechtsvereinbarung und jedes Mal eine Geldzahlung an Z gab. Wie diese rein praktisch hergestellt bzw. abgewickelt wurden, konnte die Kammer allerdings nicht genau nachvollziehen. Aus den Aussagen der Prüflinge konnte die Kammer sicher entnehmen, dass die Zahlung der Bestechungsgelder von ihnen nie direkt an Z, sondern an die Mittelspersonen erfolgt ist, an Te, E oder J. J selbst hat nach eigener Aussage nur seinen Teil einbehalten und den Großteil des Geldes an Te weitergereicht. Te hat das Geld dann weiter verteilt, wie auch die Aussage des Zeugen MBo bestätigte. Für Se als Makler und Aussteller der Wohnungsgeberbestätigungen sind pro Prüfling 150 € abgefallen. Damit bestehen für die Kammer keine Zweifel, dass auch der Angeklagte Z, der als Prüfer der wichtigste Mann in der Konstellation war, seinen Anteil pro Prüfling versprochen bekommen und erhalten hat; ansonsten wäre es nicht verständlich, warum er bei dem Unterschleif mitgemacht haben sollte. Die Beweisaufnahme zu den N. Fällen hat jedenfalls keinen Fall belegt, in dem eine Hilfestellung Z´s gratis erfolgt wäre. Die Kammer hatte keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür, dass es bei den B.Fällen anders gewesen sein sollte. Der Angeklagte Z hat im Rahmen seiner Einlassung ebenso wenig für sich reklamiert, aus reinem Altruismus – ohne Entgelt – Prüflingen durch die Prüfung geholfen zu haben.
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Wer, wann und wie genau dem Angeklagten Z jeweils die Ankunft des neuen Prüfungskandidaten angekündigt und ob er dabei jeweils auch ausdrücklich mitgeteilt hat, dass es für diesen Prüfungskandidaten auch eine bestimmte Summe Geldes geben werde, konnte die Kammer nicht feststellen. Der Angeklagte Z hat dazu nichts weiter ausgeführt. Sicher ist für die Kammer jedenfalls, dass die B. Prüfungskandidaten dem Angeklagten Z – der ja die Prüfung jeweils durchgeführt hat – angekündigt worden sein müssen. Sicher ist nach dem durch die Beweisaufnahme gezeichneten Gesamtbild für die Kammer auch, dass zwischen den B. Vermittlern bzw. Organisatoren und dem Angeklagten Z ein über die Zeit praktiziertes und eingespieltes System der Zuführung neuer Prüfungskandidaten und der für die manipulierte Prüfungsabnahme gewährten Entlohnung Z´s bestand, das für jeden weiteren Prüfungskandidaten neu vollzogen wurde. Ansonsten hätte der Angeklagte Z nicht dabei mitgemacht.
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(4) Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte Z pro Prüfling jeweils 1.000 € forderte und erhielt. Die von den Zeugen angegebenen Beträge, die sie für das „Gesamtpaket“ der geschobenen Prüfung und deren Begleitorganisation bezahlten, nämlich 3.000 € bis 5.000 € lassen einen solchen Anteil des Angeklagten Z ohne weiteres zu, wenn man die bekannten weiteren Abzugsposten (150 € für die Vermittlung der Zweitwohnung, bis zu 500 € für eine Begleitung durch J) substrahiert. Das vom N. Zeugen BCI berichtete Angebot Z´s – wenig Prüfungshilfe für 500 €, für 1.000 € umfassende Hilfestellungen – gab es bei den B. Prüflingen strukturell nicht. Bei ihnen wurden die Details des Gesamtpakets nicht mit dem Angeklagten Z ausgehandelt, sondern von den B. Vermittlern (Te, E, J, möglicherweise noch andere Personen) vorgegeben. Keiner der B. Zeugen hat auch davon berichtet, dass es die Möglichkeit geringerer Hilfe für geringeres Geld gegeben hätte. Die Kammer sieht schlussendlich auch keinen Grund, warum der Angeklagte Z von den B. Prüflingen weniger gefordert haben sollte, als er es von den N. Aspiranten regelmäßig verlangte.
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Einzig der Zeuge RNA (Fall n) fällt aus dem aufgezeigten Schema heraus, indem er behauptet, nur 500 € in B. bezahlt zu haben. Die Kammer ist überzeugt, dass der Zeuge bei dieser Zahl irrt. Er hat zugleich angegeben, zum Prüfungszweck einen Zweitwohnsitz in … angemeldet zu haben. Dafür waren – das hat die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergeben – mindestens 150 € an den Makler Se zu bezahlen. Dann blieben nur 350 € übrig, wobei auch hier die weiteren Vermittlerleistungen an Te, E oder J zu entrichten waren. Damit bliebe für Z, der dem Zeugen nach dessen Aussage geholfen hat, wenig bis nichts übrig. Der Angeklagte Z hat jedoch zugegeben, für jeden Prüfling (mindestens) 500 € bis 1.000 € erhalten zu haben; die Beweisaufnahme hat auch keinen Fall belegt, in dem eine Hilfestellung Z´s gratis erfolgt wäre. Die Kammer hat diese Widersprüche dahin aufgelöst, dass der Zeuge RNA bei der von ihm angegebenen Zahl geirrt haben muss. Zugunsten des Angeklagten Z hat die Kammer weiter angenommen, dass er von RNA tatsächlich nur 500 € erhalten hat.
d) Steuerhinterziehungen Z´s …
e) Beihilfehandlungen J´s
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Ergänzend zu seinem Geständnis beruht die Überzeugung der Kammer von J´s Gehilfentätigkeit auf den verlesenen Aussagen der beiden Zeugen MZ und AA. Auf die oben (IV.2.c.bb.[1]) wiedergegebenen Aussagen beider Zeugen wird verwiesen. Ergänzend hatte AA ausgeführt, er habe wie verabredet J in N. in einem Café getroffen und mit ihm zwei weitere Personen, die ebenfalls die Prüfung bei Z haben machen wollen. Jeder von ihnen habe J 5.000 € in bar übergeben. Dann seien sie zum Bürgeramt gegangen, haben den Zweitwohnsitz angemeldet und hätten am nächsten Tag die Prüfung bei Z abgelegt.
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Diese beiden Aussagen waren in sich stimmig und passten bruchlos in den Gesamtkontext; die weiteren Zeugen aus B. und Umgebung berichteten Ähnliches über die Anwerbung und die Organisation der Prüfungen und der damit verbundenen Begleitumstände.
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Der auf die gewerbsmäßige Begehung ausgerichtete Wille J´s stand für die Kammer aufgrund dessen fest. Beide Zeugen berichteten von einer proaktiven Kundenakquise durch den Angeklagten, der nach neuen Kandidaten für N. gesucht und sie angesprochen habe. Plastisch ergänzt wurde das durch eine weitere Bemerkung des Zeugen MZ: Danach habe J zu den drei Prüflingen gesagt, jeder bekomme eine Provision von 500 €, wenn er ihm einen weiteren Prüfungskandidaten bringe.
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1. Damit hat sich der Angeklagte Z zunächst der Bestechlichkeit in 17 Fällen schuldig gemacht.
99
a) Beim Angeklagten Z handelte es sich um einen Amtsträger i.S.d. § 332 Abs. 1 mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB. Die IHK war eine sonstige Stelle, bei der der Angeklagte Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnahm. Der öffentlichen Verwaltung sind alle Tätigkeiten zuzuordnen, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind und staatlichen Zwecken dienen. Das beinhaltet Aufgaben der staatlichen Anordnungs- und Zwangsgewalt und das Tätigwerden des Staates im Bereich der Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge. Maßgeblich für die Zuordnung zur öffentlichen Verwaltung ist insoweit eine funktionale Betrachtung anhand des materiellen Gehalts der konkreten Tätigkeit; die Organisationsform der ausführenden Institution ist demgegenüber unerheblich (BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 3 StR 635/17, juris Rn. 12 m.w.N.). Wie aus den oben unter III.1.a wiedergegebenen geschäftsplanmäßigen Aufgabenzuweisungen ersichtlich, war der Angeklagte bei der IHK über die Jahre durchgehend zuständig für verschiedene Prüfungen, Genehmigungen und Erlaubnisse aus dem Bereich des Personen-, Güter- und Gefahrgutverkehrs, mithin für als hoheitlich zu qualifizierende Materien.
100
Diese geschäftsplanmäßigen Aufgabenzuweisungen sind als Bestellung zur Wahrnehmung ebendieser Aufgaben zu verstehen. Die Bestellung setzt keinen förmlichen Akt voraus. Sie ergibt sich vielmehr aus der Art der übertragenen Aufgaben. Sie ist in der Heranziehung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu sehen, wenn diese mit einer auf eine gewisse Dauer angelegten Eingliederung verbunden ist. Das Tatbestandsmerkmal der Bestellung ist deshalb nicht durch besondere formelle Voraussetzungen, sondern durch die hierdurch bewirkte Einbeziehung in die Organisation der öffentlichen Verwaltung bestimmt. Es beschreibt die Beauftragung einer Person mit der Erledigung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (BGH, Urteil vom 09.07.2009 – 5 StR 263/08, juris Rn. 46).
101
b) Der Angeklagte Z hat durch das Hinwegsetzen über das Verbot, Taxiunternehmerprüfungen abzunehmen, durch das Abhalten von Prüfungen ohne weitere Beisitzer und durch die unzulässige Unterstützung der Prüflinge in der Prüfungssituation seine Dienstpflichten verletzt. Die Besonderheit des Falles lag darin, dass er für diese konkreten Dienstleistungen, die er für das Bestechungsgeld erbracht hat, allerdings nicht mehr zuständig war. Auch wenn er für andere hoheitliche Aufgaben weiterhin zuständig blieb oder wurde, so war ihm seit der Untersagung durch den Zeugen S, die in den GVP´s seit 2010 auch materiell dokumentiert war, gerade die Abnahme und Bewertung von Taxiunternehmerprüfungen nicht mehr zugewiesen. Das führt aber nicht zur Straflosigkeit des Angeklagten. Denn eine pflichtwidrige Handlung i.S.d. § 332 StGB begeht nicht nur, wer eine Tätigkeit vornimmt, die an sich in den Kreis seiner Amtspflichten fällt, sondern auch, wer seine amtliche Stellung dazu missbraucht, eine durch die Dienstvorschriften verbotene Handlung vorzunehmen, die ihm gerade seine amtliche Stellung ermöglicht. Ein solcher Missbrauch ist keine Privattätigkeit, sondern eine pflichtwidrige Amtshandlung (BGH, Urteil vom 22.06.2000 – 5 StR 268/99, juris Rn. 24; Urteil vom 28.10.1986 – 5 StR 244/86, NJW 1987, 1340, 1341; Urteil vom 04.03.1981 – 2 StR 734/80, juris Rn. 7). Die fehlende Zuständigkeit ist insoweit unerheblich (vgl. schon BGH, Urteil vom 13.11.1951 – 1 StR 89/51, NJW 1952, 191; RG, Urteil vom 04.06.1917 – I 159/17, RGSt 51, 113, 116; RG, Urteil vom 11.03.1937 – 3 D 109/37, RGSt 71, 106, 107). So lagen die Dinge hier. Der Angeklagte hat seine Stellung innerhalb des Verkehrsreferats der IHK und den damit eröffneten Zugriff auf das Prüfungswesen dazu missbraucht, auch jenseits seiner Zuständigkeit in das Prüfungsgeschehen einzugreifen.
102
c) Der Angeklagte Z hat in allen 17 Fällen einen Vorteil dafür angenommen, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde. Sieht man den Vorteil in der Annahme von Bargeld, war der zeitliche Blickwinkel unterschiedlich. Mal mag er das Geld vor, mal nach der durchgeführten Prüfung genommen haben, wobei die Verknüpfung der Unrechtsvereinbarung („dafür, dass“) stets gegeben war. Sieht man den Vorteil bereits in der vor jeder Prüfung gemachten Zusage der Prüflinge, Geld für Zs Hilfe zahlen zu wollen, die dem Angeklagten unmittelbar (im Fall der N. Prüflinge) oder vermittelt (bei den B. Prüflingen über die Mittelsmänner) mitgeteilt worden ist, so läge hierin jeweils ein Sich-Versprechen-Lassen (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 331 Rn. 19), das der Angeklagte mit der Durchführung der Prüfung in einem Sonderprüfungstermin dann zumindest konkludent angenommen hat.
103
Konkurrenztechnisch fasste die Kammer diese unterschiedliche „Entwicklungsstufen“ der einzelnen Bestechungstaten im Sinne der tatbestandlichen Handlungseinheit zu je einer Tat zusammen. Grundsätzlich sind die einzelnen Tathandlungen selbständig zu werten. Ist die Unrechtsvereinbarung jedoch dergestalt gefasst, dass eine bestimmte Gegenleistung dafür gefordert oder versprochen wird, dass der Bestochene eine bestimmte Leistung (hier: Hilfe bei der Prüfung und Bestehenlassen bei der Prüfung) erbringt oder erbracht hat, begründet die Annahme der Gegenleistung keine neue selbständige Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 31.03.2011 – 4 StR 657/10, juris Rn. 8; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 331 Rn. 39 m.w.N.). So lagen die Dinge hier. In den B. Fällen wurde die Ankunft neuer Prüflinge dem Angeklagten Z jeweils angekündigt, worin zumindest das konkludente Versprechen des Ankündigenden lag, er bekomme für seine Prüfungshilfe Geld. Das Geld hat der Angeklagte Z dann (irgendwann, wohl später) erhalten. Versprechen und Annahme des Geldes waren mithin immer konkret miteinander verknüpft. Gleiches gilt in den N. Fällen, wenn ein Prüfungskandidat sich zunächst mit Z auf eine entgeltliche Prüfung mit Hilfestellung einigte und später dafür zahlte.
104
2. Weiterhin ist der Angeklagte Z der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO) in zwei Fällen schuldig. Die vereinnahmten Bestechungsgelder von je 22.500 € in den Jahren 2017 und 2018 stellten Einnahmen aus sonstigen Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG dar (BFH, Urteil vom 16.06.2015 – IX R 26/14, juris Rn. 11 m.w.N.), die in den Erklärungen zur Einkommensteuer anzugeben waren.
3. Der Angeklagte J ist nach den getroffenen Feststellungen schuldig der Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei Fällen, indem er dem Angeklagten Z in Kenntnis der Umstände zwei namentlich bekannte Prüflinge zuführte.
105
a) Den Strafrahmen für alle 17 Fälle der Bestechlichkeit hat die Kammer jeweils § 335 Abs. 1 Nr. 1 StGB entnommen.
106
aa) Entgegen der Argumentation der Verteidigung vermochte die Kammer in keinem der Fälle lediglich minder schwere Fälle i.S.d. § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB zu erkennen. Die jeweils vorgenommene Gesamtwürdigung hat in keinem der Fälle ein beträchtliches Überwiegen der mildernden Faktoren ergeben (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 46 Rn. 85). Die kriminelle Energie des Angeklagten war erheblich. Er hat sich über einen längeren Zeitraum wiederholt bestechen lassen, wobei die (mindestens) vereinnahmte Bestechungssumme in zwei Jahren insgesamt 45.000 € betrug. Demgegenüber erfolgte das zweitinstanzlich abgegebene Geständnis „scheibenweise“ und an den erreichten Stand der Beweisaufnahme angepasst. Die Kammer wertete es eher als taktisch und nicht als Ausdruck echter Schuldeinsicht (wobei dies nicht zulasten des Angeklagten gewertet wurde, sondern nur den Wert des ihm mildernd zugerechneten Geständnisses herabsetzte). Weiterhin hat der Angeklagte auf die Rückzahlung der von der Staatsanwaltschaft bei ihm arrestierten Gelder i.H.v. 17.000 € verzichtet. Der Wert dieser „Schadenswiedergutmachung“ war in den Augen der Kammer eher als symbolisch zu werten, denn das Geld war ohnehin arrestiert und wurde in übersteigender Höhe im hiesigen Urteil eingezogen. Weiterhin hat die Kammer gesehen, dass der Angeklagte infolge der hiesigen Strafverfolgung seit längerer Zeit Schwierigkeiten im Berufsleben hat – neben der Kündigung bei der IHK verlor er wegen des schwebenden Ermittlungs- und Strafverfahrens wiederholt seine Arbeitsstelle (vgl. oben II.1). Die Berücksichtigung dieser Punkte führt aber nicht dazu, dass hier minder schwere Fälle angenommen werden könnten.
107
Ebenso wenig konnte der minder schwere Fall jeweils durch den Einsatz eines vertypten Milderungsgrundes (zur Reihenfolge bei der Strafrahmenwahl vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 50 Rn. 3) begründet werden. Denn entgegen den Erwägungen der Verteidigung war § 46a mit § 49 Abs. 1 StGB im Hinblick auf den erklärten Verzicht auf 17.000 € nicht einschlägig. Der Straftatbestand des § 332 StGB schützt die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diese Lauterkeit (BGH, Urteil vom 28.10.1986 – 5 StR 244/86, juris Rn. 14 m.w.N.). Über ein solches Gemeinschaftsrechtsgut kann der persönlich Geschädigte nicht verfügen; solche „opferlosen“ Delikte sind einem Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46a Nr. 1 StGB mithin nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – 1 StR 460/21, juris Rn. 15 zu § 299 StGB). Aus § 46a Nr. 2 StGB folgt nichts anderes. So war der Angeklagte Z nach § 687 Abs. 2 Satz 1, § 681 Satz 2, § 667 BGB der IHK zur Herausgabe sämtlicher vereinnahmter Bestechungsgelder verpflichtet (vgl. BAG, Urteil vom 25.02.2021 – 8 AZR 171/19, juris Rn. 81 f.). Hier hat er mindestens 45.000 € von den Prüflingen an Bestechungsgeldern erhalten. Mit dem Verzicht auf die Rückgabe eines Teils davon, nämlich von 17.000 €, wurde keine erhebliche persönliche Leistung oder kein erheblicher persönlicher Verzicht erbracht, denn das Geld war ohnehin schon arrestiert und wurde eingezogen. Zudem ging es auch hier nicht um die Entschädigung eines individuellen Opfers, sondern um die Verletzung eines Gemeinschaftsrechtsguts (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2022 – 1 StR 460/21, juris Rn. 18). Schlussendlich konnte die Kammer – das sei nur hilfsweise angemerkt – auch keinen für einen Täter-Opfer-Ausgleich erforderlichen kommunikativen Prozess zwischen Angeklagtem und IHK feststellen, wenn man in der IHK die Geschädigte der Bestechungsdelikte sähe. Ausweislich der Aussage des Zeugen Bu führt die IHK aktuell gegen den Angeklagten Z (und gegen den Zeugen B) vor dem Arbeitsgericht N. einen Prozess auf Erstattung der IHKinternen Rechtsverfolgungs- und Aufarbeitungskosten im Zusammenhang mit den Bestechungshandlungen. Die IHK habe eine Rechtsanwaltskanzlei damit beauftragt und letztlich die Rücknahme sämtlicher erteilter Taxiunternehmergenehmigungen erwirkt, die auf durch den Angeklagten Z mutmaßlich manipulierten Prüfungen beruht hätten. Dies habe auch die Führung von Prozessen vor Verwaltungsgerichten beinhaltet. Es seien hierfür Kosten von insgesamt rund 380.000 € angefallen (das ist auch der mittelbare materielle Schaden der IHK). Die Fronten zwischen den Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses – der im Hinblick auf hiesigen Strafprozess aktuell ruht – seien verhärtet. Für ein offenes und auf Ausgleich bedachtes Aufeinanderzugehen hat die Kammer keine Anhaltspunkte gewonnen (vgl. demgegenüber etwa BGH, Beschluss vom 17.12.2008 – 1 StR 664/08, juris Rn. 5 f.). Nach alldem sähe die Kammer auch auf der Rechtsfolgenseite des § 46a StGB keinen Anlass, von einer Strafrahmenverschiebung Gebrauch zu machen, wären die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben.
108
bb) Die Kammer vermochte sich der Auffassung der Verteidigung des Angeklagten Z nicht anzuschließen, es hätte – wenn nicht schon ein minder schwerer Fall angenommen werde – bei dem Strafrahmen des § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB zu verbleiben und der besonders schwere Fall gem. § 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a StGB sei abzulehnen. Die Indizwirkung des Regelfalles gem. § 335 Abs. 2 Nr. 3 Var. 1 StGB lag in allen 17 Fällen vor, weil der Angeklagte Z stets gewerbsmäßig, also in der Absicht handelte, sich durch seine Prüfungsschiebungen eine dauerhafte und nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Er erhielt im Laufe der Jahre 2017 und 2018 sukzessive insgesamt 45.000 € an Bestechungsgeldern und beteiligte sich über die Zeit an einem netzwerkartigen Korruptionssystem mit Vermittlern in B., um dauerhaft Profit daraus zu ziehen (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 300 Rn. 5). Die soeben unter aa) genannten Umstände führten nach Wertung der Kammer nicht dazu, die indizierte Regelwirkung zu verneinen. Jeder einzelne Fall der Bestechung wich nach dem Gesamtbild von Tat und Begleitumständen nicht signifikant nach unten vom Regelfall ab.
109
Ein Absehen von der Indizwirkung des Regelfalles war auch nicht daraus gerechtfertigt, dass die IHK dem Angeklagten Z die Bestechlichkeit – worauf die Verteidigung insistierte – besonders leicht gemacht hätte. Zutreffend ist allerdings, dass eine wirksame Kontrolle der Tätigkeiten des Angeklagten Z in der IHK nicht stattfand, sodass keine wesentlichen objektiven Hemmnisse oder Vorkehrungen die Begehung der abgeurteilten Taten hinderten. Die Kammer vermochte diesem Gesichtspunkt allerdings kein großes Gewicht zugunsten des Angeklagten beizumessen. Ihm stand die hohe kriminelle Energie des Angeklagten gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 14.08.2002 – 1 StR 286/02, juris).
110
Gleiches gilt für das damit zusammenhängende Argument des Verteidigers und des Angeklagten selbst, in der IHK sei allgemein bekannt gewesen, dass Z prüfe, denn die Sonderprüfungstermine hätten in Räumen der IHK stattgefunden, die Prüfungsgebühren seien verbeschieden und verbucht worden. Das ist in gewisser Weise richtig, wenn es auch Ausnahmen gegeben haben mag, wie etwa beim Zeugen A., der vom Angeklagten Z ab 16.00 Uhr, also nach Büroschluss, allein geprüft wurde, sodass die Kammer nicht davon ausgeht, diese Prüfung wäre jemandem in der IHK aufgefallen. Das Wissen war in der IHK aber zerstückelt – so wertet die Kammer das Ergebnis der Beweisaufnahme –, sodass niemand das gesamte Bild zusammengesetzt hätte. Die Führungsspitze, die Zeugen L und Bu, wusste – für die Kammer glaubhaft (dazu sogleich) – nicht, dass der Angeklagte prüft (und erst recht nicht, dass er sich dabei bestechen lässt). Die Buchhaltung der IHK verbuchte die Gebühren; deren gestiegener Umfang wurde von der Führungsspitze nach deren Aussage ebenso wenig registriert. Der Vorgesetzte S hat sich mit Hinweis auf das Vertrauen zu seinen Untergebenen einem kritischen Hinsehen von vornherein verschlossen. Aushänge am Eingang, die auf Prüfungstermine hingewiesen haben, wurden von den daran vorbeigehenden IHK-Mitarbeitern jedenfalls nicht so aufgenommen, dass dies einen kritischen Denkprozess oder konkrete Handlungen ausgelöst hätte.
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Die Führungsspitze der IHK hat, so ist die Kammer überzeugt, erst im Spätsommer 2018 explizite Hinweise auf Unregelmäßigkeiten erhalten und so die Problematik erstmals bewusst wahrgenommen. Der Zeuge Bu berichtete, er habe am 30.08.2018 die Anzeige eines Hinweisgebers erhalten, wonach es Unregelmäßigkeiten bei den Prüfungen gebe; ein Prüfer sei bei der Taxiunternehmerprüfung bestochen worden. Dem sei man in der Folgezeit unter Mitwirkung der Anwaltskanzlei Baker Tilly bei einer internen Ermittlung nachgegangen. Weil man von dem Hinweisgeber erfahren habe, dass am 08.10.2018 ein weiterer Sonderprüfungstermin des Angeklagten Z anstehe, habe man sich – d.h. die Zeugen L, Bu, S und der Personalreferent der IHK, Fi – entschlossen, an diesem Tag unangemeldet in der Prüfung zu erscheinen. Das hätten sie dann umgesetzt. Z sei in einer Prüfungssituation angetroffen worden. L habe ihn an Ort und Stelle fristlos gekündigt. Das hat der Zeuge L durch eine gleichsinnige Aussage bestätigt und zudem berichtet, er habe den Zeugen B am 08.10.2018 in die IHK einbestellt und befragt. B habe zugegeben, dass Z prüfe. Es sei ein Fehler gewesen, dass er, B, Z´s Prüfungsprotokolle mitunterschrieben habe. Grund dafür sei eine falsche Kollegialität gewesen. Den zeitlichen Ablauf bestätigte der Zeuge KHK R. Danach habe die IHK im Oktober 2018 den Sachverhalt bei der Staatsanwaltschaft N.-F. angezeigt und ihr die bei den internen Ermittlungen gesammelten Unterlagen übergeben, die die Abläufe belegten, wie von Bu und L dargelegt. Die Sache sei dann Ende 2018 an die Kriminalpolizei zur Durchführung der Ermittlungen weitergegeben worden Der Behauptung der Verteidigung „es sei in der IHK allgemein bekannt gewesen“ kann die Kammer nach alldem für die Zeit vor dem 30.08.2018 nur insoweit beitreten, dass man formuliert „es hätte in der IHK allgemein bekannt sein können“. Der späteste Prüfungstermin, der hier abgeurteilt wurde, fand indes am 27.08.2018 statt (Fall q).
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b) Für die beiden Fälle der Steuerhinterziehung war jeweils der Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO heranzuziehen.
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c) Bei der Strafzumessung im engeren Sinne waren für die Kammer folgende Erwägungen maßgeblich:
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Zunächst wird auf die schon oben unter a) erörterten Gesichtspunkte verwiesen, die in die Abwägung einflossen.
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(1) Für den Angeklagten sprach insbesondere sein Geständnis. Dem hat die Kammer Gewicht beigemessen, wiewohl zu bemerken war, dass der Wert eines frühzeitigen Geständnisses, das umstandslos und umfassend abgegeben worden wäre, entsprechend höher hätte veranschlagt werden können. Zugute gehalten hat die Kammer dem Angeklagten in diesem Zusammenhang, dass er zugab, aus den Bestechungen insgesamt 45.000 € in zwei Jahren vereinnahmt zu haben. Damit hat er – auch wenn er die konkreten Fälle nicht identifiziert hat – zugegeben, in größerem Umfang bestechlich gewesen zu sein als bei den individualisierten 17 Taten, die ihm die Anklage vorwarf. Weiterhin ist der Angeklagte nicht vorbestraft. Er hat zudem durch den Verzicht auf 17.000 € ein Zeichen guten Willens gesetzt, den Schaden wiedergutzumachen, soweit das bei einem opferlosen Delikt möglich ist. Unter dem Gesichtspunkt der Wiedergutmachung maß die Kammer allerdings dem Geständnis größeren Wert als dem Verzicht auf das Geld bei, weil ihr das Bekenntnis, sich strafbar gemacht zu haben, geeigneter schien, das erschütterte Vertrauen in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung wieder zu bestärken. Zugunsten des Angeklagten wurde auch bedacht, das Fehlen einer wirksamen Kontrolle ihm die Taten jedenfalls erleichtert hat.
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Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer schließlich berücksichtigt, dass er infolge seiner Taten erhebliche außerstrafrechtlichen Folgen – wenn auch selbst verschuldet – zu spüren bekommen hat: den Verlust des Arbeitsplatzes, den er fast drei Jahrzehnte innehatte und des damit verbundenen Prestiges (er war „Mister Taxi“) und der sozialen Sicherheit sowie die mit dem Ermittlungsverfahren zusammenhängenden Schwierigkeiten, erneut beruflich Fuß zu fassen, wie er der Kammer im Rahmen der Schilderung seiner persönlichen Verhältnisse geschildert hat.
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(2) Gegen den Angeklagten sprach allerdings, wie bereits ausgeführt, seine erhebliche kriminelle Energie: Er hat über einen längeren Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen gehandelt und mit den weiteren Beteiligten (Te, E, J, Se u.a.) ein kriminelles Netzwerk gebildet. Die Höhe der vom Angeklagten insgesamt erlangten Bestechungsgelder war erheblich. Durch sein fortgesetztes Tun hat er auch einen großen Rückabwicklungsaufwand – und damit einen materiellen Schaden von rund 380.000 € – bei der IHK verursacht und billigend in Kauf genommen. Denn es war dem Angeklagten allein schon wegen der großen Zahl der Prüflinge klar, dass seine Tätigkeit im N. und B. Taximilieu mindestens ein offenes Geheimnis, eher aber allgemeiner Gesprächsstoff war. So hat beispielsweise der Zeuge A. mitgeteilt, Z habe, als A. bei ihm in der IHK erschienen sei, weil er die Prüfung allein nicht schaffe, gefragt, woher er das wisse. Darauf habe A. geantwortet, er wisse es vom Taxiplatz. Damit war es nur eine Frage der Zeit, bis die Kunde davon auch zu den IHK-Verantwortlichen oder zur Polizei dringt. So hat der Zeuge KHK R berichtet, er habe im Ermittlungsverfahren die Zeugen Ba vom Taxiverband … und Zi, Vorstand der Taxizentrale …, vernommen. Ba habe berichtet, es sei ihm von Taxiunternehmern oder Fahrern zugetragen worden, dass es da nicht mit rechten Dingen zugehe. Es seien zunehmend neue Taxifahrer aufgetaucht, die kein Wort deutsch sprächen und man frage sich, wie die eigentlich ihre Lizenzen erhalten hätten. Zi habe gesagt, er sei im Juli 2018 von einem Taxiunternehmer angesprochen worden, dass mit den IHK-Prüfungsbescheinigungen etwas nicht stimme. Zi selbst habe da auch schon den Eindruck gehabt, dass in letzter Zeit Personen Taxiunternehmer würden, denen man das eigentlich nicht zutraue. Klar war dem Angeklagten Z als erfahrenem Prüfer weiter, dass die von ihm ausgestellten Prüfungszertifikate keinen rechtlichen Bestand haben würden, wenn die Manipulationen herauskämen, und er nahm dies billigend hin. So kam es denn auch. Rund 200 Taxiunternehmergenehmigungen wurden – so die Zeugen L und Bu – wieder wegen des Verdachts der Manipulation der Prüfungen zurückgenommen, teilweise mussten deshalb Verwaltungsgerichtsprozesse geführt werden.
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Zugunsten des Angeklagten sprach auch insoweit das Geständnis und die fehlenden Vorstrafen. Zu seinen Lasten sprach die Höhe der hinterzogenen Steuern.
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Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte und des zeitlichen, räumlichen und situativen Zusammenhangs der Bestechlichkeitsdelikte hielt die Kammer die Verhängung folgender Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
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Für jeden Fall der Bestechlichkeit hielt die Kammer Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und drei Monaten für tat- und schuldangemessen, wobei sie diese – bei jeweils identischen Strafrahmen, einer gleichartigen Motivation und einem gleichartigen modus operandi – nach der Höhe der jeweiligen Bestechungsgelder nicht weiter differenzierte. Es war aus Sicht der Kammer unerheblich, ob der gewährte Geldvorteil im Einzelfall 1.000 € oder nur 500 € betrug. Maßgeblich war für die Kammer die Größenordnung des Vorteils im zumindest mittleren dreistelligen Bereich. Die bei der Strafzumessung bewertete kriminelle Energie sah die Kammer in allen Fällen der fortgesetzten Tatbegehung (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2017 – 1 StR 606/16, juris Rn. 19) als gleichgewichtig an. Insgesamt bewegte sich die Höhe der einzelnen Freiheitsstrafen ohnehin am untersten Rand des jeweils eröffneten Strafrahmens, womit die Kammer auch jeweils zugunsten des Angeklagten abgegolten hat, dass die abgeurteilten Taten bereits länger zurückliegen und das Verfahren den Angeklagten seit Ende 2018 belastet.
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Für jeden Fall der Steuerhinterziehung setzte die Kammer eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 40 €, wobei sich die Tagessatzhöhe aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten ergab.
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d) Gemäß den §§ 53, 54 StGB hat die Kammer diese Einzelstrafen unter Erhöhung der höchsten Einzelstrafe nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und unter Berücksichtigung des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs auf eine tat- und schuldangemessene Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten
zurückgeführt. Die für die Steuerhinterziehungen verhängten beiden Geldstrafen waren im Vergleich zu den Freiheitsstrafen unerheblich und wirkten sich nach Wertung der Kammer auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe nicht zählbar aus. Die Verhängung einer Strafe im bewährungsfähigen Bereich, die auch ausgesetzt wird – wie von der Verteidigung gefordert – hätte nach der Wertung der Kammer den Bereich des schuldangemessenen Strafens verlassen.
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e) Die Kammer hat es nach Lage der Dinge als angemessen erachtet, dem Angeklagten die Amtsfähigkeit und Wählbarkeit für die Dauer von fünf Jahren abzuerkennen (§ 358, § 45 Abs. 2 StGB). Dabei hat die Kammer die bereits im Rahmen der Strafzumessung erörterten Gesichtspunkte erwogen und bedacht, ob und inwieweit dem Angeklagten angesichts seiner Taten öffentliche Funktionen anvertraut werden können (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 45 Rn. 9). Dauer und Umfang der Bestechlichkeit haben indes gezeigt, dass der Angeklagte fortgesetzt willens war, den eigenen Vorteil vor die Integrität der Verwaltung zu stellen und so das Vertrauen in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung deutlich und nachhaltig erschüttert. Es wäre aus Sicht der Kammer daher nicht zu rechtfertigen, ihm in absehbarer Zeit die Möglichkeit zu eröffnen, sich erneut an der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit oder an der Partizipation daran zu versuchen. Daher hielt die Kammer auch die fünfjährige Frist für gerechtfertigt.
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a) Den Strafrahmen hat die Kammer, wie beim Angeklagten Z, im Ausgangspunkt § 335 Abs. 1 Nr. 1 entnommen. Das diesen Strafrahmen im Vergleich zu § 332 Abs. 1 StGB schärfende persönliche Merkmal der Gewerbsmäßigkeit (BGH, Beschluss vom 26.02.2014 – 4 StR 584/13, juris Rn. 13) des Angeklagten Z lag auch beim Angeklagten J vor (§ 28 Abs. 2 StGB). Die Abwägung der zugunsten und zulasten des Angeklagten J sprechenden Gesichtspunkte (dazu nachfolgend unter b) hat nach Wertung der Kammer nicht dazu geführt, von der Indizwirkung des Regelbeispiels Abstand zu nehmen.
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Der Strafrahmen war allerdings doppelt zu mildern, gemäß § 27 Abs. 2 mit § 49 Abs. 1 StGB, weil der Angeklagte als Gehilfe tätig war und gemäß § 28 Abs. 1 mit § 49 Abs. 1 StGB, weil J das besondere persönliche Merkmal der Amtsträgereigenschaft (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 28 Rn. 5) fehlte. Die Kammer teilte dabei nicht die Wertung der Staatsanwaltschaft, dass sich J´s Gehilfenstellung allein aus dem Fehlen der Amtsträgereigenschaft ergab, was zur Folge gehabt hätte, dass lediglich eine Strafrahmenmilderung zum Zuge gekommen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – 1 StR 423/17, juris Rn. 8). Nach dem Gesamtbild seiner Tatbeteiligung steuerte der Angeklagte J das tatbestandliche Geschehen nicht, sondern war nach der Art eines freien Maklers oder Agenten dafür zuständig, den Kontakt zwischen Bestechendem und Bestochenem herzustellen und Hilfsdienste für die Abwicklung der Unrechtsvereinbarung zu leisten. Das wertet die Kammer nicht als Mittäterschaft bei den Korruptionsdelikten, sondern als Gehilfentätigkeit, die allerdings erhebliches praktisches Gewicht hatte.
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b) Bei der Strafzumessung im engeren Sinne waren für die Kammer folgende Erwägungen maßgeblich:
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Zu Gunsten des Angeklagten sprach, dass er im Grundsatz geständig war und – anders als noch in der ersten Instanz – wegen der zwischenzeitlichen Tilgung einer Vorstrafe aus dem Bundeszentralregister als nicht vorbestraft gilt.
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Gegen ihn sprach allerdings die erhebliche kriminelle Energie, die – überschießend im subjektiven Bereich – auf die Begehung weiterer, hier nicht angeklagter Straftaten gerichtet war. So belegten die proaktive Kundenakquise des Angeklagten J und die Aussage des Zeugen Se zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte größer ins kriminelle Geschäft einsteigen wollte. Das Gewicht der Beihlifehandlungen wertete die Kammer hoch, weil erst J´s Maklerdienste die Bestechungstaten ermöglichten.
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Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hielt die Kammer für jeden Fall der Beihilfe zur Bestechlichkeit die Verhängung von Freiheitsstrafen von je acht Monaten für tat- und schuldangemessen.
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c) Bei der gem. §§ 53, 54 StGB zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe waren die oben genannten Umstände und das Gesamtbild der Taten und der Person des Angeklagten in die Gesamtabwägung einzustellen. Die Kammer hielt danach eine Gesamtfreiheitsstrafe von
für tat- und schuldangemessen.
131
d) Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach der Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten J liegt eine positiven Sozialprognose vor (§ 56 Abs. 1 StGB). Er ist nicht vorbestraft und war in der Berufungsverhandlung, wie auch grundsätzlich schon vor dem Amtsgericht geständig. Er lebt mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in einer stabilen Beziehung; beide gehen trotz laufenden Insolvenzverfahrens einer Erwerbstätigkeit nach und tragen so zum Familienunterhalt bei. So ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Angeklagte in Zukunft ein straffreies Leben führen wird.
132
Die Verteidigung der Rechtsordnung (§ 56 Abs. 3 StGB) gebot nicht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Dieser Bewährungsausschluss setzte voraus, dass schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles es für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich erscheinen lassen müssten, würde die Strafe nicht vollstreckt (vgl. BayObLG, Urteil vom 03.07.2003 – 5St RR 95/03, juris Rn. 45; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 56 Rn. 14). Das konnte und wollte die Kammer bei nur zwei abgeurteilten Beihilfe-Taten eines nicht Vorbestraften, die zudem schon lange zurückliegen, nicht annehmen.
133
Aufgrund der Gesamtumstände, insbesondere der langen Verfahrensdauer sowie der beengten wirtschaftlichen Situation des Angeklagten, hielt die Kammer es nicht für erforderlich, eingriffsintensive oder belastende Bewährungsauflagen zu verhängen.
Einziehungsentscheidungen
134
Der Angeklagte Z hat für seine rechtswidrige Prüfertätigkeit bei der IHK in den Jahren 2017 und 2018 zumindest 45.000 € in bar an Bestechungsgeldern erhalten, die einzuziehen waren.
135
a) Hiervon stammen 15.800 € aus den 17 hier abgeurteilten Fällen: 9.500 € von den B. Prüflingen, 6.300 € von den N. Kandidaten (oben III.2. b und c). Sie unterliegen, weil der Angeklagte sie für (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 331 Rn. 37a) die rechtswidrige Tat erlangt hat, gem. § 73 Abs. 1 StGB der Einziehung. Den darüber hinaus gehenden Betrag von 29.200 € hat der Angeklagte Z eingestandenermaßen aus weiteren, nicht näher benannten und aufgeklärten Bestechungen für seine „Prüfungshilfe“ erhalten. Dass zumindest dieser Betrag für die Taten erlangt wurde, steht für die Kammer zweifelsfrei fest. Dafür spricht neben dem Geständnis des Angeklagten die Beweisaufnahme, wie oben (IV.2.d) geschildert. Die Annahme, dass er dabei insgesamt nur 45.000 € erhalten habe, wie von ihm selbst eingeräumt, stellt danach eine Mindestschätzung der Kammer dar. Da aber die verbleibenden 29.200 € einzelnen Fällen nicht zugeordnet werden können, jedoch sicher aus Bestechungen stammten, hatte die Einziehung insoweit in § 73a Abs. 1 StGB ihre Grundlage.
136
b) Weil dieses Geld nicht mehr in Natur vorhanden war, war jeweils der Wertersatz einzuziehen (§ 73c StGB).
137
c) Die Höhe des Einziehungsbetrags war nicht gem. § 73e Abs. 1 StGB um 17.000 € zu mindern. In dieser Höhe hat der Angeklagte Z erklärt, auf die Herausgabe seines arrestierten Geldes zu verzichten. Der Betrag solle für die Schadenswiedergutmachung herangezogen werden. Allein damit ist aber eine die Einziehungsentscheidung ausschließende Erfüllung (i.S.v. § 362 BGB) etwaiger Geschädigtenansprüche noch nicht bewirkt worden.
138
Beim Angeklagten J waren 24.000 € einzuziehen. Er hat von den Zeugen MZ und AA jeweils 5.000 € in bar erhalten, mithin erlangt (§ 73 Abs. 1 StGB). Beide Zeugen sagten darüber hinaus – für die Kammer glaubhaft – aus, dass jeweils zwei andere Prüfungsaspiranten mitanwesend gewesen seien und auch jeweils 5.000 € an J übergeben hätten, sodass weitere 20.000 € (an sich) der Einziehung unterliegen (§ 73a Abs. 1 StGB).
139
a) Ein Vermögenswert ist für die Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können. Unerheblich ist bei der faktischen Betrachtungsweise, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit) Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (BGH, Beschluss vom 09.08.2023 – 3 StR 1/23, juris Rn. 3).
140
Beim Angeklagten J lag kein einziehungsschädlicher sog. transitorischer Besitz vor. Solchen hat der Bundesgerichtshof paradigmatisch angenommen, wenn ein weisungsgebundener Abholer die Tatbeute zwar allein in der Hand hält, diese aber nur kurzzeitig und auftragsgemäß transportiert, sodass der Hintermann weiterhin – etwa über ein Mobiltelefon steuernd – die tatsächliche Verfügungsgewalt hierüber hat (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2023 – 2 StR 369/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 09.08.2023 – 3 StR 1/23, juris Rn. 3; Urteil vom 15.07.2020 – 2 StR 46/20, juris Rn. 16; Urteil vom 01.06.2022 – 1 StR 421/21, juris Rn. 31). Der Angeklagte J hat angegeben, die jeweils in N. vereinnahmten Gelder später in B. an Te übergeben zu haben. Transitorischer Besitz Js im Hinblick auf eine Verfügungsgewalt des Angeklagten Z lag danach nicht vor. Denn woran es zur Überzeugung der Kammer in beiden Fällen fehlte, das war eine irgendgeartete Steuerungsmöglichkeit Zs gegenüber dem Angeklagten J, die den Schluss zugelassen hätte, dass Z eine Mitverfügungsmacht über das Bargeld zugekommen wäre. Z und J waren nicht im Sinne einer Bandenabrede mit einer Organisations- und Weisungsstruktur verbunden, sondern eher als lose, netzwerkartig verbandelte Unternehmer in eigener Sache. Daraus folgt zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte J – solange er das Bargeld in N. den Händen hielt – solange auch die alleinige Verfügungsgewalt darüber hatte.
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Gleichläufig ist die Kammer überzeugt, dass J zu den weiteren Personen in B. (Te, E), zu denen er keine weiteren Angaben machen konnte, ebenfalls in einem eher losen Verhältnis stand – man kennt sich, man vermittelt sich etwas – und nicht aufgrund einer hierarchischen Bandenstruktur sondern aufgrund einer eingespielten Übung mit ihnen interagierte. Eine so straffe Führung J´s durch Te, dass Te einen wirksamen Zugriff auf den in N. alleine agierenden Angeklagten J gehabt und dass deshalb auch insoweit lediglich transitorischer Besitz bei J vorgelegen hätte, vermochte die Kammer hier nicht zu erkennen.
142
b) Die Einziehung von 30.000 € in voller Höhe scheitert aber daran, dass die entsprechende Berufung der Staatsanwaltschaft auf eine Einziehung von „weiteren 16.000 €“ beschränkt war (insgesamt also 24.000 €, da 8.000 € erstinstanzlich bereits eingezogen wurden). Die Staatsanwaltschaft hatte – nachdem sie in der Anklage nur eine Einziehung von 8.000 € angestrebt hatte – erstinstanzlich auf die Einziehung von 24.000 € plädiert. Das wollte sie in der Berufung weiterhin erreichen. Darin lag eine wirksame Berufungsbeschränkung. Die Berufung kann grundsätzlich auf die Frage der Einziehung beschränkt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 318 Rn. 22a m.w.N.). Die Kammer sieht keinen Grund, warum eine weitergehende Beschränkung der Berufung auf die Einziehung in einer bestimmten Höhe nicht möglich sein sollte; ein in der Höhe nach oben eingegrenzter Betrag kann isoliert vom übrigen Urteilsinhalt beurteilt werden, ist mithin vom Rest trennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2019 – 5 StR 206/19, juris Rn. 17).
143
c) Weil die 24.000 € nicht mehr in Natur vorhanden waren, war der Wertersatz einzuziehen (§ 73c StGB).
144
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.