Titel:
Pauschalierte Aufwandsentschädigung für freigestelltes Betriebsratsmitglied
Normenketten:
BetrVG § 37 Abs. 2, § 78 S. 2
Manteltarifvertrag für "Die Autobahn GmbH des Bundes" (MTV) § 20 Abs. 7
BGB § 611
Leitsätze:
1. Einem Betriebsratsmitglied steht eine im Rahmen seiner Arbeitsleistung gezahlte pauschalierte Aufwendungsentschädigung als Entgelt im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG zu, wenn diese Aufwendungen durch die Betriebsratstätigkeit nicht wegfallen, sondern in gleicher Weise entstehen. (Rn. 31)
2. Nichtzulassungsbeschwerde wurde beim BAG am 20.02.2025 unter dem Az.: 7 AZN 116/25 eingelegt.
Die Nichtzahlung der Außendienstzulage nach § 20 Abs. 7 MTV an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied stellt eine verbotene Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds dar, wenn die Aufwendungen auch während der Betriebsratstätigkeit anfallen. Die Zahlung der Aufwandsentschädigung stellt demgegenüber keine unzulässige Begünstigung wegen der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied dar. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufwandsentschädigung, Außendienstzulage, Betriebsratsmitglied, Entgelt, Straßenwärter im Außendienst, Außendienstmitarbeiter, Benachteiligungsverbot
Vorinstanz:
ArbG Weiden, Endurteil vom 08.05.2024 – 3 Ca 680/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42884
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 08.05.2024, Az.: 3 Ca 680/23, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Bezahlung der Außendienstzulage nach § 20 Abs. 7 des Manteltarifvertrages für „Die Autobahn GmbH des Bundes“ (zukünftig MTV) für Tage auswärtiger Betriebsratstätigkeit.
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Der am ... 1974 geborene Kläger ist seit dem 01.12.1999 bei der Beklagten in Vollzeit in der Autobahnmeisterei zu einem Bruttomonatsverdienst von € 3.319,- beschäftigt. Der Einsatz des Klägers erfolgte als Straßenwärter im Außendienst. Er ist Betriebsratsmitglied.
3
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für „Die Autobahn GmbH des Bundes“ Anwendung.
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§ 20 Abs. 7 dieses MTV lautet:
„Beschäftigte im Außendienst des Straßenbetriebsdienstes haben zur pauschalen Entschädigung für Wege- und Zehrgeldansprüche pro Arbeitstag Anspruch auf eine Außendienstzulage bei einer Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsort von bis zu 30 km in Höhe von € 6,50 und von mehr als 30 km in Höhe von € 8,50.
Neben der Außendienstzulage wird Reisekostenentschädigung nicht gewährt.“
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Im Zeitraum vom 03.08.2022 bis 02.08.2023 war der Kläger an 42 Tagen an verschiedenen Orten auswärts seiner Betriebsratstätigkeit nachgegangen Bis auf den vertraglichen Arbeitsplatz in H-Stadt waren alle Orte mehr als 30 km vom Wohnort des Klägers entfernt.
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Ohne Betriebsratstätigkeit hätte der Kläger eine Außendienstzulage nach § 20 Abs. 7 MTV für diese Tage erhalten.
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Die Beklagte verweigerte dem Kläger für diese Tage die Gewährung der Außendienstzulage nach § 20 Abs. 7 MTV, die der Kläger mit Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 02.06.2023 geltend machen ließ. Der Kläger verfolgt diesen Anspruch mit der vorliegenden Klage vom 28.08.2023, der Beklagten am 06.09.2023 zugestellt, weiter.
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Der Kläger vertrat erstinstanzlich die Auffassung, dass ihm die Entschädigung auch für die Tage der Betriebsratstätigkeit zustehe. Die gegenständliche Zulage sei Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 2 BetrVG. Es handele sich um pauschaliertes Entgelt für Aufwand, und zwar für tatsächlich angefallene Aufwendungen, welche für ihn tatsächlich auch in seiner Tätigkeit als Betriebsrat angefallen seien. Da auch im Rahmen der Betriebsratstätigkeit tatsächliche Aufwendungen entstünden, sei im Hinblick darauf, dass ihm durch sein Ehrenamt als Betriebsrat als Gegenstück zur tatsächlichen Arbeit weder Vor- noch Nachteile finanzieller Art entstehen dürften, die vertragliche Spezialregelung anzuwenden. Ihm hätte vertraglich ein Arbeitsort von mehr als 30 km Entfernung zugewiesen werden können mit einer Pauschale von € 8,50. Dass dies bisher nicht praktiziert worden sei, ändere nichts an der rechtlichen Möglichkeit hierzu.
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Der Kläger beantragte daher erstinstanzlich,
die Beklagte zu verurteilten, an ihn € 357,- brutto zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagezustellung zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragte erstinstanzlich,
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Zur Begründung trug diese erstinstanzlich vor, dass der Anspruch nicht gegeben sei. Die Zulage könne nur im Rahmen seiner originären Tätigkeit als Straßenwärter im Außendienst, aber nicht im Falle der Betriebsratstätigkeit beansprucht werden, da es sich hier nicht um Außendienst im Rahmen des Straßenbetriebsdienstes handele. Der Anspruch lasse sich auch nicht aus § 37 Abs. 2 BetrVG ableiten, da die pauschale Entschädigung gem. § 20 Abs. 7 MTV kein Arbeitsentgelt i.S.d. § 37 Abs. 2 BetrVG sei. Damit gäbe es für den Antrag keine Rechtsgrundlage. Betriebsratsmitglieder hätten für Dienstreisen im Rahmen ihrer Gremiumstätigkeit nach der Reisekostenrichtlinie der Beklagten Anspruch auf Erstattung der notwendigen Reisekosten, was nach § 20 Abs. 7 MTV die Außendienstzulage ausschließen würde. Der Kläger hätte daher für seine mit der Klage geltend gemachten Betriebsrats-Außentermine Reisekosten abrechnen können. Auch der Höhe nach sei der Anspruch aber unberechtigt. Auch wenn die konkrete Tätigkeit des Klägers als Betriebsrat regelmäßig über 30 km i.S.d. § 20 MTV entfernt stattgefunden habe, könnte dies nicht zu der höheren Pauschale von € 8,50 führen, da er ansonsten einen untersagten finanziellen Vorteil gegenüber seiner eigentlichen Tätigkeit als Straßenwärter hätte, die grundsätzlich die Marke von 30 km nicht übersteige und damit nur die geringere Pauschale von € 6,50 pro Arbeitstag auslöse.
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Das Erstgericht hat die Klage für teilweise begründet erachtet, soweit der geltend gemachte Anspruch nicht gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 MTV verfallen sei. Zwar habe der Kläger gegen die Beklagte für die geltend gemachten Tage, an denen er auswärts Betriebsratstätigkeit verrichte und an denen er ansonsten im Außendienst des Straßenbetriebsdienstes mit Anspruch auf die entsprechende Zulage beschäftigt gewesen wäre, keinen Anspruch auf diese Außendienstzulage aus § 20 Abs. 7 MTV direkt, da er an diesen Tagen gerade keinen Straßenbetriebsdienst verrichtet habe. Der Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 37 Abs. 2 BetrVG, da es sich bei der gegenständlichen Pauschale um Aufwendungsersatz handele, der nicht zum Arbeitsentgelt i.S.d § 37 Abs. 2 BetrVG zähle. Die Einstufung der Pauschale als wirkliche Aufwandsentschädigung ergebe sich schon aus der Voraussetzung der tatsächlichen Arbeitsleistung im Außendienst für die Zahlung. Es sei auch naheliegend, dass beim Außendienst im Straßenbetriebsdienst typischerweise tatsächlich besondere Aufwendungen, z.B. für die auswärtige Verpflegung anfielen. Letztlich sei die Charakterisierung der Zulage als Aufwendungsersatz zwischen den Parteien nicht streitig.
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Da aber die gegenständliche Betriebsratstätigkeit auswärts – sogar noch weiter als beim Straßenbetriebsdienst entfernt – stattgefunden habe, seien die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses anfallenden Aufwendungen auch bei der Betriebsratstätigkeit angefallen. Ob dieser Aspekt zur unmittelbaren Anspruchsbegründung gern. § 37 Abs. 2 BetrVG führe, könne aber offenbleiben Der gegenständliche Anspruch begründe sich jedenfalls aus §§ 670, 675 BGB i.V.m. § 78 S. 2 BetrVG. Das Gericht gehe dabei von folgenden Grundsätzen aus, dass das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf den Ersatz von Aufwendung aufgrund der Betriebsratstätigkeit nach § 40 Abs. 1 BetrVG habe. Aber auch wenn es sich im Rahmen der Vergütung für die Arbeitsleistung lediglich um einen Ersatz besonderer Aufwendungen handele, entfalle der Anspruch nur dann, wenn die Aufwendungen infolge der durch die Betriebsratstätigkeit notwendigen Arbeitsversäumnis nicht entstanden seien. Das Betriebsratsmitglied müsse also wegen Erfüllung seiner Amtsobliegenheiten die Aufwendungen gespart haben, die es sonst im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses gemacht hätte. Die Rechtslage sei dagegen anders, wenn die Aufwendungen, die ein Betriebsratsmitglied im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mache, trotz der Betriebsratstätigkeit fortbestünden. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich hier aus dem allgemeinen Grundsatz, dass ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden dürfe. Einen tatsächlichen Aufwand habe der Kläger nicht nur im Rahmen seiner auswärtigen Arbeitstätigkeit, sondern auch bei seiner auswärtigen Betriebsratstätigkeit gehabt. Daher hätte ihm die Beklagte zur Vermeidung einer verbotenen Benachteiligung die Außendienstpauschale auch an den gegenständlichen Tagen auswärtiger Betriebsratstätigkeit fortzuzahlen. Sie habe wegen der Gleichstellung von Arbeits- und Betriebsratstätigkeit die im Betrieb geltende pauschalierte Aufwendungsersatzregelung des § 20 Abs. 7 MTV anzuwenden.
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Da die Betriebsratstätigkeit mehr als 30 km vom Wohnort des Klägers stattgefunden habe, gelte der erhöhte Satz von € 8,50 pro Betriebsratstag. Dass die Arbeitstätigkeit regelmäßig nur innerhalb des 30 km-Radius erbracht worden sei, spiele mit Blick auf die Gleichstellung von ehrenamtlicher im Verhältnis zur arbeitsvertraglicher Tätigkeit keine Rolle. Die Beklagte wende § 20 Abs. 7 MTV an, der bei Überschreiten des 30 km-Radius den erhöhten Satz vorsehe. Das habe dann zur Vermeidung einer Betriebsratsbenachteiligung bei – wie hier – tatsächlich auch zur Amtswahrnehmung anfallendem Aufwand eben entsprechend für die Betriebsratsarbeit zu gelten. Auf die Reisekostenrichtlinie oder andere interne Reisekostenregelungen müsse sich der Kläger angesichts § 20 Abs. 7 Satz 1 MTV nicht verweisen lassen, denn nach der maßgebenden Rechtsprechung des BAG dürften für die Bewertung von Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben aufwende, vom Arbeitgeber keine anderen Maßstäbe angewendet werden als für Reisezeiten, die dieser im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufwende. Da im Außendienst die pauschale Aufwandsentschädigung gem. § 20 Abs. 7 MTV und gerade keine Reisekostenentschädigung gezahlt werde, habe dies daher auch für auswärtige Betriebsratsarbeit zu gelten. Eine andere Handhabung stelle eine unerlaubte Betriebsratsbenachteiligung dar.
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Allerdings seien die Ansprüche für den Zeitraum bis einschließlich November 2022 – und damit in Höhe von 14 Tagen – gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 MTV verfallen. Dies ergebe einen Anspruch des Klägers in Höhe von € 238,- brutto.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 08.05.2024 ist der Beklagten am 11.06.2024 zugestellt worden. Die Berufungsschrift vom 11.07.2024 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, die Berufungsbegründungsschrift vom 28.08.2024 ist innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 12.09.2024 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen.
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Die Beklagte trägt in der Berufungsinstanz vor, dass das Erstgericht dem Kläger einen Anspruch auf eine pauschale Entschädigung nach § 20 Abs. 7 MTV zu Unrecht zugesprochen habe. Der Kläger habe einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit nach § 40 BetrVG i.V.m. § 36 MTV i.V.m. der bei ihr geltenden Reisekostenrichtlinie. Diesen Anspruch habe der Kläger jedoch nicht geltend gemacht.
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Hätte der Kläger einen Anspruch auf die Pauschale nach § 20 Abs. 7 MTV läge ein Verstoß gegen das Begünstigungsverbot vor. Unstreitig sei der Kläger im Rahmen seiner originären Tätigkeit als Straßenwärter nie an Einsatzorten gewesen, die mehr als 30 km von seinem Wohnort entfernt gewesen seien. Bei der Bewertung von Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Wahrnehmung von Betriebsaufgaben aufwende, dürften vom Arbeitgeber keine anderen Maßstäbe angewandt werden, als für Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Arbeitspflicht aufwende. Ein Anspruch auf Entschädigung nach § 20 Abs. 7 MTV stehe aber nur Außendienstmitarbeitern des Straßenbetriebsdienstes zu. Andere Arbeitnehmer hätten auf die Pauschale keinen Anspruch. Deren Reisekosten seien nach § 36 MTV i.V.m. der Reisekostenrichtlinie zu erstatten. Es würde eine ungerechtfertigte Besserstellung der Betriebsratsmitglieder darstellen, wenn diese für die im Zusammenhang mit der Ausübung von Betriebsratstätigkeit anfallende Reisetätigkeiten höhere Beträge als andere Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Reisen beanspruchen könnten. Die pauschale Entschädigung nach § 20 Abs. 7 MTV sei kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG.
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Die Beklagte beantragt daher:
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 08.05.2024, zugestellt am 11.06.2024, Az. 8 Ca 680/23, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
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Er trägt vor, dass er bei Tätigkeiten im Außendienst aufgrund seines Arbeitsvertrages i.V.m. § 20 Abs. 7 MTV Anspruch auf die dort festgelegte Außendienstpauschale habe. Unstreitig sei, dass er arbeitsvertraglich auch Tätigkeiten in einem Radius von mehr als 30 km schulde. Würde eine andere Regelung als die vertragliche Regelung angewandt werden, wäre dies eine Benachteiligung. Da für ihn als Straßenwärter im Straßenbetriebsdienst eine tarifvertragliche Kostenerstattungsregelung für Fahrtaufwendungen gelte, sei diese anzuwenden. Für die Anwendung der Reisekostenrichtlinie bestünde aufgrund der vertraglichen Regelung kein Raum. Diese sei nur anzuwenden, wenn im Rahmen der eigentlichen, vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung keine entsprechenden Aufwendungen anfielen.
22
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Die Berufung ist zulässig.
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Die gemäß § 64 Abs. 2 a) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
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Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Erstgericht hat dem Kläger zu Recht eine Aufwandsentschädigung in Höhe von € 238,- brutto zugesprochen.
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Das Berufungsgericht folgt nach eigener Prüfung überwiegend der sorgfältig und umfassend begründeten Entscheidung des Erstgerichts und macht sich dessen Ausführungen insoweit zu eigen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Von einer bloß wiederholenden Darstellung wird insoweit abgesehen.
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Dem Kläger steht nach Ansicht des Berufungsgerichts die geltend gemachte Aufwandsentschädigung in der zugesprochenen Höhe bereits nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu. Im Hinblick auf die in der Berufungsinstanz vorgetragenen Einwendungen und Argumente ist Folgendes hinzuzufügen:
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1. Völlig zu Recht hat das Erstgericht einen Anspruch des Klägers nicht direkt aus § 20 Abs. 7 MTV hergeleitet, da der Kläger an den geltend gemachten Tagen eben nicht als Beschäftigter im Außendienst des Straßenbetriebsdienstes tätig war, sondern als Betriebsratsmitglied.
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2. Zwar begründet § 37 Abs. 2 BetrVG keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, aber er sichert den Entgeltanspruch des Betriebsratsmitgliedes aus § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag sowie den gegebenenfalls anzuwendenden Tarifverträgen, indem er dem Arbeitgeber den Einwand des nicht erfüllten Vertrages nimmt (BAG, Urteil v. 18.05.2016, 7 AZR 401/14 in juris recherchiert).
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a) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Unter Benachteiligung ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern zu verstehen, die nicht aus sachlichen oder in der Person des Betroffenen liegenden Gründen, sondern um ihrer Tätigkeit innerhalb der Betriebsverfassung willen erfolgt. Eine besondere Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Ausreichend ist, wenn das Betriebsratsmitglied bei einem Vergleich objektiver schlechter gestellt ist als ein Nichtmitglied (Fitting, BetrVG, 31. Aufl., § 78 Rz. 17). Das Verbot der Minderung des Arbeitsentgeltes bedeutet, dass dem Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiter zu zahlen ist, das er verdient hätte, wenn er keine Betriebsratstätigkeiten geleistet hätte, sondern gearbeitet hätte (BAG, Urteil v. 29.04.2015, 7 AZR 123/13, in juris recherchiert). Die Betriebsratstätigkeit ist zwar keine Arbeit im Sinne einer Gegenleistung für das zu zahlende Arbeitsentgelt nach § 611 BGB. Sie ist der arbeitsvertraglichen Leistung aber kraft Gesetzes (§ 37 Abs. 2 BetrVG) gleichgestellt (LAG Hamm, Beschluss v. 10.03.2014, 16 TaBV 197/13 m.w.H., in juris recherchiert). § 37 Abs. 2 regelt abschließend, inwieweit Betriebsratsmitglieder ihre Bezüge während ihrer Befreiung von der Arbeitspflicht fortgezahlt erhalten.
31
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BAG, der sich das Berufungsgericht anschließt, gehören zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG nicht Aufwandsentschädigungen, die solche Aufwendungen abgelten sollen, die dem Betriebsratsmitglied infolge seiner Befreiung von der Arbeitspflicht nicht entstehen (BAG, Urteil v. 28.08.1991, 7 AZR 137/90; BAG, Urteil v. 18.09.1991, 7 AZR 41/90, m.w.H.; LAG Köln, Urteil v. 27.09.2023, 5 Sa 15/23, in juris recherchiert). Aufwandsentschädigung kann das Betriebsratsmitglied somit nicht verlangen, wenn ihm dieser entsprechende Aufwand während seiner Betriebsratstätigkeit tatsächlich nicht entstanden ist (BAG, Urteil v. 05.04.2000, 7 AZR 213/99, in juris recherchiert). Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus aber, dass dem Betriebsratsmitglied ein Aufwendungsersatz dann zusteht, wenn diese Aufwendungen durch die Betriebsratstätigkeiten nicht wegfallen, sondern ihm tatsächlich weiterhin entstehen.
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(1) Es sind somit nach Auffassung des Berufungsgerichtes drei Fallkonstellationen zu unterscheiden. So umfasst § 40 BetrVG einen Anspruch des Betriebsratsmitglieds für Aufwendungen, die ihm allein aufgrund der Ausübung seines Betriebsamtes entstehen und keinen Zusammenhang zu seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit besitzen wie z.B. Kosten für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen und für die Fahrten zu diesen. Insoweit können die Kosten aufgrund einer beim Arbeitgeber geltenden Reisekostenrichtlinie erstattet werden, die für betrieblich veranlasste Dienstreisen heranzuziehen sind (BAG, Beschluss v. 28.03.2007, 7 ABR 93/06, in juris recherchiert).
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Dagegen umfasst § 37 Abs. 2 BetrVG das im Sinne der Gegenleistung zu zahlende Arbeitsentgelt im Sinne des § 611 BGB mit Ausnahme eines Ersatzes von Aufwendungen, die zwar bei Ausübung der Arbeitsleistung, nicht aber im Rahmen der Betriebsratstätigkeit anfallen. Auf eine solche Aufwandsentschädigung hat das Betriebsratsmitglied keinen Anspruch.
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Sodann gibt es die Fallkonstellation, dass im Rahmen der Betriebsratstätigkeit die gleichen Aufwendungen anfallen wie bei der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitstätigkeit, nämlich z.B. entsprechende Fahrten zu diversen Einsatzorten.
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(2) Nach Auffassung des Berufungsgerichtes handelt es sich bei solchen Aufwendungen, die einem Betriebsratsmitglied trotz Befreiung von der Arbeitspflicht auch im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit anfallen, um Entgelt im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG. Nicht zu dem Entgelt im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG zählen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eben nur Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer während der Freistellung für Betriebsratstätigkeit gerade nicht entstehen. Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 BetrVG steht auch einer sachgerechten tariflichen Pauschalierung eines Aufwendungsersatzes nicht entgegen, soweit sie sich an der tatsächlichen Höhe eines jedenfalls typischerweise entstehenden Mehraufwandes orientieren.
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(3) Der Aufwendungsersatzcharakter der Außendienstzulage nach § 20 Abs. 7 MTV ergibt, dass es sich um eine Pauschalerstattung der Mehraufwendungen in Form von Wege- und Zehrgeld für die Außendiensttätigkeit der Straßenwärter handelt. Dieser pauschale Aufwendungsersatz wäre dem Kläger zu zahlen gewesen, wäre er an den geltend gemachten Tagen nicht aufgrund – unstreitig – erforderlicher Betriebsratstätigkeiten von seiner beruflichen Tätigkeit als Straßenwärter befreit gewesen. Entsprechende Fahrten und damit auch entsprechende Aufwendungen hatte der Kläger aber auch an den Tagen, an denen er von seiner Arbeitspflicht durch erforderliche Betriebsratstätigkeit freigestellt war. Unstreitig fuhr er an den geltend gemachten Tagen zu Betriebsratssitzungen zu diversen Standorten der Beklagten. Somit hat der Kläger an den geltend gemachten Tagen im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeiten Fahrten zu auswärtigen Einsatzorten von seinem Wohnort aus getätigt, wie er sie im Rahmen seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Straßenwärter ohne die Freistellung für Betriebsratstätigkeiten absolviert hätte. Die Tarifvertragsparteien haben vorliegend die Aufwendungen für Fahrten der Straßenwärter im Hinblick auf Wege und Zehrgeld im Verhältnis zu der Entfernung vom Wohnort und Einsatzort sachgerecht differenziert. Unstreitig hat jedenfalls der Kläger nach der bislang gängigen Praxis im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eine Entfernung von mindestens bis zu 30 km pro Arbeitstag zurückgelegt. Unstreitig ist jedoch auch, dass dem Kläger im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit Fahrten mit einer höheren Entfernung zugewiesen werden können und der Kläger diese schuldet. Diese Fahrten der Straßenwärter im Außendienst stellen jedoch keine Dienstreisen im Sinne der Reisekostenrichtlinie der Beklagten dar. Insoweit greift die Argumentation der Beklagten nicht, andere Arbeitnehmer hätten keinen Anspruch auf die pauschale Zuwendung. Arbeitnehmer, die nicht im Straßenbetriebsdienst eingesetzt werden, sind auch nicht der Maßstab für den Kläger. Vielmehr ist allein entscheidend die Frage, ob der Kläger als Beschäftigter des Straßenbetriebsdienstes diesen Anspruch besitzt, was unstreitig ist, und der Kläger eben diese pauschalierten Aufwendungen auch bei Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit hat, was ebenfalls zu bejahen ist.
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Die Nichtzahlung der Aufwandsentschädigung stellt vorliegend somit eine Schlechterstellung des Klägers bei Ausübung seines Betriebsamtes im Vergleich zu seiner Tätigkeit als Straßenwärter im Außendienst dar. Die Zahlung der Aufwandsentschädigung stellt keine unzulässige Begünstigung wegen der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied dar.
38
Nach diesen Grundsätzen hat das Erstgericht dem Kläger auch zu Recht nicht nur € 6,50 pro Tag, sondern € 8,50 pro Tag zugesprochen. Unstreitig war der Kläger an diesen Tagen mehr als 30 km von seinem Wohnort entfernt. Insoweit ist, wie das Erstgericht zu Recht davon ausgeht, nicht von der gängigen Praxis, sondern von der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Klägers auszugehen.
39
Das Erstgericht hat dem Kläger somit zu Recht eine Aufwandsentschädigung in Höhe von € 238,- brutto zugesprochen.
40
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
41
Gesetzliche Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.