Titel:
Anerkannten-Folgeantrag, (Anerkennung in Polen, nachfolgend Ablehnung in Deutschland nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG mit Abschiebungsandrohung nach Polen, erneuter Antrag in Deutschland nach Ausreise und Wiedereinreise, keine erneute Abschiebungsandrohung durch Bundesamt im zweiten Bescheid), keine Entbehrlichkeit einer erneuten Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 5, Abs. 6 AsylG (analog) in dieser Konstellation
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1a, Nr. 2
AsylG § 71
Schlagworte:
Anerkannten-Folgeantrag, (Anerkennung in Polen, nachfolgend Ablehnung in Deutschland nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG mit Abschiebungsandrohung nach Polen, erneuter Antrag in Deutschland nach Ausreise und Wiedereinreise, keine erneute Abschiebungsandrohung durch Bundesamt im zweiten Bescheid), keine Entbehrlichkeit einer erneuten Abschiebungsandrohung nach § 71 Abs. 5, Abs. 6 AsylG (analog) in dieser Konstellation
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42882
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers auf Grund der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 23. Februar 2022 in Verbindung mit dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. März 2024 nicht erfolgen darf.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zuge der Ablehnung seines weiteren, hier im Bundesgebiet gestellten Asylantrags als unzulässig ohne Erlass einer weiteren Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt).
2
Der Antragsteller ist eigenen Angaben zufolge Staatsangehöriger der Russischen Föderation vom Volk der Tschetschenen.
3
Der Antragsteller ist bereits am 10. Mai 2011 erstmals mit seinen Eltern und Geschwistern in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat am 1. Juni 2011 einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde mit Bescheid vom 15. Februar 2012, Gesch.-Z. …, als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und die Abschiebung nach Polen angeordnet (Ziffer 2). Die Entscheidung wurde auf § 27a AsylVfG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin-Verordnung gestützt. Der Bescheid vom 15. Februar 2012 ist seit 11. April 2012 bestandskräftig. Der Antragsteller wurde am 16. April 2012 nach Polen überstellt. Auch seine Eltern und Geschwister wurden am 22. März 2012 bzw. 16. April 2012 nach Polen überstellt.
4
Am 22. November 2021 reiste der Antragsteller erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22. November 2021 einen Asylantrag. Laut Auskunft der polnischen Behörden vom 14. Dezember 2021 wurde dem Antragsteller in Polen am 23. Mai 2008 subsidiärer Schutz gewährt. Im Rahmen der durchgeführten Anhörung am 17. Februar 2022 gab der Antragsteller an, dass es richtig sei, dass ihm in Polen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei. Seine Eltern seien in Deutschland. Seine Mutter sei krank. Seine Eltern wollten, dass er in ihrer Nähe sei und er sich um sie kümmere. Seine Eltern seien beide alt und krank. Seine Mutter habe bereits zwei Schlaganfälle erlitten. Wenn seine Eltern nicht wollten, dass er hierherkomme, wäre er in Polen geblieben. Seine Eltern kämen ohne ihn alleine nicht zurecht. Zudem habe er in Deutschland einen Bruder, der seit zehn Jahren hier lebe. In Polen habe er als Fahrer gearbeitet. Er spreche Polnisch. Seine Nase sei einseitig gebrochen, weshalb ihm das Atmen schwer falle. Weitere Erkrankungen habe er nicht. Er nehme keine Medikamente.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 23. Februar 2022, Gesch.-Z. …, wurde der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; andernfalls wird er nach Polen abgeschoben (Ziffer 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt (Ziffer 5).
6
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig sei. Dem Antragsteller sei in Polen subsidiärer Schutz gewährt worden. Da der Asylantrag als unzulässig abgelehnt werde, werde er nicht materiell geprüft. Die Abschiebungsandrohung sei nach §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Durch die Aussetzung der Vollziehung werde die Wirksamkeit der Abschiebungsandrohung vorläufig gehemmt. Sie lebe wieder auf, wenn die Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag unanfechtbar geworden sei oder das Bundesamt die Aussetzung abändere oder aufhebe.
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Der Bescheid vom 23. Februar 2022 ist am 15. März 2022 bestandskräftig geworden. Laut einem Vermerk in der Behördenakte wurde für den 19. September 2022 eine vermutete freiwillige Ausreise erfasst. Eine Abschiebung hat nicht stattgefunden.
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Die Eltern des Antragstellers sind am 20. September 2021 erneut in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und haben am 30. September 2021 Asylanträge gestellt. Diese wurden mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Januar 2022, Gesch.-Z. … als unzulässig abgelehnt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; andernfalls werden sie nach Polen abgeschoben. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wurde ausgesetzt.
9
Die Entscheidung wurde auf § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gestützt, da den Antragstellern in Polen subsidiärer Schutz gewährt worden sei. Durch die Aussetzung der Vollziehung werde die Wirksamkeit der Abschiebungsandrohung vorläufig gehemmt. Sie lebe wieder auf, wenn die Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag unanfechtbar geworden sei oder das Bundesamt die Aussetzung abändere oder aufhebe.
10
Gegen den Bescheid vom 21. Januar 2022 haben die Eltern des Antragstellers am 9. Februar 2022 Klage erhoben. Das Verfahren ist unter dem gerichtlichen Aktenzeichen … beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach anhängig.
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Am 16. Oktober 2023 stellte der Antragsteller erneut einen Asylantrag, welcher seitens des Bundesamts als Folgeantrag erfasst wurde.
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Im Rahmen der schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 16. Oktober 2023 gab der Antragsteller an, dass seine Eltern in Deutschland leben würden. Sie seien alt und würden seine Hilfe benötigen. Sie könnten zudem die Sprache nicht und seien krank. Außer ihm hätten sie niemanden. Er habe auch einen Bruder in Deutschland, der jedoch sehr weit weg von seinen Eltern lebe. Zu der Frage, ob er sich seit seinem letzten Asylverfahren außerhalb von Deutschland aufgehalten habe, gab der Antragsteller an, fünf Monate in Polen gewesen zu sein.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 15. März 2024, Gesch.-Z. …, dem Antragsteller mit Postzustellungsurkunde am 21. März 2024 zugestellt, wurde der Antrag als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1). Der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 23. Februar 2022 (Az. …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde abgelehnt (Ziffer 2).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorliegen würden. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Es seien in der schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 16. Oktober 2023 keinerlei neue Umstände dargelegt worden, die nicht bereits im Vorverfahren (Az. …*) geltend gemacht worden seien. Der Antragsteller könne aufgrund des in Polen gewährten internationalen Schutzes keine weitere Schutzgewährung verlangen. Auch sein erneuter Asylantrag wäre gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG wiederum als unzulässig abzulehnen. Es würden keine neuen Elemente oder Erkenntnisse vorliegen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen. Eine günstigere Entscheidung sei nicht möglich. Ein weiteres Verfahren sei daher nicht durchzuführen. Der Folgeantrag sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abzulehnen. Die Entscheidung ergehe gemäß § 71 Abs. 3 Satz 3 AsylG ohne Anhörung. Es sei nach § 29 Abs. 2 Satz 2 AsylG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien im hier vorliegenden Fall ebenfalls nicht gegeben. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse seien im vorliegenden Fall vom Bundesamt nicht zu prüfen, da keine neue Rückkehrentscheidung getroffen worden sei. Nach Unanfechtbarkeit der im Erstverfahren getroffenen Rückkehrentscheidung liege die Zuständigkeit für die weiteren aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen bei der zuständigen Ausländerbehörde. Dies umfasse insbesondere die Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen oder zwischenzeitlich entfallen seien. Es bedürfe gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keiner erneuten Abschiebungsandrohung. Die erlassene Abschiebungsandrohung sei weiter gültig und vollziehbar.
15
Gegen den Bescheid des Bundesamts vom 15. März 2024 hat der Antragsteller zu Protokoll der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach am 25. März 2024 unter dem gerichtlichen Aktenzeichen AN 18 K 24.50278 Klage erhoben und beantragt weiter, die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
17
Zur Begründung bezieht sich die Antragsgegnerin auf den angefochtenen Bescheid.
18
Der Antragsteller führt zur Begründung seines Antrags mit Schriftsatz vom 27. März 2024 aus, dass seine Mutter vor ca. vier Jahren einen Schlaganfall gehabt habe und seitdem in einem schlechten Zustand sei und dauerhafte Betreuung benötige. Sein Vater sei ebenso in einem schlechten Gesundheitszustand. Er betreue daher seine Eltern und helfe ihnen. Daher sei die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten des erhobenen Eilverfahrens AN 18 S 24.50277 sowie des Klageverfahrens AN 18 K 24.50278 Bezug genommen.
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Der vorliegende Eilantrag, zu dessen Entscheidung nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Einzelrichterin berufen ist, hat wie tenoriert Erfolg.
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1. Der Antrag des Antragstellers ist sachgerecht dahingehend auszulegen (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass der zuständigen Ausländerbehörde seitens der Antragsgegnerin mitzuteilen ist, dass eine Abschiebung des Antragstellers aufgrund der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 23. Februar 2022 in Verbindung mit dem Bescheid vom 15. März 2024 nicht erfolgen darf.
22
Bei der Bestimmung des Rechtsschutzziels des Antragstellers sind sämtliche Umstände, insbesondere die Gesamtheit des Vorbringens des Beteiligten, zu berücksichtigen. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133 und 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Vortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (so BVerwG, B. v. 27.3 2019 – 2 B 58/18 – juris Rn. 8). Dem anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller geht es erkennbar mit seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Ergebnis darum, vorläufig nicht abgeschoben zu werden und eine entsprechende Anordnung seitens des Gerichts zu erhalten.
23
Dieses Rechtsschutzziel kann der Antragsteller in dem hier vorliegenden Fall, in dem in dem streitgegenständlichen Bescheid keine Abschiebungsandrohung (mehr) enthalten war, nur mit einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erreichen.
24
Denn nachdem der Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. März 2024 keine Abschiebungsandrohung enthält, scheidet der für den einstweiligen Rechtschutz grundsätzlich vorrangige (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO) Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorliegend aus, so dass der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft ist (vgl. VG Ansbach, B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 17; B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris Rn. 15; VG Würzburg, B.v. 27.4.2023 – W 4 E 23.30232 – juris Rn. 19; VG Meiningen, B.v. 16.3.2023 – 8 E 1321/22 Me – juris Rn. 19; VG München, B.v. 5.8.2016 – M 24 S 16.31643 – juris Rn. 15 f.).
25
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist damit statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zur vorläufigen Verhinderung einer Abschiebung besteht -mangels erneuter Abschiebungsandrohung – keine andere Rechtsschutzmöglichkeit.
26
2. Die Bundesrepublik Deutschland ist hierfür auch die richtige Antragsgegnerin. Der Rechtschutz ist nicht gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde bzw. deren Rechtsträger zu suchen. Denn in Fällen, in denen das Bundesamt im Asylfolgeverfahren von einer erneuten Abschiebungsandrohung abgesehen hat, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Verhinderung der Abschiebung gegen die Bundesrepublik Deutschland als dessen Rechtsträger zu richten, soweit der Asylfolgeantragsteller Einwendungen geltend macht, die der Prüfung und Entscheidung durch das Bundesamt unterliegen (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 14. Auflage 2022, § 71 AsylG Rn. 48; so auch VG Ansbach B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 20; B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris Rn. 21; VG Würzburg, B.v. 27.4.2023 – W 4 E 23.30232 – juris Rn. 22; VG Meiningen, B.v. 16.3.2023 – 8 E 1321/22 Me – juris Rn. 21; so im Ergebnis auch BayVGH, B.v. 9.5.2007 – 19 CE 07.158 – juris Rn. 22). Dies ist vorliegend der Fall, da das Bundesamt ausweislich des streitgegenständlichen Bescheids vom 15. März 2024 der Rechtsansicht ist, dass es vorliegend keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedarf. Für eine im Rahmen eines Asylverfahrens erlassene bzw. zu erlassende Abschiebungsandrohung ist allein das Bundesamt zuständig (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 AsylG; siehe hierzu auch Pietzsch in BeckOK AuslR, Stand 1.1.2023, § 34 Rn. 10, 12; vgl. allgemein zur Bindungswirkung der Ausländerbehörde an die Bundesamtsentscheidung auch BayVGH, B.v. 10.12.2019 – 10 C 19.2221/10CE 19.2227 -juris).
27
Ob das Begehr des Antragstellers, welches er in der schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 16. Oktober 2023 geschildert hat, zu Recht als Folgeantrag gewertet wurde oder ob der Antragsteller nicht vielmehr isoliert inlandsbezogene Abschiebungshindernisse geltend machen wollte, was ggf. von der zuständigen Ausländerbehörde zu behandeln gewesen wäre, kann dahinstehen. Raum für eine eigenständige Entscheidung der Ausländerbehörde kann es nur für eine zusätzliche ausländerrechtliche Streitigkeit geben, die unabhängig von der asylverfahrensrechtlichen Streitigkeit aus § 29 bzw. § 71 AsylVfG ist (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 10 CE 14.427 – juris Rn. 4 ff.; VG Ansbach, B. v. 15.4.2015 – AN 5 E 15.00345 – juris Rn. 19). Da das Bundesamt – was vom Antragsteller auch nicht in Frage gestellt wird – das Begehr letztlich als Folgeantragsbegehren eingestuft und entsprechend behandelt hat, ist eine zusätzliche, von der Frage einer Abschiebung auf der Grundlage der bestandskräftigen Abschiebungsandrohung unabhängige Konstellation hier jedoch nicht gegeben.
28
3. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind das Bestehen eines zu sichernden Rechtes (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) jeweils glaubhaft zu machen.
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Zudem ergibt sich aus § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Asyl oder jedenfalls aus § 36 Abs. 4 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, dass Maßstab der Prüfung im gerichtlichen Eilverfahren ist, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies verschärft den Maßstab für einen erfolgreichen Eilantrag. Es müssen daher erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angegriffene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung nicht standhält (Pietzsch in BeckOK AuslR, Stand 1.1.2023, § 36 Rn. 37).
31
a) Ein Anordnungsgrund ist vorliegend gegeben.
32
Da die Antragsgegnerin – wie dem Bescheid vom 15. März 2024 unter Seite 7 Punkt 3 zu entnehmen ist – davon ausgeht, dass der Antragsteller aus der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 23. Februar 2022 abgeschoben werden kann und es aufgrund von § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedarf, besteht vorliegend ein Anordnungsgrund. Denn nachdem die Antragsgegnerin darauf abstellt, dass die erlassene Abschiebungsandrohung weiter gültig und vollziehbar ist, muss der Antragsteller jederzeit mit einer Abschiebung nach Polen rechnen.
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b) Vorliegend besteht auch ein Anordnungsanspruch. Denn es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass es im vorliegenden Fall keiner erneuten Abschiebungsandrohung bedurfte.
34
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Abschiebungsandrohung verbraucht ist, wenn der Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen worden ist oder die Abschiebung vollzogen worden ist (vgl. insbesondere Rechtsprechung des BGH zu Abschiebehaftfällen, B.v. 17.3.2016 – V ZB 39/15 – juris Rn. 8, B.v. 7.2.2019 – V ZB 216/17 – juris Rn. 12, B.v. 16.5.2019 – V ZB 1/19 – juris Rn. 18; so auch VG Leipzig, B.v. 25.10.2023 – 4 L 345/23.A – juris Rn. 60; VG Bremen, B.v. 22.8.2023 – 7 K 263/22 – juris Rn. 67; VG Meiningen, B.v. 16.3.2023 – 8 E 1321/22 Me – juris Rn. 23; VG Ansbach B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 22; B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris Rn. 23). Dies entspricht auch der verwaltungsrechtlichen Rechtslage außerhalb des Asylrechts. Zwangsmittelandrohungen für Handlungsverpflichtungen erledigen sich grundsätzlich mit der Erfüllung der auferlegten Verpflichtung. Eine erneute Vollstreckung ist nur nach einer erneuten Zwangsmittelandrohung möglich (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 2 VwZG, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG). Vorliegend hat der Antragsteller in der schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 16. Oktober 2023 auf die Frage, ob er sich seit seinem letzten Asylverfahren außerhalb Deutschlands aufgehalten habe, angegeben, dass er sich fünf Monate in Polen aufgehalten habe. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angabe nicht der Wahrheit entspricht, liegen nicht vor. Vielmehr findet sich in der Behördenakte des vorherig geführten Asylverfahrens der Hinweis, dass eine – zwar nur vermutete – freiwillige Ausreise am 19. September 2022 vorliegt. Der Antragsteller ist mit der – jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – nicht wiederlegbaren freiwilligen Ausreise nach Polen der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 23. Februar 2022, sprich der Ausreiseverpflichtung, freiwillig nachgekommen, so dass sich diese Abschiebungsandrohung erledigt hat.
35
Von dem Grundsatz der Erledigung bzw. dem „Verbrauch“ der Abschiebungsandrohung nach Verlassen des Bundesgebiets macht § 71 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 AsylG zwar eine Ausnahme für Asylfolgeanträge, die nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führen (so BGH, B.v. 16.5.2019 – V ZB 1/19 – juris Rn. 18; B.v. 2.8.2022 – XIII ZB 134/19 – juris Rn. 18). Diese Vorschriften können jedoch nur zur Anwendung gelangen, wenn ein Folgeantrag nach § 71 Abs. 1 AsylG vorliegt. Dies ist für den Antragsteller in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht der Fall, so dass es bei dem Grundsatz, dass die „alte“ Abschiebungsandrohung aus dem vorangegangenen Asylverfahren als Grundlage für eine Abschiebung ausscheidet, verbleibt. Es hätte sodann einer erneuten Abschiebungsandrohung bedurft (vgl. VG Leipzig, B.v. 25.10.2023 – 4 L 345/23.A – juris Rn. 60).
36
Ein Asylfolgeantrag liegt hier nach Auffassung der erkennenden Einzelrichterin nicht vor. Ein Folgeantrag ist nach der Legaldefinition des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG anzunehmen, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag stellt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine Ablehnung des Asylantrags im Sinn des § 71 AsylG liegt nur im Falle einer inhaltlichen Prüfung und Ablehnung der Asylgründe, sprich bei einer sachlichen Prüfung des Schutzbegehrens, vor, nicht aber wenn es zu einer solchen nicht gekommen ist, sondern der Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG als unzulässig angesehen worden ist. Eine inhaltliche Prüfung der Begehren nach §§ 3 und 4 AsylG durch das Bundesamt hat dann gerade nicht stattgefunden und war auch nicht veranlasst. § 71 AsylG greift damit nicht ein (so auch BVerwG, U.v. 17.8.2021 – 1 C 55.20 – juris Rn. 18; VG Ansbach B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 23; B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris Rn. 24; U.v. 24.11.2021 – AN 17 K 20.50151 – juris Rn. 23; VG Meiningen, B.v. 16.3.2023 – 8 E 1321/22 Me – juris Rn. 24; VG Cottbus, B.v. 5.1.2023 – 5 L 305/22.A – juris Rn. 6; B.v. 1.12.2023 – 5 L 172/23.A – juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.8.2020 – OVG 3 B 35.19 – juris Rn. 23).
37
Ein anderes Verständnis des § 71 AsylG entspräche nicht der Konzeption des deutschen und europäischen Asylsystems. Ein Folgeantrag oder Zweitantrag setzt ersichtlich voraus, dass ein Asylbegehren schon einmal bestandskräftig inhaltlich in der Sache gescheitert ist, entweder weil keine Asylgründe erkannt wurden oder die Asylgründe aus formalen Gründen (wie Fristabläufen, Nichtbetreiben des Verfahrens) nicht berücksichtigt werden konnten. So bestimmt Art. 2 Buchst. q) der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Verfahrens-RL), dass ein Folgeantrag ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz ist, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird, auch in Fällen, in denen der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat oder die Asylbehörde den Antrag nach der stillschweigenden Rücknahme durch den Antragsteller gemäß Art. 28 Abs. 1 abgelehnt hat. Eine bestandskräftige Entscheidung ist nach Art. 2 Buchst. e) Verfahrens-RL eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der RL 2011/95/EU die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist, und gegen die kein Rechtsbehelf nach Kapitel V der Verfahrens-RL mehr eingelegt werden kann, unabhängig davon, ob ein solcher Rechtsbehelf zur Folge hat, dass Antragsteller sich bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf in dem betreffenden Mitgliedstaat aufhalten dürfen. Schon anhand dieser Begriffsbestimmungen wird deutlich, dass ein Folgeantrag im Sinne der Verfahrens-RL nur dann vorliegt, wenn zuvor eine inhaltliche Sachentscheidung ergangen war oder der erste Asylantrag explizit oder stillschweigend zurückgenommen wurde.
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Diese Rechtsansicht wird systematisch weiter durch die Regelungen in Art. 33 Abs. 2 Buchst. d), Art. 40 Abs. 2 und 3 Satz 1 Verfahrens-RL bestätigt. Demnach wird im Rahmen eines Folgeantrags dahingehend geprüft, ob neue Elemente oder Erkenntnisse betreffend die Frage, ob der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind (Art. 40 Abs. 2 Verfahrens-RL). Wenn sodann diese Prüfung ergibt, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der RL 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, wird der Antrag gemäß Kapitel II weiter geprüft (Art. 40 Abs. 3 Verfahrens-RL). Dies setzt jedoch voraus, dass es sich bei der Entscheidung, die dem Folgeantrag zu Grunde liegt bzw. vorausgegangen ist, um eine Entscheidung in der Sache, sprich zur Zuerkennung internationalen Schutzes, handelt, so dass sodann das Folgeantragsverfahren die Prüfung umfassen kann, ob bzgl. des Antragstellers durch neue Elemente oder Erkenntnisse ein Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes besteht. Dies ist bei einer dem weiteren Asylantrag zu Grunde liegenden bzw. vorangegangenen Unzulässigkeitsentscheidung gerade nicht der Fall. Denn die Prüfung im Rahmen des nach erneuter Antragstellung eingeleiteten Verfahrens umfasst nicht die Frage, ob dem Antragsteller internationaler Schutz zuzuerkennen ist, sondern, ob sich bzgl. der Unzulässigkeitsentscheidung Änderungen ergeben.
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Dem schließen sich die nationalen Regelungen §§ 71 und 71a AsylG an. Ist das (Erst-)Asylverfahren in Deutschland gescheitert, kommt es bei einer erneuten Asylantragstellung zu einem Folgeverfahren nach § 71 AsylG. Insoweit ist auch der Begriff der „günstigeren Entscheidung“, welcher in der seit 27. Februar 2024 gültigen Fassung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG verwendet wird, im Lichte des Art. 40 Abs. 3 Satz 1 Verfahrens-RL dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine günstigere Entscheidung im Hinblick auf internationalen Schutz handeln muss (vgl. hierzu bereits oben). Ist das (Erst-)Asylverfahren in einen anderen Staat hingegen erfolglos geblieben, greift § 71a AsylG und der erneute, in Deutschland gestellte Antrag wird als Zweitantrag behandelt. Gerade keine Folge- oder Zweitantragssituation liegt aber vor, wenn einem Ausländer bereits internationaler Schutz (irgendwo) zuerkannt worden ist. Dieses Verständnis entspricht dem europäischen Asylsystem, festgelegt in der Dublin III-VO (insoweit greift national § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) bzw. Art. 33 Verfahrens-RL (dann greifen § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 AsylG ein).
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Außerdem zeigt sich dieses Verständnis aus der Formulierung des § 71a AsylG, wonach die Frage der Zuständigkeit der inhaltlichen Prüfung vorgeht („…ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist…“).
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Unerheblich ist dabei, ob der Asylantragsteller in einem ersten (Zuständigkeits-)Verfahren in der Bundesrepublik Deutschland die Gelegenheit hatte, zu seinen Asylgründen etwas vorzutragen. Eine derartige Anhörung erfolgt sowohl in den Fällen, die zu einer Entscheidung der Antragsgegnerin nach § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG als auch zu einer solchen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG führen, rein vorsorglich und spielt, wenn es zu einer Unzulässigkeitsentscheidung kommt, keinerlei Rolle für diese Entscheidung, nicht einmal in Bezug auf eventuelle nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG, weil diese nur im Hinblick auf den Dublin- bzw. Drittstaat, nicht aber bezogen auf das Herkunftsland geprüft werden.
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Eine Unterscheidung zwischen den Konstellationen des § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG („Dublin-Folgeantrag“) und der nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG („Anerkannten-Folgeantrag“) überzeugt nicht (so aber VG München, U.v. 13.9.2023 – M 22 K 19.30442 – juris Rn. 21; VG Göttingen, U.v. 6.2.2023 – 3 A 81/22 – juris Rn. 25, welche in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG einen Folgeantrag nach § 71 AsylG annehmen). Zwar mag es sein, dass in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Ausländer die Möglichkeit hatte, seine Asylgründe in einem Mitgliedstaat im Rahmen einer sachlichen Prüfung vorzutragen und sein Schutzgesuch in einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wurde, was dann auch zur Zuerkennung eines Schutzstatus geführt hat. Allerdings steht sodann im Rahmen des in Deutschland nach Stellung eines weiteren Asylantrags eingeleiteten Verfahrens nicht die Abänderung dieses in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen – für den Antragsteller günstigen – Bescheids im Raum. Maßgeblich in Streit steht in einer derartigen Konstellation vielmehr weiterhin nicht die Abänderung eines Bescheids über die (inhaltliche) Ablehnung eines Asylantrags, sondern es geht um die Abänderung des in Deutschland nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erlassenen Unzulässigkeitsbescheids, ohne inhaltliche Sachprüfung des Asylbegehrens. Diese Situation wird – auch in den Fällen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG – von § 71 AsylG nicht umfasst.
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Da kein Folgeantrag vorliegt, greift der Ausnahmetatbestand nach § 71 Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 AsylG nicht ein. Eine erneute Abschiebungsandrohung war vorliegend nicht entbehrlich.
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Für die vorliegende Situation ist nach Ansicht des Gerichts zwar § 51 VwVfG anwendbar. Formal findet sodann zwar eine dem Folgeantrag – auch in dessen Fassung vom 27. Februar 2024 – sowie eine dem Zweitantrag vergleichbare Prüfung statt; dies allerdings nur in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage und nicht in Bezug auf das Asylbegehren (vgl. oben). Die Vorschrift des § 51 VwVfG ermöglicht es aber gerade nicht, aus einer verbrauchten Zwangsmittelandrohung erneut zu vollziehen. Da es sich bei § 71 Abs. 5 und Abs. 6 AsylG um Ausnahmevorschriften handelt, können diese auch nicht ohne weiteres analog angewendet werden. Für die (echten) Dublin-Folgeanträge ist dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (vgl. U.v. 25.1.2018 – C-360/16 „Hasan“ – juris) vielmehr ausgeschlossen. Aus den gleichen Erwägungen heraus, wenn auch nicht aufgrund europäischer Verpflichtung, muss dies auch für das vorliegende „Anerkannten-Folgeverfahren“ gelten (so auch VG Ansbach B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 29; B.v. 15.4.2020 – AN 17 E 20.50011 – juris Rn. 27; U.v. 24.11.2021 – AN 17 K 20.50151 – juris Rn. 23 ff.; VG Meiningen, B.v. 16.3.2023 – 8 E 1321/22 Me – juris Rn. 24 f.).
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Eine Vollstreckung aus der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 23. Februar 2022 ist nach alledem nicht zulässig. Da die Antragsgegnerin – ausweislich ihres Bescheids vom 15. März 2024 – die Rechtslage anders beurteilt, war die einstweilige Anordnung geboten.
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4. Die Kostenentscheidung des damit erfolgreichen Antrags beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
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Diese Entscheidung ist gem. § 80 AsylG unanfechtbar.