Titel:
Eintragung eines „fiktiven Vaters“ in ukrainischer Geburtsurkunde, Mitwirkungsobliegenheiten bei der Feststellung der Vaterschaft, Notwendigkeit der Angabe der Rechtsgrundlage bei Aufhebung bereits bewilligter, UVG-Leistungen
Normenkette:
UVG § 1 Abs. 3
Leitsätze:
1. Mitwirkungsobliegenheiten bei der Feststellung der Vaterschaft nach § 1 Abs. 3 UVG entstehen zeitlich erst mit der Antragstellung gerichtet auf Leistungen nach dem UVG (Anschluss an BayVGH, B. 5.6.2024 – 12 CS 24.834) und sind insbesondere durch das Mögliche und Zumutbare begrenzt.
2. Die nichtkonstitutive Eintragung eines „fiktiven Vaters“ in einer ukrainischen Geburtsurkunde stellt allein für sich genommen keinen („fortwirkenden“) Verstoß gegen § 1 Abs. 3 UVG dar. Insbesondere sind nicht die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur „anonymen Samenspende“ (§ 1 Abs. 3 UVG analog) auf diesen Fall übertragbar. Es kann von der Kindsmutter in diesem Fall angesichts der Möglichkeit der Beistandschaft auch nicht gefordert werden, dass sie – sogar auch noch erfolgreiche – gerichtliche Schritte zur Feststellung der Vaterschaft unternimmt.
3. Mitwirkungsobliegenheiten nach § 1 Abs. 3 UVG sind grundsätzlich durch die Behörde vom Betroffenen einzufordern, andernfalls kann von einer Weigerung nicht ausgegangen werden.
Schlagworte:
Eintragung eines „fiktiven Vaters“ in ukrainischer Geburtsurkunde, Mitwirkungsobliegenheiten bei der Feststellung der Vaterschaft, Notwendigkeit der Angabe der Rechtsgrundlage bei Aufhebung bereits bewilligter, UVG-Leistungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42785
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 16.10.2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2024 in Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 11.09.2024, der mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 24.07.2024 nachträglich für sofort vollziehbar erklärt wurde, wird wiederhergestellt.
2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
Gründe
1
Die ukrainische Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Az. B 8 K 24.1022) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin über die Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) für ihre Tochter … (geb. …2015 in …, Ukraine).
2
Unter dem 02.05.2022 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem UVG (Bl. 5 ff. der Behördenakte). Im Antragsformular gab die Antragstellerin unter Ziffer 13 („Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt“) und dem diesbezüglichen Fragebogen als Vater des Kindes einen Herrn A. …, geboren in …, an.
3
Aktenkundig ist zudem eine Geburtsurkunde des Kindes (Bl. 16 der Behördenakte). Dort wurde als Vater ein Herr B. … (* …*) angegeben.
4
Mit Bescheid vom 12.05.2022 wurden der Antragstellerin die beantragten Leistungen nach dem UVG bis zur Vollendigung des 12. Lebensjahres des Kindes befristet gewährt (Bl. 37 ff. der Behördenakte).
5
In einem Schreiben vom 12.05.2022 an das örtlich zuständige Amtsgericht wurde beantragt, den im Formular angegebenen Vater die Rechtswahrungsanzeige nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG öffentlich zuzustellen, da sich die angegebene Adresse im Kriegsgebiet befinde (Bl. 44 f. der Behördenakte). Der Antrag wurde vom AG mittels Beschluss vom 23.05.2022 zurückgewiesen (Bl. 48 der Behördenakte). Die Unmöglichkeit der Zustellung sei nicht vorgetragen worden. Es sei keine Rechtshilfezustellung versucht worden.
6
Es wurde danach ein Suchvermerk durch die Antragsgegnerin im Ausländerzentralregister veranlasst (Bl. 58 f. der Behördenakte). Die Eintragung wurde unter dem 30.06.2022 bestätigt.
7
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 06.03.2023 wurde die Antragstellerin befragt, ob die Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen nach dem UVG noch vorliegen (Bl. 64 ff. der Behördenakte). Das beigefügte Formular wurde seitens der Antragstellerin unter dem 10.03.2023 ausgefüllt und der Antragsgegnerin zugeschickt (Bl. 70 ff. der Behördenakte). Dabei wurde abermals Herr A. … mit Aufenthalt in der Ukraine angegeben. Hierbei wurde mehrmals von der Antragstellerin handschriftlich vermerkt, dass ihrerseits kein Kontakt zum Vater bestehe.
8
Eine Suche des Antragsgegners nach dem im Formular angegebenen Kindsvater im Datenbestand der deutschen Rentenversicherung am 15.08.2023 blieb ohne Erfolg (Bl. 76 der Behördenakte).
9
Ein Anschreiben (frankiert am 21.12.2023) an die von der Antragstellerin angegebene Adresse des Vaters kam am 11.04.2024 als unzustellbar an die Antragsgegnerin zurück.
10
Mit Schreiben vom 15.02.2024 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu einer beabsichtigen Einstellung der Leistungen und Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 12.05.2022 an (Bl. 95 ff. der Behördenakte). Bei einer erneuten Überprüfung sei festgestellt worden, dass der von der Antragstellerin im Antrag angegebene Vater der Tochter Herr A. „ …“ nicht in der Geburtsurkunde eingetragen sei. Dort sei als Vater ein Herr B. „ …“ vermerkt. Der Antragsgegnerin liege ein Dokument von der Antragstellerin vor, wonach der Kindsvater nur nach ihren Angaben (Art. 135 ukrFamGB) in der Geburtsurkunde eingetragen worden sei. In dieser Vorschrift des ukrFamGB werde folgendes geregelt: „Wurde die Vaterschaft nicht festgestellt, wird die Eintragung über den Vater des Kindes in das Geburtenbuch nach dem Namen und der Staatsbürgerschaft der Mutter und der Vor- und Vatersname des Kindes nach ihrer Angabe vorgenommen, wenn bei der Geburt des Kindes durch eine unverheiratete Mutter keine gemeinsame Erklärung der Eltern oder keine Gerichtsentscheidung vorliegt.“ Diese Eintragung sei aber von einem deutschen Jugendamt als unbeachtlich anzusehen, da es sich nicht um den tatsächlichen Vater handele und somit ein Rückgriff gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgrund der fehlenden amtlichen Feststellung seitens des Stadtjugendamtes … bezüglich gewährter Unterhaltsvorschussleistungen nicht möglich sei. Gemäß § 1 Abs. 3 UVG gelte, dass kein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bestehe, wenn bei der Feststellung der Vaterschaft oder bei der Feststellung des Aufenthaltes des Kindsvaters nicht mitgewirkt werde.
11
In einer Telefonnotiz vom 26.02.2024 (Bl. 100 der Behördenakte) wurde seitens der Antragsgegnerin festgehalten, dass sich die Antragstellerin telefonisch anlässlich des Anhörungsschreibens gemeldet habe. Die Antragstellerin habe mitgeteilt, dass sie in der Geburtsurkunde einen fiktiven Kindsvater angegeben habe, damit sie mit der Tochter das Land ohne Probleme verlassen könne. Sie habe mit Herrn A. … (angeblich der leibliche Vater) der Tochter zusammengewohnt. Danach hätten sie sich getrennt und sie hätte keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Sie kenne auch keine aktuellen Kontaktdaten vom ihm. Auf die Frage, ob sie irgendwelche Schritte eingeleitet habe, um Herrn A. … offiziell als Kindsvater festzustellen, habe sie nein gemeint. Auf die Frage, ob sie versucht habe, den Kindsvater ausfindig zu machen, habe sie gemeint, dass sie bei einer Behörde in „…“ (wohl …*) gefragt habe. Sie hätten ihr nicht helfen können. Sie habe kein Schreiben/keine Unterlagen von der Behörde. Sie sei gebeten worden, der Antragsgegnerin eine Erklärung und Nachweise zukommen zu lassen, was sie seit der Geburt der Tochter zwecks Vaterschaftsanerkennung unternommen habe.
12
Mit Schreiben vom 03.03.2025 nahm die Antragstellerin schriftlich ausführlich Stellung zum Sachverhalt (Bl. 108 der Behördenakte). Sie sei in … geboren, wo sie mit ihrem Freund ein Jahr zusammengewohnt habe. 2014 sei in ihrer Stadt der Krieg ausgebrochen und sie sei gezwungen gewesen, in eine andere Stadt zu ziehen. Die Stadt hieße …, wo auch die Tochter schließlich geboren worden sei. Nach der Geburt der Tochter sei ihr Freund weggegangen und nicht mehr aufgetaucht. Sie habe viele Male versucht, ihn zu kontaktieren und ihn zu finden. Sie habe alle Freunde von ihm und seine Mutter angerufen, aber ihre Versuche seien erfolglos geblieben, weil niemand gewusst habe, wo er sei. Seitdem habe sich ihr Leben verkompliziert und ihr habe das Geld gefehlt, das die Stadt ihr für ihr Kind gezahlt habe. Gezwungenermaßen habe sie dann für ein Jahr mit ihrer kleinen Tochter bei Freunden gewohnt. Dieser Zustand sei nicht haltbar gewesen und unter anderem habe sie auch über einen längeren Zeitraum keine geeignete Arbeitsstelle in ihrem Fachgebiet der … finden können. Zu diesem Zeitpunkt habe sie sich entschieden, nach Deutschland umzuziehen, wo sie zuvor mehrmals gewesen sei. Da ihr Freund verschwunden gewesen sei und unter Berücksichtigung ihrer Probleme habe sie in der Geburtsurkunde der Tochter anstelle des Namens des Vaters ihren Nachnamen eingetragen, damit sie keine Probleme hätte, ins Ausland zu ziehen. Nach dem ukrainischen Gesetz dürfe sie, wenn der echte Nachname des Vaters des Kindes in der Geburtsurkunde des Kindes steht, das Kind nicht ohne Vollmacht des Vaters ins Ausland mitnehmen. Jedoch sei der Vor- und Nachname des Vaters wahrhaft. Sie sei mehrmals in verschiedenen staatlichen Behörden und im Einwohnermeldeamt der Stadt … gewesen, wo sie zu dieser Zeit gelebt habe, und habe um Hilfe gebeten, den Vater des Kindes für die weitere Zahlung von Unterhalt zu finden. Sie habe eine mündliche Antwort erhalten, dass, da er in dieser Stadt nicht registriert gewesen sei, man sich an die Behörde der Stadt … habe wenden müssen. Da in … Krieg geherrscht habe, und wohin, wie sie vermutete, der Vater zurückkehren würde, habe sie Anfragen dorthin geschickt. Ihre Briefe seien unbeantwortet geblieben, weil in der Stadt … wegen der Kriegshandlungen nichts funktioniert habe. Aufgrund von Lebensgefahr habe sie nicht alleine mit ihrer neugeborenen Tochter nach … fahren und die Dokumente einholen können.
13
Sie habe keine gemeinsame Erklärung der Eltern, keine Erklärung des Vaters oder eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Vaterschaft. Der Vater habe sich ohne Vorwarnung abgesetzt und sei nicht wiedergekehrt, sie habe ihn bis jetzt nicht ausfindig machen können. Trotz ihrer zahlreichen Anstrengungen, mehrfacher Besuche der verschiedenen staatlichen Behörden, des Einwohnermeldeamts der Stadt … sowie mehrerer Briefe an Staatsbehörden der Stadt … habe er nicht ausfindig gemacht werden können. Zurzeit werde es nicht nur schwierig, sondern unmöglich sein, Dokumente aus einem Kriegsgebiet (wie Feststellung der Vaterschaft oder Feststellung des Aufenthaltes des Kindesvaters) zu bekommen. Im Jahr 2019 sei sie mit ihrer Tochter nach Deutschland gekommen. Seit der Geburt der Tochter habe sie keinen Kontakt zum Vater. Sie habe von ihm während dieser acht Jahre keine Unterhaltszahlungen bekommen.
14
Zur Klärung von Rückfragen wurde die Antragstellerin am 19.04.2024 persönlich befragt und diesbezüglich ein Protokoll angefertigt (Bl. 115 ff. der Behördenakte). Zur Frage, welche Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Vaters ihrerseits unternommen wurden, führte die Antragstellerin aus, dass sie bei verschiedenen Ämtern in … gewesen sei. Sie hätten dort gesagt, sie seien nicht registriert worden. Sie hätten ihr nicht helfen können. Und wenn er nach … umgezogen sei, hätte sie mit diesem Amt sprechen müssen. Das Amt in … habe gesagt, dass es versucht werde. Danach sei die Situation schon so schlecht gewesen, dass viele Ämter nicht mehr funktioniert hätten. Es sei auch schon sehr schwierig gewesen zu telefonieren. Sie habe es einen Monat versucht, bis sie mit jemanden habe sprechen können. Sie habe Briefe nach … geschickt, aber keine Antwort bekommen. Sie habe vermutet, dass der Vater nach … zurückgegangen sei, da dort seine Mutter gewohnt habe, die bereits alt gewesen sei bzw. diese dort eine Wohnung gehabt habe, wo er habe wohnen können. Er selbst habe keine Wohnung gehabt. Die Antragstellerin habe eine eigene Wohnung in … gehabt, wo beide gewohnt hätten. Sie wisse nicht, ob die Mutter des Kindesvaters noch lebe. Sie habe die Mutter damals kontaktiert und nachgefragt, ob der Kindesvater zurückgekommen sei. Sie habe nein gesagt. Die Antragstellerin habe sie dann noch einmal angerufen. Die Antragstellerin wisse nicht, ob die Mutter die Wahrheit sage. Die Mutter habe zugesichert, sich nochmal bei der Antragstellerin zu melden, wenn der Kindesvater zurückkomme. Sie habe auch versucht, ihn unter seiner Telefonnummer anzurufen. Er sei aber nicht rangegangen. Nach einem halben Jahr habe er die Telefonnummer gewechselt. Es sei ihr mitgeteilt worden, dass die Nummer nicht mehr verfügbar sei. Sie habe auch keinen Kontakt mehr zu Freunden oder anderen Personen in der Ukraine, weil alle wegen des Krieges weggegangen seien. Sie habe keine Nachweise, dass sie bei mehreren Behörden nach der Anschrift des Vaters gefragt habe. Sie habe auch von Deutschland aus nach dem Kindsvater in der Ukraine gesucht. Sie habe auch mit der Mutter und mit Freunden gesprochen und nachgefragt, wo er sei. Viele Freunde seien allerdings in andere Städte gezogen. Es sei schwer, ihn zu finden. Sie wisse nicht, ob er überhaupt noch lebe, da viele junge Menschen als Soldaten geschickt worden seien. Alle Telefonnummern seien in … auf russische Telefonnummern gewechselt worden, daher habe sie auch keinen Kontakt mehr zu der Mutter des Kindesvaters.
15
In einem Vermerk über eine Plausibilitäts- und Glaubwürdigkeitsanalyse vom 22.04.2024 wurde seitens des Antragsgegners im Ergebnis festgestellt, dass die Aussagen als glaubhaft angesehen würden (Bl 126 f. der Behördenakte). Es werde allerdings ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 UVG angenommen, da sie die vorliegende Situation aktiv durch ihre Entscheidung herbeigerufen habe.
16
Mit Schreiben vom 04.06.2024 wurde die Antragstellerin erneut zur beabsichtigten Aufhebung des Leistungsbescheids und der Einstellung der Leistungen nach dem UVG angehört (Bl. 130 f. der Behördenakte). Dort wird der Antragstellerin im Wesentlichen vorgeworfen, sie habe durch ihre Verhaltensweise freiwillig und absichtlich eine Situation herbeigerufen, in der es für den Gesetzgeber nicht vereinbar sei, solche Nachteile eines Alleinerziehenden über UVG-Leistungen auszugleichen.
17
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 20.06.2024 (Bl. 139 ff. der Behördenakte) trat die Antragstellerin dem entgegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin den richtigen Namen des Vaters im Antragsformular angegeben habe. Es treffe zu, dass aufgrund Art. 135 ukrFamGB nicht der Vater in der Geburtsurkunde aufgeführt werde. Dies sei erfolgt, um sicherzugehen, dass ihr Wegzug nach Deutschland nicht verwehrt werde. Von einer Weigerung der Mitwirkung sei nicht auszugehen. Kurz darauf sei der Vater des Kindes verschwunden und trotz intensivem Suchen der Mutter bis heute nicht auffindbar. Die Entscheidung der Eintragung in der Geburtsurkunde habe nicht lediglich auf dem Willen der Mutter beruht, sondern auch auf dem Willen des Vaters. Ohne gemeinsame Erklärung der Eltern wäre eine Eintragung des Namens „A. …“ in der Geburtsurkunde nicht möglich gewesen. Demnach sei die Entscheidung nicht freiwillig gewesen und die Hervorrufung der Situation weder freiwillig noch absichtlich erfolgt. Die Mutter habe durch die Eintragung des Namens „B. …“ in der Geburtsurkunde nicht bewusst und freiwillig auf die Unterstützung des leiblichen Vaters des Kindes verzichtet und auch nicht bewusst und gewollt eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf den unterhaltverpflichteten Vater unmöglich sei. Vielmehr habe die Mutter des Kindes den leiblichen Vater benannt, der Rückgriff sei lediglich durch das Verschwinden des Vaters und dem unbekannten Aufenthalt des Vaters unmöglich gemacht worden. Die Mutter habe nicht bewusst und freiwillig auf jegliche Unterstützung des leiblichen Vaters des Kindes verzichtet. Daneben sei eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 3 UVG nicht möglich. Der Fall einer durch heterologe Insemination mittels einer anonymen Samenspende herbeigeführten Schwangerschaft sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die Feststellung der Vaterschaft sei hier nicht von vornherein ausgeschlossen, vielmehr sei der leibliche Vater des Kindes der Antragsgegnerin bereits bekannt.
18
Mit Bescheid vom 26.06.2024 (Bl. 4 ff. der Gerichtsakte) wurde die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind mit Wirkung ab dem 01.08.2024 eingestellt (Ziffer 1). Daneben wurde der Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.05.2022 ab dem 01.08.2024 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin durch ihre freiwillige und absichtliche Entscheidung eine Situation herbeigerufen habe, in der es für den Gesetzgeber nicht vereinbar sei, solche Nachteile des Alleinerziehenden über UVG-Leistungen auszugleichen. Hierbei verweist die Antragsgegnerin auf eine Entscheidung des VGH BW (U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 juris Rn. 32 f.). Die Vorschrift des § 1 Abs. 3 UVG formuliere, dass der Anspruch „nicht besteht“, wenn der alleinerziehende Elternteil es an der notwendigen Mitwirkung fehlen lasse. Die Mitwirkung sei daher eine echte Anspruchsvoraussetzung. Der alleinerziehende Elternteil müsse Auskünfte, die zur Durchführung des Gesetzes erforderlich seien, machen. Ferner müsse er an der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitwirken. Das Verlangen, bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken, verletze grundsätzlich nicht die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Intimsphäre der Mutter. Die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit könne dem Kind als Anspruchsinhaber entgegengehalten werden. Die Zurechnung des Verhaltens beruhe darauf, dass der Alleinerziehende nach § 9 Abs. 1 UVG den Antrag auf Unterhaltsleistung eigenständig geltend machen könne und es nach dem Gesetzeszweck auch um die Milderung seiner gegebenenfalls schwierigen Lage gehen solle. Gem. § 7 UVG i.V.m. § 1592 BGB könnten nur gegen einen rechtlichen Elternteil Ansprüche geltend gemacht werden. Die reine Angabe des Namens genüge daher nicht. Bei den zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Auskünften handele es sich um Auskünfte zu allen Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs und ferner zu den Auskünften, die notwendig seien, damit der Übergang des Anspruchs des Berechtigten auf das Land realisiert werden könne (vgl. § 7 UVG). Die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft werde in § 1 Abs. 3 UVG gesondert erwähnt, weil die Kenntnis von der Vaterschaft keine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs sei, aber zur Durchführung des Gesetzes (vgl. § 7 UVG) erforderlich sei. Insofern lasse sich die Feststellung der Vaterschaft auch bereits den zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Auskünften zuordnen. Werde der Antrag auf Unterhaltsvorschuss erst einige Jahre nach der Geburt des Kindes gestellt, sei nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, sondern darauf, was die Mutter spätestens nach der Feststellung, dass sie schwanger ist, zur Feststellung des Kindsvaters unternommen habe. Die Norm des § 1 Abs. 3 UVG sei deshalb so auszulegen, dass es für die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft grundsätzlich auf den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr, sofern die Kindsmutter von einer Empfängnis ausgehen musste, spätestens auf den Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft ankomme. Im Schreiben vom 20.06.24 werde angegeben, dass der Wille der Eintragung nicht alleinig bei der Mutter liege, sondern auch beim Vater. Diese Aussage stimme dahingehend, dass gem. Art. 125 Abs. 2 ukrFamGB die Abstammung vom Vater bei fehlender Ehe entweder durch gemeinsame Erklärung festgelegt, jedoch auch gerichtlich festgestellt werden könne. Diese Möglichkeit habe die Kindsmutter gehabt, hätte sie ein Interesse an der Feststellung gehabt. Gemäß Aussage vom 19.04.2024 sei das Kind drei Monate alt gewesen, als der Vater die Familie verlassen habe, bei Punkt 10 der Befragung habe sie angegeben: „Zuerst wurde er nicht eingetragen, weil ich nach Deutschland mit ihm wollte und zwar mit ihm und ich wollte keine Probleme bekommen. Ich wusste nicht, ob wir zusammenbleiben“ und weiter bei Punkt 13 auf die Frage „Sie gaben oben aber an, dass Sie die Entscheidung bereits getroffen haben, als Sie mit dem Kindsvater noch zusammen waren? Antwort: Ja wir haben das ja zusammen besprochen und entschieden“. Die Entscheidung habe also bei der Kindsmutter alleinig gelegen, eben keine Eintragung zu machen. In der Bescheidsbegründung wird ausgeführt: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war aus Gründen der sparsamen Bewirtschaftung öffentlicher Haushaltsmittel notwendig“. Die sofortige Vollziehung wurde nicht ausdrücklich tenoriert.
19
Mit Schreiben vom 23.07.2023, zugegangen bei der Antragsgegnerin am 25.07.2023, legte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid 26.06.2024 ein (Bl. 183 ff. der Behördenakte). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der biologische Vater des Kindes Herr A. … sei. Diesen Namen habe die Antragstellerin auch in dem Antragsformular angegeben. In der Geburtsurkunde des Kindes sei als Vater der Name „B. …“ eingetragen. Diese Eintragung sei gemäß Artikel 135 ukrFamGB erfolgt. Demnach sei eine Eintragung des Vaters nach dem Namen der Mutter gemäß den Angaben der Mutter möglich, wenn bei der Geburt des Kindes durch eine unverheiratete Mutter keine gemeinsame Erklärung der Eltern vorliege. Im vorliegenden Fall sei die Antragstellerin bei der Geburt nicht verheiratet gewesen und es habe keine gemeinsame Erklärung der Eltern gegeben. Der leibliche Vater des gemeinsamen Kindes habe gerade keine derartige Erklärung abgeben wollen, sondern dieser habe gewollt, dass sie gemäß der Geburtsurkunde alleinerziehende Mutter sei. Kurz darauf sei der Vater des Kindes verschwunden und trotz intensiver Suche bis heute nicht auffindbar gewesen. Die Antragstellerin habe bei verschiedenen Ämtern bezüglich des Kindesvaters nachgefragt, dies jedoch ohne Erfolg. Weiter habe sie auch bei Freunden sowie der Mutter des Kindesvaters nachgefragt, wo sich dieser aufhalte. Dies sei jedoch auch ohne Erfolg geblieben. Die Antragstellerin wisse nicht, wo sich der Kindesvater aufhalte, dies auch im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Ukraine. Es sei richtig, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Geburt den Wunsch gehabt habe, nach Deutschland auszureisen. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der Kindesvater keine gemeinsame Erklärung bezüglich der Eintragung in der Geburtsurkunde habe abgeben wollen. Durch die aktive Angabe des Namens des leiblichen Kindesvaters im Antragformular sowie durch die mehrfachen Versuche, den Aufenthalt des Kindesvaters zu ermitteln, könne keinesfalls von einer Weigerung an der Mitwirkung gesprochen werden. Weiter habe sie nicht durch freiwillige und absichtliche Entscheidung eine Situation herbeigerufen, in der es für den Gesetzgeber nicht vereinbar sei, solche Nachteile eines Alleinerziehenden über die UVG-Leistungen auszugleichen. Die Entscheidung bezüglich der Eintragung des Namens „B. …“ in der Geburtsurkunde habe auf dem Willen des leiblichen Kindesvaters beruht und nicht lediglich auf dem Willen der Antragstellerin. Weiter habe die Antragstellerin durch die Eintragung des Namens „B. …“ in der Geburtsurkunde nicht bewusst und freiwillig auf die Unterstützung des leiblichen Vaters des Kindes verzichtet und somit auch nicht bewusst und gewollt eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf den unterhaltsverpflichteten Vater unmöglich geworden wäre. Die momentane Unmöglichkeit des Rückgriffs auf den unterhaltsverpflichteten Vater sei lediglich in dem Verschwinden des leiblichen Vaters und dem unbekannten Aufenthalt des leiblichen Vaters begründet, nicht jedoch in der Eintragung des Namens „B. …“ in der Geburtsurkunde, da dem Antragsgegner der leibliche Vater bekannt sei. Bezüglich der Eintragung des Namens des Vaters gemäß den Angaben der Mutter in der Geburtsurkunde gemäß Art. 135 ukrFamGB sei auf die Richtlinie zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes zu verweisen. Zu § 1 UVG sei unter 1.11.9 gerade der Fall beschrieben, als eine aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion entstammende Mutter bei Vorlage der Geburtsurkunde des Kindes zu befragen sei, ob die als Vater eingetragene Person tatsächlich der Vater des Kindes sei. Dies im Hintergrund dazu, dass es bei der Eintragung in der Geburtsurkunde möglich gewesen sei, eine Person mit dem Nachnamen der Mutter einzutragen. Gemäß dieser Richtlinie hätte die Antragsgegnerin demnach die von der Mutter gemachten Angaben würdigen und ggf. die Eintragung der Vaterschaft in der Geburtsurkunde als unbeachtlich ansehen müssen. Dies sei hier gerade der Fall, es seien alle notwendigen Angaben bezüglich des leiblichen Vaters des Kindes angegeben und soweit ihr möglich an der Ermittlung des Aufenthaltes des Kindesvaters mitgewirkt worden. Folglich sei die Eintragung der Vaterschaft in der Geburtsurkunde hier als unbeachtlich anzusehen. Die angeführte Entscheidung des VGH BW, U.v. 17.10.2018 -12 S 773/18, sei hier gerade nicht anwendbar. Der Zustand, dass der Rückgriff auf den unterhaltsverpflichteten, leiblichen Vater momentan nicht möglich sei, ist ausschließlich auf das Verschwinden des Kindesvaters zurückzuführen und gerade nicht ausschließlich auf ein freiwilliges und absichtliches Verhalten der Mutter. Sie habe nicht bewusst und freiwillig auf jegliche Unterstützung des leiblichen Vaters des Kindes verzichtet. Das Urteil beziehe sich auf einen Fall, in dem der leibliche Vater aufgrund einer durch heterologe Insemination mittels einer anonymen Samenspende herbeigeführten Schwangerschaft nicht habe festgestellt werden können. Diese Situation sei aber keinesfalls vergleichbar. Die Feststellung der Vaterschaft und damit der Rückgriff auf den unterhaltsverpflichteten Vater sei hier nicht von vornherein ausgeschlossen, vielmehr sei der leibliche Vater des Kindes bekannt.
20
Mit weiterem Bescheid vom 24.07.2024 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 26.06.2024 nachträglich angeordnet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.4 VwGO sei im öffentlichen Interesse notwendig, weil der Eintritt von weiteren Schäden für die Gemeinschaft zu befürchten sei. Durch unberechtigte ausgezahlte Sozialleistungen entstünden der Allgemeinheit finanzielle Nachteile, weil die Gelder in berechtigten Fällen möglicherweise nicht zur Verfügung stünden. Der Schutz des Gemeinwohls überwiege ebenfalls, da gezahlte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nur an berechtigte Empfänger ausgezahlt werden sollten und Missbrauch vorgebeugt werden solle, damit das System der sozialen Absicherung stabil bleibe. Eine Entscheidung über mögliche Rechtsbehelfe könne nicht abgewartet werden. Das öffentliche Interesse an der Einstellung der Leistungen überwiege das Interesse des einzelnen Leistungsempfängers, die Leistung bis zum Abschluss des Verfahrens weiter zu erhalten, um möglicherweise diesen Betrag erstatten zu müssen.
21
Mit Schreiben vom 31.07.2024 wurde seitens der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werde (Bl. 193 f. der Behördenakte). Die fehlende Eintragung des Vaters in die Urkunde sei nicht als unbeachtlich anzusehen. Die Norm des § 1 Abs. 3 UVG sei so auszulegen, dass es für die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft grundsätzlich auf den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Geschlechtsverkehr, sofern die Kindsmutter von einer Empfängnis ausgehen musste, spätestens auf den Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft ankomme. Die Angaben der Kindsmutter seien gewürdigt und auch rechtlich geprüft worden. Auch der Gesetzgeber habe festgestellt, dass, wenn die Mutter sich zunächst entschieden hat, alleine für das Kind aufzukommen und keine Unterstützung des anderen Elternteils geltend gemacht werde, ein Unterhaltsvorschuss-Anspruch erst in Betracht komme, wenn die Vaterschaft rechtlich geklärt sei. Dies gelte auch bei zunächst zusammenlebenden oder gemeinsam für das Kind sorgende Elternteile. Die Kindsmutter habe mit dem Kindsvater zusammen gelebt und es sei eine gemeinsame Willenserklärung gewesen, keine Eintragung vorzunehmen. Die Unterhaltsvorschussstelle habe auch nicht die Schuldfrage zwischen den Eltern zu klären, es müsse rein die Tatsache bewertet werden und zwar die Entscheidung keine Eintragung zu machen. Die Verwendung von gleichlautenden Vornamen genüge hierbei nicht. Es gelte daher die Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft gem. § 1 Abs. 3 UVG. Dies besage auch der zitierte Absatz der VwUVG. Die Würdigung stelle eben eine Ermessensentscheidung aufgrund der vorgebrachten Auskünfte dar, nicht eine pauschale Feststellung. Dies Ermessensentscheidung sei erfolgt.
22
Mit Schreiben vom 22.08.2024 wurde seitens der Prozessbevollmächtigten „Widerspruch“ gegen die isolierte Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den „Bescheid“ der Antragsgegnerin vom 24.07.2024 eingelegt.
23
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2024 wurde der Widerspruch vom 23.07.2024 und vom 22.08.2024 zurückgewiesen. Die fehlende korrekte Eintragung des biologischen Vaters in die Geburtsurkunde und die fehlende rechtliche Anerkennung der Vaterschaft seien nicht als unbeachtlich anzusehen. Entsprechend den Ausführungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*21) sei die falsche Eintragung in die Geburtsurkunde als Hindernis anzusehen, die einer Leistungsgewährung entgegenstehe. Die Gewährung sei bislang lediglich aus dem Grund erfolgt, weil die Vorschriften zum Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes diesbezüglich noch nicht vollständig gewesen seien. Dies sei jedoch nun nachgeholt worden. Das Hindernis bestünde jedoch nach wie vor. Die Eintragung eines fiktiven Vaters in die Geburtsurkunde stelle demnach eine fortwirkende fehlende Mitwirkung dar, die erst damit behoben werden könne, dass der biologische Vater die Vaterschaft auch rechtlich anerkenne und ein Rückgriff auf diesen ermöglicht werde. Zur Begründung der sofortigen Vollziehung führte der Widerspruch vertiefend aus: Grundsätzlich gelte, dass der weitere Bezug von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bis zu einer Entscheidung über den Rechtsbehelf einen Schaden zulasten der Gemeinschaft darstellen würde, da es sich hier um staatliche Mittel handele, die im vorliegenden Fall momentan nicht über einen Rückgriff beigebracht werden könnten. Dem gegenüber stehe das Bedürfnis der Kindsmutter, der Widerspruchsführerin einen angemessenen Unterhalt zu ermöglichen, der das Kindeswohl nicht gefährde. Mit einem monatlichen Nettoeinkommen von etwa 4.700,00 Euro der Kindsmutter, dem Bezug des gesetzlichen Kindergeldes in Höhe von 250,00 Euro und der Möglichkeit, eine Eintragung der Lohnsteuerklasse II wahrzunehmen, sei eine Gefährdung des Kindeswohl im vorliegenden Fall deutlich zu verneinen. Hier habe das persönliche Interesse des weiteren Bezugs von Leistungen nach dem UVG bis zu einer Entscheidung im Rechtsbehelf hinter das Interesse des Staates, Mittel sparsam einzusetzen, zurückzutreten. Der Vortrag der Kindsmutter, als Ärztin jeden Tag Leben zu retten, könne hierbei nicht berücksichtigt werden, da dies der Aufgabe ihrer Tätigkeit entspreche, für die sie entlohnt werde und die keinerlei Einfluss auf den Gesetzesvollzug zu nehmen habe.
24
In dem von der Regierung von … in ihren Widerspruchsbescheid Bezug genommenen Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 BMFSFJ 213-2871/000*21 („geänderte UVG-RL 1.11.8; Fragen und Antworten für die Praxis“ – Hervorhebungen im Original) heißt es:
„A) Handhabung von bereits laufenden Fällen (Aufhebung der Bewilligung, Rechtsgrundlage) (…)
Zur Zeit der Antragstellung wurde in dem Verfahren der von der in der Geburtsurkunde genannten Person abweichende biologische Vater des Kindes genannt. In der Geburtsurkunde ist ein fiktiver Vater eingetragen. Die Mutter war als Teil der nach § 1 Abs. 3 UVG notwendigen Mitwirkung aufzufordern, die notwendigen Schritte zur rechtlichen Vaterschaftsklärung einzuleiten (z.B. Einrichtung einer Beistandschaft, Betreiben eines Verfahrens). Wurde dies verweigert, fehlte es bereits damals an der i.S.d. § 1 Abs. 3 UVG notwendigen Mitwirkung und war UV bereits damals abzulehnen. Wurde damals aber mitgewirkt, konnte zunächst bewilligt werden.
Gibt es Anlass, den Fall neu anzuschauen (z.B. jährliche Überprüfung, Umzug, usw.), sind nun die aktuellen Richtlinien maßgeblich. Grundsätzlich müsste zu den Bemühungen zum Zeitpunkt der Schwangerschaft/Geburt auch die erfolgreiche rechtliche Klärung der Vaterschaft hinzugetreten sein.
Insbes. mit der Veranlassung der falschen Eintragung in der Geburtsurkunde wurde ein Hindernis für die Unterhaltsdurchsetzung geschaffen, welches die Mutter zu vertreten und nun zu beseitigen hat. Die UVG-RL haben dieses Hindernis bis zur entsprechenden Änderung nicht als Fall der fehlenden Mitwirkung eingeordnet und waren insoweit unvollständig. Das „Hindernis“ ist hier unverändert vorhanden, selbst wenn der im geschilderten Fall seit langem nicht mehr im Kontakt stehende Vater wieder auftaucht oder sogar stets präsent war. Eine Aufhebung der bestehenden Bewilligung für das Kind kommt gem. § 45 SGB X in Betracht. Die Eintragung einer fiktiven Person als Vater stellt eine fortwirkende Nicht-Mitwirkung dar. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsentscheidung richten sich nach dem Gesetz. Ggf. sind dann alle Vertrauenstatbestände sowie die Fristen für Dauerverwaltungsakte im Einzelfall zu prüfen. Es ist dabei darauf hinzuweisen, dass nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X die Zulässigkeit der Rücknahme von der Abwägung zwischen dem investierten Vertrauen des Begünstigten einerseits und dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme andererseits abhängig ist. Im Falle eines VAs mit Dauerwirkung besteht regelmäßig erhöhtes öffentliches Rücknahmeinteresse (BeckOGK/Sandbiller, 15.8.2023, SGB X § 45 Rn. 69-71). In Fällen wie dem geschilderten kommt nach den Regelungen des § 45 SGB X nur eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft in Betracht.“.
25
Mit Schriftsatz vom 16.10.2024, zugegangen am gleichen Tag, erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin Anfechtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2024 und 24.07.2024 in Form des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 11.09.2024. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 K 24.1022 geführt.
26
Zugleich beantragte die Antragstellerin:
Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 des Bescheides der Stadt … vom 26.06.2024 ist aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
27
Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe bei der Feststellung der Vaterschaft sowie bei der Feststellung des Aufenthaltsortes des Kindesvaters mitgewirkt, so dass ihr der Anspruch auf Zahlung des Unterhaltsvorschusses nicht gemäß § 1 Abs. 3 UVG verwehrt werden könne. Der biologische Vater des Kindes sei Herr A. …, diesen Namen habe die Antragstellerin auch in dem Antragsformular für den Unterhaltsvorschuss angegeben. In der Geburtsurkunde des Kindes sei als Vater der Name B. … eingetragen, diese Eintragung erfolgte gemäß Art. 135 ukrainisches Familiengesetzbuch. Nach diesem sei eine Eintragung des Vaters nach dem Namen der Mutter gemäß den Angaben der Mutter möglich, wenn bei der Geburt des Kindes einer unverheirateten Mutter keine gemeinsame Erklärung der Eltern vorliege. Die Antragstellerin sei die Mutter des Kindes, sie sei bei der Geburt nicht verheiratet gewesen und es habe gerade keine gemeinsame Erklärung der Eltern gegeben. Der leibliche Vater des Kindes habe keine derartige Erklärung abgeben wollen. Kurz darauf sei der Vater des Kindes verschwunden und trotz intensiver Suche der Antragstellerin bis heute nicht auffindbar gewesen. Sie habe bezüglich des Kindesvaters bei verschiedenen Ämtern und bei Freunden sowie der Mutter des Kindesvaters nachgefragt, wo sich der Kindesvater aufhält, dies jedoch alles ohne Erfolg. Die Antragstellerin wisse nicht, wo sich der Kindesvater aufhalte, dies auch im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Ukraine. Sie habe den Namen des leiblichen Kindesvaters im Antragsformular angegeben sowie mehrfach versucht, den Aufenthaltsort des Kindesvaters zu ermitteln, folglich könne keinesfalls von einer Weigerung an der Mitwirkung gesprochen werden. Des Weiteren habe die Antragstellerin nicht durch freiwillige und absichtliche Entscheidung eine Situation herbeigeführt, in der es für den Gesetzgeber nicht vereinbar sei, solche Nachteile eines Alleinerziehenden über die UVG-Leistungen auszugleichen. Die Entscheidung bezüglich der Eintragung des Namens B. … in der Geburtsurkunde beruhe auch auf dem Willen des leiblichen Kindesvaters und nicht lediglich auf dem Willen der Antragstellerin. Die Unmöglichkeit des Rückgriffes auf den unterhaltsverpflichteten Vater sei nicht in der Eintragung des Namens B. … in der Geburtsurkunde, sondern vielmehr lediglich auf das Verschwinden des leiblichen Vaters und den unbekannten Aufenthaltsort desselben begründet. Gemäß Ziffer 1.11.9 der Richtlinie zur Durchführung des UVG sei eine aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion entstammende Mutter bei Vorlage der Geburtsurkunde des Kindes zu befragen, ob die als Vater eingetragene Person tatsächlich der Vater des Kindes sei. Dies gerade deshalb, als es bei der Eintragung in der Geburtsurkunde möglich gewesen wäre, eine Person mit dem Nachnamen der Mutter einzutragen. Bereits aus der Geburtsurkunde des Kindes der Antragstellerin ergebe sich, dass der dort eingetragene Name des Vaters, B. …, nicht der leibliche Vater des Kindes sei, da gemäß der Geburtsurkunde dieser Name laut dem Teil 1 des Art. 135 des Familiengesetzbuches der Ukraine eingetragen worden sei. Folglich habe die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gemachten Angaben zu dem leiblichen Vater ihres Kindes zu würdigen und die Eintragung der Vaterschaft in der Geburtsurkunde als unbeachtlich zu erachten. Die Feststellung der Vaterschaft und somit der Rückgriff auf den unterhaltsverpflichteten Vater sei nicht von vorneherein ausgeschlossen, vielmehr sei der leibliche Vater des Kindes der Antragstellerin durch die von der Antragstellerin gemachten Angaben bekannt.
28
Mit Schriftsatz vom 23.10.2024 wurde seitens der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin ausgeführt, dass es sich in dieser Angelegenheit gerade um den in Nr. 1.11.9. der Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes genannten Sonderfall handele, so dass die Arbeitshinweise bzw. Ergänzungen des BMFSFJ zu Nr. 1.11.8 der Richtlinie hier nicht aussagekräftig seien.
29
Mit Schriftsatz vom 23.10.2024 beantragte die Antragsgegnerin den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
30
Zur Begründung wird ausgeführt: Welche konkreten Mitwirkungspflichten von demjenigen Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, zur Feststellung der Vaterschaft erforderlich seien, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Liege der Zeitpunkt der Zeugung mehrere Jahre vor der Antragsstellung, sei auf den Zeitpunkt der Zeugung bzw. der Schwangerschaft abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt setze die gesteigerte Mitwirkungspflicht ein (unter Verweis auf Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 141 und 1.11.9 i.V.m 1.11.8 VwUVG). Die Mitwirkung an der Feststellung der Vaterschaft sei vor allem gegenüber dem Kind eine elementare Verpflichtung. Die Mutter könne auf die Feststellung der Vaterschaft nicht ohne Weiteres verzichten. Sie könne nicht davon ausgehen, den Unterhalt für ihr Kind auf ewig selbst aufzubringen. Der Kindsvater sei zum Zeitpunkt der Schwangerschaft bekannt gewesen und könne durch die Antragstellerin ermittelt und benannt werden, da die Antragstellerin mit dem Kindsvater zusammengelebt habe. Die Antragstellerin und der Kindesvater hätten gemeinsam bewusst die Entscheidung getroffen, nicht den Kindesvater einzutragen, da die Antragstellerin damals schon Ausreisepläne gehabt habe und hier bei einer Ausreise keine Probleme habe vermeiden wollen. Die Antragstellerin trage aber nichts dazu vor, warum die Eintragung des biologischen Vaters zu Problemen bei der Ausreise geführt hätte. Da der leibliche Vater weder eine Vaterschaftsanerkennung abgelegt habe noch in der Geburtsurkunde stehe, sei er nicht der rechtliche Vater und könne daher nicht zum Unterhalt herangezogen werden. Ein Rückgriff, wie von der Antragstellerin behauptet, sei daher aus rein rechtlicher Sicht und tatsächlicher Betrachtungsweise weder durch das Kind selbst noch durch eine staatliche Stelle möglich. Diesen Zustand müsse sich die Kindsmutter anrechnen lassen. Sie habe sich bewusst dazu entschieden, den leiblichen Vater nicht eintragen zu lassen. Wenn sich ein Elternteil zunächst entscheide, allein für das Kind aufzukommen und keine Unterstützung des anderen Elternteils geltend mache, komme ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss erst in Betracht, wenn die Vaterschaft rechtlich geklärt sei. Insbesondere in der Regelung des § 1 Abs. 3 UVG komme die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass der alleinerziehende Elternteil die Ausfallleistung nicht absichtlich verursache. Mit der Vorstellung des Gesetzgebers sei es danach nicht vereinbar, auch solche Nachteile eines Alleinerziehenden über Leistungen nach den UVG auszugleichen, die ausschließlich aus einer Situation herrührten, die der leistungsbegehrende Elternteil selbst, freiwillig und absichtlich herbeigeführt habe. Der Gesetzgeber habe danach die Erwartung, dass ein Elternteil, der bewusst und freiwillig auf jegliche Unterstützung durch den anderen Elternteil verzichte, die sich aus dieser freien Entscheidung ergebenden Nachteile selbst trage, und halte eine Unterstützung durch die Allgemeinheit insoweit für unangemessen (unter Verweis auf VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – juris Rn. 32 f; BT-Drucks. 8/1952).
31
Die Mitwirkung der Klägerin sei echte Anspruchsvoraussetzung. Zu dieser Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehörten grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28/12 – juris Rn. 11). In der Regel seien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes alle Auskünfte oder Tatsachen erforderlich, die zur Feststellung des Anspruchs auf Unterhaltsleistung oder zur Geltendmachung des nach § 7 UVG kraft Gesetzes auf die öffentliche Hand übergehenden Unterhaltsanspruches benötigt würden (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 21.11.1991 – 5 C 13.87 – juris Rn. 16) und die die öffentliche Hand in die Lage versetzten, von dem zahlungspflichtigen Elternteil die vorgeleisteten Gelder nach § 7 UVG zurückzufordern (unter Verweis auf VG Berlin, U.v. 21.5.2019 – 21 K 982.18 – juris Rn. 15 m.w.N.). Die Antragstellerin könne im vorliegenden Fall lediglich den Namen des Kindsvaters nennen, aber nicht den aktuellen Aufenthaltsort des Vaters. Die bloße Nennung des Kindsvaters widerspreche dem Mitwirkungsgedanken der Antragstellerin. Sie müsse alles Mögliche und ihr Zumutbare getan haben, um den Kindesvater zu ermitteln (unter Verweis auf SächsOVG, U.v. – 5 A 350/22 – juris Rn 34). Die Antragstellerin hätte bei tatsächlichem Interesse an der Vaterschaftsfeststellung, die Vaterschaft in der Ukraine auch gerichtlich feststellen können. Die Auskunftserteilung im Verfahren genüge daher nicht, da Sie es unterlassen habe, alles Mögliche und Zumutbare zu tun, um den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Kindsvater festzusetzen und durchzusetzen, als es ihr noch möglich gewesen wäre.
32
Die Entscheidung des BayVGH vom 05.06.2024 -12 CS 24.834 sei aus Sicht der Antragsgegnerin für diesen Sachverhalt nicht anwendbar. Es bestehe im vorliegenden Fall keine Beistandschaft. Eine Beistandschaft sei der Antragsgegnerin jedenfalls nicht bekannt. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin nur einen Namen und keine Adresse des Kindsvaters nennen können. Die Antragstellerin selbst habe hier durch vorsätzliches Verhalten die Situation hervorgerufen, dass eine Vaterschaftsanerkennung nach aktueller Aktenlage nicht möglich erscheine, obwohl diese bei Ausstellung der Geburtsurkunde möglich gewesen wäre. Die Antragstellerin habe nicht plausibel darstellen können, warum sie es unterlassen habe, den leiblichen Vater in der Geburtsurkunde eintragen zu lassen. Es müsse daher an der ablehnenden Entscheidung festgehalten werden, da es bei der Mitwirkung im Zusammenhang mit der Feststellung der Vaterschaft gem. § 1 Abs. 3 UVG durch die Kindsmutter 2015 nachweislich gefehlt habe und dies bis heute auch nicht behoben wurde.
33
Hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird folgendes ausgeführt: Durch den weiteren Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen würde für die Gemeinschaft ein entsprechender Schaden entstehen, da ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss aufgrund der fehlenden Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft bzw. der Durchführung des Gesetzes nicht vorliege. Ferner würde ein Rückzahlungsanspruch gem. § 5 Abs. 1 UVG gegen die Kindsmutter vorliegen. Dies würde nicht nur einen Schadensersatz gegen die Kindsmutter darstellen, sondern auch einen erhöhten Verwaltungsaufwand, welcher ebenfalls mit gestiegenen Kosten für die Allgemeinheit verbunden wäre. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wäre nur dann gegeben, wenn der angemessene Unterhalt des Kindes gefährdet wäre. Laut vorliegendem Einkommensnachweis der Kindsmutter aus dem Jahr 2022 beziehe die Kindsmutter ein monatliches Nettoeinkommen von 4.709,12 €. Der Bedarf gem. SGB II des Kindes werde hier deutlich überschritten. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass durch die Anordnung des Sofortvollzuges der Entscheidung der angemessene Unterhalt gefährdet sei. Das öffentliche Interesse überwiege daher, dass die Leistungen mittels Sofortvollzug nicht an die Kindsmutter ausgezahlt werden und die Einstellung der Leistungen und die Aufhebung des Bewilligungsbescheides ohne Abwarten einer Entscheidung im Klageverfahren vollzogen wurde.
34
Im Übrigen verweist die Antragsgegnerin auf den Widerspruchsbescheid vom 11.09.2024.
35
Mit Schreiben vom 11.11.2024 wiederholte und vertiefte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag.
36
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakten Bezug genommen.
37
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
38
1. Der Antrag ist zulässig.
39
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist nach § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 2 VwGO statthaft, §§ 122, 88 VwGO. Die Kammer kann es vorliegend offenlassen, ob es sich bei der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen grundsätzlich um einen begünstigenden Dauerverwaltungsakt handelt (hierzu BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 12 C 18.1894 – juris Rn. 26; VG München, B.v. 5.7.2022 – M 18 E 22.3041 – juris Rn. 25 ff. m.w.N.; jüngst mit eingehender und überzeugenden Begründung SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 590/21 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.; zu den prozessualen Folgen Buchheister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. Stand: 4.1.2024, § 9 UVG Rn. 40.1). Von einem Dauerverwaltungsakt ist vorliegend jedenfalls deshalb auszugehen, weil die Bewilligung bis zu einem weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt erfolgt ist (vgl. Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, Einl. Rn. 105). Durch die erfolgreiche Anfechtungsklage würden die aufgehobenen leistungsbewilligenden Bescheide wiederaufleben (VG Würzburg, B.v. 1.8.2023 – W 3 K 20.1976 – juris Rn. 23; VG München, U.v. 4.7.2018 – M 18 K 16.3912 – juris Rn. 38; VG Dresden, B.v. 20.9.2021 – 1 L 520/21 – juris Rn. 16).
40
Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO. Sie kann im eigenen Namen den möglicherweise bestehenden Anspruch des Kindes eigenständig geltend machen (BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 C 13.2488 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 590/21 – juris Rn. 26). Diese Berechtigung umfasst auch die Erhebung einer Anfechtungsklage des alleinerziehenden Elternteils gegen einen an ihn gerichteten Bescheid, mit dem für das Kind bewilligte Unterhaltsvorschussleistungen eingestellt werden (SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 590/21 – juris Rn. 26). Dies erscheint folgerichtig, da insbesondere auch die wirtschaftlichen Interessen des alleinerziehenden Elternteils für eine Begründung einer Klage- bzw. Antragsbefugnis mit Blick auf die Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen herangezogen werden (BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 C 13.2488 – juris Rn. 9), sodass e contrario auch der Erhalt der aufgrund des begünstigenden Dauerverwaltungsaktes bereits erlangten Rechtspositionen hiervon umfasst ist.
41
2. Der gegen die Stadt … als richtige Passivlegitimierte (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog) erhobene Antrag ist auch begründet.
42
a. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt bereits nicht den inhaltlichen Mindestanforderungen an die Begründung nach §§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 VwGO. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung als Ausnahme vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) bedarf in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO grundsätzlich einer schriftlichen Begründung, in der das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts dargelegt sein muss, § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Hierzu ist regelmäßig eine auch auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses erforderlich, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehung notwendig ist (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 15.5.2018 – 22 CS 18.566 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 11; VG Ansbach, B.v. 5.2.2007 -AN 14 S 06.03851 – juris Rn. 20). Das bloße Abstellen auf das Vollzugsinteresse genügt für eine solche Begründung nicht (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 – juris Rn. 3; Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl.2024, § 80 Rn. 85; Windthorst in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 80 Rn. 149). Ebenso wenig genügen bloße Floskeln (BVerwG, B.v. 30.3.2007 – 9 VR 7/07 – juris Rn. 4; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL 2024, § 80 VwGO Rn. 247; Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 746; Windthorst in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 80 Rn. 149; Gersdorf in: BeckOK VwGO, 70. Ed. 1.1.2024, § 80 Rn. 87). Die Begründung hat dabei u.a. den Zweck, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zur Vollzugsanordnung veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen (VG Ansbach, B.v. 5.2.2007 – AN 14 S 06.03851 – juris Rn. 20).
43
Der Ausgangsbescheid vom 26.06.2024 enthält zwar im begründenden, nicht aber im verfügenden Teil Ausführungen zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung („Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war aus Gründen der sparsamen Bewirtschaftung öffentlicher Haushaltsmittel notwendig“). Es kann dahinstehen, ob nach §§ 133, 157 BGB analog bereits die (floskelhaft ungenügende) Anordnung der sofortigen Vollziehung getroffen werden sollte, oder es sich bei der Aufnahme dieser Ausführungen in die Bescheidsbegründung um ein bloßes Versehen handelt. Jedenfalls erging nachträglich eine gänzlich neue Anordnung der sofortigen Vollziehung, wodurch prinzipiell seitens der Behörde „nachgebessert“ werden kann (BayVGH, B.v. 3.6.2002 – 7 CS 02.875 – juris Rn. 13; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL 2024, § 80 VwGO Rn. 251; Windthorst in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 80 Rn. 151).
44
Die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.07.2024 genügt den oben dargestellten Anforderungen aber ebenfalls nicht. Sie enthält einen bloßen Textbaustein mit pauschalen Aussagen ohne jeglichen Einzelfallbezug der auf jegliche Sozialleistung und weitergehend eigentlich jede finanzielle Verausgabung durch den Staat passt (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.2.2007 -AN 14 S 06.03851 – juris Rn. 22). Es wurde bezeichnenderweise nicht einmal auf die hier einschlägigen Unterhaltsvorschussleistungen, sondern ganz allgemein auf „Sozialleistungen“ bzw. „Leistungen“ abgestellt. Die Antragsgegnerin hat nicht ansatzweise deutlich gemacht, welches Vollziehungsinteresse – ausnahmsweise – über das bloße Erlassinteresse hinausgeht. Die Anforderungen an die Substantiierung der Begründung können vorliegend auch nicht abgesenkt werden, wenn man mit der teils vertretenen Auffassung bei immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen lediglich an die typische Interessenlage und nicht an die Interessenlage im Einzelfall anknüpft (so etwa BayVGH, B.v. 27.5.2015 – 11 CS 15.645 – juris Rn. 8 zu einer Fahrtenbuchauflage; gegen eine solche Vorgehensweise prinzipiell Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL 2024, § 80 VwGO Rn. 247). Gerade bei Sozialleistungen sind die jeweils betroffenen Interessen sehr vielschichtig und im Einzelfall höchst unterschiedlich. Was die Einstellung von gewährten Leistungen bzw. die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden anbelangt, wird dies durch die sehr ausdifferenzierten §§ 44 ff. SGB X eindrücklich aufgezeigt. Insbesondere kann hier – wie auch der Widerspruchsbescheid zeigt – die Leistungsfähigkeit des Leistungsberechtigten eine hohe Bedeutung haben.
45
Zwar geht, wie gerade angesprochen, die Begründung im Widerspruchsbescheid auch auf die wirtschaftliche Situation des Kindes bzw. der Antragstellerin ein und kommt zu einem Überwiegen des Vollziehungsinteresses. Nach herrschender Meinung (vgl. hierzu Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 85; Windthorst in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 80 Rn. 150; Funke-Kaiser in: Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, § 4 Rn. 160; Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL 2024, § 80 VwGO Rn. 249 jeweils m.w.N.) ist die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aber angesichts der mit der Begründungspflicht verbundenen Zwecke nach zutreffender Auffassung nicht nachholbar bzw. heilbar. Der Verweis im Widerspruchsbescheid auf § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X geht fehl, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach zutreffender Auffassung in Ermangelung einer eigenen Regelung gerade kein Verwaltungsakt ist (BVerwG, U.v. 20.4.2021 – 6 C 6/20 – juris Rn. 19; Windthorst in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 80 Rn. 143). Eine fehlerhafte Anordnung der sofortigen Vollziehung führt deshalb unheilbar zu deren Rechtswidrigkeit (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 -juris Rn. 3). Eine neue, rechtskonforme Anordnung der sofortigen Vollziehung, die unbenommen möglich bleibt, wurde von der (ebenfalls hierfür zuständigen) Widerspruchsbehörde nicht angeordnet. Es fehlt bereits an der „besonderen“, d.h. ausdrücklichen Anordnung der Sofortvollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 45. EL 2024, § 80 VwGO Rn. 251). Vielmehr wird im Widerspruchsbescheid ausdrücklich versucht, die unzureichende Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 24.07.2024 um Einzelfallaspekte zu ergänzen und damit zu „heilen“ (Bl. 13 der Gerichtsakte). Eine Nachbesserung ist nach dem Vorgesagten aber nur im Wege eines Neuerlasses der Anordnung möglich.
46
Aus dem gleichen Grund sind auch die Ausführungen zur sofortigen Vollziehung in der Antragserwiderung unbehelflich.
47
b. Unabhängig von der formellen Fehlerhaftigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung war diese nicht nur aufzuheben, sondern die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Die notwendige eigene Interessenabwägung durch das Gericht geht vorliegend zulasten der Antragsgegnerin aus. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der Verwaltungsakt bei dieser Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht regelmäßig kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessensabwägung. Der Verwaltungsakt erweist sich bei summarischer Prüfung aus mehreren Gründen als formell und materiell rechtswidrig.
48
aa. Der streitgegenständliche Bescheid ist bereits aufgrund von Begründungsdefiziten formell rechtswidrig. Nach § 35 Abs. 1 SGB X ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Vorliegend leidet der Bescheid an einem erheblichen Begründungsdefizit, denn sowohl der Ausgangsbescheid vom 26.06.2024 als auch der Widerspruchsbescheid 11.09.2024 verhalten sich in der Sache allein zu den Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 UVG, lassen aber jegliche Ausführungen zur einschlägigen Rechtsgrundlage vermissen, auf die sich die Antragsgegnerin für die Aufhebung des begünstigenden Dauerverwaltungsakts und die Einstellung der damit gewährten Leistungen stützt.
49
Nach älterer Rechtsprechung des BVerwG ist es zwar grundsätzlich zur Darlegung der rechtlichen Gründe nicht erforderlich, dass eine ausdrückliche Nennung der Rechtsgrundlage im Bescheid erfolgt (BVerwG, U.v. 13.6.1985 – 2 C 56/82 – juris Rn. 26). Das kann jedoch dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Betroffenen und die Gerichte sonst darüber im Unklaren gelassen würden und die herangezogene Rechtsgrundlage nicht anderweitig im Verwaltungsverfahren bekannt wurde oder aus sonstigen Gründen offensichtlich ist (vgl. zu § 39 (L)VwVfG ThürOVG, B.v. 20.12.1994 – 1 EO 112/94 – juris Rn. 33; VGH BW, 28.8.2006 – 5 S 2497/05 – juris Rn. 29; VG Koblenz, U.v. 13.10.2003 – 3 K 3058/02.KO – juris Rn. 89; VG München, U.v. 26.9.2007 – M 16 K 06.1786 – juris Rn. 27; VG Aachen, U.v. 28.10.2015 – 8 K 1819/12 – juris Rn. 46; VG Hannover, U.v. 22.9.2016 – 15 A 610/15 – juris Rn. 16; VG Berlin, B.v. 17.6.2022 – 27 L 199/21 – juris Rn. 27; VG Düsseldorf, U.v. 11. Mai 2023 – 11 K 7235/20 – juris Rn. 45; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 39 Rn. 19; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 39 Rn. 50, Weiß in: NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 39 Rn. 31; Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 39 Rn. 11; Ruffert in: Knack/Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 39 Rn. 23; Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, 7. Aufl. 2021, Rn. 483 f.).
50
Der BayVGH führt speziell zum Bereich der Aufhebung von bewilligenden Bescheiden und die Einstellung von Leistungen im Bereich des Unterhaltsvorschussrechts aus:
„Jedenfalls weist der Ausgangsbescheid hinsichtlich der in Ziffer 1. verfügten Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 14. November 2013 sowie der Einstellung der laufenden Zahlungen ab dem 1. Februar 2017 nicht die nach § 35 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Begründung auf. So wird bereits nicht deutlich, aufgrund welcher Rechtsgrundlage der Bewilligungsbescheid überhaupt zurückgenommen werden soll und ab welchem Zeitpunkt (…).
In der Folge bleibt weiter unklar, welches nun die konkrete Rechtsgrundlage für die „Aufhebung“ der Bewilligung von Unterhaltsvorschussleistungen sein soll. Hierbei käme grundsätzlich § 45 Abs. 1 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts) aber auch § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB X (Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts ab Änderung der Verhältnisse) in Betracht. (…) Eine Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale sowohl von § 45 Abs. 1 SGB X wie auch unter § 48 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB X unterbleibt vollständig. Auch der Verweis darauf, dass § 45 Abs. 2 SGB X grundsätzlich eine Ermessensentscheidung verlange, führt nicht weiter. Denn nach der gesetzlichen Systematik verbietet § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X zunächst die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts (auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 SGB X) soweit der Begünstigte – im vorliegenden Fall die Klägerin als Inhaberin des Anspruchs auf Unterhaltsvorschussleistungen, nicht hingegen ihre Mutter – auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und das Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Weder mit der nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X regelmäßig bestehenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Falle des Verbrauchs der Leistung noch den Ausnahmen hiervon nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X setzt sich der Beklagte in der Folge näher auseinander. Darüber hinaus fehlt es in der getätigten „Abwägung“ auch an jeglichem Eingehen auf den Einzelfall.
Auch der Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 2. Mai 2017 benennt keine Rechtsgrundlage für die „Aufhebung“ des Bewilligungsbescheids. Er setzt sich nahezu ausschließlich mit der Frage auseinander, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 UVG in der Person der Mutter der Klägerin vorliegen. Allein die auf zwei Sätze beschränkte Feststellung dass „die Einstellung der UVG-Leistungen in der Nummer 1 des Bescheids des Landratsamts ... vom 03.01.2017“ rechtmäßig war und die Widerspruchsführerin nicht in ihren Rechten verletzt hat bzw. dass das Landratsamt ... berechtigt gewesen sei, „die UVG-Zahlungen einzustellen und seinen Bescheid vom 14.11.2013 über die Bewilligung von UVG-Leistungen nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X zurückzunehmen“ ersetzt weder die Auseinandersetzung mit einer tauglichen Rechtsgrundlage für einen die Klägerin belastenden Verwaltungsakt noch lassen sich hier in irgendeiner Weise etwa erforderliche Ermessenserwägungen erkennen.
Weder der Beklagte im Ausgangsbescheid noch die Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid haben daher dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 SGB X auch nur annähernd Rechnung getragen. Dies führt, da eine Heilung des Begründungsmangels bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich ist, zur Rechtswidrigkeit von Ziffer 1. des Bescheids vom 3. Januar 2017 wegen der Verletzung der Pflicht zur Begründung einer Ermessensentscheidung aus § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X (vgl. zu dieser Fallkonstellation Hessischer VGH, U.v. 2.7.2013 – 10 D 2134/12 – NJW 2013, 3321 [3322]; ferner Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 21 ff.).“ (BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 12 C 18.1894 – juris Rn. 23 ff.)
51
Im vorliegenden Fall gestaltet sich die Ausgangslage vergleichbar. Der Ausgangsbescheid vom 26.06.2024 spricht nur von einer Aufhebung des Bewilligungsbescheids über die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen vom 12.05.2022 und einer Einstellung der Leistungen, jeweils ab dem 01.08.2024. Daneben erschöpft sich die Bescheidsbegründung im Wesentlichen in Ausführungen zu § 1 Abs. 3 UVG und warum dieser Ausschluss in diesem Fall vermeintlich vorliege und damit ein Anspruch fortan ausgeschlossen sei („nicht mehr besteht“). Auch der Widerspruchsbescheid vom 11.09.2024 hüllt sich hinsichtlich der Rechtsgrundlage der Aufhebung des Bewilligungsbescheids und der Einstellung der Leistungen in Schweigen. Der Verweis auf ein Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*2) im Widerspruchsbescheid hilft nicht weiter, da nicht ersichtlich ist, dass der Adressat des Bescheids Zugriff auf dieses Schreiben hatte (vgl. zur notwendigen Zugänglichkeit von in Bezug genommenen Inhalten Engelmann in: Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 35 Rn. 9). Auch das Gericht musste dieses Schreiben erst von der Widerspruchsbehörde anfordern, da es nicht allgemein zugänglich zu sein scheint. Es bleibt daher letztlich sowohl für den Adressaten als auch das Gericht offen, worauf die Behörde die getroffenen Regelungen nun im Ergebnis stützt. Da die Bewilligung mit Wirkung für die Zukunft eingestellt wird, ist neben der in dem Schreiben des BMFSFJ genannte (dort aber auch nur als in Betracht kommend bezeichnete) Rechtsgrundlage in § 45 SGB X ebenso § 48 Abs. 1 SGB X denkbar. Nach teilweise vertretener Ansicht soll sogar § 5 Abs. 2 UVG eine entsprechende (spezielle) Befugnis enthalten (so etwa SächsOVG Bautzen, U.v. 1.6.2022 – 5 A 61/21 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.; vgl. Engel-Boland in: BeckOK SozR, 74. Ed. 1.9.2024, § 5 UVG Rn. 5). Eine Subsumtion unmittelbar unter die Aufhebungsvorschriften lässt sich nicht erkennen, was einen möglichen Rückschluss auf die herangezogene Rechtsgrundlage daher auch nicht zulässt.
52
Soweit die Regelungen auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützt worden sein sollten, fehlen jedenfalls jegliche Ausführungen zu Ermessenserwägungen, § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X (vgl. Heße in: BeckOK SozR, 74. Ed. 1.9.2024, § 45 Rn. 17; Mutschler in: BeckOGK, 1.5.2021, § 35 SGB X Rn. 16). Es ist nicht einmal ersichtlich, ob die Behörde überhaupt Ermessenserwägungen angestellt hat. Soweit der Widerspruchsbescheid von Ermessen spricht, bezieht sich das nur auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung und damit das Vollziehungsinteresse (nicht: Erlassinteresse), die hierdurch „geheilt“ werden sollte.
53
Eine hinreichend sichere Heilung dieses Defizits nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X ist nicht absehbar, sodass dieser formelle Fehler für die Einschätzung des Erfolgs in der Hauptsache durchaus zugrunde gelegt werden kann (Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 80 Rn. 95; vgl. den ähnlichen Maßstab des hier nicht anwendbaren § 80c Abs. Abs. 2 S. 1 VwGO). Soweit der Widerspruchsbescheid auf eine Heilung nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X rekurriert, betrifft dies – wie bereits ausgeführt – ausschließlich die unzureichende Anordnung der sofortigen Vollziehung und nicht die mangelhafte Begründung der getroffenen Regelungen.
54
bb. Der Bescheid ist darüber hinaus auch materiell rechtswidrig.
55
(1) Aufgrund der in Rede stehenden Verstöße gegen Mitwirkungsobliegenheiten in Bezug auf die Vaterschaftsfeststellung kommt ein Rückgriff auf § 66 SGB I nicht in Betracht. Das SächsOVG führt hierzu aus:
„Aus § 1 Abs. 3 UVG ergibt sich, dass ein Anspruch auf Unterhaltsleistungen nicht besteht, wenn der alleinerziehende Elternteil sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Es handelt sich um Obliegenheiten, bei deren Nichtbeachtung das Gesetz als Rechtsfolge bestimmt, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nicht besteht (Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 119). Wird die Mitwirkungshandlung nachgeholt, ist § 67 SGB I nicht anzuwenden und bleibt es für die Vergangenheit beim Anspruchsausschluss (SächsOVG, Beschluss vom 22. Juni 2010 – 5 D 33/10 –, juris Rn. 6). Insoweit stellt die Regelung in § 1 Abs. 3 UVG eine gegenüber den Regelungen in §§ 60 ff. SGB I spezielle Normierung dar, die damit nach § 37 SGB I vorrangig anzuwenden ist (VG Ansbach, Beschluss vom 16. Januar 2004 – AN 14 K 03.00850 –, juris Rn. 3; Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 120).
Die Norm des § 66 SGB I bleibt jedoch ergänzend anwendbar, solange und soweit das Normprogramm der bereichsspezifischen Regelungen in den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs dies nicht ausschließt; ob eine Verdrängung oder Ergänzung der jeweiligen Reaktionsmöglichkeiten im obigen Sinne anzunehmen ist, muss jeweils für das in Frage stehende Normprogramm der bereichsspezifischen Regelung festgestellt werden (Trenk-Hinterberger, in: Krahmer/Trenk-Hinterberger, SGB I, 4. Aufl. 2020, § 66 Rn. 5 m. w. N.). Die Norm des § 66 Abs. 1 SGB I ist deshalb anwendbar, wenn die Mitwirkungspflicht sich nicht aus § 1 Abs. 3 UVG, sondern aus den §§ 60 bis 62 SGB I ergibt bzw. als Konkretisierung der Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 bis 62 SGB I anzusehen ist (VG Ansbach, Beschluss vom 16. Januar 2004 – AN 14 K 03.00850 –, juris Rn. 3 m. w. N.). Die §§ 60 bis 62 SGB I begründen Mitwirkungspflichten verfahrensrechtlicher Art, wobei es sich um Nebenpflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis handelt (VG Ansbach, Beschluss vom 16. Januar 2004 – AN 14 K 03.00850 –, juris Rn. 3; zur Verwendung von Vordrucken gemäß § 60 Abs. 2 SGB I vgl. SächsOVG, Urt. v. 24. März 2021 – 5 A 373/17 –, juris). Auch die Richtlinien zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes gehen von der Anwendbarkeit des § 66 SGB I aus (Nr. 1.11.3: „Kommt der betreuende Elternteil im Rahmen einer Überprüfung seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, so kann unter den Voraussetzungen des § 66 SGB I die Leistung entzogen werden, ohne dass eine Entscheidung über den Leistungsanspruch getroffen wird.“).“ (SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 590/21 – juris Rn. 68 f.)
56
Vorliegend geht es um in Rede stehende Verletzungen der Mitwirkungsobliegenheit aus § 1 Abs. 3 UVG, da diese die Vaterschaftsfeststellung des Kindesvaters betreffen, was einen ausdrücklichen Anwendungsfall des (materiell-rechtlichen) Ausschlussgrundes des § 1 Abs. 3 UVG darstellt („bei der Feststellung der Vaterschaft […] des anderen Elternteils mitzuwirken“).
57
(2) Soweit die Widerspruchsbehörde unter Verweis auf Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*2) meint, dass die falsche Eintragung in der Geburtsurkunde als solche als Hindernis anzusehen sei, die einer Leistungsgewährung entgegenstehe und bisher nur geleistet worden sei, weil die Vorschriften zum Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes noch nicht vollständig waren, ist vorwegzuschicken, dass die geänderten Richtlinien alleine jedenfalls für die Anwendung des § 48 SGB X unbeachtlich sind. Insbesondere ändern diese nicht die Rechtslage nachträglich, sondern ändern bloß die rechtliche Bewertung eines Vorgangs durch die Behörde (vgl. BSG, U.v. 27.11.1991 – 9a RV 13/90 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 6; Merten in: Hauck/Noftz SGB X, 3. EL 2024, § 48 SGB Rn. 19).
58
(3) Unabhängig davon, ob die Behörde letztlich nun von einer anfänglichen rechtswidrigen Bewilligung ausging (§ 45 SGB X) oder die Behörde meinte, dass aufgrund der vermeintlich fehlenden Mitwirkung bzw. bereits anfänglichen Nichtmitwirkung geänderte tatsächliche oder rechtliche Umstände vorliegen (§ 48 Abs. 1 S. 1 SGB X; vgl. hierzu BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 6; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 590/21 – juris Rn. 59), liegen die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 1 Abs. 3 UVG nicht vor.
59
Der BayVGH hat zu § 1 Abs. 3 UVG ausgeführt:
„Nach § 1 Abs. 3 UVG besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz jedoch dann nicht, wenn der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, „sich weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des anderen Elternteils mitzuwirken“. Dieser Ausschlusstatbestand dient der Sicherung des Rückgriffsanspruchs gegen den keinen Unterhalt leistenden Unterhaltsverpflichteten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG, dessen Geltendmachung voraussetzt, dass die Person des Unterhaltsverpflichteten den Behörden bekannt ist (zu diesem Zusammenhang vgl. OVG Koblenz, U.v. 24.9.2018 – 7 A 10300/18.OVG – BeckRS 2018, 23708 Rn. 20; BayVGH, B.v. 31.3.2010 – 12 C 09.2943 – BeckRS 2010, 31260 Rn. 4). Welche konkreten Mitwirkungshandlungen von demjenigen Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, zur Feststellung der Vaterschaft erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und trifft den Mitwirkungsverpflichteten grundsätzlich nur im Rahmen des Zumutbaren.“ (BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 12 C 18.1893 – juris Rn. 21).
60
Die Antragstellerin ist gemessen hieran ihren Mitwirkungspflichten im maßgeblichen Zeitraum nachgekommen. Weder die fehlende rechtliche Anerkennung des Kindsvaters unmittelbar nach Geburt bzw. die fehlende gerichtliche Vaterschaftsfeststellung in der Ukraine noch die Eintragung eines fiktiven Vaters in die Geburtsurkunde nach Art. 135 ukrFamGB stellen als solche eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit von § 1 Abs. 3 UVG in direkter oder analoger Anwendung dar. Auch andere Verletzungen der Mitwirkungsobliegenheit sind nach summarischer Prüfung der Sachlage nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
61
(a) Ein Ausschluss des Unterhaltsvorschussanspruchs nach § 1 Abs. 3 UVG analog scheidet bereits deshalb aus, weil die hierzu ergangene Rechtsprechung des BVerwG (U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12) über eine anonyme Samenspende auf den hier vorliegenden Fall nicht übertragbar ist (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 8 m.w.N.; Ziffer 1.11.5 UVG-RL; ausführlich Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 135).
62
(b) Ein Ausschluss nach § 1 Abs. 3 UVG wegen der nicht vorgenommenen Vaterschaftsfeststellung durch die Antragstellerin unmittelbar oder jedenfalls rechtzeitig nach der Geburt des Kindes in der Ukraine ist vorliegend nicht anzunehmen.
63
Zwar heißt es in Ziffer 1.11.4 UVG-RL: „Die Mutter kommt ihrer Mitwirkungspflicht zur Klärung der Vaterschaft im Allgemeinen dadurch nach, dass sie unverzüglich im zeitlichen Zusammenhang mit der Schwangerschaft oder Geburt entweder als gesetzliche Vertreterin des Kindes die erforderlichen Schritte zur Feststellung der Vaterschaft selbst einleitet, also den mutmaßlichen Vater zum Anerkenntnis veranlasst oder das gerichtliche Feststellungsverfahren betreibt, oder das Jugendamt gem. § 1712 BGB zum Beistand bestellt und mit den erforderlichen Angaben über die Person des mutmaßlichen Vaters versieht“. Es kann jedenfalls vorliegend dahinstehen, ob im vorliegenden „Ukraine-Fall“ diese Ziffer überhaupt Anwendung finden kann, da diese Ausführungen abseits der One-Night-Stand-Problematik nicht uneingeschränkt auf andere Sachverhaltskonstellationen übertragbar sind und damit eine Anwendung sehr zweifelhaft scheint; immerhin ist in Ziffer 1.11.4 auch die Rede davon, dass diese Ausführungen nur „im Allgemeinen“ gelten würden (vgl. DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/527). Insbesondere gibt es die (kostenfreie) Möglichkeit der Beistandschaft in der Ukraine für den alleinerziehenden Elternteil nicht (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/526).
64
Das Gericht ist aber ohnehin an die genannten Richtlinien nicht gebunden. Der BayVGH (B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 6 ff.; zustimmend Engel-Boland in: BeckOK SozR, 74. Ed. 1.9.2024, § 1 UVG Rn. 95a m.w.N.) hat zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Mitwirkungsobliegenheit nach § 1 Abs. 3 UVG unter Berücksichtigung der Argumente der gegenteiligen Rechtsprechung und Literatur jüngst entschieden, dass der maßgebliche Zeitpunkt des Beginns der Mitwirkungspflichten erst die Antragstellung und nicht bereits die Kenntnis von der Schwangerschaft oder Geburt des Kindes ist. Diesbezüglich führt der Verwaltungsgerichtshof überzeugend aus:
„Soweit das Verwaltungsgericht (…) meint, die Antragstellerin sei bereits unmittelbar nach der Schwangerschaft in der Ukraine verpflichtet gewesen, die Vaterschaftsfeststellung zu betreiben, weshalb ihr nunmehr – gleichsam retrospektiv von Anfang an – eine (weitere) Mitwirkungspflichtverletzung zur Last falle, findet dies in § 1 Abs. 3 UVG keine Grundlage (so zutreffend OVG Bremen, B.v. 12.07.2022 – 2 LA 362/21 – juris, Rn. 19; siehe auch Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95a m.w.N.: „Maßgeblichkeit der Antragstellung“). Die Vorschrift legt für die Erfüllung der Mitwirkungsverpflichtung keinen bestimmten Zeitpunkt fest, insbesondere nicht einen solchen bereits vor Antragstellung (verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 14 ff.). Letzteres müsste entgegen dem intendierten Schutz- und Regelungszweck des Unterhaltsvorschussgesetzes einen weitreichenden Anspruchsausschluss bewirken (siehe auch Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95a). (…).
Mit der Begründung, die Kindsmutter habe die prekäre Erziehungs- und Feststellungslage durch ihr Verhalten unmittelbar nach der Geburt selbst herbeigeführt, kann der Anspruch nicht ausgeschlossen werden (insoweit zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 135). § 1 Abs. 3 UVG sanktioniert nur die Mitwirkungsverweigerung, begründet aber keine „Haftung“ für mangelnde Erfolgsaussichten der Vaterschaftsfeststellung (vgl. auch OVG Bautzen, U.v. 24.05.2023 – 5 A 350/22 –, NJW 2023, 3250 – juris, Rn. 33; Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 92 u. 96; verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 19). Nicht einmal der Umstand, dass ein Verhalten der Kindsmutter den Rückgriff gegen den anderen Elternteil im Einzelfall unmöglich macht, könnte einen Anspruchsausschluss rechtfertigen (so zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 135). Die Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur anonymen Samenspende (vgl. U.v. 16.05.2013 – 5 C 28/12 –, NJW 2013, 2775 – juris, Rn. 24), der alleinerziehende Elternteil dürfe nicht „durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation (schaffen), in der die Feststellung der Vaterschaft (…) von vornherein aussichtslos ist“, ist ausschließlich auf die anonyme Samenspende bezogen und auf andere relevante Fallgestaltungen nicht übertragbar (so zutreffend Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 147; Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 95b). Auch bei wiederholter Antragstellung (nach vorheriger Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft) ist der Mutter daher grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, die Mitwirkung nachzuholen, indem sie nunmehr hinreichende Auskünfte erteilt oder sonst alles Gebotene veranlasst, damit die Behörde den Vater ermitteln kann (so zutreffend Engel-Boland, in: BeckOK Sozialrecht, Stand: 01.03.2024, § 1 UVG Rn. 96).“
65
Der Antragstellerin kann im Rahmen von § 1 Abs. 3 UVG also bereits nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätte damals in der Ukraine gerichtlich die Vaterschaftsfeststellung bereits ab der Geburt betreiben müssen. Dies scheint auch die Antragsgegnerin zu meinen, da von ihr eine irgendwie geartete fortwirkende Obliegenheitsverletzung angenommen wird.
66
(c) Nicht durchgreifend ist auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin und der Kindesvater, der die Vaterschaft nicht anerkannt hat, einvernehmlich (angesichts eines vermeintlichen Ausreisewunsches der Antragstellerin) einen fiktiven Vater in die Geburtsurkunde hätten eintragen lassen.
67
Insoweit konnte die Antragsgegnerin bereits nicht überzeugend darlegen, wieso dies unter dem Gesichtspunkt der Weigerung der Mitwirkung an Vaterschaftsfeststellung entgegenstehen soll. So wird in der Antragserwiderung lediglich darauf verwiesen, dass dadurch, dass der Kindsvater die Vaterschaft nicht anerkannt habe und er nicht in der Geburtsurkunde stehe, er nicht der rechtliche Vater sei und er deshalb nicht zum Unterhalt herangezogen werden könne. Auch das vom Widerspruchsbescheid in Bezug genommene Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*2) zur Erläuterung von Ziffer 1.11.8 UVG-RL spricht auf S. 2 lediglich von einem „Hindernis“, wofür genau wird aber nicht ansatzweise ausgeführt.
68
Der Kindesvater wurde vorliegend nicht in die Geburtsurkunde eingetragen, weil keine Ehe zum Zeitpunkt der Geburt bestand, der Kindesvater die Vaterschaft rechtlich nicht anerkannt hat und auch keine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung betrieben wurde (vgl. Art. 125, 131, 132, 135 Abs. 1 ukrFamGB, hierzu DIJuF Hinweise, Ukrainisches Abstammungs- und Sorgerecht – Anerkennung in Deutschland vom 29.4.2022, S. 2).
69
Die Eintragung nach Art. 135 Abs. 1 ukrFamGB wirkt allerdings nur deklaratorisch und nicht konstitutiv (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/525 f.; vgl. allgemein DIJuF Hinweise, Ukrainisches Abstammungs- und Sorgerecht – Anerkennung in Deutschland vom 29.4.2022, S. 2 f.). Die Antragstellerin bzw. die Antragsgegnerin steht mit der Geburtsurkunde vorliegend bezüglich der Vaterschaftsfeststellung nicht besser da, als hätte sie überhaupt keine Geburtsurkunde vorlegen können oder eine Eintragung einer fiktiven Person unterlassen. Entsprechend geht auch Ziffer 1.11.9 UVG-RL, der gerade den Sonderfall einer aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion oder aus Polen stammenden Mutter adressiert, in Satz 4 davon aus, dass die Eintragung in der Geburtsurkunde gegebenenfalls sogar als unbeachtlich angesehen werden muss. Eine Vaterschaftsanfechtung bezüglich der fiktiven eingetragenen Person ist für eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung im Falle der Eintragung einer fiktiven Person gerade nicht notwendig (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/526). Da hier die Antragstellerin durch zutreffende Angaben im Antragsformular den richtigen Kindesvater nicht verheimlicht hat, wäre die Angabe in der Geburtsurkunde schlicht als unzutreffend zu verwerfen. Das entspricht der „Fallkonstellation 2“ des Schreibens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*21).
70
Wenn nun also die Antragsgegnerin die Eintragung eines fiktiven Vaters rügt, macht sie im Grunde nichts anderes geltend, als dass die Antragstellerin (damals) nicht gerichtlich eine Vaterschaftsfeststellung betrieben hat, als der Kindsvater die Vaterschaft (rechtlich) nicht anerkannt hat und nicht „abgetaucht“ war, damit dieser in die Geburtsurkunde hätte eingetragen werden können. Das kann ihr aber, wie bereits dargelegt wurde, aufgrund des nicht eröffneten zeitlichen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 3 UVG nicht – allein – zum Vorwurf einer fehlenden Mitwirkung gemacht werden.
71
(d) Vielmehr ist unter Zugrundelegung der oben genannten Rechtsprechung des BayVGH danach zu fragen, welchen möglichen und zumutbaren Mitwirkungsobliegenheiten die Antragstellerin ab der Stellung ihres Antrags gerichtet auf Bewilligung von Leistungen nach dem UVG hätten abverlangt werden können.
72
Hinsichtlich der notwendigen Auskünfte zur Ermöglichung der Vaterschaftsfeststellung gilt im Rahmen von § 1 Abs. 3 UVG zunächst einmal das Folgende:
„Denn von einer Weigerung der Kindsmutter, im Sinne von § 1 Abs. 3 UVG bei der Feststellung der Vaterschaft mitzuwirken, ist dann auszugehen, wenn sie es ablehnt, bei ihr vorhandenes, zur Durchführung des Gesetzes als Entscheidungsgrundlage erforderliches Wissen der zuständigen Stelle auf Anforderung hin mitzuteilen, wenn sie es mithin an der Bereitschaft fehlen lässt, im Zusammenwirken mit der Behörde das ihr Mögliche und Zumutbare zu tun, um zur Feststellung der Vaterschaft und des Aufenthalts des Kindsvaters nach ihren Kräften beizutragen, indem sie etwa Einzelheiten verschweigt, die bei rechtzeitiger Mitteilung möglicherweise zu einer Ermittlung des Kindsvaters hätten führen können (so VGH Mannheim, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – NJW 2019, 869 [871]). Was möglich und zumutbar ist, bestimmt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28.12 – NJW 2013, 2775 Rn. 11). Der Kindsmutter ist dabei grundsätzlich alles in ihrer Macht und in ihrer Kenntnis Stehende abzuverlangen. Sie ist nicht nur verpflichtet, vorhandenes Wissen mitzuteilen, sondern auch in engen Grenzen Informationen zu beschaffen, die ohne Schwierigkeiten zu erlangen sind (vgl. OVG Koblenz, U.v. 24.9.2018 – 7 A 10300/18 – BeckRS 2018, 23708 Rn. 20 f.). Regelmäßig hat sie Fragen der zuständigen Behörde erschöpfend zu beantworten, um gegebenenfalls dieser Ermittlungen zu ermöglichen.
Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 1 Abs. 3 UVG kommt die Kindsmutter dabei insbesondere dann nicht nach, wenn sie bei der Schilderung der Umstände der Zeugung des Kindes keine glaubhaften Angaben macht, sie beispielsweise detailarm und pauschal schildert und sich in diesem Zusammenhang in Widersprüche verwickelt, sodass das Vorbringen in seiner Gesamtheit zu der Überzeugung führt, dass ihr Vortrag, zur Identität des Kindsvaters keine weiteren Angaben machen zu können, unglaubhaft ist (vgl. VGH Mannheim, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – NJW 2019, 869 [871]; zu den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit der Angaben vgl. auch OVG Koblenz, U.v. 24.9.2018 – 7 A 10300/18.OVG – BeckRS 2018, 23708 Rn. 21).“ (BayVGH, B.v. 18.4.2019 – 12 C 18.1893 – juris Rn. 28 f.; vgl. VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – juris Rn. 35 ff.; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 30).
73
Zum für die Unterhaltsvorschussstelle erforderlichen – vorhandenen – Wissen, das im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren wahrheitsgemäß mitzuteilen ist, gehört selbstredend zunächst einmal die Person des Vaters (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28/12 – juris Rn. 11) aber auch dessen Aufenthalt (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 9; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 31; Conradis, UVG, 2. Aufl. 2013, § 1 Rn. 26). Daneben können im Einzelfall weitere Informationen erheblich sein, die für die Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs erforderlich sind (vgl. Engel-Boland in: BeckOK SozR, 74. Ed. 1.9.2024, § 1 UVG Rn. 91). Dass die Unterhaltsvorschussstelle diesen Unterhaltsanspruch im Ergebnis nach Mitteilung dieser Informationen auch faktisch durchzusetzen vermag, ist kein zwingender Bestandteil der Mitwirkungsobliegenheit. Eine „Haftung“ für den Eintritt eines „Vaterschaftsfeststellungserfolgs“ legt § 1 Abs. 3 UVG der Kindsmutter nicht auf (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 9; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 33).
74
Vorliegend hat die Antragstellerin den Namen des Kindsvaters („A. …“) im Antragsformular angegeben, während in der Geburtsurkunde „B. …“ eingetragen ist. Dass tatsächlich Herr A. … der Kindsvater ist, wird auch von Antragsgegnerseite nicht in Abrede gestellt. Es ist daher nicht der Vorwurf zu machen, die Antragstellerin hätte die Unwahrheit angegeben, zumal sich sämtliche Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Kindsvaters durch die Antragsgegnerin auch auf den tatsächlichen Kindsvater bezogen, aber bisher erfolglos im Sande verliefen. Dass die Angaben über den Kindsvater in der Geburtsurkunde im Einzelfall auch fiktiv und letztlich zu verwerfen sein können, weiß die Antragsgegnerseite bereits aufgrund Ziffer 1.11.9 der UVG-RL, die gerade eben jenen Fall behandelt, wie er aufgrund von Art. 135 Abs. 1 ukrFamGB auch in der Ukraine vorkommt.
75
Die Antragstellerin hat zwar den aktuellen Aufenthaltsort des Kindsvaters nicht benennen können, dieser war aber nach ihren glaubhaften Aussagen trotz diverser Nachforschungen nicht bekannt. Wie dargelegt, besteht die Mitwirkungsobliegenheit nur im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren (vgl. Koppenfels-Spies in: Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, §§ 1-12 UVG Rn. 11). Nicht vorhandenes Wissen kann nicht preisgegeben werden. Dass das Wissen bei der Antragstellerin über den Aufenthaltsort des Kindsvaters nicht bekannt ist, ist auch glaubhaft. Entsprechend Ziffer 1.11.9 i.V.m. Ziffer 1.11.3 und 1.11.4 UVG-RL wurde die Antragstellerin persönlich zur Person des Vaters und dessen aktuellen Aufenthalt angehört. Die Aussagen der Antragstellerin wurden entsprechend dieser Ziffern auch wörtlich festgehalten und einer Prüfung bzw. Bewertung der Glaubhaftigkeit unterzogen, wobei nach diesen Ziffern ein strenger Maßstab anzulegen ist. Hierbei kam selbst die Antragsgegnerin zum Ergebnis, dass die Aussagen der Antragstellerin glaubhaft seien (Bl. 126 f. der Behördenakte): „Aufgrund der gemachten Angaben zum Verfahren bei der Stadt … am 19.04.2024 wird die Aussage als glaubwürdig angesehen“. Die Kammer hat nach summarischer Prüfung der zur Verfügung stehenden Unterlagen auch nicht den Eindruck gewonnen, dass vom Gegenteil auszugehen ist. Es kann ihr unter diesem Blickwinkel damit ebenfalls nicht der Vorwurf der fehlenden Mitwirkung gemacht werden. Auch im Schreiben der Antragsgegnerin vom 29.08.2024 an die Regierung von … im Rahmen der Nichtabhilfe geht die Antragsgegnerin davon aus, dass durch die Antragstellerin nach „aktueller Aktenlage keine Informationen zurückgehalten“ worden seien (Bl. 9 der Widerspruchsakte). Vielmehr wird letztlich wiederum moniert, dass die Antragstellerin damals in der Ukraine die Vaterschaft gerichtlich hätte feststellen lassen können.
76
Wie dargelegt, kann es in engen Grenzen den UVG-Antragstellern auch obliegen, nicht nur bei ihnen bereits vorhandenes Wissen offenzulegen, sondern auch nicht vorhandenes Informationen erst noch zu beschaffen, die für die Antragstellerseite ohne Schwierigkeiten zu erlangen sind, um diese der Unterhaltsvorschussstelle mitteilen zu können (vgl. Koppenfels-Spies in: Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl. 2023, §§ 1-12 UVG Rn. 11). Durch die glaubhaft geschilderten Nachforschungen der Antragstellerin in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 03.03.2024 und den Ausführungen in der mündlichen Anhörung am 19.04.2024 ist diese dieser Anforderung jedenfalls nachgekommen. Insbesondere hat die Antragstellerin nach ihren Aussagen auf unterschiedlichen Wegen bei verschiedenen Behörden in … und … angefragt, alle bekannten Freunde des Kindesvaters befragt und bei der Mutter des Kindesvaters angerufen, jedenfalls soweit die Telefonnummern noch nicht auf russische Nummern geändert wurden. Auch wurde die der Antragstellerin bisher bekannte Telefonnummer des Kindsvaters abgeschaltet, nachdem sie bereits mehrmals erfolglos versucht hat, diese anzurufen. Auch die Antragsgegnerseite trägt nicht vor, welche Nachforschungen nach Antragstellung sie zur Ermittlung des gegenwärtigen Aufenthaltsortes des Kindesvaters im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch hätte anstellen können (vgl. zur Notwendigkeit der konkreten Anforderung von Informationen VG Hamburg, U.v. 5.1.2023 – 13 K 2619/21 – juris Rn. 20, was auch auf die Obliegenheit zur Beschaffung von Informationen übertragbar ist).
77
(e) Der über die reinen Auskünfte und gegebenenfalls vorhandenen Nachforschungsobliegenheiten hinausgehenden Mitwirkungshandlungen in Form der Betreibung einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (bzw. der hier aus tatsächlichen Gründen kaum denkbaren Überredung des Kindesvaters von der Anerkennung der Vaterschaft) oder der Bestellung des Jugendamts als Beistandschafter (§§ 1712 ff. BGB; Ziffer 1.11.4 UVG-RL) ist die Antragstellerin bislang nicht ersichtlich nachgekommen, sie wurde aber nicht in hinreichendem Maße auf diese Mitwirkungsobliegenheit hingewiesen, sodass von einer Weigerung keine Rede sein kann.
78
Zum Verhältnis der gerichtlichen Betreibung einer Vaterschaftsfeststellung zur Beistandschaft führt der BayVGH aus:
„Damit hatte die Antragstellerin – wenn auch spät – ihrer Mitwirkungslast aus § 1 Abs. 3 UVG genügt (vgl. hierzu 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL, Stand 12/2022) mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss (nunmehr) vorlagen und der Bewilligungsbescheid vom 13. Juli 2022 (vgl. Bl. 72 ff. der Behördenakte) – anders als die Antragsgegnerin glauben machen möchte – zu Recht ergangen ist. Insoweit genügte, dass die Kindsmutter das Jugendamt – wie geschehen – gemäß § 1712 BGB zum Beistand bestellte und mit den erforderlichen Angaben über die Person des mutmaßlichen Vaters versah (vgl. Ziffer 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL, Stand 12/2022). Ein (zusätzliches, eigenständiges) Betreiben des gerichtlichen Feststellungsverfahrens ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 27. Mai 2024 (S. 2) nicht erforderlich (vgl. auch Ziffer 1.11.4, 2. Spiegelstrich UVG-RL – „oder“); denn es ist gerade der Sinn der Beistandschaft, die Mutter von eigenen Schritten bei der rechtlichen Klärung der Vaterschaft zu entlasten und diese Aufgabe in fachkundige (behördliche) Hände zu legen (siehe näher Knittel, JAmt 2019, 183 [187]).“ (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 3).
79
Zur Beistandschaft hat der BayVGH in derselben Entscheidung ausgeführt:
„Vielmehr hat die Kindsmutter mit der Einrichtung einer Beistandschaft und der glaubwürdigen Benennung mindestens eines plausiblen Putativvaters regelmäßig alles Notwendige und Zumutbare getan, um ihrer Mitwirkungspflicht zu genügen (so zutreffend Knittel, JAmt 2019, 183 [187]; verkannt von OVG NRW, B.v. 01.02.2023 – 12 E 573/22 – juris, Rn. 14 ff., dessen Auffassung den Umfang der gesetzlichen Mitwirkungspflicht jedenfalls dann contra legem überschreitet, wenn der Kindsmutter – anders als in den sog. „One-Night-Stand“-Fällen – Name und Anschrift des Erzeugers bekannt sind und [nunmehr] Bereitschaft zur Einrichtung einer Beistandschaft durch das Jugendamt zum Zwecke der Vaterschaftsfeststellung besteht).“ (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 9)
80
Das zugrunde gelegt, hätte von der Antragstellerin prinzipiell gefordert werden dürfen, dass sie zumindest eine Beistandschaft des Jugendamtes ermöglicht (vgl. VG Bayreuth, U.v. 28.6.2021 – B 8 K 20.288 – juris Rn. 41; VG Frankfurt, U.v. 7.4.2005 – 3 E 4610/03 – juris Rn. 19; DIJuF-Rechtsgutachten v. 14.2.2020 – SN_2020_0112 An = JAmt 2020, 203). Alternativ wäre es denkbar gewesen, dass die Antragstellerin selbst die notwendigen Schritte zu einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung betreibt.
81
Soweit die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung ausführt, dass sie nichts von einer Beistandschaft wüsste, so verkennt sie, dass es an ihr liegt, die Antragstellerin auf die Möglichkeit der Beistandschaft hinzuweisen (Ziffer 1.11.9 S. 3 i.V.m. Ziffer 1.11.8 S. 6 UVG-RL). Daneben wäre sie nach den vorstehenden Ziffern auch gehalten gewesen, auf die Alternative der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung hinzuweisen. Aufgrund dieses fehlenden Hinweises kann von einer Weigerung der Antragstellerin an einer Mitwirkung nicht die Rede sein. Wie das VG Hamburg zutreffend hervorgehoben hat, ist die Mitwirkungsobliegenheit die Kehrseite eines behördlichen Wirkens (VG Hamburg, U.v. 5.1.2023 – 13 K 2619/21 – juris Rn. 20; vgl. VG Bayreuth, U.v. 28.6.2021 – B 8 K 20.288 – juris Rn. 41: „Verweigert sie jedoch die Beistandschaft“; VG Frankfurt, U.v. 7.4.2005 – 3 E 4610/03 – juris Rn. 17: „geforderte Mitwirkung“; Engel-Boland in: BeckOK SozR, 74. Ed. 1.9.2024, § 1 UVG Rn. 95a m.w.N.). Das ergibt sich auch daraus, dass § 66 Abs. 3 SGB I bereits bei „bloßen“ formellen Mitwirkungsobliegenheiten auf die Rechtsfolge der Versagung hinzuweisen ist. Die Antragsgegnerin hätte folglich die Antragstellerin auf die in Ziffer 1.11.4 UVG-RL unter Verweis auf die Rechtsfolgen einer Verweigerung hinweisen müssen. Vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids hat sich die Antragsgegnerin nur auf den Standpunkt gestellt, dass Verhaltensweisen vor Antragstellung einen Anspruchsausschluss bewirkten, nicht aber, was nun die Antragstellerin unternehmen muss, um den im Moment bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen.
82
(f) Die Kammer teilt nicht die rechtliche Einschätzung der Antragsgegnerin, der Widerspruchsbehörde und des Schreibens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 07.06.2024 (BMFSFJ 213-2871/000*21), dass in dieser Konstellation der Eintragung eines fiktiven Kindesvaters in die Geburtsurkunde von der Kindsmutter eine rechtliche Klärung der Vaterschaft im Sinne eines Erfolgs zu fordern ist. Dies wird offenbar auf Ziffer 1.11.9 S. 3 i.V.m. 1.11.8 S. 7 UVG-RL gestützt. Hat die Mutter hiernach zunächst entschieden, allein für das Kind aufzukommen und keine Unterstützung des anderen Elternteils geltend gemacht, kommt ein UV-Anspruch erst in Betracht, wenn die Vaterschaft gerichtlich geklärt ist.
83
Dies ist bereits deshalb verfehlt, weil – wie dargelegt – § 1 Abs. 3 UVG den Erfolg der Feststellung nicht der Kindesmutter aufbürdet, solange sie nur im gebotenen Umfang mitgewirkt hat (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 7-9). Ob im Rahmen des gerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens oder der Beistandschaft bei gehöriger Betreibung letztlich der rechtliche Vater geklärt werden kann, ist nicht erheblich. Eine „Haftung“ für den Eintritt eines „Vaterschaftsfeststellungserfolgs“ legt § 1 Abs. 3 UVG der Kindsmutter nicht auf (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 9, juris; SächsOVG, U.v. 24.5.2023 – 5 A 350/22 – juris Rn. 33). Entsprechend wird umgekehrt auch zurecht angenommen, dass die Kindesmutter auch bei voraussichtlicher Erfolglosigkeit der Vaterschaftsfeststellung grundsätzlich noch an ihr mitwirken muss (Kittel, JAmt 2019, 183/187 m.w.N.).
84
Auch ist – was ebenfalls bereits dargelegt wurde – für das Gericht aufgrund der bloß deklaratorischen Wirkung bereits nicht ersichtlich geworden, dass gerade durch die Eintragung eines fiktiven Vaters in der Geburtsurkunde die Vaterschaftsfeststellung beeinträchtigt würde. Hätte sie keinen Vater in die Geburtsurkunde eintragen lassen, stünde die Antragsgegnerin vor denselben Schwierigkeiten. Es ist daher für das Gericht nicht nachvollziehbar, worin eine fortwirkende Verweigerung der Mitwirkung liegen soll. Die Ausführungen der Antragsgegnerin laufen damit abermals wieder im Kern auf den aufgrund des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 3 UVG unbeachtlichen Vorwurf hinaus, die Antragstellerin habe es in der Ukraine unterlassen, die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung zu betreiben.
85
Ungeachtet dessen hat die Kammer auch Zweifel daran, ob überhaupt die Voraussetzungen von Ziffer 1.11.9 S. 3 i.V.m. 1.11.8 S. 7 UVG-RL vorliegen. Das DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/527 führt hierzu aus:
„Die Anwendung auf die ukrainischen Scheinvaterfälle sind offensichtlich nicht darunter zu fassen, da zum einen die Eintragung des Scheinvaters aus den oben dargestellten Zwängen resultiert und dieser gerade nicht der Wunsch zugrunde liegt, allein für das Kind aufzukommen. Zum anderen steht den Müttern in der Ukraine nicht der für sie kostenfreie Service einer Beistandschaft zur Verfügung und zum Dritten verweist Ziff. 1.11.9. UVG-RL nur auf Ziff. 1.11.1. bis Ziff. 1.11.7. UVG-RL und eben nicht auf Ziff. 1.11.8. UVG-RL.“
86
Zwar ist das Dritte und letzte Argument aufgrund der Änderung der UVG-RL hinfällig, gleichwohl erscheint eine unterschiedslose Anwendung von Ziffer 1.11.8 S. 7 UVG-RL als unzutreffend. Mit „Zwängen“ ist dabei gemeint, dass der Name des Vaters abseits des Vor- und Nachnamens Teil des Namens des Kindes ist und damit grundlegende Bedeutung für jede Person in der Ukraine hat (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525). Es wird daher im Regelfall auch bereits vor der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung oder der Anerkennung durch den Kindsvater eine entsprechend Eintragung erfolgen (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525). Auch sind die vorhandenen Fallkonstellationen in den „Ukraine-Fällen“ im Vergleich zum Fall der „One-Night-Stands“ weitaus vielschichtiger (DIJuF Rechtsgutachten v. 13.9.2024 – SN_2024_1078 Br = JAmt 2024, 525/527). Ob die Antragstellerin ohne die fiktive Eintragung des Kindes in die Geburtsurkunde bei der geplanten Ausreise nach Deutschland tatsächlich Probleme bekommen hätte, bedarf insoweit seitens des Gerichts keiner Erörterung.
87
Wie auch der BayVGH zutreffend herausgestellt hat, gibt es durchaus valide Gründe, warum von einer Vaterschaftsfeststellung nach der Geburt abgesehen wird und nennt dabei den Fall eines „kooperativen“ Kindsvaters, der seine „freiwilligen“ Unterhaltszahlungen plötzlich einstellt und „abtaucht“ (BayVGH, B.v. 5.6.2024 – 12 CS 24.834 – juris Rn. 7). Dem kann nicht entgegnet werden, dass die Vaterschaftsfeststellung immerhin im Interesse des Kindes geboten wäre (so Grube, UVG, 2. Aufl. 2020, § 1 Rn. 143), immerhin geht es vorliegend um anders gelagerte Mitwirkungspflichten gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle.
88
(g) Selbst eine Auslegung des § 1 Abs. 3 UVG im Sinne der von der Antragsgegnerin vielfach zitierten Entscheidung des VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – juris Rn. 32 f. führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat führt dort aus:
„Insbesondere in der Regelung des § 1 Abs. 3 UVG kommt die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass der alleinerziehende Elternteil die Ausfallleistung nicht absichtlich verursacht. Mit der Vorstellung des Gesetzgebers ist es danach nicht vereinbar, auch solche Nachteile eines Alleinerziehenden über UVG-Leistungen auszugleichen, die – wie im Fall der heterologen Insemination mittels einer anonymen Samenspende – ausschließlich aus einer Situation herrühren, die der die Leistung begehrende Elternteil selbst, freiwillig und absichtlich herbeigeführt hat. Der UVG-Gesetzgeber hat danach die Erwartung, dass ein Elternteil, der bewusst und freiwillig auf jegliche Unterstützung durch den anderen Elternteil verzichtet, die sich aus dieser freien Entscheidung ergebenden Nachteile selbst trägt, und hält eine Unterstützung durch die Allgemeinheit insoweit für unangemessen (vgl. hierzu BT-Drucks. 8/1952, S. 7).
Gemessen daran ist ein Anspruchsausschluss in analoger Anwendung des § 1 Abs. 3 UVG bezogen auf den Zeitpunkt eines „One-Night-Stands“ ohne die Absicht, eine Schwangerschaft herbeizuführen, nicht gegeben. Eine Kindesmutter hat zu diesem Zeitpunkt weder absichtlich auf die Leistung des zum Barunterhalt verpflichteten Kindesvaters verzichtet noch hat sie bewusst und gewollt eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf den zum Barunterhalt verpflichteten Elternteil tatsächlich unmöglich ist. Zwar hat sich die Kindesmutter bewusst und gewollt dazu entschieden, mit einem unbekannten Mann Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Dies ist jedoch für einen Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 3 UVG analog deshalb nicht ausreichend, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hatte und damit nicht wissen konnte, dass es sich bei der Person, mit der der Geschlechtsverkehr vollzogen wurde, künftig um einen anderen Elternteil im Sinne des § 1 Abs. 3 UVG handeln und sie durch ihre Handlung faktisch auf jegliche Unterstützung durch diesen Elternteil verzichten würde. Ihr war zu dem Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs nicht bewusst, dass ein Rückgriff auf diesen Mann zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nötig sein würde. Die Kindesmutter hat daher bezogen auf den Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs nicht auf die Kenntnis der Identität des anderen Elternteils verzichtet. Sie hat nur unbewusst eine Situation geschaffen, in der ein Rückgriff auf den zum Barunterhalt verpflichteten Elternteil tatsächlich unmöglich ist (vgl. zu alldem VG Düsseldorf, Urteil vom 12.08.2016 – 21 K 6480/15 – juris Rn. 44 – 51).“
89
Gemessen daran sind diese Anforderungen an einen Ausschluss des Unterhaltsvorschussanspruchs nicht erfüllt. Es wurde bereits oben ausgeführt, dass § 1 Abs. 3 UVG analog vom „Anwendungsbereich“ her auf die Fälle der anonymen Samenspende begrenzt ist. Auch eine Vergleichbarkeit mit den „One-Night-Stand-Fällen“ ist vorliegend nicht anzunehmen. Es fehlt bereits daran, dass die Antragstellerin die Situation ausschließlich selbst und absichtlich herbeigeführt und damit gewissermaßen bewusst und freiwillig auf die Unterhaltsleistungen verzichtet hat. Bereits nach dem von der Antragsgegnerin angeführten Zitat des VGH BW bedarf es nicht nur in objektiver Hinsicht des Ingangsetzens einer Kausalkette, die monokausal („ausschließlich“) zu den Nachteilen bei der Beitreibung von Unterhaltsansprüchen geführt hat. Es bedarf darüber hinaus noch einer entsprechenden Bewertung der eigenen Handlungen des alleinerziehenden Elternteils („bewusst und freiwillig“; „absichtlich“). Hiervon kann vorliegend keine Rede sein. Die behauptete Monokausalität existiert nicht, denn die jetzige Situation ist nicht nur durch das Unterlassen der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung, sondern normativ betrachtet mindestens gleichermaßen auch dadurch geschaffen worden, dass der Kindsvater kurz nach der Geburt „abgetaucht“ ist. Aber auch aufgrund der Kriegszustände in der Ukraine und vor allem der Besetzung von …, wo sich der Vater – wenn er denn noch lebt – mutmaßlich aufhält, erscheint eine Feststellung derzeit wenig aussichtsvoll. Dass die Kindsmutter wissen konnte oder damit sogar einverstanden war, dass der Kindsvater „abtaucht“ (volenti non fit iniuria), ist nicht anzunehmen.
90
Das hier gefundene Ergebnis wird durch eine nähere Betrachtung der Entscheidung des BVerwG bestätigt, auf die sich der VGH BW für seine Ausführungen maßgeblich bezieht und daher auch in diesem Lichte betrachtet werden muss (s. VGH BW, U.v. 17.10.2018 – 12 S 773/18 – juris Rn. 30 f.). In seiner Entscheidung führt das BVerwG zur Begründung der Analogie zu § 1 Abs. 3 UVG aus:
„Die gesetzgeberische Konzeption, die öffentliche Unterhaltsleistung in erster Linie als Vorschuss zu zahlen und von dem säumigen zum Barunterhalt verpflichteten anderen Elternteil zurückzufordern, wird von der Erwartung getragen, dass sich der Elternteil, bei dem das Kind lebt, in der Regel so verhält, dass die Unterhaltsvorschussleistung nicht zur Unterhaltsausfallleistung wird.“ (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28/12 – juris Rn. 23)
91
Weiter führt das BVerwG aus:
„Abgesehen von den in diesen Vorschriften beschriebenen Fällen wird der besagten Erwartung auch dann nicht Rechnung getragen, wenn der Elternteil, bei dem das Kind lebt, durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation schafft, in der die Feststellung der Vaterschaft und damit des barunterhaltspflichtigen anderen Elternteils von vornherein aussichtslos ist und deshalb die öffentliche Unterhaltsleistung nur als Ausfallleistung gewährt werden kann. Auch in diesem Fall steht die Gewährung einer Unterhaltsleistung mit der Intention des Gesetzgebers nicht im Einklang.“ (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28/12 – juris Rn. 24)
„Sowohl in den in § 1 Abs. 3 Alt. 2 UVG geregelten Fallkonstellationen als auch in dem nicht geregelten Fall, dass die Feststellung der Vaterschaft infolge der Zeugung mittels einer anonymen Samenspende aus dem Ausland im Einzelfall von vornherein aussichtslos ist, legt das Verhalten der Mutter die wesentliche Grundlage dafür, dass das Land die gewährte Unterhaltsleistung von dem zum Barunterhalt verpflichteten anderen Elternteil nicht zurückfordern kann und damit die Unterhaltsvorschussleistung zur Unterhaltsausfallleistung wird. Unter Wertungsgesichtspunkten besteht kein sachlicher Unterschied, ob der Rückgriff auf den anderen Elternteil durch ein Verhalten der alleinerziehenden Mutter nach der Geburt oder dadurch, dass sie durch ein bewusstes und gewolltes Verhalten vor der Geburt des Kindes eine Situation schafft, in der die Feststellung der Vaterschaft von vornherein ausgeschlossen ist, vereitelt wird.“ (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 5 C 28/12 – juris Rn. 27).
92
Im Falle der fehlenden gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft unmittelbar nach der Geburt hat sich die Antragstellerin nicht so verhalten, dass „in der Regel“ aus der Unterhaltsvorschussleistung eine Unterhaltsausfallleistung wird. Es wird hierdurch auch nicht „von vornherein aussichtslos“, den Kindsvater feststellen zu lassen, um dann beim Kindsvater Regress zu nehmen. Wie bereits zur Entscheidung des VGH BW dargelegt, kann nicht davon gesprochen werden, dass die Antragstellerin durch ihr Verhalten „die wesentliche Grundlage“ dafür gelegt hat, dass die Antragsgegnerin dem Kindsvater nicht habhaft wird. Im Unterschied zu den Fällen der anonymen Samenspenden und den „One-Night-Stands“ hat die Antragstellerin den Namen des Vaters, dessen vormalige Anschrift, das Geburtsdatum (Bl. 116 der Behördenakte) den ungefähren Aufenthalt (Region …*), eine Beschreibung der Person (Bl. 116 der Behördenakte) offengelegt. Nicht aktenkundig aber auch seitens der Antragsgegnerin nicht angefragt worden sind Informationen über die Mutter des Kindsvaters. Damit steht die Behörde aufgrund der glaubhaften Aussagen der Antragstellerin deutlich besser als in den vorgenannten Konstellationen, in denen seitens der Kindesmutter nicht einmal der volle Name des Vaters genannt wird.
93
Auch die Eintragung eines fiktiven Vaters in der Geburtsurkunde erfüllt aus diesen Gründen in der vorliegenden Konstellation nicht die Anforderungen an die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an § 1 Abs. 3 UVG (im Ergebnis ebenso JAmt 2024, 525).
94
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 S. 2 Hs. 1 VwGO.