Titel:
Neustarthilfe für den Zeitraum, Januar bis Juni 2021, kein Nachweis erbracht, dass Einkünfte zu mindestens 51% aus selbständiger, Tätigkeit stammen, fehlende Vorlage des Einkommensteuerbescheids 2019, Anrechnung von Einnahmen aus nichtselbständigen Tätigkeiten
Normenketten:
Ziff. 3.8 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III
Ziff. 2.6 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III
BayVwVfG Art. 49a
Schlagworte:
Neustarthilfe für den Zeitraum, Januar bis Juni 2021, kein Nachweis erbracht, dass Einkünfte zu mindestens 51% aus selbständiger, Tätigkeit stammen, fehlende Vorlage des Einkommensteuerbescheids 2019, Anrechnung von Einnahmen aus nichtselbständigen Tätigkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42776
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der beantragten sowie die Rückforderung der vorläufig bewilligten „Neustarthilfe“ durch die Beklagte.
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Die Klägerin beantragte am 29.06.2021 die Gewährung einer „Neustarthilfe“ auf Grundlage von Art. 53 BayHO, der dazugehörigen Verwaltungsvorschriften und der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für kleine und mittelständige Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) für den Zeitraum Januar bis Juni 2021, woraufhin die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2021 eine Betriebskostenpauschale in Höhe von 7.500,00 EUR unter dem Vorbehalt der endgültigen Festsetzung im Rahmen der Endabrechnung bewilligte.
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Zum Beleg der Einkünfte aus dem Haupterwerb forderte die Beklagte die Klägerin im Nachgang zu der am 28.06.2022 eingereichten Endabrechnung wiederholt auf, den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2019 vorzulegen. Da die Klägerin am 11.04.2023 lediglich ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 nachreichte, wurde sie u.a. mit Einwurf-Einschreiben vom 23.10.2023, mit E-Mail vom 08.11.2023 und über das OnlineAntragsportal am 07.05.2024 erneut aufgefordert, den vom Finanzamt übermittelten Einkommensteuerbescheid 2019 einzureichen. Zugleich wurde die Klägerin jeweils – im Rahmen der Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG – darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Neustarthilfe abzulehnen und den vorläufig bewilligten Betrag vollständig zurückzufordern.
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Mit „Schluss-Ablehnungsbescheid“ vom 22.05.2024 lehnte die Beklagte den Antrag vom 29.06.2021 auf Gewährung einer „Neustarthilfe“ ab (Ziffer 1). Unter Ziffer 2 des Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid vollständig den vorläufigen Bewilligungsbescheid ersetze. Die Klägerin wurde aufgefordert, den vorläufig bewilligten und bereits ausbezahlten Betrag in Höhe von 7.500,00 EUR bis zum Ablauf von sechs Monaten ab Datum des Schlussbescheids (22.05.2024) zurückzuzahlen. Ferner wurde – falls die Zahlungsfrist nicht eingehalten wird -*die Verzinsung des zu erstattenden Betrages, beginnend am Tag des Ablaufs der Zahlungsfrist und endend mit dem Tag der vollständigen Zahlung, mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich angeordnet (Ziffer 3).
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Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, mit Bewilligungsbescheid vom 30.06.2021 sei der Klägerin Neustarthilfe in Höhe von 7.500,00 EUR unter Vorbehalt der Prüfung des Antrags gewährt und ausgezahlt worden. Zwecks Feststellung einer Tätigkeit im Haupterwerb sei die Klägerin mehrmals erfolglos zur Einreichung der erforderlichen Nachweise aufgefordert worden. Die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, die Neustarthilfe abschließend abzulehnen und einen Rückforderungsbescheid zu erlassen. Die Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG sei letztmals am 07.05.2024 erfolgt. Mangels neuer Erkenntnisse im Rahmen der Anhörung sei eine abweichende Bewertung nicht veranlasst.
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Gemäß Ziffer 3.8 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III i.V.m. Ziffer 2.1 der FAQs des Bundes seien im Rahmen der Neustarthilfe selbständig erwerbstätige Soloselbständige grundsätzlich antragsberechtigt, wenn sie ihre Tätigkeit im Haupterwerb ausüben, d.h., dass der überwiegende Teil der Summe der Einkünfte (mindestens 51%) aus einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit stamme. Gemäß den Vorgaben im Antragsverfahren habe die Klägerin zu bestätigen, dass der Bewilligungsstelle zur Aufklärung von Sachverhalten und zur Bearbeitung des Antrags unverzüglich Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen seien. Dieser Mitwirkungspflicht sei die Klägerin nicht nachgekommen, so dass davon auszugehen sei, dass die Antragsberechtigung nicht bestehe. Damit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Neustarthilfe nicht erfüllt. Es entspreche der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen.
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Die Entscheidung über die Rückforderung stehe ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen. Haushaltsrechtlich relevante Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Ablehnung von Bewilligungsbescheiden verpflichteten zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel. Diese Vorschrift enge den Ermessensspielraum, der bei der Entscheidung über die Gewährung der Überbrückungshilfe bestehe, erheblich ein. Nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG analog seien bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein vorläufiger Verwaltungsakt durch Schlussbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt worden sei.
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Im Übrigen wird auf den Bescheid vom 22.05.2024 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 22.06.2024, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 24.06.2024, erhob die Klägerin Klage und beantragt,
- 1.
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Der Schlussbescheid vom 22.05.2024 wird aufgehoben.
- 2.
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Die gewährte Bewilligung wird gewährt.
- 3.
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Der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzulegen.
- 4.
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Hilfsweise wird die Rückzahlung der gewährten Bewilligung erlassen bzw. Ratenzahlung gewährt.
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Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei u.a. als Unternehmensberaterin für kleinere Betriebe tätig. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen hätten viele ihrer Kunden ihr Geschäft schließen müssen. Dadurch habe auch sie massive Einnahmeeinbußen erlitten. Auch ihre beratende und unterstützende Tätigkeit sei nicht gefragt bzw. nicht notwendig gewesen. Bei der Buchhaltung, die nach Aufwand bzw. auf Stundenbasis abgerechnet werde, sei der Zeitaufwand sehr niedrig gewesen. Auch Neugründungen habe es während der Coronazeit nicht gegeben. Der Umsatz sei massiv eingebrochen. Im Jahr 2021 habe die Klägerin lediglich einen Gewinn von 5.012,13 EUR aufweisen können. Darin seien bereits die ausgezahlten und versteuerten Corona-Zuschüsse enthalten. Ohne diese Zuschüsse sei ein Verlust von 5.246,49 EUR zu verzeichnen. Nach den Berechnungen der Umsatzzahlen im Vergleichszeitraum habe die Klägerin im ersten Halbjahr 2021 Umsatzeinbußen von über 71% erlitten. Aufgrund des massiven Umsatzrückgangs durch die Kontaktbeschränkungen habe die Klägerin ihre unselbständige Tätigkeit im Einzelhandel ausgeweitet. Durch die geleisteten Überstunden im Einzelhandel sei es ihr möglich gewesen, das Defizit im eigentlichen Hauptberuf, der Selbständigkeit, der grundsätzlich 30 bis 40 Stunden in der Woche nachgegangen werde, auszugleichen. Die Einbeziehung dieser Einnahmen, welche aus der Not geboren seien, dürften bei der Förderberechtigung nicht berücksichtigt werden, da diese nur aufgrund des persönlichen Einsatzes der Klägerin erzielt worden seien. Im Übrigen habe sie versucht, die gewünschten Unterlagen bei der Beklagten einzureichen. Dies sei jedoch aus technischen Gründen bei der Beklagten nicht gegangen.
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Im Zusammenhang der Klageerhebung legte die Klägerin dem Gericht eine „vorläufige Einnahmen-Überschussrechnung für den Zeitraum 01.01.2021 bis 30.06.2021“ sowie einen „vorläufigen Kontennachweis der sonstigen Konten für den Zeitraum 01.01.2021 bis 30.06.2021“ vor.
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Mit Schriftsatz vom 29.07.2021 beantragt die Bevollmächtigte der Beklagten,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Bescheid vom 29.06.2021 sei der Klägerin Neustarthilfe in Höhe von 7.500,00 EUR vorläufig und unter Vorbehalt der endgültigen Festsetzung nach Endabrechnung gewährt worden. Auf mehrmalige Anforderung der Beklagten, den Haupterwerb mittels Einkommensteuerbescheid 2019 zu belegen, habe die Klägerin zwar Ausführungen zum zeitlichen Umfang ihrer selbständigen sowie der unselbständigen Tätigkeit gemacht, jedoch keinen Einkommensteuerbescheid eingereicht. Ein Anspruch auf die streitgegenständliche Förderung in Form der Neustarthilfe bestehe nicht. Der Beklagten sei auch kein anspruchsbegründender Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen. Die Klägerin sei, wie in der Begründung des Bescheids zutreffend dargelegt, nicht vom Kreis der förderberechtigten Unternehmen erfasst. Es fehle insofern an der nach Ziffer 3.8 lit. a) i.V.m. Ziffer 2.6 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III erforderlichen Antragsberechtigung der Klägerin. Soloselbständige und selbständige Angehörige der freien Berufe seien danach antragsberechtigt, wenn sie die Summe ihrer Einkünfte im Jahr 2019 zu mindestens 51% aus ihrer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielen. Nach den im Förderverfahren getätigten Angaben sei die Klägerin soloselbständig. Dass sie im Referenzjahr 2019 mindestens 51% ihrer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt habe, sei von ihr nicht belegt worden. Dem Zuwendungsempfänger treffe im Zuwendungsverfahren eine substantiierte Darlegungslast. Die Klägerin sei gehalten, die für das Zuwendungsverhältnis relevanten Angaben vollumfänglich vorzutragen und alle Unterlagen einzureichen. Dies bedeute zugleich, dass alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen worden sei, in den Ermessenserwägungen auch nicht berücksichtigt werden müsse. Tatsachen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung relevant seien und die erst im Klageverfahren vorgetragen worden seien, könnten keine Berücksichtigung mehr finden.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.09.2024 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung über die Klage durch Gerichtsbescheid angehört.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.
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Die – nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) – im Hauptantrag (Ziffer 1 und 2 der Klageschrift vom 22.06.2024) als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. hierzu: VG Bayreuth, Gb.v. 15.7.2024 – B 7 K 23.1093 – juris Rn. 20 ff. m.w.N.) in zulässigerweise erhobene Klage, bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Neustarthilfe, noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung ihres Antrags vom 29.06.2021 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Auch die Rückforderung und Verzinsung der vorläufig gewährten Neustarthilfe unter Ziffer 3 des Bescheids erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. In rechtlicher Hinsicht ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass eine Rechtsnorm, die einen Anspruch auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, nicht existiert. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Innerhalb dieser Grenzen ist die Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei und findet ihre Grenze erst bei einer Verteilung nach unsachlichen, also willkürlichen Kriterien. Nur der Zuwendungsgeber bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens darüber, welche Ausgaben er dem Fördergegenstand zuordnet und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihm allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens. Es ist allein Sache des Zuwendungsgebers, die Modalitäten einer Förderung festzulegen, seine Richtlinien auszulegen und den Förderzweck zu bestimmen sowie seine Förderpraxis nach seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten.
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Die Prüfung der Verwaltungsgerichte beschränkt sich demnach darauf, ob im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Beurteilungsgrundlage ist dabei allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie in ständiger, zu einer Selbstbindung führender, Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 ZB 23.1018 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v.14.8.2024 – 22 ZB 23.643 – juris Rn. 10). Insbesondere kommt es für die Bedeutung der verwendeten Begriffe nicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch oder das Verständnis des Antragstellers an, sondern allein auf das Verständnis und die ständige Verwaltungspraxis der Beklagten (vgl. zum Ganzen mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung: BayVGH, B.v. 14.10.2022 – 22 ZB 22.212 – juris Rn. 23; VG Würzburg, U.v. 1.12.2023 – W 8 K 23.611 – juris; VG Würzburg, U.v. 15.4.2024 – W 8 K 23.788 – juris; VG Augsburg, U.v. 28.2.2024 – Au 6 K 22.1491 – juris).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Neustarthilfe ist nach der geübten und gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Beklagten der Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen des § 114 VwGO. Über bloße Erläuterungen des bisherigen Vorbringens hinausgehender Vortrag neuer Tatsachen und die Vorlage neuer, nicht bis zum Bescheidserlass vorgelegter Unterlagen sind daher unbeachtlich (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2554 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 ZB 23.1018 – juris Rn. 14).
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2. Nach den vorstehenden Grundsätzen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Neustarthilfe bzw. auch keinen Anspruch auf Neuverbescheidung ihres Antrags, da die Antragsablehnung mit „Schluss-Ablehnungsbescheid“ vom 22.05.2024 unter Verweis auf die fehlende Mitwirkung der Klägerin im „Endabrechnungsverfahren“ gerichtlich nicht zu beanstanden ist.
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a) Gemäß Ziffer 3.8 lit. a) i.V.m. Ziffer 2.6 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III sind Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe antragsberechtigt, wenn sie die Summe ihrer Einkünfte im Jahr 2019 zu mindestens 51% aus ihrer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielen. Die Neustarthilfe beträgt einmalig 50% des sechsmonatigen Referenzumsatzes, maximal aber 7.500 EUR für natürliche Personen. Um den Referenzumsatz für die Neustarthilfe zu bestimmen, wird der durchschnittliche monatliche Umsatz des Jahres 2019 zugrunde gelegt (Referenzmonatsumsatz). Zur Berechnung werden ferner den Umsätzen aus freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit Einnahmen aus nichtselbständigen Tätigkeiten hinzugerechnet, inklusive Einnahmen aus zulässigen unständigen Beschäftigungsverhältnissen und/oder kurz befristeten Beschäftigungsverhältnissen in den Darstellenden Künsten. Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zählen ferner auch steuerfreie Lohnersatzleistungen (vgl. Ziffer 3.8 lit. b) der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III).
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b) Vorliegend hat die Klägerin im Endabrechnungsverfahren nicht nachgewiesen, dass die Summe ihrer Einkünfte im Jahr 2019 zu mindestens 51% aus der selbständigen Tätigkeit stammt. Nach Aktenlage wurde sie wiederholt und unmissverständlich aufgefordert, den „vom Finanzamt übermittelten Einkommensteuerbescheid 2019“ vorzulegen. Vorgelegt hat sie aber lediglich ihre (selbst erstellte) Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019.
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Insoweit verfängt auch der Vortrag im Klageverfahren, die Klägerin habe versucht, „die gewünschten Unterlagen“ einzureichen, „dies sei jedoch aus technischen Gründen bei der Beklagten nicht gegangen“, nicht. Ausweislich der Behördenakte hat die Klägerin nämlich wiederholt erfolgreich Unterlagen über das Online-Portal der Beklagten zur Verfügung gestellt – dies insbesondere auch (noch) zu einem Zeitpunkt, als sie bereits konkret aufgefordert worden war, den Einkommensteuerbescheid 2019 vorzulegen (siehe beispielsweise Bl. 27 der Behördenakte, wonach die Klägerin auf Aufforderung vom 11.04.2023, den Einkommensteuerbescheid 2019 vorzulegen, noch am selben Tag die Einkommensteuererklärung erfolgreich „hochgeladen“ hat). Nachdem die Klägerin am 05.11.2023 die Beklagte per E-Mail informierte, dass die „elektronische Antwort nicht funktioniere“, hat die Beklage der Klägerin mit E-Mail vom 08.11.2023 zudem noch die Möglichkeit eingeräumt, den Steuerbescheid 2019 per E-Mail oder postalisch einzureichen (vgl. Bl. 47 der Behördenakte), was die Klägerin jedoch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht getan hat.
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c) Es ist auch nicht zu bestanden, dass die Beklagte – wie auch in Ziffer 2.4 der FAQs zur „Neustarthilfe“ kundgetan – zum Nachweis des Haupterwerbs maßgeblich auf den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 abstellt. Gerade bei Förderverfahren liegt es grundsätzlich in der Sphäre des Zuwendungsempfängers, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt darzulegen und nachzuweisen. Da die streitige Zuwendung eine freiwillige staatliche Leistung darstellt, ist ihre Gewährung von einer Mitwirkung der Antragsteller im Rahmen des Zuwendungsverfahrens, insbesondere von der Mitteilung und Substantiierung zutreffender, zur Identifikation und für die Förderfähigkeit notwendiger Angaben abhängig. Die Anforderung geeigneter Nachweise für die Anspruchsberechtigung ist auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayHO) gerade im Bereich der Leistungsverwaltung sachgerecht und nicht zu beanstanden. Ferner entspricht die Verpflichtung zur Mitwirkung seitens der Zuwendungsempfänger allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen, Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 – W 8 K 20.1487 – juris Rn. 31 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 20.6.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16 und 21). Der Einkommensteuerbescheid ist für die Beklagte der verlässlichste und effektivste Nachweis zur Beurteilung der Frage, ob die Summe der Einkünfte im Jahr 2019 überwiegend aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin herrührt. In Anbetracht der als Massenverfahren ausgestalteten „Neustarthilfe“ und des Gebots der zügigen Abwicklung des Verfahrens, muss sich die Beklagte daher nicht auf andere „Nachweise“ verweisen lassen, zumal der Steuerbescheid erfahrungsgemäß von jedem Steuerpflichtigen sorgfältig aufbewahrt wird und jederzeit griffbereit ist bzw. bei Verlust beim Finanzamt „erneut“ angefordert werden kann (vgl. hierzu auch: VG Bayreuth, B.v. 5.9.2024 – B 7 K 24.526).
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d) Mangels Nachweises der Antragsberechtigung aus den vorstehenden Gründen, kommt es vorliegend auf den ergänzenden Vortrag, es dürfe keine Einbeziehung von Einnahmen aus der zusätzlichen unselbständigen Tätigkeit, welche aus der Not geboren seien, erfolgen, nicht mehr streitentscheidend an. Im Übrigen ist insoweit lediglich auf Ziffer 3.8 lit. b) Satz 3 der Richtlinie für die Gewährung von Neustarthilfe hinzuweisen, wonach zur Berechnung der Höhe der Neustarthilfe den Umsätzen aus freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit (auch) Einnahmen aus nichtselbständigen Tätigkeiten hinzugerechnet werden.
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3. Die unter Ziffer 3 des Bescheides vom 22.05.2024 angeordnete Rückerstattung und Verzinsung der vorläufig bewilligten „Neustarthilfe“ in Höhe von 7.500,00 EUR ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Rückforderung ist an Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG analog zu messen. Nach Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Vorliegend kommt Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG analog zur Anwendung, da gerade keine auf Art. 48 BayVwVfG gestützte Rücknahme bzw. kein auf Art. 49 BayVwVfG gestützter Widerruf des vorläufigen Bewilligungsbescheids erfolgt ist und der vorläufige Bewilligungsbescheid auch keine auflösende Bedingung enthält. Im Fall einer vorbehaltlichen Regelung bzw. eines Schlussbescheids ist jedoch eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG nicht erforderlich bzw. findet diese Vorschrift keine Anwendung. Vielmehr wird die vorläufige Gewährung der Abschlagszahlung durch den endgültigen, hier streitgegenständlichen, (Schluss-) Ablehnungsbescheid ersetzt und erledigt. Der Bewilligungsbescheid vom 30.06.2021 ist lediglich die Grundlage für die vorläufig geleistete Abschlagszahlung; hierin erschöpft sich seine Rechtswirkung. Demgegenüber kommt dem vorliegend angefochtenen Bescheid vom 22.05.2024 in dieser Hinsicht der Charakter eines Schlussbescheids mit dem Regelungsgehalt zu, die beantragte Förderung (endgültig) abzulehnen und die sich hieraus angesichts der erfolgten Abschlagszahlung ergebende Überzahlung nebst Zinsen zurückzufordern (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.1983 – 3 C 8.82 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 10 C 1/16 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 22 C 23.1609 – juris Rn. 11; VG München, U.v. 8.5.2023 – M 31 K 21.4671 – juris Rn. 44 ff.). Wird ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, der die Zuwendung in geringerer Höhe festsetzt oder – wie hier – gänzlich ablehnt, so gelten die Erstattungsvorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG entsprechend (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – juris Rn. 18 u. 28 unter Bezugnahme auf BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8/15 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 8.5.2023 – M 31 K 21.4671 – juris Rn. 48).
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Gemessen hieran ist die Verpflichtung gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG analog zur Erstattung der nach endgültiger Ablehnung der „Neustarthilfe“ durch den streitgegenständlichen Bescheid rechtsgrundlos erfolgten Abschlagszahlung rechtlich nicht zu beanstanden. Der in Form einer vorläufigen Regelung ergangene vorläufige Bewilligungsbescheid vom 30.06.2021 hat – wie ausgeführt – gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG seine Rechtswirkung dadurch verloren, dass er durch die streitgegenständliche endgültige Ablehnung ersetzt wurde. „Eigenständige“ Fehler der Rückforderungsentscheidung (vgl. Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG) sind weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
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b) Die Anordnung der Verzinsung des Rückforderungsbetrages beruht zutreffend auf Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG analog. Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG ist auf eine aus einem Erstattungsanspruch abgeleitete Zinsforderung entsprechend anzuwenden, wenn – wie hier – ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligte, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt wird, der die Zuwendung endgültig in geringerer Höhe festsetzt oder gänzlich ablehnt (BVerwG, U.v. 11.5.2016 – 10 C 8/15 – juris Rn. 11). Bei rückwirkender Aufhebung des Bewilligungsbescheids tritt auch die Zinspflicht rückwirkend oder mit dem im Aufhebungs- oder Zinsforderungsbescheid genannten Zeitpunkt ein, frühestens jedoch mit der Auszahlung der zurückgeforderten Leistung (vgl. HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 35; BVerwG, U.v. 19.11.2009 – 3 C 7/09 – juris Rn. 24; BVerwG, U.v. 17.8.1995 – 3 C 17/94 – juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 7.11.2001 – 3 B 117/01 – juris Rn. 3; Falkenbach in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand: 1.7.2024, § 49a Rn. 36). Vorliegend wurde der Beginn ordnungsgemäß auf den nach Auszahlung liegenden Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist bestimmt.
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Soweit der Zinssatz mit zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich angegeben wurde, dürfte dies zwar im Widerspruch zu Art. 49a Abs. 3 BayVwVfG (dort: drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz) stehen, doch begründet dies jedenfalls keine Rechtsverletzung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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4. Die hilfsweise erhobene Klage (vgl. Ziffer 4 der Klageanträge vom 22.06.2024) auf Erlass der Rückforderung bzw. auf Gewährung von Ratenzahlung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
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Insoweit ist die Klage wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da ein Erlass bzw. eine Ratenzahlung oder Stundung zunächst bei der Beklagten (förmlich) zu beantragen ist (vgl. https://www.ueberbrueckungshilfeunternehmen.de/Content/FAQs/Schlussabrechnung/ 03_13.html; vgl. auch https://www.ihk-muenchen.de/de/Service/wirtschaftshilfen-corona/ endabrechnung-coronahilfe/). Werden entsprechende Anträge von der Beklagten abgelehnt, steht der Klägerin insoweit der Rechtsweg offen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.