Titel:
Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeitrag, Schätzung des Vorteilssatzes, fehlende Mitwirkung von Klägerseite
Normenkette:
KAG Art. 6
Schlagworte:
Heranziehung zu Fremdenverkehrsbeitrag, Schätzung des Vorteilssatzes, fehlende Mitwirkung von Klägerseite
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42769
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darfdie Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Fremdenverkehrsbeitrages für das Jahr 2018. Sie betreibt im Ortsgebiet der Beklagten einen Gasthof mit Café und Übernachtungsmöglichkeiten (60 Betten, vier Appartements, zwei Ferienwohnungen und ein Ferienhaus).
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Mit Bescheiden vom 28. Juni 2019 und 1. April 2020 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für die Jahre 2010 bis 2016 bzw. das Jahr 2017 unter Zugrundelegung eines Vorteilssatzes von 55% und mit dem Hinweis, die Festsetzung beruhe auf einer Schätzung, einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von jeweils 1.251,36 EUR fest.
3
Mit Schreiben vom 1. April 2020, 26. Mai 2020 und 6. August 2020 und 9. Dezember 2020 versandte die Beklagte Erhebungsbögen zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages für das Jahr 2018 an die Klägerin und andere Gewerbetreibende in ihrem Gemeindegebiet. Mit weiteren Schreiben vom 9. Dezember 2020 übersandte die Beklagte auch den Erhebungsbogen für das Jahr 2019 und erläuterte zudem, dass in den letzten Jahren keine Anpassung der Vorteilssätze, die für jeden Betrieb separat festgelegt würden, erfolgt sei. Damit eine Neufestlegung stattfinden könne, werde die Klägerin um Mithilfe gebeten, indem sie der Beklagten den ausgefüllten Fragebogen zurücksende. Die Angaben sollten eine weitestgehend realistische Schätzung des Vorteilssatzes für den Betrieb der Klägerin ermöglichen.
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Der von der Klägerin am 19. November 2020 ausgefüllte Erklärungsbogen für das Jahr 2018 ging am 16. Dezember 2020 bei der Beklagten ein. Darin erfolgten zwar Angaben zum einkommen- oder körperschaftssteuerpflichtigen Gewinn sowie zum steuerbaren Umsatz, nicht jedoch zum Vorteil (nicht ortsbedingter Anteil vom Gewinn bzw. Umsatz).
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In seiner Sitzung am 27. Oktober 2021 beschloss der Gemeinderat der Beklagten für die Klägerin mit folgender Begründung eine Festsetzung des Vorteilssatzes auf 90%: „unmittelbarer Vorteil durch Vermietung von Zimmern an Fremde und Gaststättenbetrieb. Gute Lage im Ortsteil … …see fußläufig zu erreichen, Skilift in unmittelbarer Nähe u. Wanderwege. Neben Zimmervermietung auch Angebot von Ferienwohnungen. Möglichkeit Tagungen auszurichten.“ Außerdem wurde u.a. für das …hotel … ein Vorteilssatz von 100% und für das Hotel …, den Hotelbetrieb/Restaurant …, das Gasthaus … sowie den Gasthof/Pension … jeweils ein Vorteilssatz von 90% festgelegt.
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Mit Bescheid vom 8. November 2021 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2018 zunächst auf 737,86 EUR fest.
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Dieser Bescheid wurde mit Änderungsbescheid der Beklagten vom 19. November 2021 aufgehoben und die bisherige Festsetzung auf nunmehr 1.858,65 EUR geändert. Zur Berechnung sind folgende Tabellen aufgeführt:
Steuerpflichtiger Gewinn
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Vorteilssatz v.H.
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Beitragssatz v.H.
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Beitrag nach Gewinn
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20.496,15 EUR
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90,00
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4,00
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737,86 EUR
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Steuerbarer Umsatz
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Vorteilssatz v.H.
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Mindestbeitragssatz v.H.
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Beitrag nach Umsatz
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413.032,93 EUR
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90,00
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0,5000
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1.858,65 EUR
|
8
Der Beitragsbescheid gelte, wenn er eine Festsetzung für das laufende Jahr enthalte, auch für die künftigen Jahre, soweit er nicht durch einen Bescheid für das jeweils laufende Jahr ersetzt werde. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages bilde die aufgrund von Art. 6 i.V.m. Art. 2 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) erlassene örtliche Fremdenverkehrsbeitragssatzung in der jeweils für das entsprechende Jahr geltenden Fassung. Weiter erfolgten Ausführungen zu den Folgen verspäteter Zahlung des Beitrages.
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Mit Schreiben vom 30. November 2021 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Bescheide. Zur Begründung wurde vorgetragen, der zugrundeliegende Vorteilssatz von 90% sei unverhältnismäßig und willkürlich. Nach Auffassung der Klägerin dürfe der Vorteilssatz im Fall ihres Betriebes maximal 45% bis 50% betragen. Mit Schreiben vom 13. Januar 2022 ergänzte sie, zahlreiche in den Räumlichkeiten durchgeführte Familienfeiern, gastronomische Angebote sowie berufliche Weiterbildungen würden durch Gemeindeeinwohner genutzt, die keinen touristischen Hintergrund hätten. Aufgrund der gesunkenen Übernachtungszahlen sei es anstelle einer Erhöhung des Vorteilssatzes vielmehr angebracht, diesen zu senken.
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Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab, sondern legte ihn mit Schreiben vom 12. April 2022 dem Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) zur Entscheidung vor. Mit Schreiben vom 29. November 2022 wies das Landratsamt die Klägerin darauf hin, dass der angefochtene Bescheid nach derzeitigem Stand rechtmäßig ergangen sei und der Widerspruch als unbegründet zurückzuweisen wäre. Die Klägerin erhalte die Gelegenheit, den Widerspruch innerhalb einer Frist von drei Wochen zurückzunehmen oder zu ihrem Vorbringen, dass aufgrund einer entsprechenden Einnahmeerzielung durch die Bewirtung von Gemeindeeinwohnern lediglich ein Vorteilssatz von 40% bis 50% angemessen wäre, unter Vorlage zahlenmäßiger, konkreter Nachweise, die die Zusammensetzung ihres Kundenkreises belegten, Stellung zu nehmen.
11
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2022 wies das Landratsamt den Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten über die Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2018 vom 8. November 2021 und vom 19. November 2021 zurück. Der Widerspruch sei erfolglos. Im Hinblick auf den Bescheid vom 8. November 2021 sei er bereits unzulässig. Aufgrund der Aufhebung durch den Änderungsbescheid vom 19. November 2021 liege dahingehend keine mögliche Rechtsverletzung und somit keine Widerspruchsbefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) analog vor. Bezüglich des Änderungsbescheides vom 19. November 2021 sei der Widerspruch zulässig, aber unbegründet, da dieser Bescheid rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Die Beklagte habe durch den Erlass der Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages vom 22. Oktober 1981 (FVBS) von der Möglichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG Gebrauch gemacht. Die Schätzung des Vorteilssatzes lasse sich damit rechtfertigen, dass es nahezu unmöglich sei, die aus dem Fremdenverkehr entstehenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen auseinanderzudividieren. Bei der Schätzung sei derjenige Betrag festzusetzen, der bei Berücksichtigung aller Umstände die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich habe. Relevant sei dabei die objektive Möglichkeit der Erzielung von Gewinnen in Höhe der festgesetzten Vorteilssätze. Zur Ermittlung des Vorteilssatzes könnten auch Tagestouristen mit herangezogen werden, welche sich zu Erholungszwecken, aber auch zur Bildung, zum Einkaufen oder zum Vergnügen vorübergehend am betreffenden Ort aufhielten. Aufgrund der vorliegenden Informationen könne die Schätzung des Vorteilssatzes auf 90% nicht als fehlerhaft angesehen werden. Bei dem gegenständlichen Betrieb handele es sich um eine Pension mit 60 Betten, vier Appartements, zwei Ferienwohnungen und einem Ferienhaus. Daneben würden Räumlichkeiten und Verpflegung für Tagungen und Feiern angeboten sowie eine Gaststätte betrieben. Art und Umfang des Betriebes, seine Größe und die Lage in unmittelbarer Nähe zum …see und den örtlichen Skiliften ließen einen Vorteilssatz von 90% sachgerecht erscheinen. Aus der Schwerpunktsetzung als Beherbergungsbetrieb lasse sich eine überwiegende touristische Nutzung herleiten. Anhaltspunkte für einen geringeren Gewinn- bzw. Umsatzanteil aus Fremdenverkehr seien aus dem Profil des Betriebes nicht offenkundig. Aus dem bislang deutlich geringer angesetzten Vorteilssatz von 55% lasse sich kein Anspruch auf dessen künftige Beibehaltung ableiten. Eine Neufestsetzung der Vorteilssätze liege im Ermessensspielraum der Beklagten und sei von dieser mit Gemeinderatsbeschluss vom 27. Oktober 2021 für das Jahr 2018 durchgeführt worden. Insbesondere unter Berücksichtigung von Tagestouristen lasse sich auch allein aus dem Rückgang der Übernachtungszahlen nicht schließen, dass der Anteil des aus Fremdenverkehr resultierenden Gewinns bzw. Umsatzes entsprechend gesunken sei. Um einen geringeren Vorteilssatz zu rechtfertigen, bedürfte es eines Nachweises über eine Erhöhung der Einnahmen, welche durch die Bewirtung von Einheimischen erzielt worden sei. Werde die Richtigkeit der Schätzung bestritten, indem das Vorhandensein von Einnahmen, die nicht dem Fremdenverkehr zuzurechnen seien, behauptet werde, so treffe die Klägerin die Obliegenheit, diese dem Grunde nach zu belegen. Ein konkreter Nachweis, der einem Vorteilssatz von 90% entgegenstünde, sei durch die Klägerin trotz Aufforderung im Widerspruchsverfahren nicht vorgelegt worden.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. Januar 2023, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben und zuletzt beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. November 2021 und des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2022 insoweit aufzuheben, als darin ein höherer Beitrag als 1.135,84 EUR festgesetzt wird.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die angegriffenen Beitragsbescheide der Beklagten seien rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, auch wenn die Klägerin grundsätzlich fremdenverkehrsbedingte Vorteile habe. Ebenso werde die grundsätzliche Pflicht zur Abgabe von entsprechenden Beiträgen nicht verkannt. Gegen die Bemessung des Vorteilssatzes auf 90% (und im Übrigen auch auf 55%) wende die Klägerin jedoch ein, dass die Schätzung und damit Annahme eines Vorteilssatzes von 90% (und 55%) fehlerhaft sei und die erhobenen Beiträge weder dem Äquivalenz- noch dem Kostendeckungsprinzip entsprächen. Wie die Beklagte früher auf 40%, dann 55% und kurz danach plötzlich auf 90% Vorteilssatz komme, diesen also sprunghaft „schätze“, entziehe sich der Kenntnis der Klägerin. Die Schätzung der Beklagten sei voll durch das Gericht nachprüfbar, sie sei keine Ermessensentscheidung, sondern eine Tatsachenfeststellung. Die Beklagte werde in diesem Verfahren Angaben dazu machen müssen, wie sie statt 40% dann 55% und ein paar Tage später 90% Vorteilssatz „schätze“. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Übernachtungszahlen seit Jahren rückläufig seien – sie seien von 142.000 auf gerade mal ca. 60.000 gesunken. Außerdem profitiere die Klägerin bei ihren Einnahmen aus Familienfeiern wie Taufen, Erstkommunionen, Firmungen, Geburtstagen, Hochzeiten, Silber- und Goldhochzeiten, Trauergesellschaften, Vereinsversammlungen, Weihnachtsfeiern und Veranstaltungen verschiedener Art z.B. berufliche Weiterbildungen oder einfach Mittag- und Abendessen, Nachmittagskaffee, Catering, Essensabholungen etc., welche von Einwohnern der Gemeinde in Anspruch genommen würden, nicht vom Tourismus. Zudem fehle der Beklagten wichtige früher vorhandene Infrastruktur (Stichwort Therme, aber nicht nur) und es sehe nicht wie in einem Fremdenverkehrsort aus (wiederum Stichwort Therme, sonstige Bauruinen wie Industriebrachen und das leerstehende alte Rathaus). Weiter sei die Beklagte seit längerer Zeit nicht in der Lage gewesen, die auch zur Klägerin führende Orts straße in einen einigermaßen befahrbaren Zustand zu versetzen, so dass die Klägerin allen Gästen rate, lieber einen Umweg zu nehmen. Eine Erhöhung des Vorteilssatzes von 40% auf 55% bzw. 90% erscheine angesichts der Verschlechterung des letzten Jahrzehnts mehr als willkürlich und sei nicht nachvollziehbar. Der Widerspruchsbescheid sei diesbezüglich ebenfalls nicht hilfreich, er gehe davon aus, dass die Gemeinde den Vorteilssatz von 90% sachgerecht geschätzt habe. Wie genau, bleibe allerdings offen.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 6. März 2023 beantragte die Beklagte,
15
Zur Begründung wurde unter dem 30. März 2023 im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten in Gestalt des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides des Landratsamtes seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Angebot der Klägerin richte sich vor allem an Ortsfremde. Die Beklagte gehöre zu den Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteige. Damit sei die Klägerin grundsätzlich berechtigt, einen Fremdenverkehrsbeitrag zu erheben. Für die Fremdenverkehrsbeiträge in den Jahren 2010 bis 2016 habe eine Schätzung erfolgen müssen, da die Klägerin trotz mehrmaliger Aufforderung die entsprechenden Erklärungsbögen nicht an die Beklagte übersandt hätte. Gleiches gelte für das Jahr 2017. Diesbezüglich sei im Jahr 2020 ebenfalls eine Schätzung erfolgt. Für das Jahr 2018 habe die Klägerin schließlich den Erklärungsbogen an die Beklagte zurückgesandt. Der Änderungsbescheid habe erlassen werden müssen, da der ursprüngliche Bescheid aufgrund eines Systemfehlers des von der Beklagten benutzten Programms falsch berechnet worden sei. Soweit die Klägerin den Bescheid vom 8. November 2021 angreife, sei die Klage unzulässig, da der Bescheid am 19. November 2021 aufgehoben worden sei. Es fehle hierbei schon an der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die Beklagte sei zur Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen berechtigt. Die Einwohnerzahl der Beklagten betrage ca. 1.773 Einwohner (Stand 31.12.2023). Im Jahr 2018 habe die Anzahl an Gästeübernachtungen 59.939, im Jahr 2019 69.616 und im Jahr 2020 6.757 Nächte betragen. Bei den Ankünften seien im Jahr 2018 19.455 und im Jahr 2019 21.942 zu verzeichnen. Die Klägerin betreibe einen Gasthof, ein Café und eine Pension. Daraus erwachse ihr ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil vom Fremdenverkehr, da sie – dies liege auf der Hand – die direkten Geschäftsbeziehungen zu Fremden suche und aufbauen wolle. Die Beklagte habe den Vorteilssatz durch Schätzung gesondert für die Klägerin ermitteln können. Hierbei sei der konkrete Betrieb berücksichtigt worden, also die Größe des Hauses, die Lage, die Anzahl der Betten und das unterschiedliche Angebot an Ferienwohnungen, klassischen Hotelzimmern und Tagungen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Beklagte außerdem einen Kurbeitrag erhebe. Hier seien die Vermieter verpflichtet, eine entsprechende Gästemeldung an die Beklagte zu übermitteln. Die von der Klägerin übermittelten Daten hinsichtlich des Kurbeitrages seien in den vergangenen Jahren allerdings nicht aussagekräftig gewesen, weshalb die Beklagte erhebliche Zweifel an den Meldungen habe. Vergleiche man die Anzahl der von der Klägerin abgegebenen Gästemeldescheine für das Jahr 2021 mit einem weiteren Gasthof im Ortsteil …, dessen Bettenangebot geringer sei als das der Klägerin, so ergebe sich Folgendes: Abgegebene Meldescheine der Klägerin für das Jahr 2021: 139 Stück; abgegebene Meldescheine 2021 des Vergleichsgasthofes mit weniger Betten: 376 Stück. Aufgrund der wenig greifbaren Daten der Gästemeldungen und der Tatsache, dass die Klägerin keine ausreichenden und brauchbaren Angaben mache, könne die Klägerin eine auf den vorwiegenden allgemeinen Anhaltspunkten beruhende Schätzung nicht beanstanden.
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Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2023 replizierte der Bevollmächtigte der Klägerin wie folgt: Lediglich auf Seite 5 der Klageerwiderung widme sich die Beklagte der ihr obliegenden Begründung des Vorteilssatzes. Bestritten werde, dass sich das Angebot der Klägerin vor allem an Ortsfremde richte. Vielmehr sei hierzu auszuführen, dass die Klägerin viele Festlichkeiten von Einheimischen ohne jeden Bezug zum Fremdenverkehr ausrichte. Auch Tagungen von Firmen und/oder Übernachtungen von Geschäftsreisenden hätten keinen Bezug zum Fremdenverkehr. Ebenso speisten z.B. am Sonntagmittag nahezu 100% einheimische Stammgäste bei der Klägerin. Es werde Bezug genommen auf die Ausführungen der Klägerin im Schreiben vom 13. Januar 2022, wo sie selbst ausführe, wie wenige ihrer Einnahmen mit Tourismus zu tun hätten und kritisiere, dass der Vorteilssatz trotz rückläufiger Übernachtungszahlen von einst 142.000 auf aktuell ca. 60.000 deutlich auf 90% erhöht werde. Es werde bestritten, dass die Klägerin im Zeitraum von 2010 bis 2016/2017 keine Erklärungsbögen an die Beklagte abgegeben habe. Für verwaltungsinterne Probleme sei die Klägerin nicht zuständig. Schließlich habe die Klägerin auch den Erklärungsbogen für 2018 an die Beklagte übersandt. Zudem wende sich die Klägerin nicht grundsätzlich gegen eine Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen, sondern um den bei ihr angesetzten und im Vergleich zu früher deutlich erhöhten Vorteilssatz von 90%. Dessen Begründung lasse die Beklagte weiter völlig offen, alleine der Verweis auf einen Gemeinderatsbeschluss reiche nicht aus. Tatsachengrundlagen seien nicht vorgetragen worden. Ebenso wenig habe die Beklagte erläutert, wie man bei Berücksichtigung von Art und Umfang der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin, der Lage und Größe der Geschäfts- und Beherbergungsräume, der Betriebsweise und der Zusammensetzung des Kundenkreises den Vorteilssatz auf 90% geschätzt habe. Auf allgemeine Erfahrungswerte habe man ebenfalls nicht zurückgegriffen; zudem könnten solche nicht zugrunde gelegt werden, da die Klägerin stets ausreichende und brauchbare Angaben gegenüber der Beklagten getätigt habe. Ebenso wenig helfe die zu bestreitende Unterstellung weiter, dass die Beklagte bei den Meldescheinen der Klägerin „erhebliche Zweifel“ habe. Auch ein vorläufiger Vortrag zum Vorteilssatz widerspreche der Behauptung, der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten, vielmehr dränge sich dadurch eher der Schluss auf, der Vorteilssatz sei willkürlich gewählt.
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Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2024 führte der Bevollmächtigte der Beklagten ergänzend aus, die Kalkulation des hier verfahrensgegenständlichen Vorteilssatzes von 90% sei von der Beklagten anhand mehrerer Faktoren gewählt worden. Bei dem klägerischen Anwesen seien barrierefreie Zimmer sowie Tagungsräume mit entsprechendem Equipment, Räume für Feierlichkeiten und auch ein Gaststättenbetrieb vorzufinden. Der …see, der in den vergangenen Jahren eine enorme Aufwertung erfahren habe, liege in fußläufiger Erreichbarkeit. Außerdem seien der Skilift und der Rodelhang … in der Nähe; gleiches gelte für die Seilbahn … Süd und weitere Wanderwege. Die Klägerseite beschreibe selbst, dass die Beherbergung von Gästen den Schwerpunkt ihrer Pension bzw. ihres Gasthofes darstelle. Hieraus lasse sich eine überwiegend touristische Nutzung herleiten. Auch bei Tagungen würden das touristische Freizeitprogramm sowie die touristischen Attraktionen in und um … genutzt. Die Beklagte habe mehrfach und nur mit erheblicher Verspätung nicht valide Daten von der Klägerseite erhalten. Seit dem Jahr 2010 sei die Klägerseite der regelmäßigen Abgabe der Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages an die Beklagte nicht nachgekommen. Bereits für die Jahre 2010 bis 2017 seien mangels Datengrundlagen entsprechende Schätzungen vorgenommen worden. Wie bereits in der Klageerwiderung dargelegt, habe die Klägerseite nur sehr unregelmäßig Gästemeldescheine in der Tourist Information abgegeben. Bei den fortlaufend nummerierten Meldescheinen fehlten zwischendurch immer wieder Meldescheinnummern. Auch hier sei trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Beklagte keine Reaktion von der Klägerin erfolgt. Nachforschungen hätten ergeben, dass der Parkplatz der Klägerin in den stark frequentierten Sommermonaten immer wieder mit auswärtigen Fahrzeugen belegt gewesen sei. In der Tourist Information seien aber für diese Monate nur wenige Meldescheine abgegeben worden. Selbst wenn auch Autos zu Tagesgästen gehört hätten, seien diese als Gäste bei der Klägerin gewesen. Das ganztägige Angebot von Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen sowie Abendessen sei nicht nur für Hausgäste, sondern auch für Tagesgäste verfügbar. Aufgrund der gleichzeitig steigenden Übernachtungszahlen im Gemeindegebiet der Beklagten und der Zunahme des beobachteten Tagestourismus sowie Tagesausflügen sei der angegriffene Beitragssatz zu wählen gewesen. Die Ausführungen der Klägerseite, dass der Beitragssatz zunächst 40% betragen habe, seien unzutreffend. Führe man sich das oben Genannte vor Augen, sei für Übernachtungen stets ein Vorteilssatz von 100% anzusetzen, da diese ausschließlich touristischen Hintergrund hätten. Für den weiteren Betrieb der Klägerin, also die Gaststätte, sei ein Vorteilssatz von 80% anzusetzen. Diese Schätzung des Vorteilssatzes beruhe vor allem auf eigenen Nachforschungen der Beklagten, den mangelnden Auskünften der Klägerseite sowie einer Zunahme der tagestouristischen Gäste. Insgesamt ergebe sich deshalb ein Vorteilssatz von 90%. Dies könne vor allem deshalb nicht beanstandet werden, da die Klägerin als Beitragspflichtige selbst entgegen der ihr obliegenden Verpflichtung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc Dreifachbuchst. ccc KAG i.V.m. §§ 90, 97 der Abgabenordnung (AO) keine entsprechend brauchbaren Angaben offenlege.
18
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 8. August 2024 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. November 2021 und des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes vom 27. Dezember 2022, soweit darin ein höherer Beitrag als 1.135,84 EUR festgesetzt wird. Insoweit ist die Klägerin als Adressatin der Bescheide auch möglicherweise in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG).
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2. Die Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 8. November 2021 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19. November 2021 und des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes vom 27. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
22
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu Fremdenverkehrsbeiträgen ist Art. 6 KAG i.V.m. der FVBS.
23
Gemäß Art. 6 Abs. 1 KAG können Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdenübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt, zur Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass der FVBS Gebrauch gemacht. Zweifel an der Gültigkeit dieser Satzung, die im Wesentlichen mit der amtlichen Mustersatzung übereinstimmt, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich (vgl. VG Bayreuth, U.v. 29.7.2020 – B 4 K 18.1057 – juris Rn. 33).
24
Die Klägerin unterliegt der persönlichen und sachlichen Fremdenverkehrsbeitragspflicht, die Höhe des festgesetzten Beitrages und insbesondere der von der Beklagten zugrunde gelegte Vorteilssatz von 90% sind nicht zu beanstanden.
25
a) Nach Art. 6 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 FVBS wird von allen selbstständig Tätigen, natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Mit dem Beitrag wird der Vorteil, der dem Beitragsschuldner durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten (§ 2 Abs. 1 FVBS).
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Die Klägerin ist als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gemäß § 705 Abs. 2 Alt. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) rechtsfähig und juristische Person im Sinne des Art. 6 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 FVBS, da dieser Begriff untechnisch weit auszulegen ist (Lung in Schmidt/Wernsmann, BeckOK Kommunalabgabenrecht Bayern, Stand 1.5.2024, Art. 6 KAG Rn. 23; vgl. auch BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 14.2771 – juris). Ihr entstehen unmittelbare wirtschaftliche Vorteile durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet der Beklagten, die dem direkten Geschäftsverkehr mit Fremden entspringen, hier in Form der Bewirtung der Gäste und Vermietung von Zimmern bzw. Appartements, Ferienwohnungen sowie eines Ferienhauses.
27
b) Der festgesetzte Beitrag ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Beitragsschuld wird auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergibt (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FVBS). Letzteres ist vorliegend der Fall, so dass sich der Beitrag nach dem steuerbaren Umsatz errechnet. Hierfür ist der steuerbare Umsatz mit dem Vorteilssatz und mit dem Mindestbeitragssatz zu multiplizieren (§ 3 Abs. 2 FVBS).
28
aa) Der Vorteilssatz bezeichnet den auf dem Fremdenverkehr beruhenden Teil des steuerbaren Umsatzes. Er wird durch Schätzung für jeden Fall gesondert ermittelt, wobei insbesondere Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit, die Lage und Größe der Geschäfts- und Beherbergungsräume, die Betriebsweise und die Zusammensetzung des Kundenkreises von Bedeutung sind (§ 3 Abs. 3 FVBS).
29
aaa) Dass ein Vorteilssatz im Wege der Schätzung ermittelt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (BayVerfGH, E.v. 21.10.1960 – Vf. 24-VII-59 – VerfGH 13, 127/132). Die Legitimation für eine Schätzung des Vorteilssatzes ergibt sich daraus, dass es praktisch kaum möglich ist, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen jeweils gesondert zu erfassen. Die Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung begründet für die Gemeinde aber die Verpflichtung, wenigstens die ihr zugänglichen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen, die ein realitätsnahes Schätzergebnis vermitteln. Diese Verpflichtung der Kommune entlastet den Betroffenen indes nicht von der ihn treffenden Obliegenheit, die in seine Sphäre fallenden und nur von ihm ermittelbaren Umstände offen zu legen. Bei der Schätzung ist derjenige Betrag festzustellen, der bei Berücksichtigung aller Umstände die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat. Die Schätzung ist dabei nicht dem Bereich der Ermessensausübung, sondern der Tatsachenfeststellung zuzurechnen; sie unterliegt daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung (st. Rspr., vgl. BayVGH, U.v. 9.5.1984 – 4 B 82 A.1097 – BayVBl 1985, 244 ff.; U.v. 5.12.2006 – 4 B 05.3119 – juris Rn. 28; B.v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 7). Das Gericht überprüft demgemäß, ob die Schätzung der einzelnen Vorteilssätze von einer plausiblen Tatsachengrundlage getragen ist. Ausreichend – aber auch notwendig – ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Umsätzen in Höhe der festgesetzten Vorteilssätze (BayVGH, U.v. 7.10.2013 – 4 B 13.209 – juris Rn. 25).
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bbb) Wer eine behördliche Schätzung im gerichtlichen Verfahren angreifen will, muss zumindest substantiiert darlegen, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch sein sollen; er muss dazu gegebenenfalls anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen eine substantiierte eigene Schätzung vornehmen (vgl. BFH, B.v. 23.6.2017 – X B 11/17 – BFH/NV 2017, 1440 Rn. 14; B.v. 14.8.2013 – III B 13/13 – BFH/NV 2013, 1795 Rn. 11 m.w.N.). Mangels entsprechender substantiierter Darlegungen von Seiten der Klägerin bestand für das Verwaltungsgericht weder die Veranlassung noch die Möglichkeit einer eingehenderen Prüfung oder gar eigenen Schätzung des Vorteilssatzes (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2024 – 4 ZB 21.168 – juris Rn. 25). Jedenfalls ist die von der Beklagten vorgenommene Schätzung nach Überzeugung des Gerichts von einer ausreichend plausiblen Tatsachengrundlage getragen.
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Die Beklagte stützte die Festlegung des Vorteilssatzes auf 90% ausweislich der Anlagen zum Beschluss des Gemeinderates vom 27. Oktober 2021 darauf, dass die Klägerin einen unmittelbaren Vorteil durch Vermietung von Zimmern an Fremde und ihren Gaststättenbetrieb hat. Außerdem wurden die gute Lage im Ortsteil …, die fußläufige Erreichbarkeit des …sees, der Skilift in unmittelbarer Nähe und Wanderwege genannt. Weiter wurde berücksichtigt, dass die Klägerin nicht nur Zimmer, sondern auch Ferienwohnungen vermietet und die Möglichkeit besteht, Tagungen auszurichten.
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Zwar trug die Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2021 zur Begründung ihres Widerspruchs vor, nach ihrer Auffassung dürfe der Vorteilssatz im Fall ihres Betriebes maximal 45 bis 50% betragen, und ergänzte, zahlreiche in den Räumlichkeiten durchgeführte Familienfeiern, gastronomische Angebote sowie berufliche Weiterbildungen würden durch Gemeindeeinwohner genutzt. Auch im gerichtlichen Verfahren führte die Klägerin immer wieder aus, dass die Übernachtungszahlen seit Jahren rückläufig seien. Außerdem profitiere die Klägerin bei ihren Einnahmen aus Familienfeiern wie Taufen, Erstkommunionen, Firmungen, Geburtstagen, Hochzeiten, Silber- und Goldhochzeiten, Trauergesellschaften, Vereinsversammlungen, Weihnachtsfeiern und Veranstaltungen verschiedener Art z.B. beruflichen Weiterbildungen oder einfach Mittag- und Abendessen, Nachmittagskaffee, Catering, Essensabholungen etc., welche von Gemeindeeinwohnern in Anspruch genommen würden, nicht vom Tourismus.
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Konkrete, das maßgebliche Jahr 2018 betreffende Angaben etwa zur Anzahl der Familienfeiern von Gemeindeeinwohnern in ihrem Betrieb oder zum Anteil der Gemeindeeinwohner unter den Besuchern des Cafés bzw. Gasthofes machte die Klägerin jedoch ebenso wenig wie zum konkreten Anteil des Café- und Gaststättenbetriebes am gesamten Umsatz. Auch legte sie nicht dar, wie viele und welche Art von Tagungen in ihrem Betrieb durchgeführt wurden. Dabei fragte die Beklagtenseite – § 4 Abs. 2 Satz 2 FVBS entsprechend – bereits mit dem der Klägerin übersandten Formblatt „Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages 2018“ in Euro bezifferte „Angaben zum Vorteil“ (nicht ortsbedingter Anteil des angegebenen Gewinns bzw. steuerbaren Umsatzes) ab. Die entsprechenden Zeilen in der auf den 19. November 2020 datierten Erklärung ließ die Klägerin jedoch unausgefüllt, obwohl dies angesichts der Art ihres Betriebes offensichtlich nicht zutreffend sein kann. Schließlich richtet sich das Angebot der Klägerin in Teilen ausdrücklich und ausschließlich an Personen, die nicht Gemeindeeinwohner sind. Dies betrifft die Vermietung von Zimmern, Ferienwohnungen und eines Ferienhauses einschließlich optionaler Buchung von Frühstück, Halb- oder Vollpension. Hinsichtlich des übrigen gastronomischen Angebots und soweit Übernachtungen im Rahmen von Tagungen stattfinden, ist genauer zu differenzieren: Fremdenverkehr als Ausgangspunkt der Vorteilsabgeltung umfasst ungeachtet der Länge des Anfahrtswegs alle Formen des Erholungs-, Vergnügungs-, Heil- und auch des Bildungstourismus. Entscheidend ist, dass es sich um einen kurzfristigen Aufenthalt eines nicht Ortsansässigen in der Gemeinde aus einem im weitesten Sinne dem Tourismus zuzurechnenden Grund handelt (BayVGH, U.v. 9.5.2016 – 4 B 15.2338 – juris Rn. 26; U.v. 27.3.2003 – 4 B 98.2772 – juris Rn. 21 m.w.N.). Mithin sind sämtliche ortsfremde Café- und Restaurantbesucher sowie Tagungen, soweit es sich nicht um reine Lehrgänge, Fort- oder Weiterbildungsveranstaltungen handelt, dem Fremdenverkehr zuzuordnen (vgl. VG München, U.v. 23.3.2000 – M 10 K 99.1413 – juris Rn. 76). Eine entsprechende Differenzierung gelingt freilich nur unter Zugrundelegung der erforderlichen Kenntnisse.
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Aufgrund der fehlenden Mitwirkung von Klägerseite, zu der nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. cc Dreifachbuchst. ccc KAG i.V.m. § 90 AO sogar eine gesetzliche Verpflichtung besteht, blieb der Beklagten für die Schätzung des Vorteilssatzes nur übrig, auf die ihr anderweitig zur Verfügung stehenden Erkenntnisse, die im Rahmen des § 3 Abs. 3 FVBS relevant sein können, zurückzugreifen. Zweifelsohne zählt hier die fußläufige Erreichbarkeit des …sees sowie ein Skilift und Wanderwege als maßgebliche touristischer Attraktionen im Gemeindegebiet in unmittelbarer Nähe dazu. Beim Angebot der Klägerin wurde zu recht berücksichtigt, dass diese nicht nur Zimmer, sondern auch Ferienwohnungen vermietet und die Möglichkeit besteht, Tagungen auszurichten. Im gerichtlichen Verfahren ergänzte ihr Bevollmächtigter, in der Nähe der Klägerin befinde sich außerdem der Rodelhang … sowie die Seilbahn … Süd. Der weitere Vortrag von Beklagtenseite, die Klägerin beschreibe selbst, dass der Schwerpunkt ihrer Pension bzw. ihres Gasthofes die Beherbergung von Gästen darstelle, woraus sich eine überwiegend touristische Nutzung herleiten lasse, wurde von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung allerdings bestritten. Vielmehr gab der Bevollmächtigte an, dass nach Aussage seiner Mandanten der Schwerpunkt ihres Betriebes im Bereich der Gastronomie liege und das Geschäft hier zu einem großen Anteil aus Feiern und Gästen aus dem Ort bestehe. Belege hierfür fehlen jedoch. Die von der Klägerin übermittelten Daten im Zusammenhang mit der Kurbeitragserhebung hielt die Beklagte aufgrund einer Diskrepanz zu den abgegebenen Meldescheinen eines Vergleichsgasthofes nicht für aussagekräftig. Aufgrund dieser Diskrepanz stellte die Beklagte auch weitere Nachforschungen an, die ihren Angaben zufolge einen hohen Fremdenanteil im Kundenkreis der Klägerin bestätigt hätten. So sei zu beobachten gewesen, dass der Parkplatz der Klägerin in den stark frequentierten Sommermonaten immer wieder mit auswärtigen Fahrzeugen belegt gewesen sei. Dabei handelt es sich – worauf die Beklagte ebenfalls zu Recht hinweist – selbst dann um Gäste, die bei der Festlegung des Vorteilssatzes zu berücksichtigen sind, wenn die Autos zu Tagesgästen gehört hätten. Neben den genannten Umständen erweckt auch die Homepage der Klägerin (https://www.gasthof- …de/; abgerufen am 1.8.2024 den Eindruck, dass das Angebot der Klägerin vor allem auswärtige Gäste anspricht. So sieht man auf der Startseite unter der Überschrift „Willkommen beim Gasthof … – ankommen und wohlfühlen“ ein Bild des Gasthofes einschließlich Garten mit Personen, die auf Sonnenliegen entspannen oder auf Gartenstühlen sitzen. Gleich darunter werden die barrierefreien Ferienwohnungen, Appartements und Zimmer mit großem Balkon beworben. Am unteren Ende der Seite sind nähere Informationen zu den Zimmern und der Ferienwohnung, zum sog. …garten sowie zur Region und Aktivitäten verlinkt. Unter der letztgenannten Rubrik heißt es: „Vom Ballungszentrum … sind wir nur rund eine Autostunde entfernt. Auch von … über die A* ganz einfach und schnell zu erreichen.“
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Soweit sich die Klägerin darauf beruft, im Gemeindegebiet fehle die früher vorhandene Infrastruktur, es sehe dort „in einigen Bereichen nicht gerade wie in einem Fremdenverkehrsort aus“ und die Beklagte sei seit längerer Zeit nicht in der Lage gewesen die auch zur Klägerin führende Orts straße in einen einigermaßen befahrbaren Zustand zu versetzen, ist anzumerken, dass der Vorteil der Klägerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 KAG i.V.m. § 1 Abs. 1 FVBS bereits darin besteht, dass die Beklagte insgesamt eine fremdenverkehrsfördernde Funktion einnimmt (vgl. VG München, U.v. 27.9.2012 – M 10 K 11.2117 – juris Rn. 35). Ein Anspruch auf die Durchführung konkreter fremdenverkehrsfördernder Maßnahmen bzw. die Aufrechterhaltung eines gewissen infrastrukturellen Standards besteht nicht. Maßgeblich für die Ermittlung des Vorteilssatzes ist auch nicht, welchen Anteil des Umsatzes die Klägerin aufgrund von gezielten förderlichen Fremdenverkehrsmaßnahmen der Beklagten erwirtschaftet, sondern welcher Anteil ihres Gewinns tatsächlich auf dem Fremdenverkehr beruht (VG München, U.v. 27.9.2012 – M 10 K 11.2117 – juris Rn. 35).
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Überdies setzte die Beklagte für ähnliche Betriebe in ihrem Gemeindegebiet denselben Vorteilssatz wie für die Klägerin fest. Dies betrifft ausweislich der von Beklagtenseite vorgelegten Tabelle (Anlage 4) zum Beschluss des Gemeinderats vom 27. Oktober 2021 das Hotel …, den Hotelbetrieb/Restaurant …, das Gasthaus … sowie den Gasthof/Pension … Für das …hotel … wurde sogar ein Vorteilssatz von 100% festgelegt. Dass der Vorteilssatz der Klägerin im Vergleich zu ähnlichen Betrieben zu hoch sei und deshalb den Gleichheitssatz verletze, kann sie also nicht geltend machen. Auch Beispielen aus der Rechtsprechung lassen sich vergleichbare Vorteilssätze entnehmen (vgl. VG Würzburg, U.v. 4.7.2001 – W 2 K 99.1473 – juris; BayVGH, U.v. 29.1.2020 – 4 B 18.2285 – juris).
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Allein daraus, dass für die Klägerin in den Jahren vor 2018 ein Vorteilssatz von 55% galt, kann sie keinen Anspruch auf Beibehaltung dieses Vorteilssatzes herleiten. Schließlich erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Dezember 2020 gegenüber der Klägerin, vorherrschende Missstände in der Gemeindeverwaltung bei der Erhebung der Fremdenverkehrsbeiträge aufarbeiten zu wollen. Aufgrund der prekären Lage, in der sich die Beklagte nach wie vor befinde, sei sie von Seiten des Landratsamtes angehalten, die fehlende Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages durchzuführen. Auch sei in den letzten Jahren keine Anpassung der Vorteilssätze, die für jeden Betrieb separat festgelegt würden, erfolgt. Damit eine Neufestlegung stattfinden könne, werde um Mithilfe gebeten. Angesichts dieses Schreibens kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, auf den Fortbestand des niedrigeren Vorteilssatzes vertraut zu haben. Vielmehr musste sie mit einer Anpassung, also ggfs. auch Erhöhung rechnen. Dabei wurde sie im Einklang mit den gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen aufgefordert, der Beklagten entsprechende Informationen zuzuliefern. Mit Hilfe dieser Angaben sollte eine weitestgehend realistische Schätzung des Vorteilssatzes ermöglicht werden. Auch mit Schreiben des Landratsamtes vom 29. November 2022 wurde der Klägerin die Gelegenheit gegeben, zu ihrem Vorbringen, dass aufgrund einer entsprechenden Einnahmeerzielung durch die Bewirtung von Gemeindeeinwohnern lediglich ein Vorteilssatz von 40% bis 50% angemessen wäre, Stellung zu nehmen und hierzu zahlenmäßige, konkrete Nachweise vorzulegen, die die Zusammensetzung ihres Kundenkreises belegten. Eine entsprechende substantiierte Äußerung von Klägerseite ist jedoch weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren erfolgt. Kommt der Abgabepflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht oder nicht in ausreichendem Maße nach oder sind seine Angaben nach der Lebenserfahrung unglaubhaft, so muss er sich gefallen lassen, dass die Ungewissheit über die Besteuerungsgrundlagen möglicherweise zu seinem Nachteil ausschlägt (VG Würzburg, U.v. 4.7.2001 – W 2 K 99.1473 – juris Rn. 35 m.w.N.).
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bb) Hinsichtlich des auf die Klägerin angewendeten Mindestbeitragssatzes gemäß § 3 Abs. 5 FVBS gilt: Die Beklagte orientiert sich bei dem durch Schätzung zu ermittelnden branchenüblichen Anteil des Gewinns am Umsatz, nach dem sich der Mindestbeitragssatz richtet, an der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen für das Kalenderjahr 2018. Dies ergibt sich aus dem beglaubigten Auszug aus dem Beschlussbuch über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderates der Beklagten vom 27. Oktober 2021 und ist in der Regel nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH v. 14.3.2000 – 4 B 96.809 – juris Rn. 30; VG Würzburg, U.v. 4.7.2001 – W 2 K 99.1473 – juris Rn. 36; VG München, U.v. 23.3.2000 – M 10 K 99.1413 – juris Rn. 67). Der demnach anzusetzende mittlere Richtwert liegt sowohl für Gaststätten als auch für das Beherbergungsgewerbe mit einem wirtschaftlichen Umsatz bis 500.000 EUR bei über 20 v.H., was nach § 3 Abs. 5 FVBS zu einem Mindestbeitragssatz in Höhe von 0,50 v.H. führt.
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cc) Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte, dass der von der Klägerin erhobene Beitrag nicht dem Äquivalenz- oder Kostendeckungsprinzip entspricht. Dies wurde von Klägerseite zwar behauptet, allerdings blieb der Vortrag in dieser Hinsicht ebenfalls unsubstantiiert.
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aaa) Das Äquivalenzprinzip fordert, dass für eine mögliche Leistung eine entsprechende Gegenleistung, nämlich der Beitrag, zu entrichten ist. Davon, dass für den besonderen wirtschaftlichen Vorteil, den die Klägerin als eine am Fremdenverkehr Beteiligte aus dem Fremdenverkehrsgeschehen der Beklagten ziehen kann, als Gegenleistung für die entstehenden Kosten aus der Fremdenverkehrsförderung ein äquivalenter Beitrag gefordert wird, ist unter Berücksichtigung der obenstehenden Ausführungen zum festgelegten Vorteilssatz auszugehen. Insbesondere ist auch hier darauf zu verweisen, dass dem Beitragspflichtigen kein Anspruch auf die Durchführung bestimmter fremdenverkehrsfördernder Maßnahmen zusteht. Entscheidend ist allein, dass dem fremdenverkehrsbedingten Vorteil insgesamt eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht.
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bbb) Art. 6 Abs. 1 KAG enthält den Grundsatz der Aufwandsdeckung (sog. Kostendeckungsprinzip), der besagt, dass die Gemeinde mit den Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag im Verhältnis zu den Aufwendungen für die Fremdenverkehrsförderung grundsätzlich keinen Überschuss zu Gunsten des allgemeinen Haushaltes erzielen darf. Solange dieser Grundsatz beachtet und der Kostenbedarf als Obergrenze eingehalten wird, kann die Gemeinde, auch bei jährlich unterschiedlichem Aufwand, an einem „starren“ Abgabesatz festhalten. Überdies bleibt es der Gemeinde – anders bei Benutzungsgebühren, die nach Art. 8 Abs. 2 KAG die ansatzfähigen Kosten decken sollen – unbenommen, nur einen Teil des Aufwandes für die Fremdenverkehrsförderung über Beiträge und den anderen Teil aus allgemeinen Steuermitteln abzudecken. Eine nur geringfügige und ungewollte Überschreitung der Kosten ist unschädlich, solange es auf Dauer der Wahrscheinlichkeit nach nicht zu einer Überdeckung kommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2024 – 4 ZB 21.168 – juris Rn. 11 f.; U.v. 9.5.2016 – 4 B 14.2771 – juris Rn. 29 m.w.N). Von Letzterem ist vorliegend mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht auszugehen, so dass der Kostendeckungsgrundsatz gewahrt ist. Dafür spricht auch, dass die Beklagtenseite für das Jahr 2023 in der mündlichen Verhandlung angab, dass Fremdenverkehrsbeiträge in einer Gesamthöhe von etwa 52.000 EUR festgesetzt worden seien, von denen 45.000 EUR eingegangen seien. Der Aufwand der Beklagten für die Fremdenverkehrsförderung habe im Jahr 2023 bei etwa 190.000 EUR – und damit sehr deutlich über den Einnahmen – gelegen. Weitere gegen die Beitragserhebung sprechende Einwände wurden von Klägerseite nicht erhoben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).