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LG München I, Urteil v. 10.09.2024 – 25 NBs 439 Js 146528/23
Titel:

Voraussetzungen eines Abwesenheitsurteils nach § 329 Abs. 2 StPO

Normenkette:
StPO § 329 Abs. 2
Schlagworte:
Abwesenheitsurteil, Begründungsmangel, Darstellungsmangel
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 11.08.2023 – 963 Ds 439 Js 146528/23
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 03.03.2025 – 206 StRR 35/25
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42482

Tenor

I. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 11.08.2023 (Aktenzeichen: 963 Ds 439 Js 146528/23) im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass die Strafaussetzung zur Bewährung (Ziffer 3.) entfällt.
II. Ziffer 4. (isolierte Sperrfrist) kommt in Wegfall.
III. Ziffer 5. (Aufhebung des Bußgeldbescheids) bleibt aufrechterhalten.
IV. Da die Berufung der Staatsanwaltschaft erfolgreich war trägt der Angeklagte die Kosten.

Entscheidungsgründe

I.
1
Das Amtsgericht München verurteilte den Angeklagten am 11.08.2023 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2
Daneben wurde eine isolierte Sperrfrist von zwölf Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erteilt.
3
Der Bußgeldbescheid vom 17.05.2023 wurde gemäß § 86 Abs. 2 OWiG aufgehoben.
4
Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft München I mit Schreiben vom 11.08.2023, Eingang bei Gericht am 14.08.2023 eine auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung ein.
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Mit Schreiben vom 26.09.2023 wurde diese Berufung näher begründet, sie richtet sich ausschließlich gegen die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung.
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Eine Berufung des Angeklagten liegt nicht vor.
II.
7
Die Berufung der Staatsanwaltschaft München I ist statthaft und zulässig, §§ 312, 314 StPO. Sie wurde auch zulässigerweise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, § 318 StPO.
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Sie erwies sich als erfolgreich, die vom Erstgericht gewährte Strafaussetzung zur Bewährung war in Wegfall zu bringen.
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Ebenso die Verhängung einer isolierten Sperrfrist.
III.
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Aufgrund der gemäß § 329 Abs. 2 StPO durchgeführten Berufungshauptverhandlung steht Folgendes fest:
1. Zur Person des Angeklagten:
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Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, er ist in ... geboren.
12
Weitere Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen konnten nicht getroffen werden, da der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung nicht erschienen ist.
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Zur Verlesung kam ein Schreiben seiner aktuellen Bewährungshelferin beim Landgericht vom 18.04.2024.
14
Weiter kam zur Verlesung ein Schreiben der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht vom 10.07.2024 betreffend den Verlauf der Bewährungsverfahren und .
15
Der aktuelle Strafregisterauszug vom 09.09.2024 kam zur Verlesung, er enthält die nachfolgenden zwölf Eintragungen:
1. 31.08.2004 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 22.09.2004
Tatbezeichnung: Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 07.06.2004
Angewandte Vorschriften: StGB § 185, § 194
20 Tagessätze zu je € 20,00 Geldstrafe
2. 15.11.2007 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 23.11.2007
Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung in vier tatmehrheitlichen Fällen, sachlich zusammentreffend mit Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort
Datum der (letzten) Tat: 20.06.2006
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 303 c, § 53, § 56 Abs. 1, § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2, § 69, § 69 a, § 142 Abs. 1 Nr. 2
8 Monate Freiheitsstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 14.02.2008
Bewährungszeit bis 22.11.2011
Bewährungshelfer bestellt
Bewährungszeit verlängert bis 22.11.2012
Strafaussetzung widerrufen Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 08.07.2013
Ausgesetzt durch: 18.06.2010 –
Strafrest erlassen mit Wirkung vom 02.09.2013
3. 19.08.2009 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 27.08.2009
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen
Datum der (letzten) Tat: 15.04.2009
Angewandte Vorschriften: StGB § 53, 69, § 69 a, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
8 Monate Freiheitsstrafe
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 26.08.2010
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 08.07.2013
Ausgesetzt durch: 18.06.2010 –
Strafrest erlassen mit Wirkung vom 13.09.2013
4. 14.10.2014 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 20.01.2016
Tatbezeichnung: Betrug
Datum der (letzten) Tat: 22.12.2013
Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1
45 Tagessätze zu je € 15,00 Geldstrafe
5. 09.02.2015 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 26.02.2015
Tatbezeichnung: Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 26.11.2014
Angewandte Vorschriften: StGB § 185, § 194
15 Tagessätze zu je € 12,00 Geldstrafe
6. 24.03.2017 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 05.04.2017
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis
Datum der (letzten) Tat: 21.01.2017
Angewandte Vorschriften: StGB § 69 a, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
80 Tagessätze zu je € 15,00 Geldstrafe
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 15.03.2018
7. 27.10.2017 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 29.11.2017
Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Sachbeschädigung
Datum der (letzten) Tat: 01.04.2017
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 52, § 239 Abs. 1, § 303 Abs. 1, § 303 c
90 Tagessätze zu je € 15,00 Geldstrafe
8. 10.12.2018 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 18.12.2018
Tatbezeichnung: Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 15.02.2018
Angewandte Vorschriften: StGB § 185, § 194
80 Tagessätze zu je € 15,00 Geldstrafe
9. 05.07.2019 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 13.07.2019
Tatbezeichnung: Vorsätzliche Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 20.08.2018
Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 56
8 Monate Freiheitsstrafe Bewährungszeit 3 Jahre
Bewährungshelfer bestellt
10. 21.11.2019 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 04.12.2019
10 Monate Freiheitsstrafe
Bewährungszeit 3 Jahre
Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 05.07.2019 -1 Ds 133 Js 16722/18 – Amtsgericht Kaufbeuren
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 10.12.2018 – 843 Ds 263 Js 123690/18 – Amtsgericht München
Bewährungshelfer bestellt
Strafaussetzung widerrufen
Ende Freiheitsentzug (Strafe): 20.07.2022
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 25.05.2025
Ausgesetzt durch: 13.05.2022 – StVK 535/22 – Landgericht Traunstein
Bewährungshelfer bestellt
11. 11.11.2020 Amtsgericht
Rechtskräftig seit 25.06.2021
Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung
Datum der (letzten) Tat: 17.02.2020
Angewandte Vorschriften: StGB § 69 a, § 53, § 114 Abs. 1, § 52, § 113 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 230, § 185, § 194, StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1
8 Monate Freiheitsstrafe
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 24.06.2022
Ende Freiheitsentzug (Strafe): 20.07.2022
Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 25.05.2025
Ausgesetzt durch: 13.05.2022 – StVK 536/22 – Landgericht Traunstein
Bewährungshelfer bestellt
12. 15.05.2024 Staatsanwaltschaft
Gesucht wegen Strafverfolgung wegen Aufenthaltsermittlung
2. Zur Sache:
16
Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung unterliegen die vom Erstgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht mehr der Überprüfung durch die Strafkammer, § 327 StPO.
17
Danach steht folgender Sachverhalt rechtskräftig fest:
18
Der Angeklagte fuhr am 18.02.2023 gegen Uhr mit dem Pkw, im Tunnel in, obwohl er die erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte, was er wusste. Der Angeklagte wurde im Tunnel wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 16 km/h geblitzt.
19
Dem Angeklagten war mit Urteil des Amtsgerichts vom 15.11.2007, rechtskräftig seit 23.11.2007, die Fahrerlaubnis entzogen worden. Seither hatte er keine neue Fahrberechtigung mehr erworben.
IV.
20
Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch steht zugleich rechtskräftig fest, dass sich der Angeklagte schuldig gemacht hat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG.
V.
Zur Strafzumessung:
21
Maßgebend ist vorliegend der Strafrahmen des § 21 Abs. 1 StVG, dieser reicht von Geldstrafe bis zur Freiheitsstrafe von einem Jahr.
22
Infolge der Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung verbleibt es bei der vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
23
Diese Freiheitsstrafe konnte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, eine positive Sozialprognose, § 56 Abs. 1 StGB konnte nicht festgestellt werden.
24
Da der Angeklagte im Berufungshauptverhandlungstermin nicht erschienen ist, konnten keine Feststellungen über seine aktuelle Lebenssituation getroffen werden.
25
Der Angeklagte ist mehrfacherer Bewährungsversager. Aus der aktuellen Stellungnahme seiner Bewährungshelferin ergibt sich alles anderes als eine günstige Sozialprognose. Der Angeklagte wechselt ständig seinen Aufenthaltsort, ohne dies kundzutun, er unterhält von sich aus keinerlei Kontakt zur Bewährungshelferin, verhält sich ihr gegenüber aggressiv und beleidigend.
VI.
26
Das angefochtene Ersturteil war daher im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass die vom Erstgericht gewährte Strafaussetzung zur Bewährung in Wegfall kommt.
27
Einer isolierten Sperrfrist, §§ 69, 69 a StGB bedurfte es nicht.
VII.
28
Da die Berufung der Staatsanwaltschaft München I erfolgreich war, trägt der Angeklagte die Kosten.