Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 08.07.2024 – 12 U 1170/24
Titel:

Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft - gemeinschaftsfremde Gegenrechte

Normenketten:
Bay-HintG Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 21
BGB § 749 Abs. 1, § 752 S. 1, § 1008
InsO § 80, § 84
ZPO § 114
Leitsatz:
Die Erfüllung des Anspruchs auf Aufhebung einer Bruchteilsgemeinschaft (hier an einer Immobilie) kann nicht unter Verweis auf gemeinschaftsfremde Gegenrechte verweigert werden (hier Morgengabe nach Scheidung). (Rn. 8 und 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufrechnung, Bruchteilsgemeinschaft, Morgengabe, Zustimmung zur Auszahlung, Aufhebung, Gegenrechte
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.05.2024 – 20 O 4509/23
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 22.01.2025 – II ZA 2/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42378

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.05.2024, Az.: 20 O 4509/23, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
1. Durch Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.05.2024 wurde die Beklagte verurteilt,
- ihre Zustimmung zur Auszahlung des bei dem Amtsgericht F. zum Az. hinterlegten Betrages von insgesamt 80.520,68 € in Höhe der Hälfte, mithin eines Betrages i.H.v. 40.260,34 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.02.2023 an die Klägerin zu erklären sowie
- ihre Zustimmung zur Auszahlung des bei dem Amtsgericht Erlangen zum Az. 65 HL 17/22 hinterlegten Betrages von insgesamt 219.224,14 € in Höhe der Hälfte, mithin eines Betrages i.H.v. 109.612,07 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.02.2023 an die Klägerin zu erklären.
2
Außerdem wurde die Beklagte verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.538,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2023 zu bezahlen.
3
Zur Begründung führte das Erstgericht aus, der Klägerin stehe als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Schuldners S. (des geschiedenen Ehemanns der Beklagten) aus §§ 80, 84 InsO, 749 Abs. 1, 752 S. 1 BGB iVm Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 21 Bay-HintG ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Auszahlung der bei dem Amtsgericht F. und dem Amtsgericht E. hinterlegten Beträge zuzüglich gesetzlicher Zinsen seit 07.02.2023 zu.
4
Die Klägerin sei gemäß § 80 InsO als Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Schuldners anspruchsberechtigt, da mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über prozessuale Ansprüche des Schuldners auf diese übergegangen seien. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Beklagte und der Schuldner ursprünglich an der zwangsversteigerten Immobilie je zur Hälfte beteiligt waren, sodass insoweit eine Bruchteilsgemeinschaft gemäß §§ 1008, 741 ff. BGB zwischen ihnen bestanden habe.
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Aus der unstreitigen Grundstücksversteigerung habe sich ein ebenfalls unstreitiger Übererlös in Höhe von insgesamt 299.744,82 € ergeben, welcher in Höhe von 80.520,68 € beim Amtsgericht F. und in Höhe von 219.224,14 € beim Amtsgericht E. hinterlegt worden sei.
6
Im Wege der dinglichen Surrogation setze sich die Bruchteilsgemeinschaft an den Forderungen gegen die Hinterlegungsstelle fort, weshalb die Klägerin von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung des jeweiligen hälftigen Betrages verlangen könne.
7
Dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung stehe entgegen der Ansicht der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 100.000 € aus einer etwaigen Morgengabe entgegen.
8
Selbst wenn der Beklagten tatsächlich ein Anspruch in Höhe von 100.000 € aus einer Morgengabe gegen den Schuldner zustehe, könnten dem Anspruch aus §§ 749 Abs. 1, 752 S. 1 BGB i. V. m. Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 21 BayHintG keine gemeinschaftsfremden Gegenrechte entgegengehalten werden. Das Recht jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, dürfe grundsätzlich nicht durch die Geltendmachung von Gegenrechten, die nicht in der Gemeinschaft wurzeln, beeinträchtigt werden. Der von der Beklagten behauptete Anspruch auf die Morgengabe nach iranischem Recht sei als allgemeine Wirkung der Ehe zu qualifizieren, da die Morgengabe je nach Gestaltung aus der Sicht des deutschen Rechts Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw. nachehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs- und dem Erbrecht aufweisen könne. Damit handele es sich gerade nicht um ein in der Gemeinschaft wurzelndes Gegenrecht.
9
Die Beklagte könne gegen den Anspruch der Klägerin deshalb weder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, noch wirksam die Aufrechnung erklären.
10
Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.05.2024 wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23.05.2024 zugestellt.
11
2. Mit Schreiben vom 08.06.2024, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Nürnberg per Post am selben Tag, stellte die Beklagte „einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg“.
12
Zur Begründung führte die Beklagte zusammengefasst aus, das Landgericht habe eine falsche Entscheidung getroffen. Vorgerichtlich habe sie mehrfach vergeblich versucht, Gespräche mit der Insolvenzverwalterin zu führen und Aufklärung zu erhalten. Die Insolvenzverwalterin habe weder ihre Fragen beantwortet, noch sich um eine Schadensminimierung bemüht. Die Entscheidung sei offensichtlich verfassungswidrig. Die Klägerin habe vorsätzlich die klare Zustimmung zur Auszahlung der Ansprüche der Beklagten aus der Insolvenzmasse ignoriert und bewusst mit ihrem Zahlungsstopp einen erheblichen Schaden verursacht. Die Insolvenzverwalterin habe daher die Kosten des gesamten Verfahrens allein zu tragen. Die Insolvenzverwalterin habe bis heute ihr Geld nicht ausbezahlt. Es wäre Pflicht der Insolvenzverwalter gewesen, ein Gespräch zu führen statt zu klagen und wahrheitswidrig zu erklären, dass sie, die Beklagte, nicht mit der Auszahlung ihres Geldes einverstanden sei.
II.
13
1. Das Schreiben der Beklagten vom 08.06.2014, mit dem sie Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg beantragt, ist als Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.05.2024 auszulegen.
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2. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die beabsichtigte Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
16
Gemäß § 513 ZPO kann eine Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Eine Rechtsverletzung nach § 546 ZPO ist gegeben, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
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Solches ist nicht ersichtlich. Der Senat hat die Einwände des Beklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts – auch unter Berücksichtigung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und der tatbestandlichen Feststellungen des Erstgerichts – geprüft und gewürdigt. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, für die Beklagte günstigere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
18
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, ist das Erstgericht unter Bezugnahme auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zur Auszahlung der bei dem Amtsgericht F. und dem Amtsgericht E. hinterlegten (Teil-)Beträge zusteht und die Beklagte sich demgegenüber nicht mit Erfolg auf eine Aufrechnung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen des von ihr geltend gemachten Anspruchs auf die Morgengabe von 100.000,00 € berufen kann.
19
Nur ergänzend ist anzumerken:
20
Soweit die Beklagte eine mangelnde Kommunikation der Klägerin mit ihr moniert, ist dies zum einen nicht entscheidungserheblich, zum andern nicht zutreffend. Die Beklagte war seinerzeit durch Frau Rechtsanwältin R. vertreten. Ausweislich des in erster Instanz vorgelegten vorgerichtlichen Schriftverkehrs fand zwischen der Klägerin als Insolvenzverwalterin und der damaligen Rechtsanwältin der Beklagten ein reger Meinungsaustausch über die wechselseitigen Ansprüche statt (Schreiben der Klägerin an Rechtsanwältin R. vom 19.06.2020, Anlage K 14, 09.12.2020, K 15, 30.03.2021, K 16, 12.01.2022, K 19, 25.07.2022, K 21, 24.01.2023, K 10, 07.02.2023, K 12; Schreiben Rechtsanwältin R. vom 03.02.2023, K 11).
21
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin wahrheitswidrig behauptet habe, die Beklagte habe vorgerichtlich der (teilweisen) Auszahlung der hinterlegten Beträge seitens der Hinterlegungsstelle zugunsten der Insolvenzmasse nicht zugestimmt. Im Schreiben der für die Beklagte tätigen Rechtsanwältin R. vom 03.02.2023 an die Klägerin heißt es vielmehr unmissverständlich (Anlage K 11,dort Seite 3, Mitte):
„Die Gläubigerin kann erst dann der Auszahlung der Hälfte des hinterlegten Betrages zustimmen, wenn ihre berechtigte Forderung zur Insolvenztabelle in der Gläubigerliste in voller Höhe festgestellt wurde. Insoweit beantrage ich nochmals, dass dies nun durchgeführt wird.“
22
Als Gläubigerin wurde dort die Beklagte bezeichnet, mit der „berechtigten Forderung“ war ersichtlich die Morgengabe gemeint, die zur Insolvenztabelle festgestellt werden sollte. Wie sich aus dem Schreiben vom 03.02.2023 ergibt, wurde gerade keine Zustimmung zu der Auszahlung der hälftigen Hinterlegungsbeträge an die Klägerin erteilt, sondern die Erteilung der Zustimmung für den Fall der Feststellung der Forderung der Beklagten zur Insolvenztabelle nur angekündigt. Dass eine (unbedingte) Zustimmung zur Auskehrung der hälftigen hinterlegten Beträge nach diesem Schreiben erteilt wurde, ergibt sich weder aus den im Verfahren vorgelegten Unterlagen, noch wurde dies von der Beklagten – die sich darauf beruft, mit der Klägerin keinen Kontakt gehabt zu haben – konkret vorgetragen.
23
Bei dieser Sachlage ist Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Berufung zurückzuweisen. Über die Beanstandung der Streitwertfestsetzung wird noch gesondert zu entscheiden sein.