Titel:
Voraussetzungen eines Zweitantrags nach § 71a AsylG
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 71a
VwVfG § 51
Dublin III-VO Art. 18 Abs. 1 lit. d
Leitsatz:
Die Annahme eines Zweitantrags setzt voraus, dass der Asylantrag in einem sicheren Drittstaat entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig – d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers – eingestellt worden ist; diese Voraussetzungen müssen feststehen, bloße Mutmaßungen genügen nicht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Irak, Zweitantrag, Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in der Bundesrepublik, Deutschland, Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, rechtliche Zweifel an der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Dublin-Verfahren, Informationsaustausch, Info-Request
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42362
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29. Oktober 2024 (Gz. ...) wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Den Antragstellern wird für die Verfahren Au 9 K 24.31129 und Au 9 S 24.31130 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S. P.,, beigeordnet. Mehrkosten, die sich daraus ergeben, dass der Bevollmächtigte seinen Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat, werden nicht erstattet.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine sofort vollziehbare Androhung der Abschiebung in den Irak.
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Der am ... 1984 in Z. (Irak) geborene Antragsteller zu 1), die am ... 1993 in K. (Irak) geborene Antragstellerin zu 2) und die am ... 2016 bzw. am ... 2019 in Za. (Irak) geborenen Antragsteller zu 3) und 4) sind sämtlich irakische Staatsangehörige mit kurdischer Volkzugehörigkeit und muslimisch-sunnitischem Glauben.
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Ihren Angaben zufolge haben die Antragsteller den Irak am 4. Juni 2021 verlassen und sind am 27. Juli 2022 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo sie unter dem 19. September 2022 Asylanträge stellten. Eine Beschränkung der Asylanträge gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
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Die persönliche Anhörung der Antragsteller zu 1 und 2 erfolgte am 2. März 2023.
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Die Antragsteller haben am 10. Juni 2021 in V. (Litauen) Asylantrag gestellt. Für die Antragsteller liegt ein EURODAC-Treffer mit der Kennung ... vor.
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Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. März 2023 wurden die Asylanträge der Antragsteller als unzulässig abgelehnt und deren Abschiebung nach Litauen angeordnet. Grundlage dieser Entscheidung im Dublin-Verfahren war, dass das Bundesamt am 22. September 2022 ein Übernahmeersuchen an Litauen gerichtet hat, welches unbeantwortet geblieben ist.
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Auf die Gründe dieses Bescheids wird verwiesen.
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Ein hiergegen von den Antragstellern zum Bayerischen Verwaltungsgericht gestellter Antrag vorläufigen Rechtsschutzes (Az. Au 1 S 23.50128) blieb mit Beschluss vom 4. April 2023 ohne Erfolg. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 14. März 2023 wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. April 2023 rechtskräftig abgewiesen (Az. Au 1 K 23.50127).
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Das Bundesamt erklärte unter dem 5. Oktober 2023, dass die Überstellungsfrist nach der Dublin III-VO abgelaufen sei und nunmehr eine Entscheidung im nationalen Verfahren ergehen würde.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 29. Oktober 2024 (Gz. ... ) wurde der Dublin-Bescheid des Bundesamts vom 14. März 2023 aufgehoben (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Nr. 3 des Bescheids lehnt die Anträge auf Asylanerkennung ebenfalls als offensichtlich unbegründet ab. Der von den Antragstellern gestellte Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes wird in Nr. 4 des Bescheids vom 29. Oktober 2024 ebenfalls als offensichtlich unbegründet abgelehnt und in Nr. 5 des Bescheids festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. In Nr. 6 des Bescheids werden die Antragsteller aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde den Antragstellern die Abschiebung in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 7 ordnet das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristet es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass bei den Antragstellern der Wiederaufgreifensgrund einer Sachlagenänderung nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) gegeben sei. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen jedoch nicht vor. Die Antragsteller seien keine Flüchtlinge im Sinne des § 3 AsylG. Den Antragsteller drohe bei einer Rückkehr in den Irak kein ernsthafter Schaden. Auch die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes seien nicht gegeben. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG seien unbegründete Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn die Ausländer Folgeanträge (§ 71 Abs. 1 AsylG) oder Zweitanträge (§ 71a Abs. 1 AsylG) gestellt haben und weitere Asylverfahren durchgeführt worden seien. Die Asylanträge der Antragsteller seien daher als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Abschiebungsverbote zu Gunsten der Antragsteller lägen ebenfalls nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Antragsteller sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 29. Oktober 2024 wird ergänzend verwiesen.
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Die Antragsteller haben gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 8. November 2024 Klage (Az. Au 9 K 24.31129) erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
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Ebenfalls mit Schriftsatz vom 8. November 2024 haben die Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage wird wiederhergestellt/angeordnet.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass vorliegend die Qualifizierung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht gegeben sei. Im Übrigen werde auf das Vorbringen der Antragsteller im Verfahren, insbesondere der Anhörung Bezug genommen und dieses zum Gegenstand der Verfahren gemacht.
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Weiter wurde für die Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Klage- und Antragsverfahren begehrt.
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Das Bundesamt hat dem Gericht die einschlägige elektronische Verfahrensakte vorgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 12. November 2024 hat das Bundesamt für die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde auf die mit Klage und Eilantrag angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. November 2024 wurde das Klageverfahren auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Bundesamt vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist begründet.
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1. Gegenstand des Antrags ist die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG) sofort vollziehbar Androhung der Abschiebung der Antragsteller in den Irak (Nr. 6 des Bescheids vom 29. Oktober 2024). Die Antragsfrist von einer Woche (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) wurde eingehalten.
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2. Der Antrag ist auch in der Sache begründet. Die im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderliche Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragsteller aus. Denn es bestehen ernstliche und im Eilverfahren beachtliche Zweifel an der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG und damit an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsandrohung in den Irak unter Setzen einer Ausreisefrist von einer Woche.
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a) Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen der Antragsteller und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Besondere Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu, soweit sie im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bereits beurteilt werden können. Nach § 74 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AsylG darf eine Aussetzung der Abschiebung nur dann angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen.
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung vorliegend zu Gunsten der Antragsteller aus. Nach derzeitigem Kenntnisstand bestehen ernstliche Zweifel an der Ablehnung des Asylantrags der Antragsteller als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG und damit auch an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist von einer Woche.
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aa) Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, ob das Bundesamt berechtigt war, den Asylantrag der Antragsteller auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54), in Kraft getreten am 27. Februar 2024, als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer einen Folgenantrag (§ 71 Abs. 1 AsylG) oder einen Zweitantrag (§ 71a Abs. 1 AsylG) gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde.
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Vorliegend bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob es sich um einen Zweitantrag nach § 71a AsylG handelt.
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Dies gilt unabhängig von der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des § 71a AsylG, die im hier zu entscheidenden Fall ausdrücklich offengelassen wird.
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Ein Zweitantrag liegt vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Erstdurchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet (erneut) einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen; die Prüfung obliegt hierbei dem Bundesamt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträge auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedsstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 24 f.).
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bb) Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob dem Asylantrag der Antragsteller im Bundesgebiet am 19. September 2022 ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in Litauen vorausgegangen ist. Bei der Beurteilung dieser Frage ist auf den Zeitpunkt des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland abzustellen (vgl. OVG SH, B.v. 30.1.2023 – 1 LA 85.22 – juris Rn. 7).
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Dies zugrunde gelegt bestehen hier erhebliche Zweifel, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines Zweitantrags gemäß § 71a AsylG bezüglich des von den Antragstellern in Litauen durchgeführten Asylverfahrens vorliegen.
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Ein erfolgloser Abschluss des in einem sicheren Drittstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig – d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers – eingestellt worden ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 29 ff.). Dabei muss sich das im sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossene Asylverfahren auch auf die Gewährung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes beziehen (ebenso: VG München, B. v. 3.4.2017 – M 21 S 16.36125 – juris Rn. 18 m.w.N.). Maßgeblich für die entsprechende Beurteilung ist die Rechtslage in dem betreffenden sicheren Drittstaat (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 33 ff.). Diese Voraussetzungen müssen feststehen, bloße Mutmaßungen genügen nicht (Bruns in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 71a AsylG, Rn. 3 und 9 m.w.N). Ist dem Bundesamt der aktuelle Stand des Verfahrens in dem sicheren Drittstaat nicht bekannt, muss es diesbezüglich zunächst weitere Ermittlungen anstellen, insbesondere im Rahmen der für den Informationsaustausch vorgesehenen Regelung über den sog. Info-Request (vgl. Art. 34 Dublin III- VO; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 39 ff.; U.v. 13.10.2016 – 20 B 15.30008 – juris Rn. 42 ff.). Erforderlich sind danach stets die Informationen zum Verfahrensstand und zum Tenor einer ggf. getroffenen Entscheidung in dem sicheren Drittstaat (vgl. Art. 34 Abs. 2 Buchst. g Dublin III -VO).
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Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt die Annahme einer Zweitantragssituation ausschließlich auf die persönliche Erklärung der Antragsteller, dass ihr Asylantrag in Litauen abgelehnt worden sei, gestützt. In dem im Dublin-Verfahren vorausgegangen Informationsaustausch (Info-Request) (vgl. Art. 34 Dublin III-VO; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 39 ff.) erging auf das Informationsersuchen des Bundesamts keine Antwort. Die Zuständigkeit Litauens zur Rückübernahme der Antragsteller wurde ausschließlich auf den ergebnislosen Ablauf der zweiwöchigen Antwortfrist Litauens gestützt. Weiter fällt auf, dass das Bundesamt im Dublin-Verfahren die Ablehnung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags auf § 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO gestützt hat, wonach der nach der Dublin III-VO zuständige Mitgliedsstaat verpflichtet ist, einen Antragsteller zurückzunehmen, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedsstaat einen Antrag gestellt hat. Darüber hinaus hat das Bundesamt es versäumt, die von den Antragstellern vorgelegten litauischen Dokumente, die sich in der vorgelegten elektronischen Akte befinden, zu übersetzen, um hieraus weitere Rückschlüsse zum Verfahrensablauf der Antragsteller in Litauen zu ziehen. Auch dieser Umstand geht zu Lasten der Antragsgegnerin.
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Mangels entsprechender eigener Ermittlungen des Bundesamts, ob im vorliegenden Fall tatsächlich eine Zweitantragssituation nach § 71a AsylG vorliegt, die es ermöglicht, den in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrag auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG abzulehnen, kann das ausgesprochene Offensichtlichkeitsurteil nicht aufrechterhalten bleiben. Dies gilt insbesondere im hier vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes.
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cc) Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig. Sie kann insbesondere nach vorläufiger Einschätzung auf keine der anderen Nummern des § 30 Abs. 1 AsylG gestützt werden.
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Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die den Antragstellern im Bescheid gesetzte einwöchige Ausreisefrist auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 AsylG als voraussichtlich rechtswidrig.
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Daher war die aufschiebende Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 24.31129) gegen die ausgesprochene Abschiebungsandrohung im Bescheid vom 29. Oktober 2024 anzuordnen.
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3. Die Kostenentscheidung für das gerichtliche Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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4. Da nach den vorstehenden Ausführungen hinreichende Erfolgsaussichten für das von den Antragstellern angestrengte Eil- und Klageverfahren bestehen, war den Antragstellern und Klägern Prozesskostenhilfe für die Verfahren Az. Au 9 S 24.31130 und Au 9 K 24.31129 unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen. Da der von den Antragstellern und Klägern bevollmächtigte Rechtsanwalt seinen Sitz nicht im Gerichtsbezirk hat, waren hierdurch veranlasste Mehraufwendungen nicht für erstattungsfähig zu erklären.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG)