Titel:
Schließung einer Verkaufsstelle wegen vielfacher Verstöße gegen Ladenschlusszeiten
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LadSchlG § 1 Abs. 1, § 3
Leitsätze:
1. Ein Verkaufsraum mit mehreren Warenautomaten gilt als Verkaufsstelle im Sinne des Ladenschlussgesetzes, auch wenn der Verkaufsvorgang ohne Personal erfolgt. (Rn. 31, 34 und 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das "Feilbieten" von Waren hängt nicht von der Art des Verkaufs durch anwesendes Personal ab. Vielmehr ist auf die Frage des relevanten Potentials der Störung der Sonn- und Feiertagsruhe durch die betriebene Verkaufsstelle – im Gegensatz zum insoweit regelmäßig irrelevanten einzelnen Warenautomaten – abzustellen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wiederholte Verstöße gegen die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG rechtfertigt die Anordnung von Zwangsmaßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Ladenschlusszeiten. (Rn. 37, 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anordnungen zum Schließen eines Verkaufsraums, in dem von Warenautomaten aus Waren zum allgemeinen Verkauf angeboten werden, Einhaltung der allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG, Übernahme der Ausführungen aus VG Hamburg, B.v. 3.11.2023, 7 E 3608/23 –, juris und HessVGH, B.v. 22.12.2023, 8 B 77/22, juris, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Verkaufsstelle, Geschäft, Schließung, Verstoß, Ladenschlusszeiten, Schließungsanordnung, Begründung, Automatenladen, Sonn- und Feiertagsruhe, Störung, Waren, Feilbieten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42353
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ihr gegenüber verfügte Schließungsanordnungen für ein von ihr betriebenes Geschäft u.a. wegen vielfacher Verstöße gegen die Ladenschlusszeiten.
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1. Die Antragstellerin betreibt eine Verkaufsstelle am Standort M., Hausnummer (HS-Nr.) 14, im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. In der Gewerbeanmeldung für diese Betriebsstätte vom 3. Juni 2024 ist als angemeldete Tätigkeit genannt: „Handel mit Lebensmitteln, Genussmitteln und sonstigen Waren, vor allem über Verkaufsautomaten“ unter beispielhafter Aufzählung von unterschiedlichen Warengruppen. Als Beginn der Tätigkeit an dem Standort wurde der 1. Juli 2024 angegeben.
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Aufgrund dieser Angaben wies die Antragsgegnerin den Geschäftsführer der Antragstellerin auf elektronischem Weg auf die geltenden Regelungen zum Ladenschluss hin und übersandte ihm ein entsprechendes Hinweisblatt.
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Nach den Feststellungen der Gewebeüberwachung der Antragsgegnerin vor Ort am Sitz der Betriebsstätte sind auf der Verkaufsfläche mehrere Getränke- und Snackautomaten aufgestellt, aus denen heraus der Verkauf von Waren unter anderem aus dem Bereich Getränke – alkoholisch und nichtalkoholisch – und Süßwaren sowie Tabakwaren und weiterer Warengruppen erfolgt.
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An mehreren Tagen im Juli 2024 sowie nachfolgend im August 2024 wurde durch die Gewerbeüberwachung der Antragsgegnerin festgestellt, dass der Verkaufsraum außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten an einem Sonntag sowie wochentags nach 20.00 Uhr frei zugänglich war. Entsprechende Bußgeldverfahren wegen des Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz wurden gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin eingeleitet.
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Mit Schreiben vom 1. Juli 2024 (richtig wohl 1. August 2024) wurde die Antragstellerin unter Verweis auf die Feststellungen der Gewerbeüberwachung zu den beabsichtigten Anordnungen durch die Antragsgegnerin angehört. Eine Äußerung der Antragstellerin erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom 24. September 2024 verpflichtete die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 5) und Androhung von Zwangsgeldern (Ziffern 6 bis 9) die Antragstellerin dazu, die von ihr betriebene Verkaufsstelle am Standort M., HS-Nr. 14, ab dem dritten Tag nach Bekanntgabe dieses Bescheids montags bis samstags (an Werktagen) bis 6 Uhr und ab 20 Uhr und am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, bis 6 Uhr und ab 14 Uhr (Ziffer 1) respektive an Sonn- und Feiertagen (Ziffer 2) für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen zu halten. Der Aufenthalt von Kunden wurde montags bis samstags (an Werktagen) bis 6 Uhr und ab 20:10 Uhr sowie am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, bis 6 Uhr und ab 14:10 Uhr (Ziffer 3) respektive an Sonn- und Feiertagen ganztägig (Ziffer 4) untersagt. Daneben enthält der Bescheid in Ziffer 10 eine Kostenentscheidung und -festsetzung.
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Die Anordnungsbefugnis ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Die Antragstellerin betreibe eine Verkaufsstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 LadSchlG. Es würden von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten. Maßgeblich sei zunächst das Vorhandensein eines von Kunden betretbaren Raums. Der Erwerb der Waren erfolge vollautomatisch durch die Warenautomaten ohne persönlichen Kontakt, nur die Auffüllung der Waren und die Geldentnahme aus den Automaten werde durch Personal erledigt. Dies falle nicht aus dem Geltungsbereich des LadSchlG. Die Art und Weise der Warenauswahl und Bezahlung nehme den Automaten nicht ihre Qualität als Verkaufsstelle und qualifiziere sie nicht zu Verkaufsautomaten (VG Kassel, B.v. 4.1.2022 – 3 L 1734/21.KS). Es bedürfe keines persönlichen Kontakts zwischen Verkäufer und Käufer. Es lägen keine Gründe für die Öffnung des Betriebs außerhalb der Ladenöffnungszeiten sowie an Sonn- und Feiertagen vor (§ 3 Satz 1 LadSchlG). Der ehemalige § 7 LadSchlG sei im Jahr 2003 ersatzlos gestrichen worden, sodass es im LadSchlG keine explizite Regelung über den Umgang mit Warenautomaten gebe. Der Betrieb werde auch nicht mittels eines einzelnen, freistehenden Warenautomaten betrieben, vielmehr entspreche der Betrieb äußerlich und nach dem Warenangebot wesentlich einem kleinen Ladengeschäft und qualifiziere diesen zur Verkaufsstelle. Der Betriebsraum sei ausschließlich für die Benutzung der Warenautomaten bestimmt und vermittle bereits von außen den Eindruck eines zum Betreten durch eine Mehrzahl von Kunden geeigneten Geschäftsraumes (VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23). Subsidiär kämen für den Betrieb an Sonn- und Feiertagen die Regelungen des FTG zur Anwendung. Der von der Antragstellerin betriebene Automatenkiosk sei alleine durch das umfangreiche und vielfache Sortiment geeignet, eine deutlich größere Anzahl an Kunden anzuziehen, als dies an einem einzelnen Warenautomaten möglich wäre. Des Weiteren sei an Sonn- und Feiertagen der Erwerb von Waren aufgrund des Ladenschlusses in einem ähnlichen Geschäft nicht möglich. Die Antragstellerin erhalte einen erheblichen Wettbewerbsvorteil und mache den dem werktäglichen Geschehen gleichen Kaufvorgang auch für Dritte besonders erkennbar (VG Hamburg, a.a.O.). Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch in der Zukunft eine Verwirklichung der Tatbestände einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) i.V.m. § 3 Satz 1 LadSchlG bzw. Art. 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 FTG erfüllt werde. Die Anordnungen seien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verfügt worden und entsprächen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Als Handlungsstörerin sei die Antragstellerin richtige Adressatin (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO und läge im besonderen öffentlichen Interesse.
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Auf die Begründung des Bescheides wird im Einzelnen verwiesen.
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2. Dagegen ließ die Antragstellerin am 7. Oktober 2024 Klage erheben mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids vom 24. September 2024, über die noch nicht entschieden ist (Au 8 K 24.2451).
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Zugleich begehrt die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren einstweiligen Rechtsschutz.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2024 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin einen E-Kiosk betreibe, der nicht unter den Begriff der Verkaufsstelle falle. Dies ergebe sich bereits aus dem Schutzzweck des Ladenschlussgesetzes, der darauf ausgerichtet sei, Geschäftsinhaber und Verbraucher vor überlangen Öffnungszeiten zu schützen. Bei dem von der Antragstellerin betriebenen E-Kiosk seien aber gerade keine Angestellten vor Ort tätig. Des Weiteren würden in dem E-Kiosk keine Waren feilgeboten. Vielmehr würde ohne Kontakt zwischen Personal und Kunden aus dem Warenautomaten nach Bezahlung durch den Einwurf von Geld in den Automaten auf mechanischem Weg Waren zur Entnahme durch den Kunden ausgegeben. Diese typischen Warenautomaten unterfielen nicht dem Ladenschlussgesetz. Diese Auffassung vertrete auch die IHK München, die auf ihrer Internetseite ausführlich darlege, dass für Warenautomaten das Ladenschlussgesetz nicht gelte. Tatsächlich seien die Warenautomaten so programmiert, dass ein Verkauf nach 20.00 Uhr und an Sonntagen nicht möglich sei. Da Feiertage nicht programmiert werden könnten, erfolge an diesen Tagen eine manuelle Steuerung. Außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten sei nur der Verkaufsraum betretbar, die Warenautomaten könnten aber nicht genutzt werden. Dies sei durch ein Schild am Schaufenster auch den Kunden gegenüber mitgeteilt worden. Ein tatsächlicher Verkauf in der Vergangenheit sei im Einzelfall auf technische Probleme an der Zeitschaltuhr zurückzuführen.
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Auf die Antragsbegründung wird im Einzelnen verwiesen.
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Die Antragstellerin lässt beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Ziffern 1 bis 4 des Bescheids vom 24. September 2024 wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid insbesondere ausgeführt: Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Die Anordnungen seien rechtmäßig. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei gemäß § 80 Abs. 3 VwGO begründet worden. Die Begründung sei nicht nur lediglich formelhaft. Rechtsgrundlage der Anordnungen sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Entsprechend § 3 LadSchlG müssten Verkaufsstellen zu den dort genannten Zeiten für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein. Beim Ladengeschäft der Antragstellerin handele es sich um eine Verkaufsstelle i.S.d. LadSchlG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Satz 1 LadSchlG). Dieses weiche deutlich von einem einzelnen Warenautomaten ab bzw. entspreche äußerlich einem typischen Ladengeschäft und führe ein deutlich umfangreicheres Warenangebot als dies mit einem einzelnen Warenautomaten möglich wäre. Es handele sich um einen für den Verkauf von Waren angemieteten Geschäftsraum, mithin um ein Ladengeschäft bzw. um eine ähnliche Einrichtung, von der von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten würden. Es handele sich bei sog. Automatenkiosken gerade nicht um (einen) Warenautomaten, der vom Anwendungsbereich des LadSchlG nicht erfasst wäre. Die zitierte Rechtsprechung (HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22; VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23) bzw. die insofern zugrundeliegende Gesetzeslage sei vergleichbar und könne herangezogen werden. Die Vollzugshinweise des zuständigen Staatsministeriums zum Gesetz über den Ladenschluss zu „digitalen Kleinstsupermärkten“ würden zu keinem anderen Ergebnis führen. Eine Änderung des Gesetzes über den Ladenschluss, welches ein Bundesgesetz darstelle, oder aber eine sonstige bayerische Regelung mit Gesetzescharakter sei in der Folge nicht ergangen. Die Antragstellerin habe sich fortlaufend nicht an die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG gehalten und demgemäß Ordnungswidrigkeiten als Inhaberin einer Verkaufsstelle begangen (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) LadSchlG). Um die weitere Begehung der Ordnungswidrigkeiten zu verhüten bzw. zu unterbinden hätten deshalb Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG getroffen werden können; es bestehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass die Antragstellerin die Verkaufsstelle auch künftig auch außerhalb der Ladenschlusszeiten offenhalten wolle. Die Antragsgegnerin habe – unter Verweis auf den streitgegenständlichen Bescheid – das ihr zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei eingehalten. Es sei auf die Einhaltung der Regelungen des LadSchlG sowie des FTG hinzuwirken gewesen. Auch die Regelungen des Art. 2 Abs. 1 FTG seien durch das Ladengeschäft einzuhalten. Mit der Öffnung der Verkaufsstelle werde ein typisch werktäglicher Lebensvorgang ermöglicht. Das Ladengeschäft der Antragstellerin sei (im Vergleich zu einem freistehenden einzelnen Warenautomaten) durch das größere Sortiment geeignet, eine größere Anzahl von (gleichzeitig anwesenden) Kunden anzuziehen und dadurch eine öffentlich bemerkbare Beeinträchtigung der Sonn- und Feiertagsruhe zu bewirken. Im Hinblick auf die Ordnungswidrigkeiten nach Art. 7 Nr. 1 FTG sei es (auch insoweit) möglich, auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorliegend Anordnungen zu stützen. Die angedrohten Zwangsmittel beruhten auf Art. 18, 19, 20, 29, 30, 31 und Art. 36 VwZVG.
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Auf die Antragserwiderung wird im Einzelnen verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch in dem Verfahren Au 8 K 24.2451, sowie der vorgelegten Behördenakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
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Der zulässig erhobene Antrag bleibt erfolglos.
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Die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht vorzunehmende eigenständige Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweisen sich die Ziffern 1 mit 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 24. September 2024 zum derzeitigen Sach- und Streitstand als rechtmäßig, so dass die Antragstellerin durch diese Anordnungen nicht in ihren Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, welche dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern lediglich tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 136 ff.)
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1. Soweit die Behörde – wie hier zu den Ziffern 1 mit 4 – die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat (Ziffer 5 des angefochtenen Bescheids), d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., 98).
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Die in Ziffer 5 des Bescheids für die Anordnungen in den Ziffern 1 mit 4 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig ergangen, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt.
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An die Begründung der Vollziehungsanordnung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede Begründung, welche zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, welche die Behörde bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit nicht an (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 ff.).
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Die unter der Ziffer 4 der Begründung des Bescheids (S. 9 f. des BA) von der Antragsgegnerin dargelegten Gründe genügen den vorstehenden Anforderungen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin die unterschiedlichen Interessen erkannt und im Einzelnen ausführlich abgewogen. Ob diese Abwägung rechtlich zutreffend ist, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags, nicht der formellen Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung.
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2. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die in den Ziffern 1 mit 4 angeordnete Schließung der Verkaufsstelle der Antragstellerin zu den durch das Ladenschlussgesetz bzw. das Feiertagsgesetz vorgegebenen Zeiten, d.h. die insoweit erfolgten Anordnungen zur Einhaltung der Ladenschlusszeiten für den Betrieb der Antragstellerin, keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Die Anordnungen sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zur Begründung kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die ausführlichen Darlegungen zur Rechtslage unter Ziffer 3 der Begründung des angefochtenen Bescheids (S. 4 ff. des BA) Bezug genommen werden, denen sich die Kammer in vollem Umfang anschließt (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
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Ergänzend wird zum Antragsvorbringen ausgeführt:
31
a) Entgegen der in der Antragsbegründung vorgetragenen Rechtsauffassung handelt es sich bei dem Automatenladen der Antragstellerin um eine Verkaufsstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Ladenschlussgesetz (LadSchlG).
32
Die gesetzliche Definition der Verkaufsstelle in § 1 Abs. 1 LadSchlG entspricht – überwiegend wörtlich – der in den Regelungen der Bundesländer Hamburg und Hessen verwendeten Definition (§ 2 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten – Ladenöffnungsgesetz – vom 22.12.2006; Hessisches Ladenöffnungsgesetz – HLöG – vom 23.11.2006; jeweils veröffentlicht in juris). Die von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogenen Entscheidungen des VG Hamburg (VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23 – juris) und des VG Kassel bzw. nachfolgend des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VG Kassel, B.v. 4.1.2022 – 3 L 1734/21.KS – openJur 2024, 498 bzw. HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22 – juris) können somit ohne weiteres zur Auslegung des Begriffs der Verkaufsstelle auch im vorliegenden Verfahren Anwendung finden.
33
b) Wenn die Antragstellerseite insoweit zu der von ihr davon abweichenden Gegenauffassung auf den Aufsatz von Kilic/Schuldt, „Anwendbarkeit des Ladenschlussrechts auf vollautomatisierte Einzelhandelskonzepte“ (NVwZ 2024, S. 891 ff.; dort insbesondere zu IV – S. 893 f. – in Auseinandersetzung mit den vorgenannten Entscheidungen) verweist, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht.
34
Danach ist es zur Frage der Anwendbarkeit der Regelungen des LadSchlG für den von der Antragstellerin betriebenen Verkaufsraum insbesondere ohne Bedeutung, ob Ladenpersonal im Verkaufsraum während des Verkaufsvorgangs anwesend ist (jeweils LS 2 in VG Hamburg, a.a.O., und HessVGH, a.a.O.). Denn das „Feilbieten“ von Waren hängt nicht von der Art des Verkaufs durch anwesendes Personal ab. Vielmehr ist mit den vorgenannten Entscheidungen gerade auf die Frage des relevanten Potentials der Störung der Sonn- und Feiertagsruhe durch die von der Antragstellerin betriebenen Verkaufsstelle – im Gegensatz zum insoweit regelmäßig irrelevanten einzelnen Warenautomaten – abzustellen. Die Fragen nach der Art der zivilrechtlichen Durchführung des Verkaufsvorgangs sind insoweit ohne weitere Bedeutung.
35
Durch die auf der Internetseite einer Handelskammer veröffentlichten Hinweise ist eine im Sinne der Antragstellerseite vorgetragene andere Auslegung nicht veranlasst, die gesetzliche Systematik des LadSchlG wird dadurch nicht geändert. Maßgeblich ist der in einem „allgemein zugänglichen Ladenlokal“ erfolgende Verkauf von Waren an einen unbestimmten Käuferkreis (vgl. im Einzelnen VG Hamburg, B.v. 3.11.2023 – 7 E 3608/23 – juris LS 1 und Rn. 16 f.; HessVGH, B.v. 22.12.2023 – 8 B 77/22 – juris Rn. 12 ff.). Dies ist nach den Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort an der Betriebsstätte der Antragstellerin ohne weiteres der Fall.
36
Die – möglicherweise – andere Handhabung der Durchsetzung des Ladenschlussgesetzes durch andere Sicherheitsbehörden bindet die Antragsgegnerin nicht.
37
c) Die Antragstellerin betreibt in ihrem Verkaufsraum keinen Warenautomaten, vielmehr handelt es sich um eine Verkaufsstelle, auf die die Regelungen des LadSchlG Anwendung finden. Aufgrund der wiederholten – im Ergebnis beim Vorliegen einer Verkaufsstelle unstrittigen – Verstöße gegen die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG konnte die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Verfügungen erlassen.
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3. Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens.
39
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht hat bei der Höhe des Streitwertes die Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit berücksichtigt.