Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 12.12.2024 – AN 5 E 24.2978
Titel:

Eilrechtsschutz bei Ausweisung und Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis, Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Tätigkeit als Imam und Lehrer, Salafismus, Gefahrenprognose auf Grundlage von Verfassungsschutzmitteilungen und Sicherheitsgespräch, Ehefrau und Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit

Normenketten:
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 55 Abs. 1 Nr. 4
Schlagworte:
Eilrechtsschutz bei Ausweisung und Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis, Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch Tätigkeit als Imam und Lehrer, Salafismus, Gefahrenprognose auf Grundlage von Verfassungsschutzmitteilungen und Sicherheitsgespräch, Ehefrau und Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.02.2025 – 19 CE 24.2160
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42324

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. November 2024, mit dem er insbesondere ausgewiesen wurde. Darüber hinaus begehrt er die Verpflichtung der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutz, ihn vorläufig nicht abzuschieben.
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Der am … 1986 geborene Antragsteller ist jemenitischer Staatsangehöriger. Er reiste am 7. Mai 2011 mit einem Visum zu Studienzwecken in die Bundesrepublik Deutschland ein und erhielt eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Wegen aus Sicht der Ausländerbehörde … nicht ausreichender Mitwirkung am Verfahren wurde eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 23. Juni 2014 abgelehnt und die Abschiebung angedroht. Ein Klageverfahren hiergegen wurde später nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.
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Der Antragsteller meldete am … eine Eheschließung mit Frau …, die er nach eigenen Angaben im Februar oder März 2013 in … religiös geheiratet hatte, an. Es wurden jedoch u.a. Unstimmigkeiten bei den Registernummern der eingereichten Geburtsurkunden festgestellt. Eine Ehe wurde letztlich nicht geschlossen.
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Am … heiratete der Antragsteller in … die slowakische Staatsangehörige Frau … Das Paar trennte sich Anfang 2014. Die Ehe wurde mit Beschluss vom … geschieden. Am … 2014 wurde ein Sohn des Antragstellers ( …) mit deutscher Staatsangehörigkeit in … geboren. Die Kindsmutter erklärte am 5. Januar 2015, 11. Oktober 2018, 8. April 2019, 9. Juli 2023 und 11. August 2024 schriftlich, dass der Antragsteller regelmäßigen Umgang mit seinem Sohn pflege. Die … bestätigte, dass ein Umgang, der liebevoll geprägt sei, stattfinde. Am 16. Februar 2023 erklärte der Antragsteller, dass er aktuell für den Sohn keinen Unterhalt zahle.
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Am … 2015 wurde eine Tochter des Antragstellers in … geboren ( …). Dies erklärte der Antragsteller gegenüber den Ausländerbehörden erstmals bei der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis am 8. Januar 2018. Die Kindsmutter erklärte am 3. und am 10. Januar 2018, sowie am 8. Oktober 2018 und 27. Juli 2024, dass der Antragsteller regelmäßigen Umgang mit der Tochter habe, am Wochenende auch mit Übernachtung. Frau … hat auch noch zwei weitere Kinder ( …, geb. … 2018 und …, geb. … 2019), die nach ihren Angaben vom Antragsteller stammen; dies wurde den Ausländerbehörden erst ca. im Jahr 2022 bekannt. Erklärungen der Kindsmutter zu Kontakten des Antragstellers zu diesen Kindern oder Belege über Unterhaltszahlungen finden sich in den Akten nicht. Das Stadtjugendamt … teilte mit Schreiben vom 3. Juni 2024 dem Antragsteller u.a. mit, dass seine Vaterschaftsanerkennungserklärung erst mit Zustimmung der Mutter wirksam werde. Mit Schreiben vom 19. August 2024 teilte es mit, dass er für … seit 20. Mai 2021 1593,00 Euro gezahlt habe und ein Rückstand von 4783,00 Euro bestehe. Für den Fall, dass er seiner Zahlungspflicht nicht nachkommt, wurden Zwangsmaßnahmen angedroht.
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Mit Beschluss vom 21. Juli 2022 ordnete das Amtsgericht … gegen den Antragsteller nach § 1 Gewaltschutzgesetz ein Verbot der Kontaktaufnahme zu Frau … an. Das Amtsgericht … erließ gegen den Antragsteller zunächst einen Strafbefehl (Az. …) wegen Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz (Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 40 Euro), weil er – laut den Angaben von Frau … in den polizeilichen Ermittlungsberichten – an vier Tagen zwischen August und Oktober 2022 Frau … aufgesucht hatte und sie bei einer dieser Gelegenheiten, am 30. September 2022, auch festgehalten, zu Boden gedrückt, mit dem Handballen gegen ihre Brust geschlagen und sie anschließend gegen den Türrahmen geschubst hatte. Das Verfahren wurde letztlich mit Beschluss vom 18. September 2023 bzw. 11. Oktober 2023 unter Auflage eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 153a StPO eingestellt.
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Dem Antragsteller wurde von der Ausländerbehörde … aufgrund der familiären Bindungen zunächst eine Fiktionsbescheinigung und später eine vom 13. Januar 2015 bis 12. Januar 2018 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt.
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Am 9. Februar 2016 konnte der Antragsteller durch Polizeibeamte unter seiner Meldeadresse in … nicht angetroffen werden. Nachbarn erklärten, der Antragsteller habe mit Unterstützung der Botschaft von Katar ein Moscheegroßprojekt starten wollen. Möglicherweise sei er auch mit seiner Familie nach Italien gezogen. Er wurde von Amts wegen abgemeldet. Am 12. Juni 2016 meldete er sich als Untermieter wieder in … an. Bei einer polizeilichen Kontrolle am
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7. Oktober 2016 konnte er dort nicht angetroffen werden. Die dortigen Mieter ( …) erklärten, der Antragsteller habe übergangsweise bei ihnen gelebt, sei aber ein halbes Jahr zuvor nach Italien gezogen.
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Am 1. August 2016 meldete sich der Antragsteller in … und am 15. November 2016 in … (Landkreis …) an. Am 12. Dezember 2017 fand ein Sicherheitsgespräch unter Beteiligung anderer Behörden beim Landratsamt … statt. Auf das in der Behördenakte enthaltene Protokoll wird insoweit verwiesen. Am 8. Januar 2018 beantragte er beim Landratsamt … eine Niederlassungserlaubnis. Er legte einen Mietvertrag über eine Wohnung in … vor; Vermieter war der Großvater seiner am … 2015 geborenen Tochter. Er erhielt ab da nur noch Fiktionsbescheinigungen.
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Vom 1. September 2019 bis 31. August 2022 absolvierte der Antragsteller über ein Krankenhaus in … eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger und erhielt dort auch ein Zimmer in einer Personalunterkunft. Laut Zeugnis vom 29. Juli 2022 bestand er die Prüfung mit guten und sehr guten Noten.
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Ab 1. Januar 2023 war der Antragsteller bei der … als Gesundheits- und Krankenpfleger beschäftigt.
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Am … heiratete der Antragsteller seine derzeitige Ehefrau mit deutscher Staatsangehörigkeit in … Am 20. März 2023 beantragte der Antragsteller online eine Aufenthaltserlaubnis unter Übersendung eines Scans des deutschen Personalausweises seiner Ehefrau und einer Eheurkunde. Am …2024 wurde in … ehelich die Tochter … geboren. Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2024 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Geburtsurkunde und beantragte eine Aufenthaltserlaubnis. Laut Erklärung der Ehefrau über die Beziehung zwischen dem Antragsteller und der gemeinsamen Tochter vom 29. November 2024 hat diese eine sehr enge Beziehung zum Vater.
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Für den Antragsteller liegt ein bis 20. Dezember 2024 gültiger jemenitischer Reisepass vor.
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Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz übersandte den jeweils zuständigen Ausländerbehörden Erkenntnismitteilungen vom 28. August 2018, 8. November 2019, 23. Februar 2023 und 25. März 2024. Während es in der Erkenntnismitteilung vom 28. August 2018 noch hieß, die Erkenntnisse belegten lediglich Anhaltspunkte für eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, nicht jedoch eine Gefährdung selbst, sodass keine Sicherheitsbedenken gegen den Aufenthalt des Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland bestünden, änderte das Landesamt diese Einschätzung später. In der Behördenakte befindet sich auch ein Schreiben des Berliner Verfassungsschutzes an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vom 7. November 2019 über das Umfeld des Antragstellers in der … Moschee und die … Moschee in … sowie eine Mitteilung des Polizeipräsidenten in … vom 6. November 2019 über Ermittlungen im Umfeld der … Moschee in … Auf deren Inhalt wird ergänzend verwiesen.
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Mit Bescheid vom 30. März 2020 lehnte die … die Anträge auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom 8. Januar 2018 bzw. einer Aufenthaltserlaubnis vom 28. Oktober 2019 ab, verpflichtete den Antragsteller, seine Fiktionsbescheinigung zurückzusenden und erteilte ihm eine Duldung ab Bekanntgabe des Bescheides. Zur Begründung wurde ausgeführt, Niederlassungserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis seien abzulehnen, weil ein Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 4 i.V.m. 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestehe. Durch die Verbreitung seiner extremistischen Einstellung, sein daraus resultierendes Verhalten als Imam und Lehrer und seine einschlägigen Kontakte zu salafistisch-jihadistischen Personen gefährde der Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Vom Antragsteller gehe auch eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aus. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Aufgrund der zwei minderjährigen Kinder im Bundesgebiet und der deutschen Lebensgefährtin werde eine Duldung erteilt.
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Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. April 2020 Klage und Eilantrag ein. Auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 30. April 2020 zur Begründung der Klage wird verwiesen.
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Mit Urteil vom 9. April 2024 wies das Bayerische Verwaltungsgericht … die Klage ab. Auch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte es ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 5 Abs. 4 AufenthG. Der Erteilung des Aufenthaltstitels stehe sowohl ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG als auch eines nach § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG entgegen. Der Antragsteller habe mangels erforderlicher Einsicht nicht glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen. Anhand der Erkenntnisse der mündlichen Verhandlung sei nicht davon auszugehen, dass zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern eine besondere, enge familiäre Beziehung bestehe. Es bestünden keine regelmäßigen Kontakte zu den Kindern und der Antragsteller habe weder zu den Geburtstagen der Kinder noch zu den letzten persönlichen Kontakten genaue zeitliche Angaben machen können. Unterhaltszahlungen leiste er derzeit nicht. Darüber hinaus sei wegen der Duldung eine Beeinträchtigung der familiären Beziehungen nicht zu befürchten.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 16. Oktober 2024 (Az. …) einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG … ab. Eine gegen den Beschluss erhobene Anhörungsrüge wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. November 2024 (Az. …) zurück.
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Nach Erlass des Bescheides vom 30. März 2020 wurden die Duldungen des Antragstellers zunächst laufend verlängert, zuletzt bis 21. November 2024.
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Mit Schreiben vom 13. September 2023 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angehört. Der Bevollmächtigte des Antragstellers erklärte im Schreiben vom 19. September 2023, er halte den Bescheid der … für falsch, sowohl das Klage- als auch das Eilverfahren seien noch anhängig. Er beantrage die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG. Mit E-Mail vom 29. September 2023 ergänzte der Bevollmächtigte u.a., der Antragsteller wolle reisen und insbesondere seine Mutter besuchen. Die Vorwürfe aus den Jahren 2011 bis 2015 sowie 2019 seien schon im Hinblick auf die verstrichene Zeit ausgeräumt.
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Mit Schreiben vom 2. Juli 2024 wurde der Antragsteller zum beabsichtigten Erlass einer Ausweisungsverfügung mit Abschiebungsandrohung und auf 20 Jahre befristetem Einreise- und Aufenthaltsverbot angehört. Mit Schreiben vom 18. Juli 2024 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine persönliche Erklärung vom 17. Juli 2024, wonach der Antragsteller mit sofortiger Wirkung alle Tätigkeiten als Lehrer und Imam einstelle, ausgenommen die kurze wöchentliche Freitagspredigt und eine kurze Predigt zum Festgebet je zum Zucker- und Opferfest jeweils beim … in …; wobei diese Erklärung nicht als Eingeständnis der Anschuldigungen zu verstehen sei. Der Antragsteller sei auch bereit, alle Predigten aufzeichnen zu lassen und dem Landesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung zu stellen. Der Antragsteller lehne jeden Kontakt zu salafistischen Gruppen ab. Er beabsichtigte, ab September 2025 Medizin zu studieren. Es gebe keine einzige nachweisbare extremistische Äußerung des Antragstellers. Mit der abgegebenen Erklärung sei eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten. Dass er in einer karitativen Einrichtung Menschen jeder Religionszugehörigkeit betreue, beweise seine Integration in die Gesellschaft.
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Mit Schreiben einer früheren Bevollmächtigten vom 10. September 2024 nahm der Antragsteller erneut Stellung und beantragte eine Duldung für mindestens drei Monate. Der Antragsteller lebe mit seiner aktuellen Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in familiärer Lebensgemeinschaft, leiste als Alleinverdiener den Unterhalt und komme zusätzlich Betreuungsverpflichtungen nach. Weder der Tochter noch der Ehefrau sei ein Leben im Jemen zumutbar, zumal die Ehefrau gebürtig aus Bosnien stamme. Eine zwanzigjährige Trennung vom Vater, bis über die Volljährigkeit der Tochter hinaus, sei unverhältnismäßig. Alle zwei bis drei Wochen hole der Antragsteller alle drei Kinder von Frau … über das ganze Wochenende aus … zu sich nach … Dies sei durch die „Tagebücher“ des Antragstellers im Anhang belegt. Fotos und Quittungen könnten als ergänzende Nachweise vorgelegt werden. Der Antragsteller zahle sehr wohl Unterhalt, könne jedoch nicht für alle fünf deutschen Kinder den vollen Unterhalt leisten. Ein konkreter Nachweis für eine sicherheitsrechtliche Gefahr liege nicht vor. Die Tatsache, dass die Ausländerbehörde der Stadt … den Antragsteller vier Jahre lang im Bundesgebiet belassen habe, obwohl er seine Tätigkeit als Imam fortgesetzt habe, spreche dagegen. Die Erklärung vom 17. Juli 2024 stelle eine Distanzierung dar. Im Übrigen könne man sich nur von etwas distanzieren, was tatsächlich in der behaupteten Form vorliege. Der Antragsteller sei seit einem Jahr und neun Monaten in einem christlichen Krankenhaus tätig. Hätte er tatsächlich die unterstellte Gesinnung, hätte er dort wohl keinen Arbeitsvertrag erhalten. Es sei auch nicht möglich, eine solche Gesinnung gegenüber Kollegen und Vorgesetzten so lange zu verstecken. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung könne nicht gegen den Antragsteller gewertet werden, da es eingestellt worden sei. Der Antragsteller habe inzwischen wieder regelmäßig Kontakt zu Frau …, sodass das Ausweisungsinteresse überholt sei. Beigefügt waren zwei nicht unterschriebene Seiten mit einer Beschreibung von Aktivitäten mit Kindern am 12. Juli 2024 und 26. Juli 2024, sowie ein Zwischenzeugnis vom 24. Juli 2024 des …Krankenhauses.
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Mit Schreiben vom 6. September 2024 erklärte der Antragsteller persönlich, ihm sei die Stellungnahme der Landesanwaltschaft im Berufungsverfahren zugeleitet worden, wonach er sich nicht deutlich von seinem früheren Verhalten distanziert habe. Er verweise auf seine Stellungnahme vom 17. Juli 2024, in der er ausgeführt habe, dass er sich ausdrücklich von Extremismus und Gewalt distanziere. Sollten Personen mit der Absicht, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu gefährden, seine Predigten und Unterrichte besucht haben, habe er dies bis auf einen Fall nicht bemerkt. Er sei zur Verwaltung der Moschee gegangen. Danach habe er als Imam weiter gemacht, aber die Leute gewarnt, dass sie sich ans Gesetz halten müssten. Er sehe ein, dass solche Personen möglicherweise seine getätigten Äußerungen in böswilliger Absicht missverstanden und sie für ihre rechtswidrigen Zwecke umgedeutet und seine Tätigkeit als Imam in der Moschee, ohne dass er dies gewusst habe, dazu benutzt hätten, sich mit anderen Personen zu treffen, um möglicherweise verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen. Deshalb habe er aus Sorge um seine Familie nunmehr beschlossen, seine Tätigkeit als Imam und Lehrer aufzugeben, um dazu keinen Anlass mehr zu geben.
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Mit Bescheid vom 19. November 2024 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1), erließ ein auf 15 Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 2), lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 3), lehnte den Antrag auf Erteilung einer Duldung ab (Ziffer 4), forderte den Antragsteller auf, das Bundesgebiet bis 29. November 2024 zu verlassen (Ziffer 5), drohte anderenfalls die Abschiebung insbesondere in den Jemen an (Ziffer 6), beschränkte den Aufenthalt des Antragstellers auf das Stadtgebiet der Antragsgegnerin (Ziffer 7), verpflichtete den Antragsteller, sich einmal wöchentlich bei der Polizeiinspektion … zu melden (Ziffer 8), ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffern 7 und 8 an (Ziffer 9), drohte für den Fall des Verstoßes gegen Ziffer 7 (Aufenthaltsbeschränkung) ein Zwangsgeld von 100 Euro an (Ziffer 10) und drohte für den Fall, dass der Antragsteller seiner Verpflichtung aus Ziffer 8 (wöchentliche Meldeauflage) nicht fristgerecht nachkommt, ein Zwangsgeld von 100 Euro an (Ziffer 11).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der weitere Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S.d. § 53 Abs. 1 AufenthG sowie für die freiheitliche demokratische Grundordnung dar. Durch seine persönliche Stellungnahme im Anhörungsverfahren, in der er den Rahmen vorgeben wolle, in dem sein Handeln akzeptiert werden solle, werde deutlich, dass er auch in Zukunft nicht bereit sei, davon Abstand zu nehmen. Wegen der deutschen Ehefrau und den fünf deutschen Kindern werde von einem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ausgegangen. Die Abwägung falle dennoch zu Lasten des Antragstellers aus. Selbst angesichts der Inaussichtstellung der Aufenthaltsbeendigung unter Trennung von seinen Kindern und seiner Ehefrau habe er sich nicht von dem salafistischen Spektrum abgewendet, sondern versucht, eigene Regeln aufzustellen, nach denen sein Verhalten weiterhin zu akzeptieren sei. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erlassen und nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ermessen befristet. Nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG soll es 20 Jahre betragen. Im Hinblick auf die familiären Bindungen werde es auf 15 Jahre reduziert. Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stünden die Titelerteilungssperre und das Ausweisungsinteresse entgegen. Eine Verfahrensduldung sei mangels möglicherweise vorliegenden Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 59 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG. Der Abschiebungsandrohung stünden die familiären Belange nicht entgegen. Art. 6 GG gewähre kein unbedingtes Aufenthaltsrecht. Es dürfe nicht außer Acht bleiben, dass er mit den fortwährenden Aktivitäten in Abkehr von seiner eigenen Schutzverpflichtung gegenüber Ehefrau und Kindern gehandelt habe. Zwar hielten sich die Unterstützungshandlungen des Antragstellers in den letzten Jahren im niedrigschwelligen Bereich. Es greife aber zu kurz, das Gefährdungspotential anhand einzelner Handlungen einzuschätzen. Zwar gäben die Kindsmütter regelmäßige Besuche an, dies könne aber die vom Antragsteller ausgehende Gefahr nicht überwiegen. Mit seiner derzeitigen Ehefrau und der … Monate alten Tochter lebe der Antragsteller in familiärer Lebensgemeinschaft. Es werde angemerkt, dass die Ehefrau die Tochter des Vorsitzenden des … ist, in dem er als Imam tätig sei. Es sei davon auszugehen, dass die Ehefrau mit dem Religionsverständnis des Antragstellers vertraut sei und es ihr und dem Kind zumutbar sei, den Antragsteller bei der Ausreise zu begleiten. Die Aufenthaltsbeschränkung beruhe auf § 56 Abs. 2 AufenthG, die Meldepflicht auf § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, die sofortige Vollziehung werde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet und das Zwangsgeld nach Art. 29, 31 und 36 VwZVG angedroht. Dem Schriftsatz beigefügt waren vier Erkenntnismitteilungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. November 2024 Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 19. November 2024 aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis und – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage – eine (Verfahrens-)Duldung zu erteilen.
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Laut Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 21. November 2024 erklärte der Bevollmächtigte des Antragstellers an diesem Tag telefonisch, dass der Antragsteller das Freitagsgebet an diesem Tag nicht abhalten werde. Er habe den Eindruck, dass alle Moscheen als salafistisch eingestuft worden seien, nachdem der Antragsteller seine Tätigkeit dort begonnen habe. Er wolle in einer Moschee predigen, die nicht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe. Es werde angefragt, ob beim Ausländeramt eine Liste solcher Moscheen vorliege.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22. November 2024 hat der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.11.2024 gegen den Bescheid der Stadt … vom 19.11.2024 herzustellen
und
die Stadt … im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) auszustellen und im die Fortsetzung seiner Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger zu erlauben.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. November 2024 hat der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Antragsteller vor einer Entscheidung über den Eilantrag abzuschieben.
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Zur Begründung wurde im Schriftsatz vom 22. November 2024 ausgeführt, der Antragsteller habe am 29. Juli 2022 seine Ausbildung zum staatlich geprüften Krankenpfleger abgeschlossen und arbeite seit … 2023 im … Krankenhaus. Das Zwischenzeugnis vom 24. Juli 2024 sei positiv. Er verdiene 2.700,00 Euro Netto. Die Vorwürfe gegenüber dem Antragsteller seien Gegenstand des Bescheides der … vom 30. März 2020 gewesen. Das VG … sei bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass keine Beeinträchtigung der Vater-Kind-Beziehung drohe, weil ein Anspruch auf Duldung bestanden habe. Die Duldung sei von der Antragsgegnerin auch immer wieder, zuletzt bis 21. November 2024, verlängert worden. Die gegenüber dem Antragsteller erhobenen Vorwürfe bedürften sorgfältiger Prüfung. Da selbst die Antragsgegnerin festgestellt habe, dass die Unterstützungshandlungen in den letzten Jahren eher niedrigschwellig gewesen seien, gebe es keine tragfähigen Gründe, die mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung verfolgten Rechte zu verwehren. Beigefügt waren insb. Unterlagen, die die Tätigkeit des Antragstellers als Gesundheits- und Krankenpfleger betreffen.
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Mit Schriftsatz vom 26. November 2024 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers die Klagebegründung vom 30. April 2020 im Verfahren mit dem Az. … mit Anlagen und die Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung vom 30. September 2024 übersandt und den Verlauf der Gerichtsverfahren aus seiner Sicht dargelegt.
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In Schriftsätzen vom 27. und 29. November 2024 hat der Bevollmächtigte den Gang des von der Stadt … gegen den Antragsteller betriebenen Behördenverfahrens und die Gerichtsverfahren vor dem VG … und dem BayVGH erneut aus seiner Sicht beschrieben und die im früheren Verfahren vorgetragenen Argumente gegen die Behauptungen der Antragsgegnerin erneut vorgetragen (hierfür kopierte er große Teile des Schriftsatzes vom 30. April 2020 im Verfahren mit dem Az. … teils wörtlich, ergänzt um Darstellungen zu Tätigkeiten des Antragstellers in … und …). Er benenne die bereits damals angebotenen Zeugen und Urkunden, über die wegen grober Verletzung des Fairnessgebots bisher kein Beweis erhoben worden sei. Ein grundlegendes Problem des bisherigen Verfahrens bestehe darin, dass alle Gerichte und Behörden ihre Entscheidungen nicht unmittelbar auf die Aussagen des Antragstellers in der Niederschrift des Sicherheitsgesprächs vom 12. Dezember 2017 stützten, sondern mittelbar auf die Bewertung der Angaben des Antragstellers durch die Beamten des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutzes. Seit dem 20. November 2024 habe er seine Tätigkeit beim … komplett eingestellt. Da er aber nach wie vor den Beruf als Imam als seine Berufung ansehe, habe er den Bevollmächtigten beauftragt, beim Verfassungsschutz nachzufragen, ob die Islamische Gemeinde …, … oder die Islamische Gemeinde …, …, … als salafistisch eingestuft seien. Die behauptete Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung beruhe nur auf den Werturteilen der Personen, die die Schreiben des Verfassungsschutzes verfasst haben. Das Gericht könne sich nicht auf solche Aussagen und Bewertungen stützen, sondern müsse den Sachverhalt selbst erforschen. Dies könne nur dadurch erfolgen, dass es sich sich selbst eine Überzeugung vom Inhalt des Sicherheitsgesprächs bilde, den Antragsteller anhöre und den von ihm angebotenen Beweisen nachgehe. Beigefügt war das Protokoll des VG … vom 9. April 2024 und das Protokoll über das Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017, aus dem der Bevollmächtigte im Schriftsatz auch längere Passagen zitiert, Bestätigungen der … Moschee … vom 15. April 2020 und der … Moschee … vom 14. April 2020, dass der Antragsteller dort nur ein einziges Mal als Gast gepredigt habe, die Bestätigung über die Teilnahme an der schulinternen Weihnachtsfeier vom 20. April 2020 mit Fotos, eine persönliche Stellungnahme des Antragstellers vom 29. November 2024, eine Bestätigung von Frau … vom 20. April 2020, dass sie Zugang zum F.-Profil des Antragstellers hatte, Ausdrucke aus F. bzw. einer Chatgruppe, sechs Predigten, Unterlagen zum Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz, die Erklärungen des Antragstellers vom 17. Juli 2024 und 6. September 2024, Korrespondenz mit dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz, eine Erklärung der Ehefrau des Antragstellers über die Beziehungen in der Familie vom 29. November 2024 und eine E-Mail des Antragstellers an den Bevollmächtigten mit einer Zusammenfassung einer Predigt in … In der Erklärung vom 29. November 2024 erklärte der Antragsteller, der Besuch bei Frau … sei nur davon motiviert gewesen, die Kinder zu sehen. Die Behauptung, er habe Frau … bedroht oder gar Gewalt gegen sie geübt, sei nicht nur falsch, sondern widerspreche seinem Charakter und seinen Überzeugungen zutiefst. In der fraglichen Zeit habe er mit Frau … mehrfach friedlich in Kontakt gestanden, was belege, dass er keinerlei Bedrohung für sie darstelle. Mit aller Nachdrücklichkeit weise er den Vorwurf zurück, bewusst in salafistischen Strukturen tätig gewesen zu sein oder diese unterstützt zu haben. Er habe von möglichen Einstufungen der Moscheen durch den Verfassungsschutz nichts gewusst. Als Imam sei er weder verantwortlich für die institutionellen Strukturen dieser Einrichtungen, noch für die persönlichen Überzeugungen aller Besucher oder Mitglieder. Ein Beweis für sein verantwortungsvolles und umsichtiges Handeln sei seine Entscheidung, sämtliche Predigten und Unterrichte in einer Moschee in … einzustellen, nachdem ihm zugetragen wurde, dass diese möglicherweise im Fokus der Behörden stünden. Es bleibe die Frage bestehen, warum Moscheen, die angeblich als extremistisch eingestuft würden, weiterhin öffentlich zugänglich seien. Als Imam habe er stets Verantwortung übernommen, indem er aktiv gegen jede Form von Gewalt, Terror und Extremismus gesprochen habe. Es gebe zahlreiche öffentlich zugängliche Beweise im Internet, die belegten, dass seine Lehren stets von Respekt, Gemeinschaftssinn und Ablehnung jeglicher Form von Extremismus geprägt seien. Das Wohl seiner Kinder liege ihm über alles am Herzen. Seine Kinder verbrächten alle zwei Wochen das Wochenende mit ihm. Seit dem Sicherheitsgespräch im Jahr 2018 habe er keine Inhalte mehr geteilt oder geliked, die auch nur ansatzweise als kritisch angesehen werden könnten. Dies sei ein eindeutiger Beweis dafür, dass er sich seither konsequent distanziert habe.
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Mit Schreiben vom 28. November 2024 ist die Antragsgegnerin der Klage entgegengetreten mit dem Antrag, die Klage als unbegründet abzuweisen. Weiter hat sie beantragt,
Der Antrag wird als unbegründet abgelehnt.
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Zur Begründung hat sie auf die Verfügung vom 19. November 2024 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 26. November 2024 hat die … erklärt, sich als Vertretung des öffentlichen Interesses am Klage- und Eilverfahren zu beteiligen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behördensowie die Gerichtsakte, auch im Verfahren AN 5 K 24.2970, verwiesen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
39
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom 19. November 2024 bereits unzulässig, da die Klage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO bereits aufschiebende Wirkung hat und daher für einen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Ausweisung ist im Katalog des § 84 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht genannt und die Antragsgegnerin hat den Sofortvollzug nicht angeordnet.
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Ebenfalls unzulässig ist der Antrag, soweit er sich auf Ziffer 3 (Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis) und Ziffer 4 (Ablehnung der Duldung) bezieht. Er ist insoweit schon nicht statthaft, da in der Hauptsache jeweils eine Verpflichtungsklage statthaft ist. Hinsichtlich des Antrages auf Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist vorliegend auch § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht einschlägig. Der Antragsteller war spätestens nach Bestandskraft des Ablehnungsbescheides der … vom 30. März 2020 bei Erlass des Bescheides vom 19. November 2024 vollziehbar ausreisepflichtig, sodass mit der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis keine weitere Vollziehbarkeit einer Ausreisepflicht i.S.d. § 58 Abs. 2 Satz 2
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AufenthG eintreten konnte, hinsichtlich derer ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft sein könnte.
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Im Übrigen ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. November 2024 zulässig, aber unbegründet.
43
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes, besonders angeordnet oder kraft Gesetzes gegeben ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Es sind hierbei die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei im Rahmen dieser Abwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache besondere Berücksichtigung finden. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen.
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Im vorliegenden Fall ergibt die gebotene, aber auch ausreichende, summarische Überprüfung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. November 2024, dass gegen die verfügte Abschiebungsandrohung mit Ausreisefrist, gegen die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sowie gegen die in Ziffern 7 bis 11 verfügten Annexmaßnahmen mit Zwangsgeldandrohungen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen.
45
Gegen den Erlass – auch in seiner nicht für den Fall der Abschiebung bedingten Form – und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf die Dauer von 15 Jahren ab Abschiebung bzw. Ausreise in Ziffer 2 des Bescheides vom 19. November 2024 bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach summarischer Überprüfung anhand der Aktenlage ist die Verfügung insoweit nicht zu beanstanden.
46
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot konnte hier auf Grundlage der Ausweisung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides auch ohne Bedingung erlassen werden. Zwar ist die Ausweisung, die Voraussetzung für den Erlass des Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist, bisher noch nicht bestandskräftig. Von der aufschiebenden Wirkung der hiergegen gerichteten Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) bleibt die Wirksamkeit der Ausweisung nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG jedoch unberührt. Da deswegen durch den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes die Ausweisungsverfügung mittelbar vollzogen wird, ist die Ausweisungsverfügung inzident auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen, um den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG zu genügen (für die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis wegen einer Titelerteilungssperre aufgrund eines Einreise- und Aufenthaltsverbots BayVGH, B.v. 19.1.2015 – 10 CS 14.2656 – juris Rn. 22; vgl. OVG Lüneburg, B.v. 23.2.2021 – 8 ME 126/20 – juris Rn. 8 m.w.N.). Die summarische Überprüfung der Ausweisungsverfügung ergibt aber, dass diese rechtlich nicht zu beanstanden ist.
47
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 16; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 37).
48
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
49
Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Abs. 1 StGB bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Abs. 2 StGB vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
50
Die Voraussetzug des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG ist erfüllt. Die Anwesenheit des Antragstellers stellt eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG dar. Die Verbreitung salafistischen Gedankengutes, wie sie durch den Antragsteller in der Vergangenheit geschehen ist und wie sie in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geschehen wird, gefährdet die freiheitliche demokratische Grundordnung (zum Begriff z.B. Kluth/Heusch/Fleuß, Stand 1.7.2024, § 54 Rn. 55 ff. m.w.N.). Die Kammer schließt sich nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage der Einschätzung des VG … im Urteil vom 9. April 2024 (Az. …) an, dass die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zur … Moschee in … ein eindeutiges Bild eines extremistisch geprägten Umfeldes der Moschee vermitteln, das dem Antragsteller insbesondere aufgrund der polizeilichen Durchsuchung, die er nach eigenen Angaben selbst mitbekam, nicht entgangen sein kann. Geteilt wird auch die Einschätzung des VG …, dass der Antragsteller bis heute keine plausible Erklärung geben konnte, wieso er in den folgenden Jahren jeweils nur mit kurzen Unterbrechungen immer wieder Imam in salafistischen Moscheen war, und damit die Infrastruktur für Extremisten bereitstellte, dass der sich aus den Stellungnahmen des … Verfassungsschutzes und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz ergebende Gesamteindruck der Handlungen des Antragstellers ein deutliches Bild seiner Bestrebung ergibt, den Salafismus in Deutschland (und zeitweilig auch in Italien) zu verbreiten, und dass die Tatsache, dass der Antragsteller sein beabsichtigtes Studium in Deutschland, zu dessen Zweck er angeblich eingereist ist, zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verfolgt hat, und zudem bereits im Jahr 2011 als Imam in einer salafistischen Moschee tätig war, das Bild vervollständigt, dass sich der Antragsteller bereits früh nach seiner Einreise gezielt der salafistischen Szene angeschlossen und diese in einer tragenden und zentralen Rolle unterstützt und mitgestaltet hat.
51
Diese Einschätzung wird nach Aktenlage getragen von den Erkenntnismitteilungen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 28. August 2018, 8. November 2019, 23. Februar 2023 und 25. März 2024 sowie von den Erkenntnissen, die sich aus der Mitteilung des Polizeipräsidenten in … vom 6. November 2019 und dem Schreiben des … Verfassungsschutzes an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vom 7. November 2019 ergeben. Auf diese Mitteilungen wird ausdrücklich Bezug genommen.
52
Diese Erkenntnisse ergeben nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage nach Auffassung der Kammer ein Bild, das die Bewertung des Landesamtes für Verfassungsschutz bestätigt, dass die Weltanschauung des Antragstellers unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, dass seine salafistischen Unterrichtsmaterialien in der Vergangenheit gewaltbefürwortende Inhalte enthielten, er eine ideologische Führungspersönlichkeit ist für Personen, die dem salafistischen und auch gewaltorientierten Spektrum zugerechnet werden, dass er durch seine Tätigkeit als Imam oder Lehrer sowie durch sein Verhalten in Sozialen Medien extremistische Bestrebungen unterstützt, und dass er damit die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
53
Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers stützt sich diese Einschätzung auch nicht lediglich auf unbewiesene Vermutungen oder Werturteile einzelner Beamter. In den Verfassungsschutzberichten sind teilweise Ausdrucke aus sozialen Medien enthalten und der Antragsteller hat im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 selbst die Tätigkeit für verschiedene Moscheen eingeräumt (und im Behördenverfahren teilweise auch Arbeitsverträge, sowie Bescheinigungen für das Abhalten einzelner Vorträge vorgelegt). Auch das Verfassen bestimmter im Verfassungsschutzbericht erwähnter F.-Beiträge hat er selbst eingeräumt und auch die Verwendung problematischer Unterrichtsmaterialien nur insoweit abgestritten, als er geltend macht, nur mit dem Grundgesetz vereinbare Teile hiervon zu verwenden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerseite ist es für die Annahme eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG auch nicht erforderlich, dass der Antragsteller selbst konkret zu Gewalt aufruft (vgl. Kluth/Heusch/Fleuß, Stand 1.7.2024, § 54 Rn. 63 m.w.N.). Es genügt die Verbreitung und Förderung des Salafismus (nach der in der Erkenntnismitteilung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 28. August 2018 (dort S. 7 f.) verwendetet Definition), der unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist.
54
Den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden hat der Antragsteller weder im vorliegenden Verfahren noch sonst etwas Substantielles entgegengesetzt, insb. nicht durch Äußerungen im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 und in seinen persönlichen Erklärungen vom 17. Juli 2024, 6. September 2024 und 29. November 2024.
55
Entgegen der Ansicht seines Bevollmächtigten können die Äußerungen des Antragstellers, sich strikt und ausdrücklich von Gewalt und Extremismus zu distanzieren, keinen Kontakt zu Anhängern salafistischer und jihadistischer Gruppen zu haben sowie sich immer nach dem Grundgesetz zu richten und diesem absoluten Vorrang einzuräumen, weder als Ausdruck seiner tatsächlichen inneren Einstellung noch als Anzeichen, dass keine Gefahr von ihm für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeht, gewertet werden. Seine insgesamt auch inkonsistenten Ausflüchte sind vorliegend als Schutzbehauptungen zu bewerten. Denn nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage entsteht für die Kammer der Eindruck, dass der Antragsteller – z.B. im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 – immer nur das zugibt, von dem er meint, dass es den Behörden bereits bekannt ist und dass er von seinen Positionen nur insoweit abrückt, als es für ihn als unbedingt notwendig erscheint, um eine für ihn günstige Position zu erlangen. Im Übrigen hat er im Verlauf des Behördenverfahrens und auch gegenüber Sicherheitsbehörden wiederholt falsche Angaben gemacht.
56
Ein weitgehend taktisches Verhalten des Antragstellers, das von mangelnder Transparenz gegenüber den Behörden geprägt ist, lässt sich der Behördenakte vielfach entnehmen. So reiste er bspw. zum Studium ein, nahm aber, trotz der zweiten Chance durch den gerichtlichen Vergleich vom 9. Oktober 2013, ein Studium nie auf. Stattdessen war er bereits 2011, kurz nach seiner Einreise, als Imam tätig. Dies wurde von der Antragstellerseite gegenüber den Ausländerbehörden aber erst in einem anwaltlichen Schriftsatz vom 10. November 2014 erwähnt, um sich auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 BeschV i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 BeschV berufen zu können. Auch die Trennung von seiner ersten Ehefrau, Frau …, die … stattfand, wurde den Ausländerbehörden erst bekannt, nachdem am … 2015 die Tochter von Frau … mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren war. Auch meldete sich der Antragsteller häufig nicht zuverlässig an der Adresse, unter der er sich gewöhnlich aufhielt, an. So wurde in … mehrfach seine Meldeadresse kontrolliert, er wurde bei diesen Kontrollen dort aber nicht angetroffen und musste von Amts wegen abgemeldet werden. Bei einer einbürgerungsrechtlichen Anhörung am 18. Dezember 2018 behauptete der Antragsteller zunächst, er lebe in …, wo er sich auch angemeldet hatte. Nach mehrfacher Nachfrage räumte er ein, dass er sich mit einem falschen Wohnsitz angemeldet habe, weil er sich davon Vorteile versprochen habe. Gegenüber den Ausländer- und Sicherheitsbehörden behauptete er dagegen wiederholt, die Eltern seiner Freundin (Frau …) seien dagegen gewesen, dass er sich unter ihrer Adresse, an der er sich gewöhnlich aufgehalten habe, anmelde – was im Hinblick auf die Tatsache, dass auch der Vermieter der Wohnung in … der Vater seiner Freundin (Frau …) war, nicht sehr plausibel erscheint. Weiterhin erklärte der Antragsteller am 30. Juli 2014 gegenüber Polizeibeamten, dass er einen Reisepass laut Verlustanzeige vermutlich am 14. Dezember 2013 verloren habe, einen nach erneuter Beantragung erhaltenen neuen Reisepass Mitte 2014 verloren habe und zwei Monate zuvor (als Ende Mai 2014) einen dritten Reisepass beantragt habe, den er noch nicht erhalten habe; bei Beantragung einer Niederlassungserlaubnis am 8. Januar 2018 legte er aber einen am 23. Dezember 2013 in Frankfurt ausgestellten jemenitischen Reisepass vor; der Verlust des Reisepasses Mitte 2014 war also eine falsche Angabe. Auch im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 passte der Antragsteller seine Aussagen nachweislich taktisch an: So erklärte der Antragsteller, um darzulegen, dass salafistische Aktivitäten auf F. nicht auf ihn zurückgingen, zunächst, dass seine damalige Freundin Frau … diese Inhalte gepostet habe. Erst nachträglich, als ihm vorgehalten wurde, dass es seltsam sei, dass Frau … als nicht-Muslima solche Inhalte verbreite, erklärte er, ein palästinensischer Junge namens … habe ihm mit F. geholfen. Insgesamt erklärte er den Fremdzugriff auf sein Profil damit, dass er von technischen Dingen keine Ahnung habe. Im Lebenslauf, den er im Visumverfahren vorgelegt hatte, war jedoch bei „sonstige Tätigkeiten“ vermerkt: „Sehr gute Erfahrung im Umgang mit computer (MS office) und internet“, und im Sicherheitsgespräch erklärte er (Zeile 782) jeden Tag auf F. aktiv zu sein, sodass der Einschätzung der … im Schriftsatz an das VG … vom 1. Juli 2020, dass hier eine Falschangabe vorliegt, nach Aktenlage beizutreten ist. Weiter gab er im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 trotz mehrmaliger Nachfrage eine Tätigkeit in der … Moschee nicht an, obwohl er dort nach einer später von ihm selbst vorgelegten Bescheinigung einmal gepredigt hatte; ein Zufall ist hierbei unwahrscheinlich, da er nach den Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz durch die … Polizei Ende 2015 gerade auf diese Moschee, in der ab 2010 salafistische Seminare stattgefunden hatten, die als Schwerpunkt salafistischer Bestrebungen in … bewertet wurden, angesprochen wurde. Bei der Frage im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 nach seinen Lebensgefährtinnen erwähnte er Frau … selbst auf mehrmalige Nachfrage und nach Ermahnung zur Wahrheit nicht, antwortete mehrfach ausweichend und gab erst eine Beziehung zu ihr zu, als die Befrager deren Namen selbst nannten; auch weitere Details nannte er erst nach mehreren weiteren Nachfragen, nachdem er zunächst vorgegeben hatte, sich an Einzelheiten nicht genau erinnern zu können. Weiter erklärte er im Sicherheitsgespräch (Zeile 1971), dass er in der …-Moschee nur einige Monate gewesen sei („Da habe ich dann halt den Vorbeter gemacht“) – in Wirklichkeit war er mehrere Jahre, von 2011 bis 2015, dort Prediger und Imam und nicht „nur“ Vorbeter (den Unterschied in der Bedeutung dieser Positionen erläuterte der Antragsteller im Sicherheitsgespräch zuvor selbst). Der Antragsteller gab einerseits im Sicherheitsgespräch auf die Frage nach Unterstützungsleistungen für das Ausland an, seiner „Familie mal mit Geld geholfen“ zu haben, „100 Euro oder so“ – im Schriftsatz vom 30. April 2020 an das VG … erklärte er andererseits, die Tätigkeit als Imam hauptsächlich deshalb begonnen zu haben, um seine Familie im Jemen zu ernähren; er hat daher entweder gegenüber den Sicherheitsbehörden oder gegenüber dem Gericht falsche Angaben gemacht.
57
Auch vor diesem Hintergrund greifen die speziellen Einwände der Antragstellerseite gegenüber den Vorwürfen durch die Sicherheitsbehörden nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage nicht durch.
58
So erscheint die wiederholt geäußerte Behauptung des Antragstellers, er könne nichts dafür bzw. habe nicht gewusst, dass Extremisten die Moscheen besuchten, in denen er Imam war bzw. gepredigt und/oder gelehrt hat, nach Aktenlage nicht glaubhaft. Angesichts der langen Liste von als extremistisch eingestuften Moscheen oder Moscheen mit bestimmten Bezügen zu Extremismus in …, …, … und …, in denen der Antragsteller – teils auch jahrelang und in aus religiöser Sicht verantwortlicher Position als Imam – tätig war, ist seine zufällige Anwesenheit immer gerade in solchen Moscheen sehr unwahrscheinlich. Auch deswegen erscheint die Darstellung des … Verfassungsschutzes im Schreiben an das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vom 7. November 2019, aus der Gesamtschau lasse sich ableiten, dass der Antragsteller sehr gut über die Aktivitäten und Äußerungen der Moscheebesucher informiert gewesen sein musste, insbesondere da dies zu seinen Aufgaben gehörte und insbesondere zur Generierung von Spenden zur Unterhaltung der Einrichtung unerlässlich war, weit überwiegend wahrscheinlicher als die Darstellung des Antragstellers. Im Übrigen ist der Kontakt zu Extremisten u.a. durch die administrative Betreuung der Chatgruppe des … Kulturvereins belegt. Die Darstellung des Antragstellers, dass der im Klage- und Antragsverfahren vorgelegte Ausschnitt des Chats belege, dass er gegen Extremismus vorgegangen sei, ist dagegen nicht nachvollziehbar. Dort ist nur erkennbar, dass er vor einer Veröffentlichung eines Protokolls im Chat die Vorlage des Protokolls an sich selbst fordert und allgemein mahnt, in der Gruppe nichts zu posten, was nicht die Gruppe betrifft; hierin ist kein Einschreiten gegen extremistische Inhalte zu erkennen.
59
Auch die in verschiedenen Variationen auftretende Behauptung der Antragstellerseite, salafistisches Gedankengut sei dem Antragsteller fremd, ist nicht plausibel. Insgesamt widerspricht es bereits der Lebenserfahrung, dass ein „lockerer“ bzw. „offener Muslim“, als der sich der Antragsteller im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 darstellen wollte, über Jahre in einer von Extremisten besuchten Moschee gepredigt haben soll. Insofern erscheint es auch wenig plausibel, dass die ehemaligen Besucher der … Moschee in … nach deren Schließung gewissermaßen rein zufällig zur … Moschee gewechselt sein sollen, in der der Antragsteller ebenfalls tätig war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie sich vom Antragsteller als Imam und Lehrer und damit religiösem Impulsgeber angezogen gefühlt haben. Der Antragsteller äußerte zwar im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 mehrfach und nachdrücklich, sich an die deutschen Gesetze zu halten. Er erklärte aber auf die Frage, ob er im Jemen anders predigen würde, dass dort manche Grundsätze nicht gelten und er diese dort nicht akzeptieren müsse. Diese Aussage zeigt, dass er im Grunde nicht mit den Werten des Grundgesetzes übereinstimmt und lediglich versucht, einem Konflikt mit Behörden aus dem Weg zu gehen. Hinzu kommt, dass – wie die … im Bescheid vom 30. März 2020 zurecht ausgeführt hat – die Aussagen des Antragstellers im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017, dass er die von ihm präferierten Gelehrten grundgesetzkonform nutze, mit Integration einverstanden sei, versuche, dass seine Gemeinde nicht so streng mit dem Islam und zufrieden mit anderen Religionen sei, in offensichtlichem Widerspruch zu anderen Aussagen steht, wie etwa der, dass der Islam über Europa hinwegfegt und Gott dem Islam zum Sieg über alle anderen Religionen verhelfen solle. An der Tatsache, dass die Selbstdarstellung des Antragstellers wenig plausibel erscheint, ändert auch die Tatsache, dass er derzeit als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitet und während der Ausbildung auch an einer Weihnachtsfeier teilgenommen hat, nichts. Auch während dieser Ausbildung bzw. Tätigkeit predigte der Antragsteller bspw. im …verein, einem lokalen, aber auch überregionalen Anlaufpunkt und Treffpunkt für die salafistische Szene. Die „Weihnachtsfeier“, an der der Antragsteller ausweislich der von ihm vielfach vorgelegten Fotos teilgenommen hat, war im Rahmen seiner Ausbildung verpflichtender Lehrinhalt und es ist nicht ersichtlich, dass diese erheblich religiös geprägt gewesen sein könnte. Eine Schlussfolgerung von der Teilnahme auf eine mögliche liberale Gesinnung des Antragstellers ist, anders als von ihm geltend gemacht, nicht möglich, zumal das Verhalten des Antragstellers auch ansonsten häufig taktisch geprägt ist.
60
Auch die Behauptung, aus salafistischen Büchern nur diejenigen Teile als Unterrichtsmaterialien zu verwenden, die mit dem Grundgesetz übereinstimmen, erscheint vor dem Hintergrund des Gesamtverhaltens des Antragstellers als Schutzbehauptung. Im Sicherheitsgespräch gab er auf Nachfrage nach seinen Unterrichtsmaterialien die von den Behörden beanstandeten Werke nicht von sich aus an (Zeile 1684). Erst auf Nachfrage z.B. nach dem Gelehrten Uthaymin räumte der Antragsteller ein, sich auch mit diesem zu beschäftigen. Daraus lässt sich folgern, dass der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Unterrichtsinhalte nicht transparent mit den Behörden kommuniziert. Im Übrigen ist es überwiegend wahrscheinlich, dass das Behandeln von salafistischen Gelehrten wie Muhammad Al-Arifi, Ibn Al-Uthaymin und Ibn Baz in dem Umfeld der Moscheen, in denen der Antragsteller tätig war und ist, ohne Zweifel so verstanden werden wird, dass sämtlich Inhalte der Bücher und Aussagen, auf die verwiesen wird, vollständig zu befürtworten sind.
61
Dass der Antragsteller für die Posts auf seinen F.-Accounts nicht verantwortlich ist, wie er darzulegen versucht, ist nach Aktenlage nicht ersichtlich. Zwar hat Frau … am 20. April 2020 bestätigt, dass sie auf dessen Profil ebenfalls Inhalte veröffentlicht hat. Allerdings hat auch der Antragsteller im Sicherheitsgespräch vom 12. Dezember 2017 eingeräumt, dort Inhalte eingestellt zu haben (Zeile 2132) und er hat auch erklärt, jeden Tag auf F. aktiv zu sein (Zeile 782). Dass er dann nicht zumindest wahrgenommen hat, welche Inhalte (sonst) dort veröffentlicht wurden, ist weit weniger wahrscheinlich als dass er von den Inhalten wusste und diese Veröffentlichungen – zumindest durch Nichteinschreiten – auch billigte. Auch in diesem Fall ist der Antragsteller für die Verbreitung dieser Inhalte verantwortlich, weil dies in seinem Namen unter seinem Profil geschieht, sodass auch auf diese Weise von ihm selbst eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 AufenthG durch die Verbreitung der Inhalte ausgeht.
62
Nach alledem kann der Forderung des Bevollmächtigten des Antragstellers, die Aussagen des Antragstellers statt der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden zur Bewertung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahr heranzuziehen, keine Folge geleistet werden.
63
Die Gefahr besteht auch weiterhin fort, d.h. es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller auch in Zukunft salafistische Inhalte verbreiten wird. Insofern schließt sich die Kammer den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 16. Oktober 2024 (Az. 10 ZB 24.14463, auch auf juris veröffentlicht) in Rn. 18 ff. und im Beschluss vom 5. November 2024 (Az. 10 ZB 24.1811) in Rn. 6 an, wonach von einem glaubhaften Abstandnehmen des Antragstellers insbesondere durch die Erklärungen vom 17. Juli 2024 und 6. September 2024 nicht ausgegangen werden kann, da das erforderliche Einräumen sicherheitsgefährdenden Verhaltens nicht erfolgt ist. Auch in der Erklärung vom 29. November 2024 ist dies nicht erkennbar, sondern der Antragsteller versucht darzulegen, warum die Einschätzungen der Sicherheitsbehörden in Bezug auf seine Person falsch seien.
64
Nach Auffassung der Kammer wird aus den genannten persönlichen Erklärungen und den Äußerungen in den Gerichts- und Behördenverfahren nach Aktenlage vielmehr durch das lediglich stückchenweise sukzessive Einräumen von Vorwürfen im geringsten Umfang eine erhebliche Uneinsichtigkeit deutlich, die klar dafür spricht, dass vom Antragsteller auch weiterhin eine Gefahr ausgeht, selbst vor dem Hintergrund, dass er sich momentan im Übrigen möglicherweise aufgrund des Ausweisungsverfahrens bzw. der drohenden Aufenthaltsbeendigung mit seinen Tätigkeiten eher zurückhält. Der Antragsteller hat auch zuletzt telefonisch am 21. November 2024 deutlich gemacht, weiter als Imam tätig sein zu wollen, obwohl er bereits in der persönlichen Erklärung vom 6. September 2024 schriftlich erklärt hatte, die Tätigkeit als Imam und Lehrer aufgeben zu wollen.
65
Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG liegt damit vor.
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Im Übrigen liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerseite auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG wegen der Verstöße des Antragstellers gegen das Gewaltschutzgesetz vor, da der Antragsteller nicht nur vereinzelte oder geringfügige Verstöße gegen Rechtsvorschriften im Sinne dieser Norm begangen hat. Es ist allgemein anerkannt, dass es hierbei unerheblich ist, ob der Rechtsverstoß tatsächlich geahndet worden ist, vielmehr genügt allein die Begehung (vgl. nur BeckOK MigR/Katzer, Stand: 1.7.2024, § 54 AufenthG Rn. 98; VGH BW, B.v. 22.10.2020 – 11 S 1112/20 – juris Rn. 45). Entscheidend ist insoweit nur, dass der Rechtsverstoß nicht unbeachtlich ist. § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG ist dabei so zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er hingegen immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Eine Vorsatztat kann grundsätzlich nicht als geringfügig angesehen werden (Bergmann/Dienelt/Bauer, 14. Aufl., § 54 AufenthG Rn. 95 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.10.2024 – 19 ZB 23.1101 – juris Rn. 13). Es ist im vorliegenden Fall unerheblich, ob die Rechtsverletzungen des Antragstellers geringfügig sind, da er jedenfalls wiederholt gegen das Gewaltschutzgesetz verstieß. Eine Vorsatztat wird von § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG nicht vorausgesetzt. Angemerkt sei nur, dass auch die Behauptung der Antragstellerseite u.a. in den Schriftsätzen vom 27. und 29. November 2024, der Antragsteller habe erst am 29. August 2022 von dem Beschluss des Amtsgerichtes nach dem Gewaltschutzgesetz erfahren und er habe daher nicht wissen können, dass ein Kontaktverbot bestehe, im Hinblick auf die nach dem 29. August 2022 stattgefundenen Verstöße vom 30. September 2022, 1. Oktober 2022 und 10. Oktober 2022 ein nicht plausibler Vortrag ist.
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Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse des Antragstellers nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG steht im vorliegenden Fall aufgrund der deutschen Ehefrau und der deutschen Kinder des Antragstellers ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG gegenüber.
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Trotz des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses führt die Interessenabwägung im Fall des Antragstellers zum Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses. Im Rahmen der nach § 53 Abs. 1 AufenthG vorzunehmenden Abwägung sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsland sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
69
Die Antragsgegnerin hat insoweit zutreffend in ihre Abwägung eingestellt, dass der Antragsteller sich seit 2011 im Bundesgebiet aufhält, erfolgreich im Bundesgebiet eine Berufsausbildung abgeschlossen und seinen Lebensunterhalt bis zum Erlass der streitgegenständlichen Verfügung in seinem Ausbildungsberuf bestritten hat. Zu Recht hat sie jedoch auch eingestellt, dass der Antragsteller seit dem Jahr 2011, also fast unmittelbar nach der Einreise, als Imam salafistisches Gedankengut verbreitet bzw. deren Verbreitung fördert und ein Studium, zu dessen Aufnahme er laut Erklärungen gegenüber den Behörden eigentlich eingereist war, nie begonnen hat. Seine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger begann er erst im Jahr 2019, den überwiegenden Teil seiner Zeit in Deutschland verdiente der Antragsteller seinen Lebensunterhalt hauptsächlich (u.a. neben einem Studienstipendium der Botschaft der Republik Yemen – Kulturabteilung) mit seinen die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdenden Tätigkeiten als Imam (vgl. bspw. die Gehaltsnachweise vom … für Juli bis Dezember 2014, die Gehaltsnachweise des … für Juli bis Dezember 2017 oder den Arbeitsvertrag mit dem … ab 1. November 2018 (rückwirkend am 9. Januar 2019 geschlossen), die im Behördenverfahren vorgelegt wurden). Auch zu berücksichtigen ist, dass sich der Antragsteller nicht straffrei geführt, sondern, wie oben ausgeführt, mehrfach gegen das Gewaltschutzgesetz verstoßen und auch ein Körperverletzungsdelikt gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin begangen hat.
70
Im Übrigen ist zwar – wie sich bereits sowohl aus § 53 Abs. 2 AufenthG als auch aus § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG ergibt – grundsätzlich in die Abwägung einzustellen, dass der Antragsteller mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist und im Bundesgebiet drei Kinder des Antragstellers mit deutscher Staatsangehörigkeit leben, mit denen der Antragsteller Kontakt pflegt. Die Ausweisung verstößt allerdings auch insoweit nicht gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Die genannten Normen gewähren keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, sondern begründen lediglich eine Verpflichtung der Ausländerbehörden, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12). Hierbei darf zwar nicht verkannt werden, dass der Erziehungsbeitrag eines Vaters grundsätzlich nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder Dritter ersetzt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 46). Dennoch erscheint die Ausweisung angesichts der Gesamtumstände nicht unverhältnismäßig.
71
Es ist zu sehen, dass der Antragsteller nach Aktenlage nicht fünf Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet hat, weil sich zu den beiden jüngsten Kindern von Frau … keine Zustimmungen zu den Vaterschaftsanerkennungserklärungen und auch keine sonstigen Nachweise für eine Vaterschaft des Antragstellers in der Akte finden. Mit dem am … 2014 geborenen … hat der Antragsteller laut Bestätigung der Kindsmutter vom 11. August 2024 ungefähr alle drei Wochen persönlichen Kontakt; dass der Antragsteller derzeit Unterhalt leistet, ist den Akten nicht zu entnehmen. Mit seiner am … 2015 geborenen Tochter … hat der Antragsteller laut Bestätigung vom 27. Juli 2024 alle zwei bis drei Wochen in der Weise Kontakt, dass sie mit ihren Geschwistern über das Wochenende beim Antragsteller übernachtet. Außerdem ruft der Antragsteller die Tochter unter der Woche an, um stets den Kontakt aufrecht zu erhalten. Nach Aktenlage besteht ein erheblicher Rückstand bei den Unterhaltszahlungen. Hinsichtlich der Tochter und dem Sohn ist zu sehen, dass der Kontakt auch in der Vergangenheit nach Aktenlage teilweise zumindest erheblich gelockert gewesen war. So bestätigte Frau … mit Schreiben vom 9. Juli 2023 nur, dass der Antragsteller den Sohn „regelmäßig“ sehe, ohne – wie in den übrigen Bescheinigungen – ein Intervall der Kontakte anzugeben. Auf Anforderung der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2023 und 18. Juli 2023 konnte der Antragsteller nur eine Bestätigung für den Kontakt mit seinem Sohn … vorlegen, eine entsprechende Bestätigung für die Tochter … legte er, anders als sonst, nicht vor. Das Verwaltungsgericht … stellte in der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2024 fest, dass der Antragsteller keine genauen Angaben zu seinem letzten Kontakt mit den Kindern habe machen können und folgerte daraus, dass keine regelmäßigen Kontakte stattfänden. Dies alles lässt darauf schließen, dass der Kontakt mit den beiden Kindern nicht durchgehend regelmäßig stattgefunden hat. Hinsichtlich der beiden am … 2014 und am … 2015 geborenen deutschen Kindern ist festzuhalten, dass die bisherige (für die Tochter geschilderte) telefonische Kontaktaufnahme auch vom Ausland aus möglich ist, insbesondere da die beiden Kinder bereits neun bzw. zehn Jahre alt sind. Gelegentliche Besuche sind darüber hinaus (wenn nicht im Jemen, dann ggf. in anderen Drittstaaten außerhalb des Schengenraumes) ebenfalls weiter möglich, wenn auch sicher in eingeschränkterem Umfang; mit fortschreitendem Alter der Kinder werden solche Kontakte in absehbarer Zeit auch leichter durchführbar.
72
Hinsichtlich der deutschen Ehefrau und der gemeinsamen, am … 2024 geborenen Tochter ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Antragsteller mit diesen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, auch wenn die Erklärung der Ehefrau über die Beziehung zwischen dem Antragsteller und der gemeinsamen Tochter vom 29. November 2024 nicht glaubhaft erscheint, weil es unrealistisch ist, dass die gerade einmal … Monate alte Tochter tatsächlich, wie in der Bestätigung behauptet, durch ihre Worte zeigt, wie sehr sie ihren Vater braucht und wie wichtig er für ihr Leben ist (sie wird in diesem Alter noch nicht sprechen können) und dass der Antragsteller ihr bereits beibringt, mit Schwierigkeiten umzugehen. Allerdings ist zu beachten, dass die Familiengründung mit der Eheschließung am … in Kenntnis des Bescheides der … vom 30. März 2020 erfolgte. Danach wusste die Ehefrau des Antragstellers bereits bei der Eheschließung, dass der Antragsteller wegen des Ausweisungsinteresse möglicherweise keine dauerhafte Bleibeperspektive haben wird und der weitere Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet auf Grundlage einer Duldung im Wesentlichen von der Verbindung zu den anderen deutschen Kindern abhängen wird und dass sich die sicherheitsrechtliche Bewertung auch dahingehend verändern kann, dass von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Antragstellers ausgegangen wird (vgl. S. 29 f. des Bescheides vom 30. März 2020). Umgekehrt ist die Trennung von seiner Familie dem Antragsteller insofern auch deswegen selbst zuzuschreiben, weil er an seinen Tätigkeiten als Imam auch nach Erlass des Bescheides vom 30. März 2020 festhielt, obwohl bereits im Bescheid der … angekündigt wurde, dass die Ermessensentscheidung im Falle des Festhaltens an den sicherheitsgefährdenden Aktivitäten auch in Richtung einer Aufenthaltsbeendigung ausfallen kann.
73
Die Kammer verkennt nicht, dass die Ausreise – auch aufgrund des auf fünfzehn Jahren befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots – schwere Einschnitte in die Kontakte zwischen dem Antragsteller und seinen deutschen Kindern sowie seiner deutschen Ehefrau bedeutet, insbesondere da es seiner deutschen Ehefrau und seinem jüngsten deutschen Kind aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht zumutbar ist, gemeinsam mit dem Antragsteller in den Jemen auszureisen. Jedoch überwiegt vorliegend trotz allem das öffentliche Sicherheitsinteresse an einer Entfernung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass das intransparente Verhalten des Antragstellers insbesondere gegenüber Sicherheitsbehörden auch Bedeutung für die Gefahrenprognose insoweit hat, dass die von ihm ausgehenden Gefahr auch weit über das aus den sicher bekannten Tatsachen unmittelbar ableitbare Maß hinaus gehen kann und daher eine Fernhaltung des Antragstellers umso gebotener erscheint. Jedenfalls geht aber bereits nach den anhand der Aktenlage feststehenden Tatsachen, insbesondere aufgrund der jahrelangen Tätigkeit als Imam in Moscheen mit salafistisch geprägtem Umfeld und der durch die persönlichen Erklärungen vom 6. September 2024, 17. Juli 2024 und 29. November 2024 sowie durch die Äußerungen in den Behörden- und Gerichtsverfahren zum Ausdruck kommenden gravierenden Uneinsichtigkeit des Antragstellers in der Gesamtschau eine derart erhebliche Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung vom Antragsteller aus, dass eine Entfernung aus dem Bundesgebiet trotz der nach Aktenlage teils auch engen familiären Bindungen geboten erscheint.
74
Im Übrigen ist es dem Antragsteller – auch unter besonderer Berücksichtigung seines Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK – zumutbar, sich im Land, dessen Staatsangehörigkeit er hat, zu integrieren. Er ist im Jemen aufgewachsen und hat dort – nach eigenen Angaben mit sehr gutem Erfolg – die Schule besucht. Er spricht die Sprache, auch weil er sie im Rahmen seiner Tätigkeiten als Imam auch im Bundesgebiet sehr häufig gebraucht, und war dort auch bereits als Vorbeter in Moscheen tätig. Von seiner Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger kann er möglicherweise auch im Heimatland profitieren.
75
Im Rahmen einer Gesamtabwägung kommt die Kammer damit unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Die Voraussetzungen des § 53 AufenthG für eine Ausweisung sind daher nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage erfüllt.
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Die Befristungsentscheidung selbst ist nicht zu beanstanden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Nach § 11 Abs. 5b Satz 2 AufenthG kann, da im vorliegenden Fall die Ausweisung auf einem Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruht, auch ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen, wobei eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist (dazu BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27/16 – juris Rn. 23; BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56): Es bedarf in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu generalpräventiven und spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentlichen Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Gemessen an diesen Vorgaben sind Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist – unter Berücksichtigung der familiären Belange des Antragstellers – beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von fünfzehn Jahren angemessen ist.
77
Auch die Abschiebungsandrohung mit Ausreisefrist ist nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 58 und 59 AufenthG. Danach ist einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der Antragsteller ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er als jemenitischer Staatsangehöriger für den Aufenthalt in der Bundesrepublik einen Aufenthaltstitel benötigt, den er nicht besitzt. Wie oben erwähnt, ist die Ausreisepflicht des Antragstellers spätestens nach Bestandskraft des Bescheides der … vom 30. März 2020 auch vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Voraussetzung aus § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen und der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen, sind ebenfalls gegeben. Wie bereits ausgeführt, überwiegen die öffentlichen Interessen an der Fernhaltung des Antragstellers vom Bundesgebiet seine familiären Interessen. Die Fristsetzung in Ziffer 5 der streitgegenständlichen Verfügung begegnet gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken.
78
Sind die Ausweisung, der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sowie die Ausreisaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden, begegnen den in den Ziffern 7 bis 11 des Bescheides vom 19. November 2024 erlassenen Annexverfügungen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Rechtsfehler sind diesbezüglich weder geltend gemacht noch ersichtlich.
79
Da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen die Ziffern 2, 5 bis 8, sowie 10 bis 11 des Bescheides vom 19. November 2024 daher voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung insoweit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Aufschiebungsinteresse des Antragstellers. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher insgesamt anzulehnen.
80
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegner verpflichtet wird, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und dem Antragsteller eine Duldung (mit Beschäftigungserlaubnis) auszustellen, ist zulässig, aber unbegründet.
81
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
82
Im vorliegenden Fall ist aufgrund der vollziehbaren Ausreisepflicht und der sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung von einer bevorstehenden Abschiebung und damit von einem Anordnungsgrund auszugehen.
83
Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend – ungeachtet der fehlenden Glaubhaftmachung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO – nicht gegeben.
84
Wie oben dargestellt, ist der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig. Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die die Abschiebung unmöglich machen würden, wurden nicht substantiiert dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Insofern hat die Antragsgegnerin im Bescheid vom 19. November 2024 zu Recht ausgeführt, dass keine Duldungsgründe vorliegen.
85
Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK. Wie oben dargestellt bestehen nach Aktenlage zwar schützenswerte Bindungen im Bundesgebiet; die genannten Normen gewähren jedoch keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, sondern begründen lediglich eine Verpflichtung der Ausländerbehörden, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12). Aufgrund der Beeinträchtigung von öffentlichen Sicherheitsinteressen durch den Antragsteller überwiegt, wie oben dargestellt, das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes, sodass sich die Abschiebung nicht als unverhältnismäßig darstellt. Ein Anspruch auf Duldung besteht daher nicht.
86
Im Übrigen kann der Antragsteller auch keinen Anspruch auf (Verfahrens-)Duldung wegen seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzuges herleiten. Schon nach der gesetzgeberischen Konzeption muss der Ausländer außerhalb des Anwendungsbereichs des § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom Ausland aus verfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2019 – 19 CE 18.1597 – juris Rn. 14). Die Anträge des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zur Ehefrau und zur am … 2024 geborenen Tochter haben eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht ausgelöst, da sich die Antragsteller zu den Zeitpunkten der Beantragung der Aufenthaltserlaubnisse (in den Jahren 2023 und 2024) wegen des Ablehnungsbescheides der … vom 30. März 2020 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Es widerspräche daher schon der durch §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG vorgegebenen Systematik und Konzeption des Aufenthaltsgesetzes, denen zufolge für die Dauer eines Erteilungsverfahrens nur unter den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG geregelten Voraussetzungen ein vorläufiges Bleiberecht besteht, darüber hinaus derartige „Vorwirkungen“ anzuerkennen und für die Dauer eines Erteilungsverfahrens eine Duldung vorzusehen (vgl. OVG NRW, B.v. 2.5.2006 – 18 B 437/06 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.11.2018 – 19 C 18.54 – juris Rn. 24). Im Übrigen scheitert ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug bereits – wie vom Bayerischen Verwaltungsgericht … vom 9. April 2024 hinsichtlich der beiden älteren Kinder des Antragstellers ausgeführt – an dem zwingenden Versagungsgrund aus § 5 Abs. 4 AufenthG aufgrund des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 AufenthG. Im Übrigen steht auch die Titelerteilungssperre nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entgegen.
87
Weitere Umstände, die einen Anspruch des Antragstellers auf Aussetzung der Abschiebung begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
88
Zur weiteren Begründung wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. November 2024 Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen.
89
Der Antrag war daher vollumfänglich abzulehnen.
90
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.