Inhalt

VG München, Urteil v. 26.11.2024 – M 13L DK 24.229
Titel:

Zurückstufung als Disziplinarmaßnahme nach Verwendung eines gefälschten Impfausweises

Normenketten:
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 1
BayDG Art. 10, Art. 14 Abs. 1 S. 2, Art. 21, Art. 54
StGB § 279 (idF bis zum 23.11.2021)
GG Art. 5
Leitsätze:
1. Die Meinungsfreiheit gilt auch für kritische Äußerungen eines Beamten zu dienstlichen Maßnahmen, soweit sie nicht beleidigend, verfassungsfeindlich bzw. fern jeglicher Sachlichkeit sind. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Dienstpflichtverletzungen von Polizeibeamten eröffnet ein Verhalten, das zum Tatzeitpunkt mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist, einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auf das konkrete Strafmaß des Einzelfalls kommt es nicht an. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mildernden Umständen kann bei der Gesamtwürdigung im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen, wenn sie zur Erfüllung eines anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Beschaffen und Vorzeigen eines gefälschten Impfausweises bzgl. Corona-Impfung gegenüber Dienstvorgesetzten im Zusammenhang mit 3G-Regelung, Bedeutung des Strafrahmens für Maßnahmebemessung, Zurückstufung, Vollständiger Vertrauensverlust (verneint), Polizeibeamter, SARS-CoV-2, Coronavirus, 3-G-Regel, Impfausweis, Fälschung, Dienstvergehen, Disziplinarverfahren, Disziplinarklage, Meinungsfreiheit, Strafrahmen, Milderungsgrund
Fundstellen:
BeckRS 2024, 42308
FDArbR 2025, 942308

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung ins Amt als Polizeimeister (A7) erkannt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Disziplinarklage des Dienstherrn auf Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit als Polizeibeamter aufgrund des schwerpunktmäßigen Vorwurfs der Beschaffung und des Gebrauchs eines in Bezug auf eine Corona-Impfung gefälschten Impfausweises zur Erfüllung der 3G-Regelung im November 2021.
2
1. Der am … … 1964 geborene Beklagte steht seit dem Jahre 1982 im Dienst der Bayerischen Polizei, seit 1991 als Beamter auf Lebenszeit und dem Jahre 1998 in der Besoldungsgruppe A9 als Polizeihauptmeister. Zuletzt wurde er mit 9 Punkten im Jahr 2020 periodisch beurteilt. Der Beklagte ist ledig und Vater eines Kindes. Strafrechtlich bzw. disziplinarisch ist der Beklagte mit Ausnahme des vorliegend gegenständlichen Vorwurfs bisher nicht in Erscheinung getreten. Seit dem 7. Juli 2023 ist der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und werden seine Bezüge i.H.v. 50% einbehalten. Vorangegangen war ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte seit dem 21. Dezember 2021. Auf ein eingeholtes Persönlichkeitsbild vom 28. Februar 2022 wird Bezug genommen, ebenso bezüglich der weiteren Einzelheiten seines Werdegangs auf die Darstellung in der Disziplinarklage sowie die beigezogene Personalakte.
3
2. Nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beklagten durch die Disziplinarbehörde am 21. Dezember 2021 gemäß Art. 19 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) mit gleichzeitiger Aussetzung des Verfahrens aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen nach Art. 24 Abs. 3 BayDG wurde der Beklagte hierüber informiert. Zudem wurde ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte gegen ihn nach § 39 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ausgesprochen. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens 123 Js … mit Einstellung gemäß § 153a StPO durch die Staatsanwaltschaft M... I wurde das Disziplinarverfahren am 5. Oktober 2022 fortgesetzt. Der Beamte erhielt gemäß Art. 22 BayDG Gelegenheit zur Äußerung, von der er keinen Gebrauch machte. Unter dem 10. Januar 2023 wurde das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen vermerkt und der Beamte gemäß Art. 32 BayDG angehört, ebenso zu einer beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung verbunden mit einem Einbehalt von 50% seiner Bezüge, Art. 39 BayDG, die in Folge am 7. Juli 2023 verfügt wurde. Der Beklage nahm durch seinen Bevollmächtigten am 13. März 2023 sowie 24. November 2023 Stellung.
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3. Am 10. Januar 2024 hat der Kläger sodann durch das Polizeipräsidium M. als Disziplinarbehörde gegen den Beklagten Disziplinarklage erhoben, auf die gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bezug genommen wird. Mit Schriftsätzen vom 16. April 2024 und 23. September 2024 sowie in der mündlichen Verhandlung am 26. November 2024 hat der Kläger sein Vorbringen ergänzt, bezüglich deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen wird.
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Der Kläger beantragt,
Der Beklagte wird aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
6
Der Beklagtenbevollmächtigte beantragt,
auf eine mildere Maßnahme als eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
7
Der Beklagte ist mit Schriftsätzen vom 22. März 2024 und 25. September 2024 sowie in der mündlichen Verhandlung am 21. November 2024 der Disziplinarklage entgegengetreten. Hierauf wird wiederum Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Akten der Disziplinarbehörde mit Beiakten einschließlich der Personalakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

9
Auf die Disziplinarklage des Dienstherrn hin wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt als Polizeimeister (A 7) gemäß Art. 10 BayDG erkannt. Die klägerseitig beantragte Höchstmaßnahme ist hingegen mangels vollständigem Vertrauensverlust nicht auszusprechen.
I.
10
Mängel des Disziplinarverfahrens nach Art. 53 Abs. 1 BayDG, die einer Disziplinarmaßnahme entgegenstehen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
II.
11
Dem Beklagten wird in der Disziplinarklage folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„1.
12
Der Beklagte ist als Polizeibeamter der Polizeiinspektion … … … … … …, tätig. Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem 17.11.2021 ließ der Beklagte in seinen Impfpass durch eine nicht bekannte unbefugte Person bewusst falsch eintragen, dass er am 08.09.2021 und am 06.10.2021 jeweils im Impfzentrum der … Ambulanz … mit einem mRNA-Impfstoff der Marke C. gegen das Covid19- Virus geimpft worden sei. Wie der Beklagte wusste, war er zu keinem Zeitpunkt mit diesem Impfstoff geimpft worden.
13
Am 23.11.2021 legte der Beklagte in den Räumen der Polizeiinspektion … seiner Dienststellenleitung den, wie er wusste, gefälschten Impfpass vor, um vorzutäuschen, dass er bereits zweifach gegen Covid19 geimpft sei und die zu diesem Zeitpunkt in den Räumen der Polizeiinspektion geltenden „3G“-Regeln erfüllte.
14
Dies ist strafbar als Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB a.F. Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft M... I vom 27.06.2022 nach § 153a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage i. H. v. 250 € eingestellt.
2.
15
Der Beklagte äußerte in Textnachrichten gegenüber PHM …, welche er zumindest vor dem 10.11.2021 übersandte, seinen Unmut bezüglich der auf seiner Dienststelle umgesetzten Coronamaßnahmen und stellte dabei auch einen Bezug zum Dritten Reich her.
16
Der Beklagte äußerte sich in den Textnachrichten wie folgt:
17
„Ich warte seit 20min auf Rückruf von O … Sollten wir noch in einer Demokratie leben, so gilt das GG und der Datenschutz. Es gibt keinen einzigen Test, welcher zur Anwendung bei symptomlosen Menschen zugelassen ist, daher sind die Tests freiwillig und Testpflicht wurde durch die Hintertüre eingeführt (Zutrittsverbote).“
18
„Wenn ich als gesunder Mensch vom Leben und der Arbeit ausgeschlossen werde, dann lebe ich in einer Diktatur. Laut Definition ist die BRD eine Demokratie und Rechtsstaat. So wurde mir das in der Schule und in meiner Polizeiausbildung beigebracht. 1933 hat es auch so begonnen. Wehret den Anfängen.“
3.“
19
Im Rahmen der am 21.12.2021 durch das BLKA, SG …, vollzogenen Durchsuchung wegen des Verdachts des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse wurde in dem persönlichen Spind des Beklagten auf der PI … – … … … … … …, eine Packung Kräuterlikör „…“ aufgefunden, in dieser befanden sich eine leere und zwei ungeöffnete Flaschen mit 0,02 Litern Inhalt.
4.
20
Weiterhin wurde im Rahmen der Durchsuchung am 21.12.2021 in dem persönlichen Spind des Beklagten auf der PI …  … … … … … …, ein Führerschein, KI. A, BE, C1E, ML, Nr. A …, Schütze R … …, ausgestellt am …10.2000 LH Stuttgart aufgefunden. Dieser Führerschein war zur Sicherstellung aufgrund Abhandenkommens durch Diebstahl, Tatzeit … …2013, ausgeschrieben.“
21
(Auszug aus der Disziplinarklage)
III.
22
Der vorstehende Sachverhalt steht nach den Einlassungen des Beklagten und nach Aktenlage mit Ausnahme der genauen Bewertung, ob und inwieweit die zur Last gelegten Äußerungen einen Bezug zum Nationalsozialismus herstellen, fest.
23
Gegenstand des vorliegenden Disziplinarklageverfahrens sind (nur) die Vorwürfe, die sich aus dem in der Disziplinarklage zur Last gelegten Sachverhalt ergeben.
24
Insofern ist herauszustellen, dass ein – vorliegend durchaus denkbarer und in den rechtlichen Ausführungen in der Disziplinarklage ansatzweise erkennbarer – Vorwurf, über einen gewissen Zeitraum dienstpflichtwidrig i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegen die angeordnete Testpflicht bei fehlender Impfung verstoßen zu haben, sich nicht aus der Sachverhaltsdarstellung des Disziplinarbehörde ergibt. Soweit die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung angab, der Beklagte habe am 10. November 2021 das digitale Impfzertifikat mit der Folge vorgezeigt, dass er von der Testpflicht entsprechend befreit wurde, ergibt sich dies aus den zitierten obigen Ausführungen nicht.
25
Ebensowenig sind die weiteren aktenkundigen Textnachrichten des Beklagten mit Kritik an den Cororna-Maßnahmen und sein diesbezügliches Verhalten auf der Dienststelle oder in diesem Kontext erfolgte F...inhalte nicht zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens und des erhobenen Vorwurfs gemacht worden. Ob und inwiefern darin dienstpflichtwidriges ansehens- und vertrauensschädigendes, insbesondere den Dienstbetrieb störendes Verhaltens zu sehen sein könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
IV. 
26
1. Durch die Beschaffung eines gefälschten Impfausweises und der Vorlage am 23. November 2021 mit dem Zweck vorzutäuschen, bereits geimpft zu sein und daher die 3G-Regeln zu erfüllen, hat der Beklagten innerdienstlich ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen. Der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse, wie vorliegend dem Impfausweis, ist bereits zum Zeitpunkt am 23. November 2021 gemäß § 279 StGB a.F. strafbar gewesen. Dadurch verstieß der Beklagte – schuldhaft – gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze. Der Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben seinem Dienstherrn gegenüber geht dabei im tatbestandlichen Vorwurf des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses auf. Trotz des Strafrahmens von (nur) bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe ist durch den innerdienstlichen Charakter und den Bezug des strafbaren Verhaltens zum Statusamt als Polizeibeamter eine Disziplinarwürdigkeit i.S.v.. § 47 Abs. 1 BeamtStG zu bejahen. Die Einlassungen des Beklagten, selbst nicht von einem strafbaren Verhalten ausgegangen zu sein bzw. den Impfausweiseintrag ursprünglich nicht zur tatsächlichen Verwendung beschafft zu haben, stellen eine nicht glaubhafte Schutzbehauptung des Beklagten dar und wären im Übrigen als unbeachtlicher Verbotsirrtum einzustufen.
27
2. Soweit dem Beklagten zwei Textnachrichten als dienstpflichtwidrig zur Last gelegt werden, vermag das Gericht dieser Bewertung der Disziplinarbehörde nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zu folgen.
28
a) Die erste zitierte Passage übt Kritik an den zur Anwendung genutzten sog. Corona-Tests zur damaligen Zeit und dass „durch die Hintertüre“ eine Testpflicht eingeführt worden sei. Hierbei handelt es sich noch um eine durchaus zulässige Kritik (innerdienstlich) Natur, die auch der Dienstherr aushalten muss. Zwar ist diese durch den vorangestellten Bezug „Sollten wir noch in einer Demokratie leben, so gilt GG und der Datenschutz.“ sehr zugespitzt und übertrieben, enthält sie schließlich den indirekten Vorwurf demokratiewidriger und datenschutzwidriger Vorgaben des Dienstherrn bzw. den Anordnungen des Dienstherrn zugrundeliegender normativer Vorgaben. Der Dienstherr muss sich jedoch durchaus bis zu einem gewissen Grad auch zugespitzte Kritik seitens eines Beamten gefallen lassen. Schließlich gilt die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Grundgesetz (GG) auch für persönliche Äußerungen eines Beamten, selbst wenn sie innerdienstlich, aber nicht in dienstlicher Ausübung, sondern die eigene Person betreffend getätigt werden. Dabei darf die Kritik aber nicht ins Beleidigende, Verfassungsfeindliche bzw. fern jeglicher Sachlichkeit Gehende abdriften. Auch eine sog. „Flucht in die Öffentlichkeit“ kann zur Dienstpflichtwidrigkeit führen. Gerade vor dem Hintergrund der damaligen besonderen Lage der Corona-Pandemie, die nicht nur die Behörden, sondern die gesamte Bevölkerung vor große Herausforderungen stellte, muss dabei ein besonderes Maß angelegt werden. Der zitierten, innerdienstlich geäußerten Aussage bereits einen ansehens- und vertrauensschädigenden Charakter zu entnehmen, folgt das Gericht daher nicht.
29
b) Mit der zweiten zitierten Aussage stellt der Beklagte durch den Abschlusssatz „1933 hat es auch so begonnen. Wehret den Anfängen.“ zwar einen Bezug zur nationalsozialistischen Diktatur her. Deutlich zielt dies aber auf den „Ausschluss vom Leben und Arbeit“ nicht erkrankter Personen ab. Der Fokus liegt auf der Kritik an den Maßnahmen vor dem Hintergrund der Geltung der grundgesetzlichen Freiheitsrechte und lässt nicht erkennen, dass der Dienstherr tatsächlich mit einem Diktator verglichen werden soll. Einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht vermag das Gericht nicht zu erkennen. Der Disziplinarbehörde ist zuzugeben, dass mit einem unsachlichen Vergleich mit der NS-Diktatur eine Verharmlosung dieser Schreckens- und Willkürherrschaft einhergehen kann. Im widerstreitenden Zusammenspiel mit dem Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot des Beamten bedarf es jedoch eines zurückhaltenden und sensiblen Umgangs mit disziplinarischen Konsequenzen gegenüber der Meinungsfreiheit unterliegender Äußerungen von Beamten. Gerade vor dem Hintergrund des hohen Guts der Meinungsfreiheit, der zur Last gelegt nur innerdienstlichen Kritik und insbesondere Berücksichtigung der damaligen besonderen Lage der Corona-Pandemie ist die Schwelle zur Dienstpflichtwidrigkeit vorliegend nicht überschritten.
30
c) Im Übrigen fielen die Äußerungen selbst bei Annahme eines ansehens- und vertrauensschädigenden Inhalts gegenüber dem strafbaren Verhalten (siehe zuvor) nicht eigenständig ins Gewicht, vgl. Art. 54 i.V.m. Art. 21 BayDG.
31
Im Rahmen des Persönlichkeitsbildes und der genauen Umstände des Dienstvergehens können die Äußerungen jedoch Berücksichtigung finden (s.u.).
32
3. Der sich aus 3. des zur Last gelegten Verhaltens ergebende Vorwurf, entgegen der zitierten Dienstvorschriften Alkohol auf der Dienststelle aufbewahrt zu haben, ist objektiv zu bejahen. Auch ist dem Beklagten insoweit jedenfalls fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Der Genuss alkoholischer Getränke im unmittelbaren dienstlichen Zusammenhang wird jedoch nicht vorgeworfen, sondern die Aufbewahrung einer nur sehr geringen Menge (2 ungeöffnete Flaschen 0,02l Kräuterlikör und ein leere Flasche). Die Aufbewahrung erfolgte dabei im Spind, der der Aufbewahrung persönlicher Gegenstände dient. Damit hat der Beklagte zwar fahrlässig seiner Pflicht zur Beachtung dienstlicher Anordnungen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zuwidergehandelt. Das Gericht hat jedoch Zweifel daran, insoweit bereits die Notwendigkeit disziplinarischer Konsequenzen zu bejahen. Dabei darf, nicht zuletzt unter Verhältnismäßigkeitserwägungen, nicht außer Acht geraten, dass ein Beamter und insbesondere Polizeibeamte in ihrer täglichen Arbeit eine Vielzahl an Vorschriften zu beachten haben. Nicht jeder Verstoß entfaltet dabei gleich eine disziplinarische Relevanz. Vorliegend ist der Beklagte insbesondere nicht anderweitig im Kontext von Alkohol und Betäubungsmitteln aufgefallen. Die disziplinarische Relevanz daraus abzuleiten, dass der Beklagte sich wie bei den anderen Vorwürfen nicht an dienstliche Vorgaben halte, überzeugt nicht. Auch insoweit sieht das Gericht somit die disziplinarische Schwelle nicht überschritten.
33
Im Übrigen fiele das zur Last gelegte Verhalten im Verhältnis zum schwerpunktmäßigen Vorwurf (s.o.) nicht Gewicht.
34
4. Der unter 4. zur Last gelegte Sachverhalt und die diesbezüglichen Ausführungen in der Disziplinarklage lassen den disziplinarischen Vorwurf an sich nur erahnen. Dadurch, dass ein irgendwann und irgendwie abhandengekommener Führerschein im Spind des Beklagten gefunden wurde, lässt sich (nur) schlussfolgern, dass der Beklagte im Vorfeld zu einer nicht mehr bestimmbaren Zeit in einer unklaren Art und Weise gegen die Vorgaben zur Asservatenbehandlung oder anderer Dienstvorschriften verstoßen haben dürfte. Es kann aber gerade auch nicht ausgeschlossen werden – auf den chaotischen Zustand im Spind ausweislich der Fotos in der Akte wird verwiesen –, dass der Führerschein zwischen andere, ggf. private, Dinge des Beklagten auf seinem Schreibtisch gerutscht und damit ohne sein Wissen in den Spind gelangt ist. Vom Vorwurf dienstpflichtwidrigen Verhaltens ist der Beklagte daher freizustellen, da weder die genauen Umstände noch der diesbezügliche subjektive Tatbestand bewiesen sind. Auch hier gilt im Übrigen, dass nicht jeder Fehler, der einem Polizeibeamten unterläuft, bereits disziplinarischer Ahndung bedarf.
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Mit Blick auf den – ungeordneten – Zustand im Spind des Beklagten ausweislich der in der Akte belegten Beobachtungen erscheint eine Ermahnung seitens seiner Führungskraft zu mehr Ordentlichkeit im Spind und eine Sensibilisierung für die Aufbewahrung der darin enthaltenen Gegenstände erforderlich, aber auch ausreichend.
V.
36
Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens mit Würdigung der Umstände des Einzelfalls, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG stellt die Zurückstufung i.S.v. Art. 10 BayDG um zwei Stufen in das Amt eines Polizeimeisters in der Besoldungsgruppe A 7 die angemessene, aber auch erforderliche Disziplinarmaßnahme dar. Die klägerseitig beantragte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis kommt hingegen nicht in Betracht. Dem liegt Folgendes zugrunde:
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1. Auch im innerdienstlichen Kontext ist beim Vorwurf strafbaren Verhaltens bei der Maßnahmebemessung in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit 2015 zunächst vom einschlägigen Strafrahmen auszugehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – beck-online Rn. 17-19). Der Gesetzgeber hat mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen; nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – beck-online Rn. 17ff.). Abzustellen ist dabei auf den zum Zeitpunkt des zur Last gelegten Verhaltens bestehenden Strafrahmen, vorliegend somit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Zwar hatte der Gesetzgeber bereits Änderungen beschlossen und war ein solches Verhalten ab dem folgenden Tag mit einer Strafe von bis zu 5 Jahren aufgrund der damit verbundenen Urkundenfälschung bedroht. Es bedarf insoweit jedoch einer ganz formalen Betrachtungsweise. Folglich und in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Klägers eröffnet das strafbare Verhalten nach § 279 StGB a.F. angesichts des bestehenden Bezugs zum Statusamt eines Polizeibeamten einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung. Für einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme reicht der Strafrahmen gerade nicht aus.
38
Entgegen der Ausführungen des Beklagtenbevollmächtigten kommt es hingegen nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht (indiziell) auf das konkrete Strafmaß an (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3/18 – beck-online Rn. 34 ff.; BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 2 B 43/21 – beck-online Rn. 18). Dass das strafbare Verhalten somit gegen Geldauflage i.H.v. 250,- € eingestellt wurde, vermag die Ausschöpfung des Orientierungsrahmens für sich genommen nicht zu hindern.
39
Im Rahmen der gebotenen Betrachtung der Umstände des Einzelfalls gilt es zu überprüfen, in welchem Umfang der eröffnete Orientierungsrahmen auszufüllen ist. Aufgrund des gegen den Dienstherrn gerichteten und innerdienstlichen Verhaltens, dem damit verbundenen Risiko für die Kolleginnen und Kollegen und die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs für den Fall, dass der Beklagte ohne Impfung und ohne Test seinem Dienst in der Folge nachgegangen wäre sowie der an sich bestehenden niederschwelligen Möglichkeit eines Tests statt einer Impfung und zudem aufgrund der besonderen Anforderungen an das Amt eines Polizeibeamten zur Befolgung dienstlicher Vorgaben ist das Dienstvergehens als derart schwer einzustufen und mit großem Vertrauensverlust verbunden, dass der Orientierungsrahmen auszuschöpfen ist und sich im Grenzbereich zur Höchstmaßnahme bewegt. Auf die weiteren Ausführungen der Disziplinarbehörde zur Begründung der Schwere des dienstpflichtwidrigen Verhaltens kann insoweit Bezug genommen werden.
40
Über den Orientierungsrahmen hinaus zu gehen, somit die Höchstmaßnahme auszusprechen, wie von der Disziplinarbehörde beantragt, bedürfte hingegen eigenständig erschwerender Dienstpflichtverletzungen. Wie bereits dargestellt, vermag das Gericht solche in den zur Last gelegten beiden Textnachrichten, der Aufbewahrung von zwei 0,02l Flaschen Kräuterlikör im Spind bzw. des sichergestellten Führerscheins eines Dritten gerade nicht zu sehen, die eigenständig derart ins Gewicht fielen.
41
2. Vielmehr sind bei der Würdigung der Gesamtumstände die damaligen besonderen belastenden Umstände der Corona-Pandemie insgesamt und insbesondere die beklagenseitig überaus umfangreich dargestellten besondere Umstände durch seine damals übermäßig in Bezug auf die Corona-Maßnahmen kritische Lebensgefährtin zu berücksichtigen.
42
Zwar ist insoweit noch nicht von einer in der Rechtsprechung als Milderungsgrund anerkannten sog. (überwundenden) negativen Lebensphase auszugehen. Diese setzt voraus, dass die persönlich besonders belastende Situation derart gravierend ist und den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen hat, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – beck-online Rn. 10f.; OVG Münster, U.v. 29.9.2021 – 3d A 148/20.O – beck-online Rn. 78.; VG München, U.v. 20.2.2024 – M 13L DK 21.4364 – beck-online Rn. 93). Dieser hohe Maßstab ist vorliegend nicht erreicht.
43
Das Gericht muss bei der Maßnahmebemessung jedoch auch offen sein für mildernde Umstände unterhalb der Schwelle zu anerkannten Milderungsgründen. Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden. Dabei müssen die Milderungsgründe jedoch umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2018 – 2 WD 10.18 – beck-online Rn. 44 m.w.N.).
44
Diesbezüglich hat der Beklagtenbevollmächtigte umfangreich vorgetragen und zeigt sich auch nach Aktenlage (im Bericht über die Durchsuchung beim Beklagten mit einer deutlich beobachteten Verhaltensänderung bei Erscheinen der Partnerin), wie sehr der Beklagte zur damaligen Zeit unter dem Einfluss seiner Partnerin und ihrer Haltung zu Corona-Maßnahmen stand. Andererseits muss von einem Beamten und insbesondere einem Polizeibeamten erwartet werden, sich für seinen Dienst von solchen Einflussnahmen zu befreien. Dabei darf die damalige besondere Situation in der Corona-Pandemie jedoch nicht außer Acht bleiben. Aufgrund eingeschränkter Sozialkontakte war es umso wichtiger, mit den Menschen um sich herum im Kontakt zu bleiben, so dass in gewissem, wenngleich nicht übermäßig durchschlagendem Umfang mildernd eingestellt werden kann, welchen Einfluss die Partnerin damals auf den Beklagten hatte. Zwar könnte ebenso argumentiert werden, wenn die Partnerin dem Beklagten derart kritisch hinsichtlich der Corona-Maßnahmen in den Ohren gelegen hat, hätte er gerade auf der Dienststelle sich hiervon gedanklich freimachen können. Dass dem Beklagten dies nicht gelang, ist jedoch nicht erschwerend zu berücksichtigen. Angesichts der glaubhaft geschilderten damaligen Situation des Beklagten verbunden mit seiner Reue und den Einlassungen, dies mit seiner Partnerin geklärt zu haben, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Zurückstufung ins Eingangsamt dem Dienstvergehen von seiner Schwere unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und persönlichen Situation des Beklagten trotz des massiv vertrauensschädigenden Verhaltens Rechnung trägt. Eine weniger schwere Maßnahme wiederum würde dem Vertrauensverlust und hohen Ansehensschädigung durch das dienstpflichtwidrige Verhalten nicht hinreichend Rechnung tragen. Hier kann durchaus einfließen, dass der Gesetzgeber für ein vergleichbares Verhalten am darauffolgenden Tag bereits einen erheblich erhöhten Strafrahmen bestimmt hatte, der bis zur Höchstmaßnahme reicht.
VI.
45
Die Zurückstufung ist geeignet, aber auch erforderlich, – auch unter Berücksichtigung der differenzierten Ausführungen im Persönlichkeitsbild und übrigen dem Beklagten zur Last gelegten Verhalten (s.o.) – dem Beklagten vor Augen zu führen, dass sein Verhalten nicht mit dem Berufsbeamtentum und den diesbezüglichen Anforderungen, insbesondere zur Gehorsamspflicht, in Übereinstimmung zu bringen war. Durch sein Verhalten hat der Beklagte als Polizeibeamter das Vertrauen seines Dienstherrn und Dienstvorgesetzen sowie seiner Kolleginnen und Kollegen massiv und nachhaltig beeinträchtigt, den Dienstbetrieb zu Lasten der Kollegen gefährdet und zudem eine enorme Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums in der Öffentlichkeit verursacht.
46
Die Zurückstufung in das Amt als Polizeimeister ist daher insgesamt verhältnismäßig.
VIII. 
47
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.