Titel:
Kein Anspruch auf Protokollergänzung nach Ende der mündlichen Verhandlung, keine Unrichtigkeit des Protokolls, wesentliche Vorgänge der Verhandlung
Normenketten:
VwGO § 105
ZPO § 160
Schlagworte:
Kein Anspruch auf Protokollergänzung nach Ende der mündlichen Verhandlung, keine Unrichtigkeit des Protokolls, wesentliche Vorgänge der Verhandlung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42201
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
1
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2024 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin die Ergänzung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 18. November 2024. Nach dem Satz „Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass Fleischprodukte mikrobiologisch anfällig seien. Der Begriff Kontaminationsrisiko dürfe nicht auf die Frage einer mikrobiologischen Verunreinigung verengt werden.“ solle der Text „Auf Nachfrage des Klägervertreters führte Frau Dr. ... weiter aus, dass, obwohl sie die betreffende Stellungnahme verfasst habe, hier mikrobiologisch tatsächlich nicht zu beanstanden sei. Gleichwohl sei die eine oder andere Form ´nicht so appetitlich`.“ angefügt werden. Die Protokollberichtigung sei zur Herstellung der Richtigkeit notwendig, weil durch sie der Sachverhalt erheblich deutlicher und die rechtliche Einordnung schärfer vorgenommen werden könne.
2
Der Beklagten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Diese wies darauf hin, dass kein Anspruch auf Protokollberichtigung bestehe, weil keine Unrichtigkeit des Protokolls vorliege. Das Protokoll gebe die Aussage von Frau Dr. ... zutreffend wieder. Die von der Klägerin beantragte Ergänzung des Protokolls verfälsche deren Aussage, weil sie in der mündlichen Verhandlung keine Feststellung dazu getroffen habe, ob etwas mikrobiologisch zu beanstanden sei, weil dies für die Einhaltung der Hygienevorschriften gerade nicht relevant sei.
3
Der Antrag auf Protokollberichtigung hat keinen Erfolg.
4
1. Für die Entscheidung über Protokoll- bzw. Urteilsberichtigungsanträge ist die als Einzelrichterin entscheidende Kammervorsitzende zuständig (§ 105 VwGO i.V.m. § 164 Abs. 3 Satz 2 ZPO; BFH, B.v. 22.3.2011 – XP 198/10 – juris).
5
2. Über die Verhandlung und jede Beweisaufnahme ist gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 159 ZPO ein Protokoll aufzunehmen. Das gilt nach § 160 Abs. 2 ZPO (nur) für die wesentlichen Vorgänge des Verhandlungsablaufs. Was wesentlich ist, bestimmen zunächst die Regelungen in § 160 Abs. 1, 3 und 4 ZPO. Im Übrigen hat die Richterin bzw. der Richter die Beurteilung, ob ein wesentlicher Vorgang vorliegt, nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen (Wendtland in BeckOK ZPO, Stand 1.9.2024, § 160 Rn. 6 m.w.N.) Die Beteiligten können gemäß § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Ein solcher Antrag ist jedoch nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässig; ein danach gestellter Antrag kann aber als Anregung zur Protokollberichtigung nach § 164 ZPO behandelt werden (BayVGH, B.v. 28.3.2019 – 13 A 17.1709 u.a. – juris Rn. 2 ff.; BayVGH B.v. 12.5.2014 – 11 C 14.64 – juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 23.12.2005 – 11 A 1751/04 – juris Rn. 2; Wendtland in BeckOK ZPO, a.a.O., § 160 Rn. 26 m.w.N).
6
Da der Antrag auf Protokollergänzung erst mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2024 und somit nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ist dieser Antrag unzulässig, kann – ungeachtet der rechtskundigen Vertretung der Klägerin – aber als Anregung an das Gericht auf Protokollberichtigung angesehen werden.
7
3. Der so verstandene Antrag auf Berichtigung des Protokolls bzw. die entsprechende Anregung bleibt aber erfolglos.
8
a) Nach § 164 Abs. 1 ZPO können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit berichtigt werden. Für die Frage, ob ein Protokoll im Rechtssinne unrichtig ist, kommt es darauf an, ob aus der Sicht des Verhandlungstermins, auf den sich das Protokoll bezieht, der Vorgang protokollierungspflichtig ist. Das Protokoll braucht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung wiederzugeben, nicht deren gesamten Inhalt. So ist in § 160 Abs. 2 ZPO bestimmt, dass (nur) die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in das Protokoll aufzunehmen sind. Wesentlich im Sinne des § 160 Abs. 2 ZPO sind alle entscheidungs- und ergebniserheblichen Vorgänge, damit sich die Rechtsmittelinstanz im Einzelfall von der Ordnungsgemäßheit des Verfahrens und der Entscheidungsfindung effektiv überzeugen kann (vgl. FG München, B.v. 7.2.2014 – 10 K 3728/10 – juris). Der Sachvortrag der Beteiligten gehört nicht zu den Umständen, die gemäß § 160 Abs. 1 bis 3 ZPO notwendig protokolliert werden müssen (BVerwG, B.v. 18.11.2004 – 10 B 17.04 – juris Rn. 7). Die Notwendigkeit der Protokollierung einer bestimmten Aussage kann sich allenfalls aus dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergeben.
9
Eine Protokollberichtigung kann zwar auch eine „Unvollständigkeit“ des Protokolls umfassen. In Abgrenzung zum Protokollaufnahmeantrag nach § 160 Abs. 4 ZPO können dies jedoch nur sprachliche Unvollständigkeiten bei der Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung sein, nicht jedoch die vollständig fehlende Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung. Andernfalls würde die Beschränkung des Antragsrechts nach § 160 Abs. 4 ZPO bis zum Schluss der Verhandlung und der Ausschluss der Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 160 Abs. 4 Satz 3 ZPO leerlaufen. Strebt eine Partei die Aufnahme bestimmter Vorgänge oder Äußerungen durch den diktierenden Richter oder die Richterin in die Protokollaufzeichnung an, so kann dies nur mittels eines Protokollaufnahmeantrags nach § 160 Abs. 4 ZPO erreicht werden, der bis zum Schluss dieser Verhandlung zu stellen ist. Dies ist auch sachgerecht, weil die Nichtaufnahme einer Äußerung in die vorläufige Protokollaufzeichnung bereits während der Verhandlung erkennbar ist und darum unterschiedliche Rechtsstandpunkte diesbezüglich zwischen den Parteien und dem Gericht noch in der Sitzung abschließend geklärt werden können (OLG Dresden, Urteil vom 11.10.2016, 4 U 556/16 juris-R 34; Anwaltsgerichtshof Hamm, B.v. 4.1.2024 – 1 AHGH 11/23 – juris Rn. 2).
10
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Ergänzung des Protokolls hinsichtlich der Aussage von Frau Dr. ... in dem von der Klagepartei gewünschten Sinn nicht geboten. Das Protokoll ist insoweit nicht unrichtig. Es entspricht vielmehr den Vorgaben der §§ 105 VwGO, 160 ZPO, da die wesentlichen Vorgänge protokolliert wurden und nicht jede Einzelheit des Verfahrens unter die Protokollierungspflicht fällt. Die von der Klagepartei gewünschte Ergänzung der Aussage von Frau Dr. ... waren auch nicht als „Aussagen“ im Sinn von § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO aufzunehmen, da sie nicht im Rahmen einer Beweisaufnahme erfolgte. Frau Dr. ... wurde lediglich informatorisch angehört. Ihre Aussage stellt schlichtes Parteivorbringen dar. Im Übrigen waren alle für die Entscheidung wesentlichen Aspekte bereits schriftsätzlich vorgetragen worden. Die Protokollberichtigung ist kein Instrument, um die rechtliche und tatsächliche Würdigung des Streifalls einschließlich der Rechtsstandpunkte und Behauptungen der Beteiligten anzugreifen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.