Titel:
Sicherheitsleistung, Sofortige Beschwerde, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Antragsgegner, Zuschlagsbeschluß, Verrechnungsscheck, Rechtspfleger, Sicherheitsverlangen, Elektronisches Dokument, Gebot im Versteigerungstermin, Verfahrensbevollmächtigter, Aufhebungsentscheidung, Verkehrswertgutachten, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Elektronischer Rechtsverkehr, Wirksames Gebot, Geringstes Gebot, Protokollberichtigung, Beschwerdegericht, Zuschlagsbeschwerde
Schlagwort:
Zwangsversteigerung
Vorinstanz:
AG Wolfratshausen, Beschluss vom 18.11.2022 – 2 K 19/21
Fundstellen:
ZfIR 2025, 119
LSK 2024, 42157
BeckRS 2024, 42157
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 01.12.2022 hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 18.11.2022, Az. 2 K 19/21, aufgehoben und der Zuschlag versagt.
II. Das Beschlagnahmeobjekt, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Wolfratshausen von B.-T., Gemarkung B.-T., Flurstück, Wohngebäude, Nebengebäude, Tiefgarage und Garten,, wird an für den bar zu zahlenden Betrag von 1.800.000,00 € zugeschlagen, wobei folgende Rechte als Teil des geringsten Gebots bestehen bleiben:
Abteilung II des Grundbuchs:
Wasserleitungsrecht mit Nebenrechten für Stadt B.-T. Zuzahlungsbetrag gemäß §§ 50,51 ZVG
Geh- und Fahrtrecht für die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Band Bl. FlSt.
Zuzahlungsbetrag gem. § 50,51 ZVG
Gehrecht für die jeweiligen Eingetümer des Grundstücks Band Bl. FlSt.
Zuzahlungsbetrag gemäß §§ 50, 51 ZVG.
III. Die Kosten des Verfahrens werden niedergeschlagen.
Gründe
1
Die Antragstellerin beantragte als Miteigentümerin mit Schreiben vom 11.06.2021 die Teilungsversteigerung des Grundstücks Fl. Nr., Germarkung B. T. aufgrund eines entsprechenden Vergleichs im Verfahren vor dem LG München II, Az. 11 O 1288/20. Weitere Miteigentümerin war die Verwaltungs-GmbH und Co KG, vertreten durch die Komplementärin GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer. Diese ursprüngliche Miteigentümerin hat ihren gesamten Miteigentumsanteil an den Antragsgegner Herrn übertragen, was am 10.11.2022 in das Grundbuch eingetragen wurde.
2
Der Versteigerungstermin wurde mit Beschluss vom 27.05.2022 auf den 22.07.2022 bestimmt. Auf Antrag der Antragstellerin wurde der Termin mit Einverständnis des Antragsgegners mit Beschluss vom 18.07.2022 auf den 11.11.2022 verlegt.
3
Über die öffentliche Sitzung des Amtsgerichts zum Versteigerungstermin am 11.11.2022 wurde durch die vorsitzende Rechtspflegerin und die Justizangestellte als Protokollführerin eine Niederschrift erstellt (Blatt 81/85).
4
Der Versteigerungstermin wurde am 11.11.2022 durchgeführt und im Rahmen der Verhandlung über den Zuschlag von Amts wegen ein Termin zur Verkündung des Zuschlags bestimmt auf den 18.11.2022. Der Antragsgegner Herrn meldete im Termin seine Verfahrensposition als betreibender Miteigentümer an und nahm zugleich an der Versteigerung teil.
5
Aus der Niederschrift zum Termin lässt sich entnehmen, dass um 10.20 Uhr als erstes Gebot ein Gebot der Antragstellerin, vertreten durch Herrn als Geschäftsführer der Vermietungs-GmbH, in Höhe von 3.500.000,00 € abgegeben wurde. Um 10.25 Uhr wurde gelüftet. Um 10.34 Uhr wurde vom Antragsgegner Sicherheit verlangt und im Anschluss Sicherheit für erforderlich erklärt. Es wurde festgestellt, das die Sicherheitsleistung nicht erbracht ist. Um 10.36 Uhr wurde die Bieterstunde für 10 Minuten unterbrochen und um 10.48 Uhr fortgesetzt. Die Rechtspflegerin wies sodann das Gebot der Antragstellerin zu 3.500.000,00 € mangels Sicherheitsleistung zurück, da die Ausstellerin des vorgelegten Verrechnungsschecks nicht erkennbar war. Anschließend gab der Antragsgegner ein Gebot in Höhe von 1.800.000,00 € ab, Sicherheitsleistung wurde gefordert und erbracht. In Folge wurde ein weiteres Gebot durch die Antragsstellerin abgegeben, welches mangels Sicherheitsleistung zurückgewiesen wurde. Ein weiteres Gebot der Ehefrau des Antragstellervertreters wurde mangels Ernsthaftigkeit, jedenfalls mangels Sicherheitsleistung zurückgewiesen. Es wurde festgestellt, dass der Antragsgegner mit einem Bargebot von 1.800.000,00 € der Meistbietende geblieben war. Es wurde über den Zuschlag verhandelt. Der Meistbietende beantragte, den Zuschlag an ihn zu erteilen. Der Antragstellervertreter erklärte, mit der Zuschlagserteilung nicht einverstanden zu sein. Es wurde oben genannter Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt.
6
Im Verkündungstermin vom 18.11.2022 wurde der Zuschlagsbeschluss verkündet (Blatt 100/101 bzw. 102/106) und das Versteigerungsobjekt der Antragstellerin zugeschlagen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
7
Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 01.12.2022 beantragte der Antragsgegner Protokollberichtigung und legte die hier gegenständliche sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss ein (Blatt 112/124). Dabei beantragte er, in das Protokoll neue Sätze einzufügen mit im Antrag vorgegebenen Inhalt, bestimmte Absätze gemäß dem Antrag neu zu fassen, sowie bestimmte Sätze zu streichen (Blatt 113).
8
Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 23.12.2022, 22.02.2023 und 12.09.2023 Stellung. Sie ist der Ansicht, das Sicherheitsverlangen sei verspätet gewesen, jedenfalls aber das Gebot über 3.500.000 € bereits zugelassen gewesen, so dass eine Zurückweisung mangels Sicherheitsleistung nicht mehr möglich gewesen sei. Hilfsweise führt sie aus, dürfe der Zuschlag nicht an den Beschwerdeführer erteilt werden, da mit den gebotenen 1.900.000,00 € die Hälfte des Grundstückswerts nicht erreicht sei. Aufgrund einer Veränderung wertbildender Umstände (turnusmäßiges Gutachten des Gutachterausschusses mit Anpassung des Bodenrichtwerts und Anpassung der Pacht aufgrund Anstiegs des Verbraucherpreisindexes) hätte eine Anpassung der Wertfestsetzung stattfinden müssen. Ergänzend wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
9
Mit Beschluss vom 09.01.2023 wies die Rechtspflegerin des Amtsgerichts den Antrag auf Berichtigung des Protokolls vom 11.11.2023 vollumfänglich zurück (Blatt 138/142). Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner durch Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 31.01.2023 (Blatt 144/148) Erinnerung ein und beantragte auch hier, in das Protokoll neue Sätze einzufügen, Absätze gemäß dem Antrag neu zu fassen sowie bestimmte Sätze zu streichen. Mit Beschluss vom 19.04.2023 half die Rechtspflegerin des Amtsgerichts der Erinnerung nicht ab, § 11 Abs. 2RPflG. Mit Beschluss vom 25.04.2023 wies die Richterin am Amtsgericht die Erinnerung gegen den Beschluss vom 09.01.2023 zurück. Die Verantwortlichkeit für den Protokollinhalt sei gemäß den §§ 163, 164 ZPO ausschließlich den Teilnehmern der Sitzung übertragen, es bestehe keine gesetzliche Kompetenz des für die Entscheidung über die Erinnerung zuständigen Richters, den Inhalt des Protokolls zu ändern. Auf die weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird Bezug genommen (Blatt 163/164). Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 11.05.2023 legte der Antragsgegner gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde ein (Blatt 165/169). Auf die dort gestellten Anträge und die Begründung wird inhaltlich verwiesen. Mit Verfügung vom 19.05.2023 (Blatt 170) wies die Richterin am Amtsgericht die Antragsgegnerseite als Beschwerdeführer darauf hin, dass mit dem Beschluss vom 25.04.2023 eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrungerteilt worden sei, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss sei nicht statthaft. Der Antragsgegner möge binnen einer Woche mitteilen, ob die sofortige Beschwerde trotzdem aufrechterhalten bleiben solle. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht. Am 19.06.2023 legte das Amtsgericht die sofortige Beschwerde im Beschwerdegericht vor (Blatt 171). Das Beschwerdegericht wies die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 06.07.2023 als unzulässig zurück (Bl. 172/174).
10
Mit Schreiben vom 21.08.2023 nahm der Antragsgegner ergänzend zur hier gegenständlichen Beschwerde Stellung. Er begehrte die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses des Amtsgerichts vom 18.11.2022 und den Zuschlag an ihn selbst zu einem zu zahlenden Betrag von 1.800.000 € zu erteilen. Hilfsweise beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der angefochtene Beschluss habe nicht ergehen dürfen, da das von der Rechtspflegerin eingeschlagene Verfahren an einem wesentlichen Mangel leide. Diese habe sich widersprüchlich und damit unfair verhalten, da sie nicht ausreichend über den genauen Zeitpunkt des Sicherheitsverlangens belehrt habe. Das Sicherheitsverlangen sei im Sinne des § 67 ZVG „sofort“ erfolgt. Auch habe die Rechtspflegerin eine Sicherheit damals sofort für erforderlich erklärt. Es läge insoweit eine Selbstbindung vor. Auch stelle die Entscheidung eine Verletzung effektiven Rechtsschutzes dar, da der Antragsgegner zum Schluss der Bietstunde davon ausgehen musste, das einzige Gebot abgegeben zu haben. Einen Antrag auf Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins gem. § 85 Abs. 1 S. 1 ZVG habe er daher nicht stellen können. Der Zuschlag sei ihm zu erteilen, da er das einzig wirksame Gebot abgegeben habe.
11
1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß den §§ 96 ZVG, 793 ZPO statthaft. Sie ist zulässig, wurde insbesondere innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 569 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 ZVG eingelegt.
12
2. In der Sache ist die Beschwerde auch begründet und hat Erfolg:
13
Die Beschwerde gegen einen Zuschlagsbeschluss kann gemäß § 100 Abs. 1 ZVG nur auf bestimmte Gründe gestützt werden, nämlich auf eine Verletzung der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a ZVG oder der Erteilung des Zuschlags unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen. Die Anfechtungsgründe müssen genau angegeben werden (Stöber, ZVG, 21. Aufl., § 100, Rn. 2, Anmerkung 2.2).
14
Soweit der Antragsgegner mit der Beschwerde vorträgt, dass sein Antrag auf Sicherheit rechtzeitig gestellt wurde und daher das Gebot des Beschwerdegegners im Termin zutreffend zurückgewiesen wurde, und folglich fehlerhaft der Zuschlag an die Antragstellerin erfolgte, macht er einen solchen Grund geltend. Er hat mit diesem Einwand auch Erfolg.
15
Der Antrag auf Sicherheit ist gem. § 67 Abs. 1 S. ZVG sofort nach Abgabe des Gebots zu stellen. Dabei bedeutet dies, nicht unmittelbar nach dem Ausspruch des Gebots durch den Bieter, sondern bis zum Abschluss der das Gebot betreffenden Formalien wie Aufnahme der Personalien des Bieters bzw. Protokollierung des Gebots durch das Gericht, in jedem Fall aber vor der „Zulassung“ des Gebots durch das Gericht (BeckOK ZVG/Steffen/Schmidberger ZVG § 67 Rn. 11 mwN).
16
Die Sicherheitsleistung muss unmittelbar nach Abgabe eines Gebots im Versteigerungstermin beantragt werden, da das Versteigerungsgericht grundsätzlich unmittelbar nach Gebotsabgabe über die Wirksamkeit entscheiden muss gem. § 71 ZVG (Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 67 ZVG Rn. 2). Auch die Zulassung des Gebots ohne konkrete Entscheidung über den Antrag auf Sicherheitsleistung wäre jedoch möglich (BeckOK ZVG/Steffen/Schmidberger ZVG § 67 Rn. 11).
17
Der Antrag auf Sicherheitsleistung wurde nach diesen Maßgaben unmittelbar nach Abgabe des Angebots gestellt. Aus dem Protokoll lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass das Gebot bereits zugelassen gewesen wäre, als der Antrag auf Sicherheit gestellt wurde. § 72 Abs. 1 S. 2 GVG, wonach ein Überangebot als zugelassen gilt, wenn es nicht „sofort“ zurückgewiesen wird, findet keine Anwendung, da es sich bei dem streitgegenständlichen Gebot um das erste Gebot handelte und mithin kein vorangegangenes Gebot zum Erlöschen hätte bringen können. Das Gericht schien während der Bieterstunde selbst noch davon auszugehen, dass dieses noch nicht zugelassen war, da um 10.48 Uhr das Gebot der Antragstellerin förmlich zurückgewiesen wurde. Dies würde sich widersprüchlich darstellen, wenn das Gebot bereits beim Lüften vor 10.34 Uhr zugelassen gewesen wäre. Soweit aus dem Protokoll ersichtlich, wurde lediglich das Gebot der Antragstellerin abgegeben und in Folge gelüftet, ohne dass die Formalitäten der Gebotsabgabe als abgeschlossen betrachtet worden wären.
18
Ausweislich des Protokolls wurde nach Abgabe des Gebots um 10.20 Uhr um 10.25 „gelüftet“. Weitere relevante Handlungen erfolgten während dieses Zeitraums offenbar nicht. Die nächste Verfahrenshandlung war das Sicherheitsverlangen des Beschwerdeführers um 10.34 Uhr. Letztlich ist das Gebot des § 67 Abs. 1 S. 1 ZVG, unmittelbar nach Abgabe des Angebots Sicherheit zu verlangen, dahingehend auszulegen, dass damit sichergestellt werden soll, dass kein vorheriges Gebot (zu Unrecht) erlöschen kann, weil ein Gebot fälschlich ohne Sicherheit zugelassen wird, oder aber bereits ein nachfolgendes Gebot abgegeben wird und damit unklar ist, welches Gebot aktuell als Höchstgebot anzusehen ist. Beides ist hier nicht der Fall. Bei dem streitgegenständlichen Gebot handelte es sich um das erste Gebot. Ein vorheriges Gebot konnte damit auch nicht (fälschlich) erlöschen, weil das Gebot ohne, bzw. vor dem Sicherheitsverlangen zugelassen worden wäre. Ein nachfolgendes Gebot war auch noch nicht abgegeben worden. Im Gegenteil lässt sich aus dem Protokoll entnehmen, dass das Sicherheitsverlangen unmittelbar an das Gebot anschloss. Weitere oder andere Verfahrenshandlungen fanden dazwischen nicht statt, auch wurden keine sonstigen Erklärungen abgegeben. Es wurde lediglich „gelüftet“, was für das Verfahren selbst als irrelevant zu betrachten ist. Es ist unklar, was während des Lüftens geschah und ob es dem Beschwerdeführer in diesem Zeitraum möglich gewesen wäre, sein Sicherheitsverlangen vorzubringen oder ob es sich um eine faktische Pause handelte. Der bloße Zeitablauf kann nicht das entscheidende Kriterium sein, vielmehr ist der konkrete Ablauf des Termins, wie er sich aus der Niederschrift ergibt, als maßgeblich anzusehen.
19
Das Sicherheitsverlangen des Antragsgegners war damit noch rechtzeitig.
20
Da die Antragstellerin keine ausreichende Sicherheitsleistung vorweisen konnte, wurde das Gebot zu Recht im Termin zurückgewiesen. Grundsätzlich sind auch Verrechnungsschecks als Sicherheit gem. § 69 ZVG zugelassen, sofern sie von einem Kreditinstitut auf ein anderes Kreditinstitut ausgestellt sind. Ein Privatscheck des Bieters bezogen auf seine Hausbank kann nicht zugelassen werden. Wohl aber kann seine Hausbank den Scheck ausstellen auf eine andere Bank. Die ausstellende Bank muss in Deutschland zum Betreiben von Bankgeschäften berechtigt sein. Diese Eigenschaft können auch ausländische Banken erfüllen. Zum Nachweis dient normalerweise die im Gesetz genannte umfangreiche Liste der Kreditinstitute, die regelmäßig aktualisiert wird. Sparkassen und Genossenschaftsbanken stellen die Schecks normalerweise auf ihre zentralen Verbandsbanken aus (BeckOK ZVG/Steffen/Schmidberger ZVG § 69 Rn. 9-10 mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann denknotwendig jedoch nur beurteilt und überprüft werden, wenn die ausstellende Bank erkennbar ist. Dies war hier nicht der Fall, so dass der vorgelegte Verrechnungsscheck keine ausreichende Sicherheitsleistung im Sinne des ZVG darstellte. Der Nachweis muss sich auch aus dem Verrechnungsscheck selbst ergeben, da dieser letztlich die Sicherheit darstellt. Der Nachweis kann nicht mithilfe einer vorgelegten E-Mail geführt werden, sondern muss sich aus der Sicherheit selbst – dem vorgelegten Verrechnungsscheck – ergeben, da es letztlich auf die Werthaltigkeit des Verrechnungsschecks im Rechtsverkehr ankommt.
21
Das Gebot konnte auch noch gem. § 71 Abs. 1 ZVG zurückgewiesen werden. Zutreffend hat die Antragstellerin vorgetragen, dass das Gericht unmittelbar über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Gebots zu entscheiden hat. Dies kann allerdings, entsprechend den obigen Ausführungen, nicht formalistisch am absoluten Zeitablauf festgemacht werden, sondern muss im Gesamtkontext des Termins gesehen werden. Ziel ist es letztlich auch hier, für Klarheit zu sorgen, welches Gebot gültig ist (und ggf. überboten werden kann), und welche Gebote ggf. durch höheres Gebot erloschen sind. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. Anhaltspunkte, dass das Gebot mit dem – verfahrenstechnisch unbeachtlichen – „Lüften des Sitzungssaals“ als zugelassen gelten muss, gibt es nicht. Vielmehr wurde im Anschluss weiterhin über das Gebot verhandelt und dieses letztlich zurückgewiesen, bevor ein weiteres Gebot abgegeben wurde.
22
Soweit die Frage der Rechtzeitigkeit des Sicherheitsverlangens im Zuschlagsbeschluss als verspätet und damit unbeachtlich beurteilt wurde, war dies rechtsfehlerhaft und der Beschluss daher aufzuheben.
23
Die Sache konnte auch nicht gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO unter Aufhebung der Zuschlagserteilung zur erneuten Verhandlung an das Vollstreckungsgericht zurückverwiesen werden. Das Beschwerdegericht hatte in der Sache selbst zu entscheiden, § 101 Abs. 1 ZVG.
24
Der Zuschlagsbeschluss vom 18.11.2022 war infolgedessen aufzuheben und dem Antragsgegner der Zuschlag zu erteilen, da er das Höchstgebot, bzw. das einzige zutreffenderweise zugelassene Gebot, in Höhe von 1.800.000,00 € abgegeben hat.
25
Der Zuschlag war auch nicht zu versagen, da die Hälfte des Grundstückswerts erreicht war. Der Verkehrswert wurde mit rechtskräftigem Beschluss vom 28.12.2021 auf 3.400.000,00 € festgesetzt, wovon das Gebot die Hälfte nicht unterschreitet. Wesentliche neue Tatsachen, welche durch eine sofortige Beschwerde nicht mehr geltend gemacht werden können, und eine Anpassung erfordern würden, liegen nicht vor. Letztlich ist die Festsetzung eines Verkehrswerts immer an einen Stichtag gebunden. Es liegt in der Natur der Sache, dass regelmäßig neue Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses zum jeweiligen Stichtag erfolgen, und dies auch vor dem Termin der Versteigerung der Fall sein kann. Diese können regelmäßig nicht zu einer Neubewertung führen, da ansonsten letztlich die Rechtskraftwirkung hinfällig wäre und regelmäßig neue Gutachten zur Anpassung erholt werden müssten. Gleiches gilt für eine Erhöhung der Pacht aufgrund angestiegenen Verbraucherindexes.
26
Im Übrigen könnte sich die Antragstellerin allein nach § 110 Abs. 1 i.V.m. 83 Nr. 1 ZVG darauf berufen, dass ihr Recht auf Schutz vor Grundstücksverschleuderung gem. § 85a oder § 765a ZPO verletzt sei. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Vorschrift des § 85a Abs. 1 ZVG gewahrt bleibt. So kann lediglich geltend gemacht werden, dass das Objekt werde so weit unter Wert zugeschlagen wurde, dass dies mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Eine ernsthafte Prüfung dieses Tatbestandes kommt allenfalls in Betracht, wenn etwa nach Wegfall der 5/10 – Grenze (als ausdrücklicher gesetzlicher Schutz vor Verschleuderung) das Objekt (deutlich) unter der Hälfte des Verkehrswertes zugeschlagen worden wäre. Dies ist hier auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin ersichtlich nicht der Fall. Im Übrigen zeigt die gesetzgeberische Ausgestaltung (5/10-Grenze, die aber nicht unbegrenzt gilt), dass sogar ein Zuschlag zu weniger als der Hälfte des Verkehrswertes vom Gesetzgeber durchaus in Kauf genommen wird, eine sittenwidrige Verschleuderung daher nur in – hier nicht einschlägigen – Extremfällen angenommen werden kann.
27
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 21 GKG im Hinblick auf die aufzuhebende Entscheidung des Amtsgerichts niedergeschlagen. Eine Festsetzung des Gegenstandswerts war dementsprechend entbehrlich. Ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und einem sich daran anschließenden Beschwerdeverfahren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (BGH, Beschluss vom 29.10.2020 – V ZB 13/20). Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 30.09.2010 – V ZB 160/09).
28
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen vor, da die Sache eine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sie erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Eine obergerichtlich Rechtsprechung wie das Merkmal der Unmittelbarkeit in § 67 Abs. 1 ZVG auszulegen wäre, besteht, soweit ersichtlich, bislang nicht.