Titel:
Anhörungsrüge wegen fehlender Aufforderung zur weiteren Begründung einer Beschwerde
Normenketten:
GG Art. 103 Abs. 1
FamFG § 44 Abs. 1, Abs. 3 S. 3
Leitsätze:
1. Eine Gehörsverletzung kann nicht erfolgreich mit der Begründung geltend machen, dass der Senat vor einer Entscheidung eine weitere Beschwerdebegründung einzufordern hat, wenn der Beschwerdeführer sich in mehrfachen Eingaben weitere Ausführungen vorbehalten hat. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf angebliche formelle oder materielle Fehler des Amtsgerichts kann eine Anhörungsrüge nicht gestützt werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anhörungsrüge, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Aufforderung zur Vorlage einer weiteren Begründung, angekündigt
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 18.04.2024 – 10 UF 230/24
AG Regensburg, Beschluss vom 26.02.2024 – 201 F 181/24
Rechtsmittelinstanz:
VerfGH München, Entscheidung vom 18.02.2025 – Vf. 39-VI-24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42119
Tenor
1. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 06.05.2024 wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rügeverfahrens.
Gründe
1
Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers vom 06.05.2024 ist zulässig, aber nicht begründet. Der Senat hat den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör gemäß § 44 Abs. 1 FamFG iVm. Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.
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1. Durch die Anhörungsrüge werden Verstöße sowohl gegen Art. 103 Abs. 1 GG als auch gegen einfachgesetzliche Vorschriften erfasst, die der Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots auf rechtliches Gehör dienen. Die Anhörungsrüge dient hingegen nicht der Behebung etwaiger Fehler formeller oder materieller Natur, es sei denn, diese stellen zugleich Verletzungen von Verfahrensgrundrechten dar. Die Anhörungsrüge hat nicht den Zweck, die Diskussion hinsichtlich einer dem materiellen Recht zuzuordnenden Frage wiederaufzunehmen (BGH, Beschluss vom 02.02.2024, AnwZ (Brfg) 27/23; Beschluss vom 20. August 2020, AnwZ (Brfg) 5/20).
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Das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG schützt zudem nicht davor, dass das Vorbringen einer Partei aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt oder dass das Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021 – AnwZ (Brfg) 2/20).
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2. Hieran gemessen, kann die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers keinen Erfolg haben.
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Soweit dieser u.a. moniert, die Beteiligten seien von dem Oberlandesgericht nicht persönlich angehört worden, hat der Senat seine diesbezügliche Entscheidung ausdrücklich auf § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG gestützt und diese in der Beschwerdeentscheidung begründet. Eine zu beanstandende Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt hierin nicht begründet.
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Eine Gehörsverletzung kann der Beschwerdeführer auch nicht erfolgreich geltend machen, indem er darlegt, er habe sich in seinen mehrfachen Eingaben weitere Ausführungen vorbehalten und der Senat hätte bei ihm eine weitere Beschwerdebegründung einfordern müssen. Der Beschwerdeführer hat seine Beschwerde bereits anlässlich der Beschwerdeeinlegung am 03.03.2024 begründet. Nachdem die anderen Beteiligten zu seinen Ausführungen Stellung genommen hatten, hat der Beschwerdeführer weitere Ausführungen in seinen Schreiben vom 22.03.2024, 24.03.2024 und 01.04.2024 gemacht, wobei er im Hinblick auf den von ihm geforderten Umgang an dem bevorstehenden Vatertag (dem 09.05.2024) ferner Eilbedarf geltend gemacht hat. Der Senat hat seine Entscheidung nach entsprechender Beratung sodann am 18.04.2024 getroffen. Es wäre dem Vater ohne Weiteres möglich gewesen, seine Beschwerde in der Zeit vom 03.03.2024 bis zum 18.04.2024 abschließend zu begründen, was im Übrigen seine mehrfachen ausführlichen Eingaben zeigen. Angesichts des in Kindschaftssachen grundsätzlich bestehenden Beschleunigungsgebots und dem von dem Vater im konkreten Fall zudem geltend gemachten Eilbedarf bestand daher kein Anlass, mit einer Beschwerdeentscheidung weiter abzuwarten, zumal der Vater einen zeitlichen Rahmen für etwaige weitere Ausführungen nicht benannt hat. Hinzu kommt, dass eine Pflicht zur Beschwerdebegründung in Kindschaftssachen ohnehin nicht besteht, so dass eine gerichtliche Entscheidung ggf. auch ohne Beschwerdebegründung auf der Grundlage des von Amts wegen ermittelten Sachverhalts zu erfolgen hat. Hierauf hat der Senat in der Beschwerdeentscheidung auch hingewiesen.
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Im Übrigen rügt der Beschwerdeführer angebliche formelle oder materielle Fehler des Amtsgerichts, auf welche eine Anhörungsrüge nicht gestützt werden kann (vgl. oben). Auch soweit er sich in diesem Zusammenhang darüber beschwert, dass in der gerichtlichen Entscheidung nicht sämtliche seiner ausführlich vorgebrachten Erwägungen ausdrücklich und im Einzelnen aufgegriffen worden sind, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor. Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich zweifelsfrei ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des Vorgetragenen nicht nachgekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 19.10.2004, Az: 2 BvR 779/04, EuGRZ 2004, 656; BGH, Beschluss vom 27.03.2003, Az: V ZR 291/02, BGHZ 154, 288). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat hat das Vorbringen des Beschwerdeführers in vollem Umfang zur Kenntnis genommen und berücksichtigt. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung sowohl mit dem tatsächlichen als auch mit dem rechtlichen Vorbringen umfassend auseinandergesetzt und dieses in seine Würdigung einbezogen, auch wenn nicht im Einzelnen darauf eingegangen wurde. Es besteht auch keine Verpflichtung, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung im Einzelnen auseinanderzusetzen. Vielmehr genügt eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2009, Az: V ZR 105/09, NJW-RR 2010, 274).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG analog (BeckOK FamFG/Obermann, 49. Ed. 1.2.2024, FamFG § 44 Rn. 47; Göbel in: Sternal/FamFG, 21. Auflage, § 44 Rn. 54).
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Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 44 Abs. 3 Satz 3 FamFG).