Titel:
Nichtabnahmeentschädigung, Vorfälligkeitsentschädigung, Darlehensverträge, Kündigungsrecht, Darlehenskündigung, Darlehensvaluta, Darlehensnehmer, Darlehenskonto, Darlehensgeber, Darlehensbetrages, Nichtabnahme des Darlehens, Empfang des Darlehens, Prozeßbevollmächtigter, Bereitstellungszinsen, Rückzahlungsanspruch, vorzeitige Rückzahlung, Ausübung des Widerrufsrechts, Vertragsverletzung, Sollzinssatz, Rückforderungsansprüche
Schlagworte:
Nichtabnahmeentschädigung, Vorfälligkeitsentschädigung, Verbraucherdarlehen, Schadensersatzanspruch, Widerrufsrecht, Bereitstellungszinsen, Präklusion
Vorinstanz:
LG Hof vom 07.09.2023 – 25 O 24/22
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 04.02.2025 – XI ZR 47/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 42086
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 07.09.2023, Az. 25 O 24/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Endurteil des Landgerichts Hof sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Kläger begehren die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, einer Nichtabnahmeentschädigung sowie einer Bearbeitungsgebühr, die die Beklagte nach vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrags von den Klägern erhalten hat. In der Berufungsinstanz wird das Begehren der Kläger auf die Rückzahlung geleisteter Bereitstellungszinsen erweitert.
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Zur Finanzierung eines privaten Bauvorhabens nahmen die Kläger am 29.03./05.04.2019 ein „…-Verbraucherdarlehen“ über … € bei der Beklagten auf. Der Nominalzins in Höhe von 1,6% p.a. sollte bis 30.07.2037 unveränderlich sein (Anlage K 1).
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Ziffer 3.2 „Verzinsung“ enthält folgenden Inhalt:
„[…] Dieser Sollzinssatz ist bis zum 30.07.2037 gebunden (Zinsbindungsfrist). Wird bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist keine neue Zinsvereinbarung getroffen, so gilt Folgendes:
Das Darlehen läuft zunächst mit einem veränderlichen Sollzinssatz weiter. Anstelle des veränderlichen Sollzinssatzes kann für das Darlehen jederzeit wieder ein gebundener Sollzinssatz vereinbart werden.
Der veränderliche Sollzinssatz beträgt derzeit 5,000%.
Die Anpassung des Sollzinssatzes richtet sich nach einer Veränderung des folgenden Referenzzinssatzes: EURIBOR für 3-Monatsgelder (auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet) (Bezeichnung des Referenzzinsatzes gemäß § 492 Abs. 7 BGB). Maßgeblich ist der am 19.12.2018 ermittelte Wert des Referenzzinssatzes (…).
Der Darlehensnehmer wird nach Ablauf der Zinsbindungsfrist vierteljährlich zum 30. (Unterrichtungsintervall) über den Sollzinssatz, die Höhe des Referenzzinssatzes, die angepasste Höhe der Teilzahlungen und die Zahl und die Fälligkeit der Teilzahlungen, sofern sich diese ändern, unterrichtet. Die Information kann auf dem Kontoauszug für das Konto erfolgen, über das das Darlehen in Anspruch genommen wird bzw. den die laufenden Teilbeträge belastet werden.
Der Darlehensnehmer kann die Höhe des Referenzzinssatzes zudem in den Geschäftsräumen der A. einsehen.“
4
Ziffer 3.5 „Abnahme“ hat nachfolgenden Inhalt:
„Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, die Auszahlungsvoraussetzungen zu schaffen und das Darlehen abzunehmen. Die A. ist ab 01.01.2020 berechtigt, Bereitstellungszinsen von 1,600% jährlich des nicht in Anspruch genommenen Darlehensbetrags zu berechnen. Unterbleibt die Auszahlung endgültig aus einem Grund, den die A. nicht zu vertreten hat, bleiben ihr alle vertraglichen und gesetzlichen Rechte vorbehalten.“
5
Im ESIS-Merkblatt (Anlage K2) ist unter Ziffer „9. Flexible Merkmale“ (Seite 4) nachfolgender Satz enthalten:
„Bei Nichtabnahme dieses Betrages entfällt hierfür die Nichtabnahmeentschädigung“.
6
Der Darlehensvertrag enthält unter Ziffer 10.2 Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und unter Ziffer 11 Ausführungen zur ordentlichen Kündigung.
7
Das Darlehen wurde entsprechend dem Baufortschritt nur in Höhe von 43.919,07 € ausgereicht. Aufgrund eines Architektenfehlers konnten die Kläger das Bauvorhaben nicht wie ursprünglich beabsichtigt durchführen und brachen dieses ab. Verhandlungen zwischen den Parteien über eine Fortsetzung bzw. eine Erhöhung des Darlehensvertrags führten zu keiner Einigung.
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Mit Anwaltsschreiben vom 14.04.2020 wiesen die Kläger darauf hin, dass sie von ihrem Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens Gebrauch machen wollten, und erklärten „vorsorglich“ den Widerruf ihrer Vertragserklärungen zum Darlehensvertrag.
9
Mit Schreiben vom 30.04.2021 meldete sich die von den Klägern mit der Ablösung des Darlehens beauftragte X.-Bausparkasse bei der Beklagten und bat um Mitteilung des Ablösebetrags. Die Beklagte teilte der X.-Bausparkasse mit, dass für die Ablöse des Darlehens die Vorlage der den Klägern zugesandten Aufhebungsverträge erforderlich sei. Obwohl diese Aufhebungsverträge auch in der Folgezeit nicht vorgelegt wurden, entschloss sich die Beklagte, das Darlehen durch die X.-Bausparkasse ablösen zu lassen.
10
Die Beklagte belastete das Darlehenskonto der Kläger mit einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 471,41 € sowie einer Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 18.075,74 € betreffend den nicht abgerundeten Betrag. Zudem erhob die Beklagte eine Bearbeitungsgebühr von 100,00 €.
11
Die Kläger ließen den offenen Darlehensbetrag inklusive der Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung sowie der Bearbeitungsgebühr durch die X.-Bausparkasse an die Beklagte überweisen, sodass das Darlehen zum 16.06.2021 abgelöste war.
12
Die Kläger trugen erstinstanzlich vor, infolge der unzureichenden Angaben im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB stehe ihnen ein Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung zu. Angesichts der wirtschaftlich gleichen und einschneidenden Folgen für den Verbraucher müssten sich die Hinweispflichten des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch auf die Nichtabnahmeentschädigung erstrecken, damit ein durchgreifender und gleichwertiger Rechtsschutz erreicht werde. Darüber hinaus müsse ein Verbraucherdarlehensvertrag die Verpflichtung zur Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung hinreichend klar und verständlich regeln. Kosten, die in Verbraucherdarlehensverträgen nicht angegeben würden, seien vom Darlehensnehmer gemäß § 494 Abs. 4 S. 1 BGB nicht geschuldet. Dies gelte in gleicher Weise für einen Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung, da diese einen modifizierten Erfüllungsanspruch, mithin einen modifizierten darlehensvertraglichen Zinsanspruch darstelle. Da der vorliegende Darlehensvertrag und auch das ESIS-Merkblatt keinen Hinweis darauf enthalte, dass im Falle einer (teilweisen) Nichtabnahme des Darlehens eine Nichtabnahmeentschädigung geschuldet werde, bestünde kein Anspruch auf die Nichtabnahmeentschädigung (§ 494 Abs. 4 S. 1 BGB). Auch die Bearbeitungsgebühren von 100,00 € habe die Beklagte zu erstatten. Soweit sich die Kosten nicht schon vom Grunde her als unzulässig darstellten, weil es schon am Rechtsgrund für die Erhebung der Nichtabnahmeentschädigung und der Vorfälligkeitsentschädigung mangele, würden diese eine unzulässige Preisnebenabrede darstellen. Zudem habe der Darlehensnehmer – auch außerhalb der Informationspflichten des § 493 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BGB – einen Auskunftsanspruch über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung aus § 488 BGB i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB. Für die Erfüllung nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten der Bank stehe dieser kein gesondertes Entgelt zu. Letztlich entfalle der Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung auch, da die Kläger den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 14.04.2020 wirksam widerrufen hätten. Darüber hinaus seien die Kläger nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen, da der Darlehensvertrag gemäß § 500 Abs. 2 BGB wirksam gekündigt worden sei.
13
Zuletzt haben die Kläger erstinstanzlich beantragt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, 18.647,15 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.06.2021 an die Kläger zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, weitere 1.673,14 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an die Kläger zu zahlen.
14
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
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Die Beklagte trägt vor, die Angaben zum Kündigungsrecht und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag seien ausreichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei auf die Nichtabnahmeentschädigung weder direkt noch analog anzuwenden. Es handele sich bei der Nichtabnahmeentschädigung um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 281 Abs. 1 BGB, der unmittelbar aus dem Gesetz folge. Einen Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit einer Nichtabnahmeentschädigung habe es daher nicht bedurft. Ungeachtet dessen würde jedoch § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB selbst bei analoger Anwendung nicht gegen den Anspruch auf die Nichtabnahmeentschädigung sprechen, da die im Vertrag erteilten Hinweise ausreichend seien. Im Übrigen sei ein Widerrufsrecht der Kläger nicht gegeben. Hinsichtlich der Kündigung folge ein Kündigungsrecht zwar nicht aus § 500 Abs. 2 BGB, da dort gerade kein Kündigungsrecht geregelt sei, sondern aus § 490 Abs. 2 BGB. Jedoch würde selbst bei Ausübung dieses Kündigungsrechts eine Vorfälligkeitsentschädigung anfallen, wie sich ausdrücklich aus § 490 Abs. 2 S. 3 BGB ergebe.
16
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat am 16.08.2023, dem Tag vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hof, einen weiteren Schriftsatz eingereicht. Das Landgericht Hof hat in öffentlicher Sitzung am 17.08.2023 verhandelt.
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In dieser Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erstmals Einwendungen gegen die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung durch die Beklagte erhoben. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat den Vortrag als verspätet gerügt. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.08.2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger weitere Ausführungen, insbesondere zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung, gemacht.
18
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das Endurteil des Landgerichts Hof vom 07.09.2023 Bezug genommen. Zudem wird auf die gewechselten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien sowie die vorgelegten Anlagen verwiesen.
19
Das Landgericht Hof hat mit Endurteil vom 07.09.2023 die Beklagte verurteilt, an die Kläger 473,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2023 zu zahlen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Den Klägern wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
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Zur Begründung führte das Landgericht Hof aus, die Klage sei nur hinsichtlich des Anspruchs auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 471,41 € zuzüglich anteiliger Bearbeitungskosten von 2,50 € begründet. Im Übrigen sei die Klage unbegründet und unterliege der Abweisung.
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Der Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ergebe sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, da die Beklagte diese Leistungen ohne Rechtsgrund erlangt habe. Der Beklagten habe ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung weder nach Kündigung seitens der Kläger aus § 490 Abs. 2 S. 3 BGB noch nach vorzeitiger Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß § 502 Abs. 1 S. 1 BGB zugestanden. Ein Anspruch der Beklagten ergebe sich mangels Kündigung seitens der Kläger nicht aus § 490 Abs. 2 S. 3 BGB. Nach § 490 Abs. 2 S. 1 BGB könne der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert sei, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 S. 2 BGB vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens 6 Monate abgelaufen sei. In diesem Fall hat der Darlehensnehmer den Darlehensgeber jedoch gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung nach § 490 Abs. 2 S. 1 BGB entstanden ist. Im vorliegenden Fall fehle es an einer Kündigungserklärung durch die Kläger. In dem anwaltlichen Schreiben vom 14.04.2020 wurde ausdrücklich nur der Widerruf erklärt. Eine Auslegung dieser durch einen Rechtskundigen veranlassten und ausdrücklich als Widerruf bezeichneten Erklärung als Kündigung sei nicht möglich. Eine anderweitige Kündigungserklärung sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des Kündigungsrechts gemäß § 490 Abs. 2 BGB nicht vor. Es fehle insoweit an der Voraussetzung des vollständigen Empfangs des Darlehens.
22
Der Beklagten stünde auch nicht infolge vorzeitiger Rückzahlung der Darlehensvaluta eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Dieser Anspruch sei gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, da die Angaben im Darlehensvertrag sowohl zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als auch zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers unzureichend seien. Die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in Ziffer 10.2 des Vertrags seien fehlerhaft, da dort zur Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode ausgeführt werde, dass durch diese Berechnungsmethode die Beklagte so gestellt werde, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre. Darüber hinaus seien die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in Ziffer 10.2 des Vertrags fehlerhaft, weil die Berechnungsmethode der Aktiv-Passiv-Methode unvollständig dargestellt sei. Durch die lückenhafte und intransparente Information könne für den Darlehensnehmer der Eindruck einer sehr viel größeren Belastung entstehen, welche ihn von der vorzeitigen Rückzahlung abhalten könnte. Damit sei die Information unzureichend. Auch die Angaben zur Kündigung in Ziffer 11.1 des Vertrags seien unzureichend, da die tatsächliche Rechtslage nicht korrekt dargestellt werde. Auf die übrigen Ausführungen im Endurteil des Landgerichts Hof zu diesen Themenkomplexen wird Bezug genommen.
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Dagegen stünde den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 18.075,74 € nicht zu. Die Beklagte habe die Nichtabnahmeentschädigung mit Rechtsgrund erlangt, denn ihr hätte gegen die Kläger ein Schadensersatzanspruch nach den §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 BGB in entsprechender Höhe zugestanden. Indem die Kläger hinsichtlich des nichtvalutierten Darlehensbetrages eine endgültige Abnahmeverweigerung erklärt hatten, hätten sie eine Vertragsverletzung begangen, was einen Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers dem Grunde nach auslöst. Die Kläger hätten spätestens mit Anwaltsschreiben vom 10.07.2020 erklärt, dass sie sich entschlossen hätten, das Darlehen insgesamt zurückzuführen, d. h., den nichtvalutierten Anteil des Darlehens nicht in Anspruch zu nehmen. Die Kläger baten im Hinblick auf die Ablösung des Darlehens um Mitteilung des Ablösebetrags per 31.12.2020. Hierin sei die endgültige Erklärung der Abnahmeverweigerung des nichtvalutierten Darlehensteils zu sehen. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung sei auch nicht gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Diese Norm sei auf den Fall der Nichtabnahme des Darlehens und somit auf die Nichtabnahmeentschädigung weder direkt noch analog anwendbar. Eine direkte Anwendung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung scheitere schon am eindeutigen Wortlaut der Norm.
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Aufgrund der eindeutigen Formulierung sei auch eine analoge Anwendung abzulehnen.
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Die Sanktion beziehe sich nur auf die Vorfälligkeitsentschädigung. Allein aus der Tatsache, dass beide Schadenspositionen in gleicher Weise zu berechnen seien, lasse sich nicht schließen, dass auch die Vorgaben für den Darlehensvertrag identisch sein müssten. Denn die Voraussetzungen der Ansprüche seien gerade nicht identisch. Im Fall der Nichtabnahmeentschädigung verweigere der Darlehensnehmer die Abnahme der Valuta, sodass dem Darlehensgeber die allgemeinen Rechte aus der Vertragsverletzung zustehen würden. Im Falle der Vorfälligkeitsentschädigung wolle der Darlehensnehmer das bereits abgenommenen Darlehen vorzeitig zurückzahlen, was ihm das Gesetz in bestimmten Fallgruppen explizit gestatte. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm spreche dagegen, dass sich § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung beziehe. Mit der gesetzlichen Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung in § 502 BGB habe der deutsche Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben aus Art. 16 Abs. 2, 3 und 5 der Verbraucherkreditrichtlinie 2800/48/EG umsetzen wollen, wonach der Darlehensgeber unter bestimmten Voraussetzungen im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine angemessene und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten verlangen kann.
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Der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung sei auch nicht nach § 502 Abs. 2 analog ausgeschlossen, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie habe sich der Gesetzgeber auch mit § 490 BGB befasst. In § 490 Abs. 1 BGB werde ausdrücklich zwischen der Situation „Vor Auszahlung des Darlehens“ und der Situation „Nach Auszahlung“ differenziert. § 490 Abs. 2 BGB knüpfe an den vollständigen Empfang des Darlehens an. Dem Gesetzgeber sei damit bewusst gewesen, dass die Zeiträume vor und nach der Auszahlung des Darlehens unterschiedlich zu behandeln seien. Hätte der Gesetzgeber eine Anwendung der Regelung des § 502 Abs. 2 BGB auch im Zeitpunkt vor Auszahlung des Darlehens bezweckt, hätte er den Wortlaut des § 502 BGB entsprechend angepasst.
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Auch die Regelung des § 494 Abs. 4 S. 1 BGB stehe dem Anspruch der Beklagten auf die Nichtabnahmeentschädigung nicht entgegen. Bei der Nichtabnahmeentschädigung handele es sich nicht um „Kosten“ im Sinne des § 494 Abs. 4 S. 1 BGB, sondern um einen Schadensersatzanspruch wegen Vertragsverletzung durch den Darlehensnehmer, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Insofern bedürfe es im Vertrag auch keines Hinweises darauf, dass sich die Kläger im Falle der Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten schadensersatzpflichtig machen.
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Der Anspruch der Beklagten auf eine Nichtabnahmeentschädigung sei auch nicht infolge eines durch die Kläger erklärten Widerrufs ausgeschlossen. Zwar stünde den Klägern ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB zu. Die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB sei aber zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts mit Schreiben vom 14.04.2020 bereits abgelaufen gewesen. Die Kläger würden sich zwar darauf berufen, dass das Widerrufsrecht gemäß § 356 b Abs. 2 BGB erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, vorliegend zum 19.04.2020 erloschen sei, weshalb der Widerruf fristgemäß erfolgt sei. Es fehle jedoch an einem substanziellen Sachvortrag dazu, weshalb nicht die 14-tägige Widerrufsfrist, sondern die verlängerte Widerrufsfrist anzuwenden sei. Jedenfalls führe das etwaige Fehlen von Pflichtangaben im Rahmen des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hätte, denn die unzureichenden Angaben zum Kündigungsrecht und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung stellten keine gesetzlichen Pflichtangaben in Bezug auf das hier Betroffene …-Verbraucherdarlehen dar, die dem Beginn der Widerrufsfrist entgegenstehen hätten können. Die Frist beginne, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten habe. Nach § 492 Abs. 2 BGB müsse der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB enthalten. Bei den fehlerhaften Angaben zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung und zum Kündigungsrecht handele es sich aber nicht um derartige Pflichtangaben. Sobald diese unzureichend im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB gewesen seien, verhindere dies den Beginn der Widerrufsfrist damit nicht.
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Der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung sei auch nicht infolge einer Kündigung durch die Kläger weggefallen. Insoweit fehle es bereits an einer Kündigungserklärung. Darüber hinaus würden die Voraussetzungen für ein Kündigungsrecht nicht vorliegen. Jedenfalls würde die Ausübung des Kündigungsrechts einem Anspruch der Beklagten auf Nichtabnahmeentschädigung nicht entgegenstehen.
30
Gegen die Berechnung des Betrags der Nichtabnahmeentschädigung hätten die Kläger keine durchgreifenden Einwände erhoben. Den Klägern wurde mit Verfügung vom 14.03.2023 eine Frist zur Replik gemäß § 277 ZPO gesetzt und dabei auf die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen. Gleichwohl hätten die Kläger, obwohl ihnen dies ohne weiteres zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, erst in der mündlichen Verhandlung Einwände gegen die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung erhoben. Nunmehr müsste über die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung Beweis erhoben werden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wodurch sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Der Einwand der Kläger unterliege daher der Präklusion gemäß § 296 Abs. 1 ZPO. Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme, sei darauf hinzuweisen, dass die Kläger auch in der Sache mit ihren Einwendungen nicht durchdringen könnten. Der einzige in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2023 konkret vorgebrachte Einwand habe die in Abzug gebrachten Risikokosten in Höhe von 0,06% betroffen. Diese seien aber nicht zu beanstanden. Der Abschlag für die entfallende Risikovorsorge sei je nach den Risiken des konkreten Vertrags gemäß § 287 ZPO zu schätzen. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung würden dabei Abschläge zwischen 0,014% bis 0,06% gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass höhere Risikokosten zu berücksichtigen sein sollten, seien nicht ersichtlich. Soweit die Kläger mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.08 2023 weitere Ausführungen zum Bestreiten der Höhe der Nichtabnahmeentschädigung gemacht hätten, unterliege dieser Vortrag der Präklusion nach § 296a S. 1 ZPO. Ein Schriftsatznachlass sei der Klägerseite nicht gewährt worden. Der Schriftsatz habe auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a S. 2 ZPO i.V.m. § 156 ZPO geboten. Auch im Rahmen der nach § 156 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessensentscheidung sei ein Wiedereintritt in die Verhandlung nicht geboten gewesen.
31
Des Weiteren stünde den Klägern kein Anspruch auf das anteilig auf die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung entfallene Bearbeitungsentgelt zu. Dass die Beklagte für die vorzeitige Darlehensauflösung ein Entgelt beansprucht habe, sei nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne die Bank ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand verlangen. Da sich dieser Aufwand kaum exakt berechnen lasse, sei eine Ermittlung im Wege der Schätzung zulässig.
32
Auch ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlich aufgewendeten Rechtsanwaltskosten bestünde für die Klägerseite nicht. Eine Anspruchsgrundlage sei insoweit nicht ersichtlich.
33
Auf die weiteren Ausführungen des Endurteils des Landgerichts Hof vom 07.09.2023 wird Bezug genommen.
34
Die Kläger haben gegen das Endurteil des Landgerichts Hof vom 07.09.2023 mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09.10.2023, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am 09.10.2023, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30.11.2023, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am gleichen Tag, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Senat fristgerecht begründet.
35
In der Berufungsinstanz wird durch die Kläger beantragt,
1. Die Berufungsbeklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Landgerichts Hof verurteilt, über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 18.173,24 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.06.2021 an die Kläger zu zahlen.
2. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, 4.627,05 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2024 an die Kläger zu zahlen.
3. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, 1.673,14 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz an die Kläger zu zahlen.
36
Mit der Berufung werden durch die Kläger die Erstattungsansprüche wegen unberechtigter Nichtabnahmeentschädigung und der Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt. Ergänzend zu den bisherigen Anträgen werden in der Berufung Ansprüche auf Rückzahlung der aus Sicht der Kläger zu Unrecht an die Beklagten geleisteten Bereitstellungszinsen in Höhe von 4.627,05 € erstmals geltend gemacht.
37
Durch die Kläger wird weiterhin die Ansicht vertreten, die Beklagte habe die unter Vorbehalt der Rückforderung gezahlte Nichtabnahmeentschädigung ohne Rechtsgrund erlangt. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei analog anzuwenden. Tatsächlich sollten sowohl Vorfälligkeitsentschädigung als auch Nichtabnahmeentschädigung den Kreditgeber im Falle einer vorzeitigen Darlehensbeendigung so stellen, wie er wirtschaftlich stünde, wenn der Darlehensvertrag vereinbarungsgemäß vollzogen worden wäre. Unabhängig davon, in welchem Stadium der Darlehensabwicklung eine vorzeitige Kündigung durch den Darlehensnehmer erfolge, seien die wirtschaftlichen Folgen einer vorfristigen Darlehensbeendigung identisch, nämlich der vollständige Ersatz des entgangenen Zinsanspruchs. An diesen rein zufälligen Stand der Darlehensabwicklung im Zeitpunkt der Darlehenskündigung knüpfe das Gesetz – aus unerfindlichen Gründen – vollständig unterschiedliche Voraussetzungen an die erforderliche Aufklärung über die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Waren die Darlehensmittel im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht oder nur geringfügig ausgereicht, so habe der Kreditgeber unbedingten Anspruch auf Zinsersatz in Gestalt einer Nichtabnahmeentschädigung. Hierfür bedürfe es keinerlei Hinweise oder Belehrungen im Darlehensvertrag. Seien dagegen die Darlehensmittel bei der Kündigung bereits vollständig oder überwiegend ausgereicht gewesen, habe die Bank nur dann Anspruch auf Zinsersatz, wenn der Kreditnehmer umfassend und richtig über die Erhebung, die Berechnung sowie die voraussichtliche Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung aufgeklärt wurde. Nach Ansicht der Kläger bestehe ein offenkundiger Wertungswiderspruch. Daher sei § 502 Abs. 2 BGB analog auf die Nichtabnahmeentschädigung anzuwenden.
38
Zudem handele es sich bei einem Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern um einen vertraglichen Anspruch, für den eine Hinweispflicht nach § 494 Abs. 4 BGB bestünde. Kosten, die in Verbraucherdarlehensverträgen nicht angegeben würden, seien vom Darlehensnehmer nicht geschuldet.
39
Im Übrigen bestehe ein Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung aufgrund Nichtigkeit des Darlehensvertrags. Der zwischen den Parteien am 29.03./06.04.2019 geschlossene Darlehensvertrag sei nicht wirksam, sondern nichtig.
40
Die Nichtigkeit ergebe sich aus einem Verstoß gegen § 494 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6, 3 Abs. 4 EGBGB. Dieser Mangel sei auch nicht geheilt worden. Die Laufzeit des Darlehens sei mit 452 Monaten angegeben worden. Ein Kapitalnutzungsrecht habe bis zum 30.11.2056 bestanden. Konkrete und bindende Angaben zum Zinssatz und zur Tilgungshöhe seien nur für den Zeitraum bis zum Ende der Sollzinsbindung, vorliegend bis 30.07.2037, getroffen. Da die Zinsbindung nicht für die gesamte Vertragslaufzeit gelte, handele es sich um ein Darlehen mit veränderlichem Zinssatz. Entsprechend sei nach Ablauf der ersten Sollzinsbindung ein Zins festzulegen, der den Vertragsbedingungen und dem maßgebenden Äquivalenzverhältnis des ursprünglichen Darlehensvertrags unter Beachtung der zwischenzeitlich geänderten Marktverhältnisse entsprach. Für jeden Finanzierungsabschnitt müssten sowohl der Sollzinssatz als auch die Bedingungen und der Zeitraum seiner Anwendung bezeichnet werden. Die Art und Weise der Zinsanpassung müsse konkret bezeichnet werden. Seien diese Angaben nicht im Vertrag enthalten, sei der Vertrag nichtig gemäß § 494 Abs. 1 BGB. Dies sei vorliegend der Fall. Der geschlossene Darlehensvertrag enthalte lediglich Angaben zu Zins und Tilgung für den Zeitraum der ersten Sollzinsbindung. Für den Zeitraum danach fehle es an Angaben zur Tilgung und zur Höhe des Sollzinssatzes. Es sei lediglich geregelt, dass das Darlehen zu einem veränderlichen Zinssatz weiterlaufe, sofern nicht ein neuer Festzins vereinbart werde. Das Fehlen der Angabe konkreter Referenzzinssätze ab August 2027 nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB führe zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags.
41
Da der Darlehensvertrag nichtig sei, stünden der Beklagten auch die klägerseits gezahlten Bereitstellungszinsen nicht zu.
42
Auf die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
43
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
44
Eine direkte Anwendung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung scheide bereits aufgrund des Wortlauts der Norm aus. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Nichtabnahmeentschädigung scheide aus, da von keiner planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden könne. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Nichtabnahmeentschädigung um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 281 Abs. 1 BGB handeln würde. Dieser Schadensersatzanspruch beruhe auf der verweigerten Abnahme des Darlehens und stünde dem Grunde nach der Bank bereits nach den gesetzlichen Regelungen zu.
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Auch auf die Regelung des § 494 Abs. 4 BGB könne der Anspruch auf Rückforderung der von den Klägern geleisteten Nichtabnahmeentschädigung nicht gestützt werden. Bei der Nichtabnahmeentschädigung handele es sich nicht um einen modifizierten Erfüllungsanspruch, sondern um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Insoweit bestehe auch keine Hinweispflicht der Beklagten nach § 494 Abs. 4 BGB in Bezug auf diese Nichtabnahmeentschädigung. Im Übrigen handle es sich bei der Nichtabnahmeentschädigung auch um keine Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB.
46
Die Rückforderung der Nichtabnahmeentschädigung könne auch nicht auf die Nichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Verstoßes gegen § 494 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6, 3 Abs. 4 EGBGB gestützt werden. Im streitgegenständlichen Darlehensvertrag sei unter Ziffer „3.2 Verzinsung“ der nach dem 30.07.2037 und somit nach Ablauf des anfänglich gebundenen, festen Sollzinssatzes geltende Zinssatz hinreichend bestimmt unter Bezugnahme auf den im Darlehensvertrag festgelegten Referenzzinssatz. Auch der nach Ablauf der Zinsbindungsfrist am 30.07.2037 geltende Zinssatz sei hinreichend geregelt.
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Mangels Nichtigkeit könnten auch die von den Klägern geleisteten Bereitstellungszinsen nicht zurückgefordert werden. Unabhängig davon werde der klägerische Sachvortrag bezogen auf die Bereitstellungszinsen als verspätet und damit präkludiert gerügt.
48
Auf die weiteren Ausführungen in der Berufungserwiderung wird Bezug genommen.
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1. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
50
Beanstandungsfrei hat das Landgericht Hof angenommen, dass die Beklagte die von den Klägern erbrachte Nichtabnahmeentschädigung mit Rechtsgrund erlangt hat, da der Beklagten gegen die Kläger ein entsprechender Schadensersatzanspruch nach den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB in entsprechender Höhe zugestanden hat.
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2. Dem Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung kann auch nicht die Norm des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegengehalten werden.
52
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 502 BGB bezieht sich diese Norm auf die „Vorfälligkeitsentschädigung“. Die Nichtabnahmeentschädigung wird dagegen in dieser Vorschrift an keiner Stelle erwähnt. Damit bezieht sich die Norm des § 502 BGB zumindest in der direkten Anwendung nicht auf den Fall der Nichtabnahmeentschädigung.
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3. Zutreffend hat das Landgericht Hof auch eine analoge Anwendung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung abgelehnt.
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Auch aus Sicht des Senats ist eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar. Hätte der Gesetzgeber eine Anwendung der Regelung des § 502 Abs. 2 S. 2 BGB auch im Zeitraum vor Auszahlung des Darlehens gewollt, hätte er den Wortlaut des § 502 BGB entsprechend angepasst. Eine derartige Anpassung des Wortlauts wäre im Hinblick auf die Vorgaben der Verbraucherkredit-RL und der Wohnimmobilienkredit-RL möglich gewesen (Möller in BeckOK BGB, 68. Edition, Stand 01.05.2023, § 502 BGB, Rn. 8; Landgericht Köln, Urteil vom 27.02.2020, Az.: 15 O 379/19, ZIP 2020, 1114, 1117).
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Auch stellt die Nichtabnahmeentschädigung einen Schadensersatzanspruch dar, dessen Berechnung im Darlehensvertrag nicht erläutert werden muss. Insoweit liegt auch keine Vergleichbarkeit mit der in § 502 BGB geregelten Vorfälligkeitsentschädigung, der keine Vertragsverletzung durch den Darlehensnehmer zugrunde liegt, vor (OLG Jena, Beschluss vom 08.12.2022, Az.: 5 U 858/22, BKR 2023, 323, 323 f.).
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4. a. Ein Rückforderungsanspruch der Kläger folgt auch nicht aus einem Verstoß der Beklagten gegen die Norm des § 494 Abs. 4 BGB.
57
Nach der Vorschrift des § 494 Abs. 4 BGB werden vom Darlehensnehmer im Darlehensvertrag nicht angegebene Kosten nicht geschuldet. Aus Sicht des Senats handelt es sich aber bei der Nichtabnahmeentschädigung als Schadensersatzanspruch statt der Leistung weder um Kosten des Darlehensvertrags im Sinne von § 494 Abs. 4 BGB noch um einen modifizierten Erfüllungsanspruch. Die Nichtabnahmeentschädigung stellt auch keinen darlehensvertraglichen Zinsanspruch dar. Folglich bestand für die Beklagte keine Verpflichtung, gemäß § 494 Abs. 4 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung im Darlehensvertrag hinzuweisen.
58
b. Beim vorliegenden Darlehensvertrag handelt es sich um ein …-Verbraucherdarlehen. Für …-Verbraucherkredite sind seit der Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-RL nach Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB abweichend von Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nur die Angaben in Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 7, 10 u. 13 EGBGB sowie die in Abs. 4 genannten Angaben zwingend (Knops in BeckOGK BGB, Stand 01.07.2023, § 494 BGB, Rn. 36; Gerlach/Kuhle/Scharm in BeckOGK EGBGB, Stand 15.08.2020, Art. 247 § 6 EGBGB, Rn. 24, 25). Insoweit waren keine weiteren Ausführungen und Hinweise zur Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung, die dogmatisch einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung darstellt, im Darlehensvertrag zu erbringen.
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5. a. Ein Rückzahlungsanspruch der Kläger folgt auch nicht aus einer angeblichen Nichtigkeit des Darlehensvertrags.
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Die Nichtabnahmeentschädigung kann nicht als Kosten im Sinne von § 494 Abs. 4 BGB qualifiziert werden. Eine Nichtabnahmeentschädigung als Schadensersatz statt der Leistung folgt aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB. Diese sich direkt aus dem Gesetz ergebende Zahlung unterfällt nicht der für darlehensvertragliche Kosten gedachten Vorschrift des § 494 Abs. 4 BGB, der zudem auf die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB abzielt (Erman/Nietsch, Kommentar zum BGB, 17. Aufl. 2023, § 494 BGB, Rn. 20).
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b. Aus Sicht des Senats sind die von der Berufung als fehlend gerügten Informationen aber auch unter Ziffer „3.2 Verzinsung“ des Darlehensvertrags enthalten. In dieser Klausel wird ausführlich die Zinsanpassung nach Ablauf der bis zum 30.07.2037 geregelten Zinsbindungsfrist erläutert. Danach läuft das Darlehen (nach Ablauf der Zinsbindungsfrist) zunächst mit einem veränderlichen Sollzinssatz weiter. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags wird der veränderliche Sollzinssatz mit derzeit 5,000% angegeben. Auch die Anpassung dieses veränderlichen Sollzinssatzes wird näher erläutert. Für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den nach der Rechtsprechung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 23.02.2016, Az.: XI ZR 101/15, NJW 2016, 1881, 1883, Rn. 33), ist diese Information verständlich und nachvollziehbar.
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6. Ein Rückforderungsanspruch der Kläger im Hinblick auf die geleisteten Bereitstellungszinsen besteht ebenfalls nicht. Mangels Nichtigkeit des streitgegenständlichen Darlehensvertrags wurden die Bereitstellungszinsen mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet.
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7. Beanstandungsfrei hat das Landgericht Hof die durch die Kläger vorgebrachten Einwände gegen die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung als präkludiert angesehen. Hiergegen wurde im Rahmen der Berufung auch nicht mehr substantiiert vorgegangen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung an der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert, ohne von dieser abzuweichen. Die Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte. Auch kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu.