Titel:
Kappungsgrenze, Allgemeine Geschäftsbedingungen, unangemessene Benachteiligung, Leasingnehmer, Elektronisches Dokument, Inhaltskontrolle, Transparenzgebot, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Leasinggeber, Gesamtlaufleistung, Leasingfahrzeug, Elektronischer Rechtsverkehr, Nebenabreden, Streitwert, Ausgleichspflicht, Vertragsgestaltung, Geringe Laufleistung, Anderweitige Erledigung, Gebrauchsüberlassung, Prozeßbevollmächtigter
Leitsatz:
Die vertraglichen Regelungen zum Ausgleich von Minderkilometern in einem Kilometerleasingvertrag sind wirksam und nicht zu beanstanden. (Rn. 21)
Schlagworte:
Kfz-Leasingvertrag, Kilometerabrechnung, Minderkilometer, Mehrkilometerpauschale, Preishauptabrede, Inhaltskontrolle, Transparenzgebot
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41996
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 7.316,62 € festgesetzt.…
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Abrechnungssaldo wegen Minderkilometern nach Beendigung eines Leasingvertrages geltend.
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Am 30.09.2020 schloss die Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der Berklagten, der ... Leasing GmbH, den gewerblichen Leasingvertrag Nr. 13796747003 über das Fahrzeug Opel Astra, amtliches Kennz..., mit einer Vertragslaufzeit von 36 Monaten und einer Gesamtlaufleistung von 150.000 km ab. Die monatliche Leasingrate betrug € 350,37 brutto bzw. € 295,20 netto.
3
Der als Anlage K1 bzw. B1 vorgelegte Leasingvertrag, auf den wegen seines Inhalts im Übrigen Bezug genommen wird, lautet auszugsweise wie folgt:
„3. Leasingdetails Kilometervertrag Laufzeit 36 Monate Laufleistung in km/Jahr 50.000 km Laufleistung gesamt 150.000 km (…)
Mehr-km Berechnung: Finanz 0,1141 EUR/km, Wartung 0,0300 EUR/km, Toleranz: 2.500 km Minder-km Vergütung: Finanz 0,0285 EUR/km, Wartung 0,0100 EUR/km, Toleranz: 2.500 km“
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Die auf Seite 1 des Vertrages in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der ... Leasing GmbH (Anlage B2) lauten auszugsweise wie folgt:
„2.3 Ist bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Laufzeit die festgelegte Gesamtlaufleistung überschritten, werden die gefahrenen Mehrkilometer zu dem im Leasingvertrag genannten Satz nachberechnet. Bei der Berechnung von Mehrkilometern bleiben 2.500 km ausgenommen. Ist nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Laufzeit die festgelegte Gesamtlaufleistung unterschritten, werden Minderkilometer nach Abzug der Toleranzgrenze von 2.500 km bis zu maximal 10.000 km vergütet. Die Berechnung der Mehr- bzw. Minderkilometer erfolgt tagesgenau und ergibt sich aus der Differenz zwischen der gem. Leasingvertrag vereinbarten Laufleistung pro Tag multipliziert mit den tatsächlichen Nutzungstagen und der tatsächlichen Laufleistung.“
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Der Vertragsschluss erfolgte durch Vermittlung und in den Räumlichkeiten der Autohaus K. GmbH, D. straße 1 bis 7, 9... N., wo auch Übergabe und Rückgabe des Leasingfahrzeugs stattfanden.
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Das Fahrzeug wies bei Übergabe an die Klägerin eine Laufleistung von 25 km aus. Bei Rückgabe nach Ablauf der vereinbarten Leasingdauer am 06.10.2023 betrug die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs 93.571 km. Das Fahrzeug war bei Rückgabe beschädigt. Die Reparaturkosten betrugen € 1.420,00 netto, der schadensbedingte Minderwert € 900,00 netto (Rückgabeprotokoll Anlage B1, Privatgutachten Anlage B2).
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Mit Schreiben vom 23.11.2023 erklärte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese die Aufrechnung ihrer gegenständlichen Forderung mit der Gegenforderung der Beklagten aus der Beschädigung des Fahrzeugs und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 08.12.2023 zur Bezahlung des überschießenden Betrages in Höhe von 6.554,77 € auf. Per E-Mail vom 28.11.2023 wies die Beklagte die streitgegenständlichen Ansprüche zurück.
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Unter dem 04.12.2023 übersandte die Beklagte die Endabrechnung des Leasingvertrages (Anlage K4), in der ein beschädigungsbedingter Minderwert in Höhe von 900,00 € zulasten sowie eine Rückvergütung von Minderkilometern in Höhe von 458,15 € zugunsten der Klägerin berücksichtigt waren.
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Die Klägerin ist der Auffassung,
die von der Beklagten gestellten AGBs seien unwirksam. Sie benachteiligen den Vertragspartner unangemessen durch den unterschiedlichen Ansatz von Mehr- und Minderkilometern mit einer Differenz von 0,1056 € pro km. Mehrkilometer-Berechnungen seien der Ausgleich für den höheren Wertverlust des Fahrzeuges bei höherer Laufleistung. Das Äquivalent dazu seien Minderkilometerberechnungen, die den geringeren Wertverlust aufgrund der geringeren Laufleistung ausgleichen. Es sei nicht ersichtlich und nachvollziehbar, weswegen der „ersparte“ Wertverlust von Minderkilometern um 0,1056 € pro Kilometer geringer sein soll als der Wertverlust, der bei Mehrkilometern entstanden wäre. Eine zusätzliche unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners liege daher auch in der enthaltenen Kappungsgrenze für die Vergütung von Minderkilometern bei 10.000 km, während eine solche für die Berechnung von Mehrkilometern nicht vorgesehen sei.
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Die Differenz zwischen vertraglich vereinbarter Gesamtlaufleistung (150.000 km) und tatsächlich gefahrenen km (93.546 km) abzüglich der vereinbarten Freigrenze von 2.500 km sei der Klägerin daher genauso zu vergüten, wie Mehrkilometer es gewesen wären, nämlich unbegrenzt mit einer Gutschrift in Höhe von 0,1441 € pro km (netto). Bei einer zu berücksichtigenden Minderlaufleistung von 53.954 km ergebe sich ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von € 7.774,88 netto.
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Die Klägerin hat daher beantragt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.316,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 6.554,77 Euro seit dem 26.10.2023 und aus weiteren 761,85 € ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 745,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2023 wegen der der Klägerin vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Auffassung,
die Kilometerabrechnungsklausel des Leasingvertrages sei angemessen und wirksam. Weder der unterschiedliche Ansatz von Mehr- und Minderkilometern noch die nur für Minderkilometer vorgesehene Kappungsgrenze benachteiligten den Vertragspartner unangemessen. Letzteres insbesondere deswegen, weil der Leasingnehmer ansonsten das Fahrzeug überhaupt nicht nutzen könnte und dann einen überzogenen Minderkilometerausgleichsanspruch geltend machen könnte, was für den Leasinggeber unzumutbar wäre.
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Die Minderkilometer seien mit der vertraglich vereinbarten Pauschale in Höhe von € 0,0385 netto pro km für maximal 10.000 Minderkilometer und somit in Höhe von € 385,00 netto (= € 458,15 brutto) zutreffend abgerechnet worden.
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Folge einer unterstellten Unwirksamkeit der Klausel sei zudem lediglich, dass der Leasinggeber den Mehrwert des Leasingfahrzeugs konkret zu ermitteln habe, nicht dagegen die mit der Klage begehrte Abrechnung zu dem für Mehrkilometer vorgesehenen höheren km-Satz. Der konkrete Mehrwert sei vorliegend jedenfalls niedriger als € 458,15 brutto.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen des jeweiligen Sachvortrages Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2024 (Bl. 48/49 d.A.).
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Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
18
Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Nürnberg-Fürth ergibt sich jedenfalls infolge rügelosen Verhandelns aus § 39 ZPO.
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II. Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg und war daher vollumfänglich als unbegründet abzuweisen.
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Gegen die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen zum Ausgleich von Minderkilometern bestehen keine durchgreifenden Bedenken, so dass die auf ihrer Grundlage erfolgte Abrechnung der Minderkilometer nicht zu beanstanden ist. Jedenfalls würde aber auch eine Unwirksamkeit der von Klageseite angegriffenen Regelungen nicht zu der gewünschten Rechtsfolge einer Berechnung von Minderkilometern auf Basis der vereinbarten Mehrkilometerpauschale führen.
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1) Bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kfz-Leasingvertrag mit km-Abrechnung handelt es sich um einen gewerblichen Finanzierungs-Leasingvertrag ohne Kaufoption, der rechtlich als Mietvertrag zu qualifizieren ist. Bei einem Finanzierungs-Leasing hat grundsätzlich der Leasingnehmer für die Vollamortisation der vom Leasinggeber gemachten Aufwendungen einzustehen (Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, Vor § 535 Rn. 39).
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Die im Bereich des Kfz-Leasings verbreiteten Kilometerleasingverträge billigen dem Leasingnehmer für die Dauer des Vertrags eine bestimmte Gesamtfahrleistung des Kfz zu und veranschlagen die Leasingraten am Maßstab des geschätzten Wertverzehrs. Im Rahmen der nach Beendigung des Vertrags erforderlichen Abrechnung sind sodann die tatsächlich gefahrenen Kilometer zu ermitteln und den vertraglich vorgesehenen Kilometern gegenüberzustellen; Mehr- bzw. Minderkilometer sind nach Maßgabe der vertraglichen Regelung vom Leasingnehmer zu erstatten bzw. diesem gutzuschreiben. Dagegen ist der Leasingnehmer bei Rückgabe des Fahrzeugs nicht zum Ausgleich des Restwerts verpflichtet. Das ist bei dieser Vertragsgestaltung entbehrlich, weil der Leasinggeber den intern kalkulierten Restwert, jedenfalls bei normaler Abnutzung des Fahrzeugs, in aller Regel durch dessen Verwertung mittels Veräußerung erzielt. Gegen eine übermäßige Abnutzung des Fahrzeugs ist der Leasinggeber typischerweise durch eine diesbezügliche Ausgleichspflicht des Leasingnehmers abgesichert (BGH, Urteil vom 11.03.1998 – VIII ZR 205/97).
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2) Die zugrunde gelegt bestehen gegen die vertraglich vereinbarten Pauschalen für Mehr- und Minderkilometer ebenso wenig Bedenken wie gegen die in den AGBs vorgesehene Kappungsgrenze des Ausgleichs von Minderkilometern.
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a) Die für die Berechnung von Mehr- und Minderkilometern vorgesehenen Pauschalen sind bereits nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, sondern in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Bereits dies spricht, wenn auch nicht zwingend (§ 305 Abs. 1 S. 2 BGB) dafür, dass es sich um zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB handelt. Ihre Kalkulation ist unter Amortisationsgesichtspunkten ersichtlich auf den konkreten Leasinggegenstand sowie die vereinbarte Laufzeit des Vertrages und Gesamtlaufleistung abgestimmt. Bei ihnen handelt es sich somit bereits nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, so dass sie bereits deshalb nicht der Kontrolle der §§ 305 ff BGB unterliegen.
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b) Selbst wenn sie aber nicht als Individualvereinbarung einzuordnen wären, was jedenfalls für die in Ziffer 2.3 der AGBs enthaltene Kappungsgrenze unzweifelhaft zutrifft, unterliegen sie als Preishauptabsprachen, ebenso wie diese, nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S.1 und Abs. 2 BGB, sondern nur dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
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Der Regelung in den AGB eines sog. Kilometer-Leasingvertrags über einen Pkw, durch die eine Berechnung von Mehrkilometern und Erstattung von Minderkilometern geregelt wird, kommt nach dem vorstehend unter Ziffer 1) Aufgezeigten leasingtypische Amortisationsfunktion zu (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2013 – VIII ZR 336/12). Es handelt sich um die Regelung der Hauptleistungspflicht des Leasingnehmers mit Entgeltcharakter, da auch ein Ausgleich für Minderkilometer den Betrag mit festlegt, den der Leasingnehmer abschließend als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung zu zahlen hat. Sie unterliegt daher als Preishauptabsprache keiner materiellen AGBrechtlichen Inhaltskontrolle (Schmidt in Ulmen/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Auflage 2022, Leasingverträge Rn. 21b; Koch/Harnos in MüKo/BGB, 9. Auflage 2023, Anh § 515 Rn. 196).
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Namentlich findet gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Inhaltskontrolle nach den Absätzen 1 und 2 dieser Vorschrift (Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners) und nach den Klauselverboten in den §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen statt, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Eine solche Abweichung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften durch die hier in Streit stehenden Klauseln liegt nicht vor. Vielmehr sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und die hierfür zu zahlende Vergütung unmittelbar bestimmen, von der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen. Von diesen zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung gehörenden und deshalb nicht der Inhaltskontrolle unterliegenden Abreden sind die kontrollfähigen Nebenabreden zu unterscheiden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH, Urteil vom 25.09.2013 – VIII UR 206/12).
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Im vorliegenden Fall fehlt es an dispositivem Gesetzesrecht, das an die Stelle der hier in Streit stehenden Klausel treten könnte. Es existiert keine Rechtsvorschrift, die regelt, dass und in welcher Höhe im Fall von Minderkilometern bei Beendigung eines Kilometerleasingvertrags ein Vergütungsanspruch des Leasingnehmers besteht. Es handelt sich somit keine kontrollfähige Nebenabrede, sondern um eine der Inhaltskontrolle entzogene Preishauptabsprache.
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Soweit diese dennoch dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB unterliegt, sind insoweit Bedenken weder vorgebracht noch ersichtlich.
32
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.