Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 03.12.2024 – 12 Qs 61/24
Titel:

Wertersatzeinziehung ersparter Aufwendungen bei Dritten

Normenkette:
StGB § 73b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
Leitsätze:
Weil ersparte Aufwendungen von § 73b Abs. 2 StGB nicht erfasst werden, könnten sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB bei anderen, die nicht Täter oder Teilnehmer sind, eingezogen werden. (Rn. 9)
Ersparnisse aus Steuerhinterziehungen werden mangels Gegenständlichkeit nicht von § 73b Abs. 2 StGB erfasst und können damit nicht im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden (vgl. BGH BeckRS 2023, 7651; 2022, 24826; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2024, 1848). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Steuerhinterziehung, selbständiges Einziehungsverfahren, Einziehung von Wertersatz, ersparte Aufwendungen, Dritteinziehungsberechtigter
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Beschluss vom 12.06.2024 – 46 Ls 801 Js 656/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41993

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Einziehungsbetroffenen KH wird der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 12.06.2024 – 46 Ls 801 Js 656/23 – in Ziff. 2 des Tenors und im Kostenausspruch, soweit er den Beschwerdeführer betrifft, aufgehoben.
II. Der Einziehungsantrag der GenStA München gegen den Beschwerdeführer wird abgelehnt.
III. Soweit der Beschwerdeführer betroffen ist, trägt die Staatskasse die Kosten des selbständigen Einziehungsverfahrens einschließlich der Beschwerde und dessen notwendige Auslagen.

Gründe

I.
1
Am 12.06.2024 beschloss das Amtsgericht Nürnberg im Rahmen eines selbständigen Einziehungsverfahrens gegen die Einziehungsbeteiligte BH die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 697.544,93 € und gegen den Einziehungsbeteiligten KH, ihren Sohn, die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 20.000 € sowie die Einziehung des 90/1.000 Miteigentumsanteils am in der Gemarkung … gelegenen Flurstücks 79/4, …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 8 gem. Teilungsplan samt zugehörigem Keller und Dachbodenraum, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … (fortan kurz: Wohnungseigentum).
2
Dem Einziehungsverfahren lag zugrunde, dass BH beim Betrieb eines Restaurants für die Jahre 2012 bis 2018 Steuern in noch offener Höhe von 697.544,93 € hinterzogen und sich dadurch Aufwendungen in entsprechender Höhe erspart hat. Mit notariellem Vertrag vom 19.03.2018 übertrug BH ihrem Sohn das Wohnungseigentum. KH wurde am 09.04.2018 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Der Wert des Wohnungseigentums wurde im Vertrag auf 90.000 € geschätzt. BH ihrerseits hatte das – lastenfreie – Wohnungseigentum im Jahr 2004 erworben. Am 02.03.2018 übertrug BH 42.526,68 € von ihrem Konto bei der Sparkasse X (Nr. …591) auf ihr Girokonto bei der Sparkasse X (Nr. …913). Von dort überwies sie 20.000 € unentgeltlich auf das Konto des KH bei der Sparkasse X (Nr. …439).
3
Den vorstehenden Vermögensübertragungen war eine durch die Betriebsprüfer des Finanzamts … am 28.02.2018 durchgeführte Kassennachschau in dem Restaurant der BH vorausgegangen, deren Auswertung am 25.10.2018 zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens führte, das Grundlage des selbständigen Einziehungsverfahrens wurde.
4
Der Beschluss betreffend die Einziehungsbeteiligte BH ist rechtskräftig. Der Einziehungsbeteiligte KH legte gegen die ihn betreffende Anordnung sofortige Beschwerde ein.
II.
5
Die statthafte (§ 436 Abs. 2 mit § 434 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig erhobene sofortige Beschwerde ist begründet.
6
1. Anders als die Beschwerde meint, scheitert Einziehung des Wertersatzes der Taterträge (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a, Abs. 2 StGB) nicht an dem fehlenden Bereicherungszusammenhang.
7
Eine Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB setzt bei Verschiebungsfällen gem. § 73b Abs. 1 Nr. 2 StGB über den Wortlaut der Norm hinaus einen Bereicherungszusammenhang in dem Sinne voraus, dass die Übertragung des Vermögensgegenstands mit der Zielrichtung vorgenommen wurde, den Wertersatz dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen oder die Tat zu verschleiern. Die Einziehung nach § 73b Abs. 2 StGB scheidet also aus, wenn ein Zusammenhang mit den ursprünglichen Tatvorteilen nicht mehr erkennbar ist und mit der Transaktion weder das Ziel verfolgt wird, das durch die Tat unmittelbar begünstigte Vermögen des Täters oder des Dritten dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, noch die Tat zu verschleiern (BGH, Urteil vom 16.11.2023 – 3 StR 72/23, juris Rn. 7; Beschluss vom 16.11.2023 – 6 StR 408/23, juris Rn. 5). Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass der von dem Dritten unentgeltlich oder bösgläubig erlangte Gegenstand konkreten Ausgangstaten zuzuordnen sein müsste (BGH, Urteil vom 16.11.2023 – 3 StR 72/23, juris Rn. 9). Herrühren im Sinne des § 73b Abs. 2 StGB meint demnach, dass der Gegenstand mögliches Objekt der Vollstreckung einer Einziehungsanordnung ist, was im Falle der Einziehung von Wertersatz das gesamte Vermögen betrifft (Rettke, wistra 2020, 433, 435).
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Dass diese Voraussetzungen hier grundsätzlich (vorbehaltlich der nachfolgenden Erwägungen) gegeben sind, wie auch das Amtsgericht angenommen hat, unterliegt für die Kammer nach Lage der Dinge keinem ernstlichen Zweifel.
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2. Allerdings kommt es darauf nicht an. Die Einziehung von Taterträgen bei KH – als einem anderen i.S.d. § 73b StGB – scheidet nämlich aus, weil BH nur insoweit etwas erlangt hat, als sie durch ihre Steuerhinterziehungen die Aufwendungen für die Begleichung der Steuern erspart hat. Diese Aufwendungsersparnis wird einziehungsrechtlich unter Wertersatz kategorisiert. Die Verschiebung bzw. Weiterreichung des Wertersatzes unterliegt zwar grundsätzlich § 73b Abs. 2 StGB. Anders ist es aber bei ersparten Aufwendungen: Weil Ersparnisse in § 73b Abs. 2 StGB nicht von dem Begriff des Gegenstandes erfasst werden, können sie auch nicht nach § 73b Abs. 1 StGB im einziehungsrechtlichen Sinn weitergereicht werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2021 – 3 StR 518/19, juris Rn. 155 ff.; Beschluss vom 22.08.2022 – 1 StR 187/22, juris Rn. 5; Beschluss vom 17.11.2022 – 1 StR 323/22, juris Rn. 8; Beschluss vom 08.02.2023 – 1 StR 376/22, juris Rn. 11; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 01.02.2024 – 18 Qs 19/23, juris Rn. 19 a.A. Rettke, NZWiSt 2024, 353 ff.).
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3. Die Kammer hatte in der Sache selbst zu entscheiden, sodass der Antrag der GenStA München aus den genannten Gründen abzulehnen war.
III.
11
Die Kostenfolge beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.