Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 14.11.2024 – 4 SLa 2/24
Titel:

Unzulässigkeit Berufung - Integritätsfunktion der einfachen Signatur 

Normenketten:
ArbGG § 46c
ZPO § 130a, § 522 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
Die Berufungsbegründung in einem Verfahren um Vergütung und Abmahnung ist von der Prozessvertreterin des berufungsführenden Klägers zwar auf sicherem Übertragungsweg aus ihrem anwaltlichen Postfach verschickt, nicht jedoch (einfach) signiert worden. Die im Zusammenhang mit der Anhörung dazu übersandten Versionen des Schriftsatzes wichen voneinander ab. Die Berufung ist daher mangels Unterschrift als unzulässig verworfen worden. (Rn. 9 und 13 – 14)
1. Die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt, und zum Ausdruck bringen, dass diese die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen und ihn bei Gericht einreichen will. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Fehlen einer einfachen Signatur kann ebenso wie das einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein, wenn – ohne Beweisaufnahme – aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Dabei muss die Identität des Absenders feststehen sowie, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, dass es also dem Gericht mit Wissen und Willen des Berechtigten zugeleitet worden ist (hier verneint). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Prüfvermerk des elektronischen Dokuments betrifft allein die Frage der Übertragung, nicht aber die der Urheberschaft des übermittelten Dokuments. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässigkeit Berufung, Unterschrift, Signatur, Integritätsfunktion
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 04.10.2023 – 35 Ca 1896/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41630

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 04.10.2023, Az.: 35 Ca 1896/23, wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
II. Die Revisionsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten über eine Abmahnung sowie Vergütungsansprüche des Klägers. Das Arbeitsgericht München hat unter dem Aktenzeichen 35 Ca 1896/23 mit Endurteil vom 04.10.2023 die Klage abgewiesen.
2
Gegen diese seiner damaligen Prozessvertreterin am 05.12.2023 zugestellte Entscheidung hat der Kläger durch seine nunmehrige Prozessvertreterin mit Schriftsatz vom 03.01.2024, beim Landesarbeitsgericht München am selben Tag eingegangen, Berufung einlegen lassen.
3
Die Berufungsbegründungsfrist ist auf Antrag bis 05.03.2024 verlängert worden.
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Mit auf den 02.03.2024 datiertem Schriftsatz ist am 05.03.2024, 23:22 Uhr, über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) die Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht München eingegangen. Der Schriftsatz trägt weder eine qualifizierte elektronische noch eine einfache Signatur.
5
Auf telefonische Bitte der Vorsitzenden, den Begründungsschriftsatz nochmals zu übersenden, hat die Klägervertreterin die Berufungsbegründung als Word-Dokument und als pdf übersandt. Beide Dokumente trugen eine einfache Signatur. Sie wichen in der Seitenzählung von dem am 05.03.2024 eingereichten Schriftsatz ab. Das Word-Dokument war ausweislich der Word-Historie zuletzt am 11.10.2024 geändert worden.
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In der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2024, zu der die Klagepartei kurzfristig nicht erschienen ist, hat die Vorsitzende im Protokoll auf diese Umstände hingewiesen und mitgeteilt, dass sie Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung habe.
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Innerhalb der gesetzten Frist hat die Klägervertreterin mit – den Anforderungen des § 46c ArbGG nicht genügendem – Schriftsatz vom 07.11.2024, eingegangen am 08.11.2024, 19:26 Uhr, mitgeteilt, sie habe die Versendung von ihrem Anwaltspostfach vorgenommen. Die Signaturkarte dazu trage sie immer bei sich; im Fall von über einwöchiger Krankheit und – bis 2023 – über einwöchigem Urlaub gebe sie sie ihrem Kanzleikollegen. Sie hat außerdem ausgeführt, die Berufungsbegründung sei am späten Abend versandt worden, nachdem der Kläger seiner Prozessbevollmächtigten noch umfängliche Auswertungsdateien zu seinen Überstunden in den Textentwurf zur Verfügung gestellt und einpflegt habe. Die entsprechende Word-Datei liege ihrem Schriftsatz bei.
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Die Word-Datei weist in ihrer Historie eine letzte Änderung am 08.11.2024, 18:46 Uhr, aus.
II.
9
Die Berufung ist unzulässig und daher durch Beschluss zu verwerfen (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 522 Abs. 1 S. 3 ZPO). Der Kläger hat sie nicht formwirksam innerhalb der bis zum 05.03.2024 verlängerten Frist nach § 66 Abs. 1 S. 1 und 5 ArbGG begründet.
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1. Elektronisch eingereichte Dokumente müssen nach §§ 64 Abs. 7, 46c Abs. 3 S. 1 ArbGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Derartige Dokumente stehen im gerichtlichen Verfahren einem handschriftlich unterschriebenen Dokument gleich.
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Die (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens der verantwortenden Person am Ende des Textes (vgl. nur BAG v. 14.09.2020, 5 AZB 23/20 Rn. 15 – zitiert nach juris; Germelmannn-Künzl/Neubert-Vardon § 46c Rn. 10a).
12
2. Daran fehlt es hier.
13
Die Prozessbevollmächtigte hat die Berufungsbegründung zwar innerhalb der Frist am 05.03.2024 beim Landesarbeitsgericht über das beA und damit über einen sicheren Übermittlungsweg iS des § 46c Abs. 3 Nr. 2 ArbGG eingereicht. Der Schriftsatz war aber weder qualifiziert elektronisch noch einfach signiert. Denn am Ende des Textes war kein Name der verantwortenden Person wiedergegeben.
14
Der auf Anfrage der Vorsitzenden am 24.10.2024 über das beA eingereichte – einfach signierte – abgeänderte Schriftsatz ist nicht fristgemäß eingegangen.
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3. Auf die (einfache) Signatur kann vorliegend nicht verzichtet werden.
16
a. Die einfache Signatur soll – ebenso wie die handschriftliche Unterschrift oder qualifizierte Signatur – sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt, und zum Ausdruck bringen, dass diese die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernehmen und ihn bei Gericht einreichen will (BAG v. 14.05.2020, 3 AZB 23/20 Rn. 19 – zitiert nach juris).
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Daneben soll sie auch gewährleisten, dass das elektronische Dokument nicht spurenlos manipuliert werden kann (Perpetuierungs- oder Integritätsfunktion vgl. BTDrs. 14/4987 S. 24). Zum Ausdruck kommt dieser Aspekt in den sonstigen bundeseinheitlichen Übermittlungswegen nach § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO. Sie sind nur dann als sichere Übermittlungswege anzusehen, wenn die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet sind (BAG v. 14.05.2020, 3 AZB 23/20 Rn. 16- zitiert nach juris).
18
b. Das Fehlen einer einfachen Signatur kann ebenso wie das einer Unterschrift ausnahmsweise unschädlich sein, wenn – ohne Beweisaufnahme – aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Dabei muss aber nicht nur die Identität des Absenders feststehen, sondern auch, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, dass es also dem Gericht mit Wissen und Willen des Berechtigten zugeleitet worden ist (BAG v. 14.05.2020, 3 AZB 23/20 Rn. 16- zitiert nach juris; BSG v. 15.05.2024, B 8 SO 3/22 R Rn. 7 – zitiert nach juris; H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 11.10.2024), Rn. 211.1).
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c. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Umgekehrt bestehen angesichts der konkreten Umstände Zweifel daran, dass es sich bei dem Schriftsatz nicht nur um einen Entwurf gehandelt hat. Dazu kommt, dass gerade hier die Integritätsfunktion der Signatur virulent wird.
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i. Die Tatsache, dass der Prüfvermerk den Namen der klägerischen Prozessbevollmächtigten trägt, genügt nicht. Dies betrifft einzig die Frage der Übertragung, nicht die der Urheberschaft (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 11.10.2024), Rn. 206.1.).
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ii. Wenn die Klägervertreterin darauf rekurriert, sie trage ihre Signaturkarte regelmäßig bei sich, so konterkariert sie dies durch ihren eigenen Vortrag, dass zeitweise auch ein Kollege Zugriff darauf habe.
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Vor allem aber sagt dies nichts darüber aus, ob es sich bei dem Schriftsatz um einen Entwurf gehandelt habe. Dafür spricht die später am 24.10.2024 übersandte Version der Berufungsbegründung, die nicht nur die Signatur trug, sondern ausweislich der verschobenen Seitenzählung ab Seite 40 auch inhaltlich verändert war. Dass dies, wie die Klägervertreterin angibt, eine Vorversion der späteren Berufungsbegründung gewesen sei, erschließt sich nicht; jedenfalls die Word-Historie, in der als letztes Äderungsdatum der Datei der 11.10.2024 genannt ist, spricht für eine spätere Veränderung.
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Für einen Entwurf spricht außerdem der Vortrag der Klägervertreterin in ihrem Schriftsatz vom 07.11.2024, wonach der Kläger selbst in der Datei gearbeitet habe. Umso wichtiger war eine abschließende durch Signatur belegte Prüfung durch sie. Wenn sie angibt, die Datei sei von ihr dann umgewandelt und versandt worden, so erklärt dies nicht, warum die Datei nicht die im Worddokument vorhandene Signatur trägt und nach der Word-Historie zuletzt am 08.11.2024 kurz vor dem Versand des Schriftsatzes geändert worden ist.
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iii. Schließlich bietet die Verwendung des Briefbogens der Kanzlei keine Gewähr für die Urheberschaft der Prozessbevollmächtigten des Klägers und deren Willen, die Berufungsschrift in den Rechtsverkehr zu bringen. Ihre Nennung als Ansprechpartnerin für Rückfragen im Kopf des Schriftsatzes zeigt lediglich die zuständige Person in der Kanzlei, trifft jedoch keine Aussage darüber, ob diese für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (BAG v. 14.05.2020, 3 AZB 23/20 Rn. 20 – zitiert nach juris).
25
Die Entscheidung ergeht nach Gewährung rechtlichen Gehörs im schriftlichen Verfahren durch die Vorsitzende allein (§ 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG).
III.
26
Ein Grund für die Zulassung der Revisionsbeschwerde gemäß §§ 77 Satz 1, 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.
27
Die Revisionsbeschwerde kommt nur in Betracht, wenn sie vom Bundesarbeitsgericht auf Nichtzulassungsbeschwerde hin gemäß §§ 77 Satz 2 i.V.m. § 72a ArbGG zugelassen wird.