Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 24.01.2024 – 204 StRR 23/24
Titel:

Verschlechterungsverbot gilt auch für die Einziehungsentscheidung

Normenketten:
StPO § 331 Abs. 1, § 435
StGB § 74, § 76a
Leitsatz:
Eine in erster Instanz unterbliebene Einziehungsanordnung kann wegen des Verschlechterungsverbotes in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden. (Rn. 2)
Schlagworte:
Verschlechterungsverbot, Einziehung von Tatmitteln, selbständiges Einziehungsverfahren, Berufung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 18.07.2023 – 8 NBs 953 Js 164197/22
Fundstellen:
BeckRS 2024, 4147
LSK 2024, 4147
StV 2024, 721

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten L. gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Juli 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Anordnung über die Einziehung des asservierten Montiereisens entfällt.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat – abgesehen von der Einziehungsentscheidung – keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung wird auf die zutreffende und nicht ergänzungsbedürftige Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft M. in ihrer Antragsschrift vom 20.12.2023 Bezug genommen.
2
Wie bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, muss die in der Berufungsinstanz erstmals angeordnete Einziehung des asservierten Montiereisens entfallen. Eine solche Anordnung ist vom Amtsgericht nicht getroffen worden, so dass die nach alleiniger Einlegung der Berufung durch den Angeklagten erstmals im Berufungsurteil erfolgte Einziehung des Tatmittels gegen das Verschlechterungsverbot nach § 331 Abs. 1 StPO verstößt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.05.1990 – 1 StR 182/90 –, juris Rn. 7; vom 07.11.2018 – 4 StR 290/18 –, juris Rn. 4; OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2020 – 2 Rev 85/19 –, juris Rn. 7; MüKoStPO/Quentin, 2. Aufl. 2024, StPO § 331 Rn. 55), und zwar unabhängig davon, ob im Ersturteil die Einziehung rechtsfehlerhaft unterblieben war (BGH, Beschluss vom 22.01.2019 – 3 StR 48/18 –, juris Rn. 7).
3
Es entspricht allgemeiner Meinung, dass auf alleiniges Rechtsmittel des Angeklagten, seines gesetzlichen Vertreters oder auf ein zugunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft in diesem Bereich wegen des Verschlechterungsverbots keine Maßnahmen angeordnet werden durften, die sich nachteilig auf die Rechtsposition des Angeklagten auswirkten. An diesem Rechtszustand hat sich durch die am 01.07.2017 in Kraft getretene Reform der Vermögensabschöpfung nichts geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 5 StR 387/18 –, BGHSt 64, 48, juris Rn. 19 f. m.w.N.). Der Gesetzgeber hat die Problematik zwar im Blick gehabt (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 57, 72; siehe auch BT-Drucks. 18/11640 S. 83 f.). Er hat sie aber nicht im Wege einer Durchbrechung des Verschlechterungsverbots im Erkenntnisverfahren lösen wollen, sondern – im dort geregelten Umfang – dem selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB, §§ 435 ff. StPO zugewiesen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 a.a.O.). Eine Vermengung der jeweils eigenständigen Regularien folgenden Verfahrensarten wäre augenfällig systemwidrig und würde eine Umgehung der gesetzgeberischen Konzeption bedeuten (BGH, Beschluss vom 10.01.2019 – 5 StR 387/18 –, BGHSt 64, 48, juris Rn. 21).
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten auch nur teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO; vgl. auch BGH, Beschluss vom 07.11.2018 – 4 StR 290/18 –, juris Rn. 5).