Titel:
Verwaltungsrechtsweg wegen ehrverletzender äußerungen in der Pressmitteilung einer Stadtratsfraktion
Normenketten:
GVG § 13, § 17a Abs. 4 S. 3
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1, § 147
Leitsatz:
Das zwischen einem aus mehreren Vereinen und Organisationen bestehender Trägerkreis und einer Ratsfraktion im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit bestehende Rechtsverhältnis, aus dem der Anspruch auf Unterlassung von ehrverletzender Äußerungen in einer Pressemitteilung abgeleitet wird, wird maßgeblich durch öffentlich-rechtliche Rechtsnormen bestimmt, sodass aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit der Verwaltungsrechtweg gegeben ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fraktion im Stadtrat, Pressemitteilung, Kulturfördermittel, Verwaltungsrechtsweg, Öffentlichkeitsarbeit, Unterlassungsanspruch, öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 10.09.2024 – M 7 E 24.4356
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.12.2024 – 4 C 24.1656
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41453
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 2024 geändert. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Antragsteller ist ein aus mehreren Vereinen und Organisationen bestehender Trägerkreis, der die seit 2003 stattfindende Internationale M. Friedenskonferenz als Alternativveranstaltung zur M. Sicherheitskonferenz organisiert. Er wendet sich im vorliegenden Eilverfahren gegen bestimmte Inhalte einer von der Antragsgegnerin, einer Fraktion im M. Stadtrat, veröffentlichten Pressemitteilung.
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In der Vergangenheit erhielt der Antragsteller von der Landeshauptstadt M. auf Antrag finanzielle Zuwendungen aus Kulturfördermitteln für die Durchführung seiner Veranstaltung. Nachdem zwei Stadtratsfraktionen, darunter die Antragsgegnerin, sich in einem Schreiben an den Oberbürgermeister gegen eine weitere Förderung ausgesprochen hatten, teilte das Kulturreferat der Landeshauptstadt dem Antragsteller am 6. Februar 2024 formlos mit, eine Förderung könne nicht (mehr) erfolgen. Am 14. Februar 2024 gab die Antragsgegnerin eine Pressemitteilung heraus („In eigener Sache: Warum wir die M. Friedenskonferenz nicht mehr fördern wollen“), in der näher ausgeführt wurde, warum es „im Stadtrat keinen mehrheitlichen politischen Willen mehr“ gebe, „eine solche Veranstaltung offiziell zu unterstützen – weder finanziell und schon gar nicht politisch“.
3
Am 20. März 2024 erließ die Landeshauptstadt hinsichtlich der begehrten Förderung einen Ablehnungsbescheid; über die hiergegen erhobene Klage des Antragstellers ist noch nicht entschieden.
4
Am 22. Juli 2024 erhob der Antragsteller zudem beim Verwaltungsgericht eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Pressemitteilung (M 7 K 24.4355) und beantragte zugleich eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel, der Antragsgegnerin zu untersagen, bestimmte Äußerungen in der Pressemitteilung zu wiederholen, sowie sie zu verpflichten, die betreffenden Aussagen aus der im Internet noch abrufbaren Pressemitteilung zu entfernen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es handele sich um eine Außenrechtsbeziehung einer kommunalen Fraktion, die dem öffentlichen Recht zugehörig sei. Die Fraktion trete als Teil der Stadtratsmehrheit dem Antragsteller hoheitlich gegenüber. Bei dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen, der Pressemitteilung und der Ablehnung der Förderung handle es sich um einen untrennbaren Vorgang. Die in der Pressemitteilung dargelegten politischen Argumente seien der eigentliche Grund für die Versagung der Förderung; die im Bescheid genannten Gründe seien nur vorgeschoben. Die Entscheidung stehe in engem Verhältnis zu den Äußerungen der Mehrheitsfraktionen im Stadtrat. Schon der Titel der Pressemitteilung spreche dafür, dass hier hoheitliches Handeln begründet werde. Die Äußerung der Antragsgegnerin sei aus mehreren Gründen rechtswidrig.
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Das Verwaltungsgericht hörte die Beteiligten in beiden Verfahren zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits in den Zivilrechtsweg an.
6
Der Antragsteller wandte sich gegen eine Verweisung.
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Die Antragsgegnerin beantragte die Verweisung und führte aus, die Beziehungen zwischen den Beteiligten würden hier nicht durch das öffentliche Recht bestimmt; die angegriffene Äußerung sei nicht Ausdruck von Hoheitsgewalt. Der Grund für die Erklärung sei eine rein innerparteiliche Angelegenheit gewesen, nämlich eine Reaktion auf einen Antrag auf Parteiebene vom 20. Februar 2024. Es habe sich entsprechend auch nicht um eine Presseerklärung gehandelt. Auch im übrigen Presserecht sei anerkannt, dass Fraktionen in Außenbeziehungen zu Privatpersonen nicht hoheitlich tätig seien.
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Mit Beschluss vom 10. September 2024 erklärte das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I. Der Verwaltungsrechtsweg sei mangels einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht eröffnet; vielmehr sei der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 13 GVG). Bei der Antragsgegnerin handele es sich weder um einen öffentlichen Verwaltungsträger, der mit besonderen Befugnissen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ausgestattet sei, noch träten sie oder die ihr angehörigen Mandatsträger als Amtsträger gegenüber dem Antragsteller in einem hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis auf oder seien ihm gegenüber in Bezug auf eine reine Meinungsäußerung besonderen Regeln unterworfen. Nicht jede Meinungsäußerung, die ein Mandatsträger als solcher tätige, werde bereits deshalb zu einer dem öffentlichen Recht unterworfenen Äußerung. Vielmehr sei zu differenzieren, in welchem konkreten Rahmen sie erfolge. Die Fraktionen als frei gebildete Personenvereinigungen seien keine Gemeindeorgane und würden im bayerischen Kommunalrecht auch nicht ausdrücklich als Teil oder Einrichtung des Gemeinderats bezeichnet. Die Antragsgegnerin sei weder Teil der gegenüber Dritten hoheitlich handelnden Stadtverwaltung, noch sei ihr ein entsprechendes Amt verliehen, in der eine amtliche Äußerung – die dann der Landeshauptstadt M. als Rechtsträger zuzurechnen wäre – erfolgen könnte. Die streitgegenständlichen Äußerungen seien im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Antragsgegnerin erfolgt, nicht im Rahmen der Mandatsausübung. Sie seien weder Bestandteil des gemeinsamen Antrags der Antragsgegnerin mit der anderen Fraktion in dem Schreiben an den Oberbürgermeister, noch seien sie im Rahmen einer Stadtrats- oder Ausschusssitzung getätigt worden. Dass sie inhaltlich eine politische Auseinandersetzung beträfen, sei insoweit nicht ausreichend. Wenn Fraktionen als solche gegenüber Dritten tätig würden, geschehe dies grundsätzlich auf Grund jedermann zustehenden Rechts; ihre Rechtsbeziehungen zu diesen seien somit privatrechtlicher Natur. Die Meinungsfreiheit eines Gemeinderatsmitglieds gegenüber Dritten werde wie bei jedem anderen Bürger nur durch die allgemeinen Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG begrenzt. Da die Antragsgegnerin bzw. ihre Angehörigen mit der Veröffentlichung der Pressemitteilung auch keine Handlungsform in Anspruch nähmen, die ihnen nur kraft ihrer Mandatsträgerschaft zustünden, könnten sich daraus auch keine besonderen rechtlichen Verpflichtungen ergeben.
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Gegen den Verweisungsbeschluss legte der Antragsteller Beschwerde ein. Die Pressemitteilung nehme für sich in Anspruch, eine Position der Stadt nach außen zu vertreten. Die Äußerungen seien von der Öffentlichkeit auch als Begründung der hoheitlichen Entscheidung aufgefasst worden. Sie stellten eine eigenständige Belastung des Antragstellers dar, die über die bloße Ablehnung der Förderung hinausgehe. Die Antragsgegnerin habe nur aufgrund der hoheitlichen Rechte ihrer Mitglieder überhaupt Kenntnis von dem Antrag gehabt. Die Pressemitteilung sei also in untrennbarem Zusammenhang mit der Amtsausübung erfolgt; es handle sich dem eindeutigen Wortlaut nach um eine Stellungnahme „in eigener“ (hoheitlicher) „Sache“.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. September 2024 ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 146 Abs. 1, § 147 VwGO zulässig; sie ist auch begründet. Für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben, da das zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin bestehende Rechtsverhältnis, aus dem der Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen abgeleitet wird, maßgeblich durch öffentlich-rechtliche Rechtsnormen bestimmt wird. Zur weiteren Begründung wird auf den im parallelen Klageverfahren ergangenen Beschluss des Senats vom 28. Oktober 2024 verwiesen (Az. 4 C 24.1657), dessen Ausführungen zur Öffentlichkeitsarbeit einer Ratsfraktion auch für das vorliegende Verfahren Geltung beanspruchen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über die Verweisung löst ein selbständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (vgl. BGH, B.v. 17.6.1993 – V ZB 31/92 – NJW 1993, 2541/2542).
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Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für die erfolgreiche Beschwerde nach dem Gerichtskostengesetz keine Kosten anfallen. Der Gegenstandswert wird nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt.
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Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nicht vorliegen.
15
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG unanfechtbar.