Titel:
Selbstständiges Beweisverfahren, Beauftragter Richter, Mündliche Anhörung, Beweisbeschlüsse, Beweisaufnahme, Weiterer Sachverständiger, Unentschuldigtes Fernbleiben, Ablehnungsgesuch, Besorgnis der Befangenheit, Prozeßbevollmächtigter, Ordnungsgeld, Dienstliche Äußerung, Kammerbeschluss, Erstattung, Antragsgegner, Beschlüsse, Gutachten, Schriftsätze, Zurückbehalten, Herbeiführung
Schlagworte:
Besorgnis der Befangenheit, Ablehnungsgrund, dienstliche Äußerung, tatsächliche Befangenheit, Beweisbeschluss, Sachverständigenbestellung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41444
Tenor
1. Das Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 19.01.2024 betreffend RiLG wird für begründet erklärt.
2. Der Beschluss vom 19.01.2024 mit dem Herr … als weiterer Sachverständiger bestellt wurde, wird aufgehoben.
3. Der Sachverständige … wird darauf hingewiesen, dass er verpflichtet ist, persönlich zum Termin vom 05.06.2024 zu erscheinen und das Gutachten zu erstatten.
„Wenn ein Sachverständiger nicht erscheint oder sich weigert, ein Gutachten zu erstatten, obgleich er dazu verpflichtet ist, oder wenn er Akten oder sonstige Unterlagen zurückbehält, werden ihm die dadurch verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt. Im Falle wiederholten Ungehorsams kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden.“, § 400 I ZPO.
Für den Fall des unentschuldigten Fernbleibens ist mit der Verhängung obigen Ordnungsmitteln zu rechnen.
4. Die Kammer weist darauf hin, dass sie derzeit davon ausgeht, dass sich mündliche Anhörung des Sachverständigen auf die mit Schriftsatz der Antragsstellerseite vom 08.08.2023 aufgeworfenen Fragestellungen beschränkt. Hierauf zielt die mündliche Anhörung des Sachverständigen ab.
Die Frage, was vertraglich geschuldet war, ist letzten Endes Rechtsfrage. Diese kann nicht Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens sein.
5. Die Durchführung der Beweisaufnahme im Termin vom 05.06.2024 wird VRiLG … übertragen, § 361 ZPO.
Gründe
1
Eine Besorgnis der Befangenheit liegt vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund besteht, der sie von ihrem Standpunkt aus vernünftigerweise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden, EGMR NJW 2016, 1563; BVerfG NJW 2016, 2313; BGH MDR 2015, 1698. Der Maßstab ist also nach allgemeiner Beurteilung ein partei-„objektiver“, Brdb FamRZ 2018, 1088; Düss NZG 2016, 108; Ffm NJW-RR 2018, 693, krit. Schneider MDR 2005, 671. Der Ablehnungsgrund liegt dann vor, wenn er nach §§ 44 II, 294 ZPO glaubhaft gemacht wurde.
2
Eine etwaige bloß subjektive unvernünftige Vorstellung ist unerheblich, BGH NJW 2004, 164 (abl. Feiber NJW 2004, 650); Ffm NJW-RR 2018, 693; Mü SchiedsVZ 2008, 104. Eine dienstliche Äußerung nach § 44 III ZPO dahingehend, man fühle sich befangen oder nicht befangen, ist jedenfalls nicht allein maßgeblich, BVerfGE 99, 56; BFH DB 1977, 1124; LG Bayreuth NJW-RR 1986, 678. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Richter vom Standpunkt eines jeden auch wirklich befangen ist, Celle AnwBl. 1997, 295; VGH Mannh NJW 1986, 2068; LG Bln NJW 1986, 1000.
3
Auf eine tatsächliche Befangenheit des Richters oder dessen Selbsteinschätzung kommt es nicht an. Denn desen etwaige tatsächliche innere Befindlichkeit entzieht sich der Feststellung, weil es Sinn und Zweck der Norm ist, bereits den Anschein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden. Trotz des Wortlauts von § 42 Abs. 2 ZPO der nicht das Misstrauen einer bestimmten Person in Bezug nimmt, ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Sicht einer durchschnittlichen, vernünftigen und besonnen handelnden Partei und nicht des Prozessbevollmächtigten oder eines beliebigen Dritten abzustellen.
Dies zugrunde gelegt gilt Folgendes:
4
Zwar muss der beauftragte Richter nicht in jedem Fall für die Änderung eines Beweisbeschlusses die Beweisaufnahme abbrechen und einen Kammerbeschluss herbeiführen. Er kann kleinere Anpassungen selbst vornehmen, BeckOK ZPO/Bach ZPO § 361 Rn. 10 i.V.m. § 360 ZPO Rn. 10. Auch ist das Gericht grundsätzlich gehalten, zu versuchen das Verfahren zu beschleunigen. Dies beinhaltet auch den Versuch, Termine zu halten. Dennoch erscheint es so, dass die grundlegende Entscheidung, ob ein Mitarbeiter des Sachverständigen zum weiteren Sachverständigen ernannt wird, jedenfalls entgegen des Willens einer Partei geeignet, bei dieser den Eindruck zu erwecken, dass der beauftragte Richter dem Verfahren nicht völlig unvoreingenommen gegenübersteht. Das Ablehnungsgesuch war für begründet zu erklären.
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Der Beschluss vom 19.01.2024 mit dem Herr … als weiterer Sachverständiger bestellt wurde, wird aufgehoben. Zwar muss der beauftragte Richter nicht in jedem Fall für die Änderung eines Beweisbeschlusses die Beweisaufnahme abbrechen und einen Kammerbeschluss herbeiführen. Er kann kleinere Anpassungen selbst vornehmen, BeckOK ZPO/Bach ZPO § 361 Rn. 10 i.V.m. § 360 ZPO Rn. 10. Die Benennung eines weiteren Sachverständigen, noch dazu entgegen dem Willen wenigstens einer Partei, erscheint von § 361 ZPO nicht gedeckt.