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OLG München, Beschluss v. 30.12.2024 – 9 U 3574/22 Bau
Titel:

Kostenfreiheit der öffentlichen Hand für die Vorschussleistung für den Sachverständigen 

Normenketten:
GKG § 2 Abs. 1
JVEG § 13
Leitsätze:
Bei der Befreiung des Klägers von der Vorschussleistung nach § 2 Abs. 1 GKG hat es auch in Bezug auf die besondere Entschädigung des Sachverständigen nach § 13 JVEG sein Bewenden. (Rn. 4 – 5)
Die Regelung des § 13 Abs. 1 JVEG wird durch die übergeordnete Kostenfreiheit von Bund und Ländern nach § 2 Abs. 1 GKG überlagert. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenfreiheit, Vorschusspflicht, Sachverständigengutachten, besondere Entschädigung, Kostenbefreiung, öffentliche Hand
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 11 O 10889/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41364

Tenor

Auf die Gegenvorstellung des Klägers vom 05.12.2024 wird die Verfügung des Senats vom 28.11.2024 dahingehend abgeändert, dass die dort gegenüber dem Kläger angeordnete Vorschussleistung in Höhe von 4.000 € aufgehoben wird. Bei der Befreiung des Klägers von der Vorschussleistung nach § 2 Abs. 1 GKG hat es auch in Bezug auf die besondere Entschädigung des Sachverständigen nach § 13 JVEG sein Bewenden.

Gründe

1
Der Kläger wendet sich mit Schriftsatz vom 05.12.2024 (Bl. 497f. d.A.) gegen die mit Verfügung der Vorsitzenden vom 28.11.2024 auch ihm gegenüber angeordnete, teilweise Vorschusspflicht und beantragt die Kostenanforderung beim Kläger wieder aufzuheben.
I.
2
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Beweisbeschluss vom 16.04.2024 (Bl. 373/376 d.A.) wurde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, verbunden zunächst mit der Aufforderung zur Leistung von Kostenvorschüssen durch beide Parteien. Angesichts der Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG wurde der Kläger sodann mit Beschluss vom 25.04.2024 (Bl. 381/382 d.A.) von einer Vorschussleistung befreit, so dass bislang ein Kostenvorschuss für die Sachverständigenvergütung nur von der Beklagten, zwischenzeitlich in Höhe von 6.400 € geleistet wurde. Mit Schreiben vom 18.06.2024 (Bl. 388 d.A.) beantragte der Sachverständige nach § 9 JVEG die Zustimmung zu einem erhöhten Stundensatz von 140 € und erläuterte diesen mit Schreiben vom 02.07.2024 (Bl. 355 d.A.). Während die Beklagte ihre Zustimmung verweigerte, stimmte der Kläger dem mit Schriftsatz vom 25.06.2024 (Bl. 390f. d.A.) zu. Mit Beschluss vom 16.07.2024 (Bl. 401/402 d.A.) stimmte auch der Senat dem erhöhten Stundensatz zu. Unter dem 22.10.2024 erstellte der Sachverständige sein Gutachten, nachdem er zuvor mit Schreiben vom 26.09.2024 (Bl. 404 d.A.) mitgeteilt hatte, dass sich die Abgabe verzögere, da das Gutachten sehr zeitaufwändig sei, worüber die Parteien am 30.09.2024 (Bl. 407 d.A.) in Kenntnis gesetzt wurden. Am 25.10.2024 stellte der Sachverständige einen Betrag von 19.069 € in Rechnung. Nachdem die Vorsitzende mit Verfügung vom 04.11.2024 (Bl. 477 d.A.) die Entschädigung des Sachverständigen angeordnet hatte, schaltete die zuständige Kostenbeamtin die Bezirksrevisorin ein und erbat schließlich vom Senat „einen ausreichenden Vorschuss für die Rechnung des SV … einzufordern“ (Bl. 481 d.A.). Nach einem Telefonat der Vorsitzenden mit der Bezirksrevisorin am 18.11.2024, bei dem die Besonderheiten des vorliegenden Falles angesichts der Kostenfreiheit des Klägers nach § 2 Abs. 1 GKG besprochen wurden, wurde die „Idee“ entwickelt, dass man vom Kläger zumindest einen teilweisen Vorschuss im Hinblick auf die von ihm erklärte Zustimmung zu einem erhöhten Stundensatz und die diesbezügliche Differenz anfordern könnte (vgl. Vermerk vom 18.11.2024, Bl. 482f. d.A. und Stellungnahme vom 27.11.2024, Bl. 484 d.A.). Vor diesem Hintergrund wurden die Parteien mit Verfügung der Vorsitzenden vom 28.11.2024 auf ihre jeweiligen (weiteren) Vorschusspflichten hingewiesen, diese erläutert und u.a. gegenüber dem Kläger eine Vorschussleistung in Höhe von 4.000 € angeordnet.
II.
3
Auf den als Gegenvorstellung auszulegenden Rechtsbehelf des Klägers vom 05.12.2024 hin war antragsgemäß die ihm gegenüber angeordnete Vorschussleistung aufzuheben, da sich der Kläger zu Recht auf die Kostenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG beruft, die auch in Bezug auf die besondere Entschädigung eines Sachverständigen nach § 13 JVEG eingreift.
4
1. Kostenfreiheit bedeutet, dass für den Befreiten in allen Rechtszügen keine Verpflichtung zur Zahlung von Gebühren und Auslagen besteht (BeckOK KostR/ Dörndorfer GKG § 2 Rn. 2 und 12). Hintergrund der Kostenfreiheit von Bund und Ländern sind übergeordnete Gründe. Da sie als Träger der Gerichtsorganisation ohnehin den Aufwand für deren Errichtung und Unterhaltung zu tragen haben, soll durch die Kostenbefreiung eine Kompensation geschaffen werden, die es ihnen ermöglicht, die ihrer Verwaltungsorganisation unterstellte Institution kostenfrei in Anspruch nehmen zu können. Außerdem würde sich ihnen gegenüber der Erhebung von Gerichtskosten als überflüssiger Buchungsvorgang darstellen, so dass die Kostenbefreiung auch Verwaltungsaufwand vermeiden soll (BeckOK KostR, aaO, Rn. 1). Die Kostenfreiheit nach § 2 GKG umfasst nach h.M. (OLG Koblenz, Beschluss vom 24.04.2001 – 10 W 117/01, BeckRS 2001, 30986095; Beschluss vom 23.06.2004 – 6 W 231/04, IBRRS 2004, 3187; Beschluss vom 28.09.2005 – 14 W 618/05 mwN, BeckRS 2005, 14742; KG, Beschluss vom 13.10.2006 – 27 W 25/06, IBR 2007, 53; BeckOK KostR, aaO, Rn. 12; Binz/Dörndorfer/Zimmermann/ Zimmermann GKG § 2 Rn. 23; NK-GK/Joachim Volpert/Jürgen Köpf GKG § 2 Rn. 46; a.A. wohl Toussaint/Weber JVEG § 13 Rn. 22) auch die Sachverständigenvergütung nach dem JVEG einschließlich der besonderen Vergütung nach § 13 JVEG.
5
2. Der Senat schließt sich der h.M. ausfolgenden Gründen an:
6
Für eine Befreiung der öffentlichen Hand von der Pflicht zur Vorschussleistung auch dann, wenn diese sich mit einer erhöhten Vergütung des Sachverständigen einverstanden erklärt hat, sprechen zunächst der oben erläuterte Sinn und Zweck der Kostenbefreiung. Auch ist nicht ersichtlich, dass die kostenbefreite Partei, die sich mit einer erhöhten Vergütung des Sachverständigen einverstanden erklärt hat, damit zum Ausdruck bringt, dass sie auf ihre durch § 2 GKG begründete Sonderstellung, und sei es auch (nur) hinsichtlich des Differenzbetrages des erhöhten Stundensatzes verzichtet (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2004, aaO). Zudem wird die Regelung des § 13 Abs. 1 JVEG durch die übergeordnete Kostenfreiheit von Bund und Ländern nach § 2 Abs. 1 GKG überlagert. Die Anforderung einer im Übrigen auch kompliziert zu berechnenden, teilweisen Vorschussleistung würde der Befreiung von der Kostenzahlung widersprechen und im Übrigen auch, wie sich vorliegend zeigt, das laufende Verfahren mit kostenrechtlichen Aspekten belasten. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber eine solche Differenzierung gewollt hätte, sind auch nicht erkennbar. Vielmehr spricht viel dafür, dass er eine gewisse Dispositionsbefugnis der kostenbefreiten Partei zu Lasten der Staatskasse in Kauf genommen hat, da ein verantwortungsbewusstes Handeln insoweit unterstellt wird. Auch eine Zustimmung zu einem erhöhten Stundensatz erfolgt offensichtlich nicht verantwortungslos, sondern wohl aus Gründen der Ressourcenknappheit auf Seiten leistungsstarker und – williger Sachverständiger.
7
Nach all dem war antragsgemäß zu entscheiden. Der Sachverständige ist folglich (nunmehr zeitnah) zu entschädigen, auch wenn „ein ausreichender Betrag für die gesamte Vergütung“ iSv § 13 Abs. 1 JVEG der Staatskasse unter den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles nicht zur Verfügung steht bzw. nicht zur Verfügung stehen kann und muss.