Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.02.2024 – 4 CE 24.176
Titel:

Bestellung von Beauftragten des Bezirkstags

Normenketten:
BezO Art. 26 Abs. 2 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 3
Hauptsatzung BezTag Mfr. § 10 Nr. 1
BayGO Art. 33 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz gilt nicht für die Berufung der Beauftragten des Bezirkstags. (Rn. 14 und 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vom Verwaltungsgerichtshof für die Entsendung kommunaler Vertreter in die Aufsichtsräte der Beteiligungsunternehmen entwickelten Grundsätze (BayVGH BeckRS 2023, 993) sind auf die Bestellung von Beauftragten des Bezirkstags entsprechend anwendbar. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestellung von Beauftragten eines Bezirkstags nach dem Mehrheitsprinzip, Geltendmachung eines Anspruchs auf Berücksichtigung aller Fraktionen nach dem Spiegelbildlichkeitsgebot, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Wiederholung der Abstimmung im Bezirkstag zur Bestellung der Beauftragten, Beauftragte des Bezirkstags, Bezirkstag Mittelfranken, Demokratieprinzip, Spiegelbildlichkeitsgrundsatz, Mehrheitsprinzip, Fraktionen, Minderheitenschutz, freies Mandat
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 15.01.2024 – AN 4 E 24.88
Fundstellen:
BayVBl 2024, 705
BeckRS 2024, 4131
LSK 2024, 4131

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin beansprucht als Fraktion im mittelfränkischen Bezirkstag, entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bei der Bestellung sogenannter Beauftragter des Bezirkstags berücksichtigt zu werden.
2
Aufgrund der Bezirkswahl am 8. Oktober 2023 stellt die Antragstellerin in der Amtsperiode der Jahre 2023 bis 2028 vier der insgesamt 30 Bezirksräte. Der Bezirkstag gab sich am 2. November 2023 für die neue Amtsperiode eine geänderte Hauptsatzung. Gemäß § 10 Nr. 1 der Satzung beruft der Bezirkstag aus seiner Mitte durch Beschluss nach den personellen Vorschlägen der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Beauftragte des Bezirkstages für 15 Einrichtungen, Kommunalunternehmen und Bereiche. Die Beauftragten sind gemäß § 10 Nr. 2 der Satzung Mittler zwischen dem Bezirkstag und der von ihnen zu betreuenden Einrichtungen und Bereiche. Bei der Berufung der Beauftragten mit Beschluss des Bezirkstages vom 19. Dezember 2023 kam keines der von der Antragstellerin vorgeschlagenen Fraktionsmitglieder zum Zuge.
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§ 10 Nr. 1 Satz 1 der Hauptsatzung in der Fassung vom 31. Januar 2019 für die vorangegangene Amtsperiode lautete wie folgt: „Der Bezirkstag beruft aus seiner Mitte entsprechend dem Stärkeverhältnis (H./N.r) und den personellen Vorschlägen der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Beauftragte des Bezirkstages.“ Der Antragstellerin gehörten in dieser Amtszeit drei Bezirksräte an; sie stellte eine Beauftragte des Bezirks.
4
Am 12. Januar 2024 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO. Sie beantragte, den Antragsgegner zu verpflichten, über die Bestellung der 15 Beauftragten des Bezirkstages Mittelfranken unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts in seiner nächsten Plenarsitzung neu zu beschließen.
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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. Januar 2024 wurde der Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Bezirksordnung sehe die Bestellung von Beauftragten des Bezirkstages nicht vor. Mangels gesetzlicher Vorgaben unterliege die Bestellung lediglich der Organisationshoheit des Bezirks unter Beachtung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere des Demokratieprinzips. Die Wahrnehmung einer bereits mit in der Wahlentscheidung angelegten hoheitlichen Aufgabe im Rahmen der Mittlertätigkeit durch die Beauftragten des Bezirkstages sei nicht ersichtlich. Nach dem in den kommunalen Ordnungen geregelten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit sei bei der Bildung der Ausschüsse von kommunalen Vertretungen den Stärkeverhältnissen Rechnung zu tragen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO, Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO sowie Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BezO). Dem liege der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG enthaltene Grundsatz demokratischer Repräsentation zugrunde, mit der bei der Zusammensetzung von Ausschüssen als verkleinerten Abbildern des Plenums das in ihm wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widergespiegelt sein müsse. Dieser Gedanke gehe vorliegend ins Leere. Zunächst beziehe sich die geforderte Spiegelbildlichkeit ausdrücklich auf die Bildung von Ausschüssen; sie sei vorliegend auch nicht entsprechend anwendbar. Es gebe kein Plenum der „Beauftragten des Bezirkstages“, das als verkleinertes Abbild des Bezirkstages dessen Aufgaben übernehme. Die Mittlertätigkeit selbst würde ohne die Beauftragten nicht vom Bezirkstag als Kollegialplenum wahrgenommen werden, was sich im Übrigen gerade auch aus dem Begriff „Mittler“ ergebe. Unter dem Aspekt der Repräsentation sei, wie oben bereits gesagt, nicht ersichtlich, dass die Arbeit als Beauftragter eine Entscheidung sei, die bereits in der Wahl zum Bezirkstag angelegt und so bei der Organisation zu berücksichtigen gewesen sei, weil damit die Wahlentscheidung repräsentiert werden solle. Der Bezirkstag habe Autonomie zur Selbstorganisation. Die Tätigkeit der Beauftragten sei im politischen Bereich zu verorten. Es sei nicht erkennbar, dass mit der Mittlertätigkeit in irgendeiner Weise die Aufgaben des Bezirkstages so ausgelagert würden, dass bestimmte Bezirksräte in ihrer Arbeit behindert, ausgeschlossen oder sonst in ihrem freien Mandat beeinträchtigt würden. Es sei nicht ersichtlich, dass sich aus der Pflicht zur Gleichbehandlung oder dem Minderheitenschutz vorliegend über das Vorschlagsrecht der Antragstellerin hinaus eine Ergebnisbindung oder ein Anspruch auf Gestaltung der Hauptsatzung ergebe, die auch eine Berücksichtigung von Kandidaten der Antragstellerin sicherstelle. Die Wahl der Beauftragten erfolge nach § 10 Nr. 1 der Hauptsatzung auf Basis des demokratischen Mehrheitsprinzips. Auch vor dem Hintergrund der hohen Zahl an Beauftragten habe die Antragstellerin keinen Anspruch darauf, dass auch ein Vertreter ihrer Partei berücksichtigt werde. Das gelte unabhängig davon, ob dies in der Vergangenheit anders gehandhabt worden sei.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
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Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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1. Die Beschwerde der Antragstellerin, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
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a) Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht sehe die Bedeutung der Beauftragten zu Unrecht als gering an und verneine deshalb die Anwendung des Spiegelbildlichkeitsprinzips. Die Beauftragten seien von erheblichem politischen Interesse, weil sie Zugang zu den betreuten Bereichen und Einrichtungen hätten. Sie würden von den Bürgern ebenso wie die Mitglieder der Ausschüsse als Ansprechpartner für Probleme aus deren Aufgabenbereich wahrgenommen. Einer politischen Partei, die keine Beauftragten stelle, würden weniger politische Einflussmöglichkeiten und eine geringere Bedeutung zugemessen, was ihre Wahlchancen verringere. Die Wähler hätten bis zur Änderung der Bezirkssatzung davon ausgehen können, dass die Antragstellerin an der Bestellung der Beauftragten teilnehmen würde, was für ihre Wahlentscheidung bedeutsam gewesen sei; die Satzungsänderung wirke wie eine Änderung der Geschäftsgrundlage. Zwar könne der Bezirkstag über seine eigenen Angelegenheiten frei entscheiden. Allerdings seien dem auch Grenzen gesetzt, wie gerade die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu einer missbräuchlichen Ausschussbesetzung zeige. Die Änderung der Bezirkstagsatzung abweichend von der jahrzehntelangen Übung diene offensichtlich dazu, die Antragstellerin zu benachteiligen, was einen Missbrauch des Gestaltungsrechts darstelle. Der Antragsgegner habe die streitgegenständliche Änderung in der Satzung vom 2. November 2023 eingeführt, um die politische Wirkung der Antragstellerin zu begrenzen. Die Entsendung von Mandatsträgern in Aufsichtsräte sei mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil sie kaum mit einer politischen Außenwirkung verbunden sei.
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b) Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Antragstellerin steht bereits kein Anordnungsanspruch auf Wiederholung der Bestellung von Beauftragten des Bezirkstags zu (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO); ob ein Anordnungsgrund vorliegt, ist damit nicht entscheidungserheblich.
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Die von der Antragstellerin angestrebte Wiederholung des Beschlusses über die Bestellung der Beauftragten müsste auf Grundlage der aktuell geltenden Hauptsatzung vom 2. November 2023 erfolgen. Sie kann nicht beanspruchen, dass die Bezirkstagsmitglieder mehrheitlich (Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BezO) für die Bestellung der von ihr vorgeschlagenen Fraktionsmitglieder als Beauftragte zu stimmen. Dem steht das freie Mandat der Bezirkstagsmitglieder entgegen (vgl. für Gemeinderäte Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand April 2023, Art. 33 Rn. 9 m.w.N.). Die Antragstellerin macht selbst keinen entsprechenden Anspruch geltend. Vielmehr wendet sie sich gegen die am 2. November 2023 erfolgte Änderung von § 10 Nr. 1 der Hauptsatzung des Bezirkstags. Im Rahmen dieser Änderung wurde an der vorherigen Maßgabe, wonach der Bezirkstag seine Beauftragten aus seiner Mitte entsprechend dem Stärkeverhältnis (H./N.r) der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen beruft, nicht festgehalten. Die Antragstellerin wendet sich der Sache nach gegen diese Satzungsänderung.
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Unabhängig davon ist der sich aus § 10 Nr. 1 der Hauptsatzung in der aktuell geltenden Fassung ergebende Wahlmodus rechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der sogenannten Spiegelbildlichkeitsgrundsatz bei der Berufung der Beauftragten des Bezirkstags nicht gilt. Seine Anwendung ist in der Bezirksordnung lediglich für den Bezirksausschuss und die weiteren Ausschüsse vorgesehen (Art. 26 Abs. 2 Satz 2, Art 38 Abs. 1 Satz 3 BezO).
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Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 28. April 2010 (8 C 18.08 – BVerwGE 137, 21 – Rn. 21 f.) bezogen auf die Ausschussbesetzung in einer Gemeindevertretung ausgeführt hat, schützt der verfassungsrechtlich gebotene Spiegelbildlichkeitsgrundsatz den Anspruch jedes Mitgliedes der Gemeindevertretung und jeder von den Mitgliedern gebildeten Fraktion auf gleichberechtigte Mitwirkung. Gegenstand und Bezugspunkt der Abbildung sei das Stärkeverhältnis der politischen Kräfte, die sich zur Wahl der Gemeindevertretung gestellt und zwischen denen die Wähler entschieden hätten, und nicht der politischen Mehrheiten, die sich erst nach der Wahl in der Gemeindevertretung durch Koalitionsabreden gebildet hätten. Sitzverschiebungen zu Gunsten einer Koalitionsmehrheit könnten deshalb nur durch dem Spiegelbildlichkeitsgrundsatz gleichrangige kollidierende verfassungsrechtliche Vorgaben gerechtfertigt werden. Der so konkretisierte Spiegelbildlichkeitsgrundsatz gelte nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG allerdings nur für die Besetzung der aus der Gemeindevertretung abgeleiteten Gremien, die an der Erfüllung der dem Plenum zugewiesenen Aufgaben als Vertretung des (Gemeinde-)Volkes mitwirken. Dagegen erstrecke sich der Anwendungsbereich des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes nicht auf die Bildung des Gemeindevorstands, der kein Vertretungs-, sondern ein Verwaltungsorgan ist. Dieser Rechtsprechung haben sich der Verwaltungsgerichtshof (vgl. B.v. 9.1.2023 – 4 ZB 22.2095 – BayVBl 2023, 376 Rn. 21) und weitere Oberverwaltungsgerichte (vgl. z.B. OVG NW, B.v. 26.4.2011 – 15 A 693/11 – NWVBl 2011, 473 Rn. 6 ff.; Nds OVG, U.v. 14.2.2023 – 10 LC 87/22 – NdsVBl 2023, 171 Rn. 64 f.; OVG Bremen, B.v. 25.11.2022 – 1 LA 454/21 – juris Rn. 14; OVG Berlin-Bbg, U.v. 19.1.2017 – OVG 12 B 8.16 – Rn. 22) angeschlossen.
16
Das Verwaltungsgericht (BA S. 8) ist zutreffend zur Bewertung gelangt, dass der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz auf die Bestellung der Beauftragten des Bezirkstags nicht angewandt werden kann. Bei ihnen handelt es sich anders als bei dem Bezirksausschuss und den weiteren Ausschüssen (Art. 25 ff. BezO) nicht um aus dem Bezirkstag abgeleitete Teil- oder Hilfsorgane, die an der Erfüllung der dem Plenum zugewiesenen Aufgaben als Vertretung des Gemeindevolks mitwirken.
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Gemäß § 10 Nr. 2 Satz 1 und 3 der Hauptsatzung sind die Beauftragten Mittler zwischen dem Bezirkstag und der von ihnen zu betreuenden Einrichtungen und Bereiche. Das Nähere regelt die Geschäftsordnung. In § 21 der Geschäftsordnung für den Bezirkstag Mittelfranken (GeschOBT) vom 2. November 2023 sind Aufgaben, Rechte und Pflichten der Beauftragten geregelt. Danach achten die Beauftragten darauf, dass die Einrichtungen den gesetzlichen Vorschriften, den Beschlüssen des Bezirkstages, seiner Ausschüsse sowie den Anordnungen der Bezirksverwaltung nachkommen und dass Bezirkstag, Ausschüsse und Bezirksverwaltung ihre Verpflichtungen erfüllen. Die Beauftragten haben gegen Einrichtung und Bezirksverwaltung einen umfassenden lnformationsanspruch. Sie sind berechtigt, diese ohne Anmeldung zu besuchen und mündlich oder schriftlich Auskünfte einzuholen. Den Beauftragten sind Vorlagen an Beschlussgremien zuzuleiten. Insbesondere sind sie bei der Aufstellung der Haushalts- und Stellenplanentwürfe von den Einrichtungen zu hören. Zu den Sitzungen der Beschlussgremien, in denen wesentliche Angelegenheiten behandelt werden, sind sie zu laden. Haben Beauftragte Grund zur Beanstandung, wenden sie sich an die Leitungen der Einrichtungen. Helfen diese nicht ab oder sind sie dazu nicht in der Lage, wenden sie sich an die Bezirksverwaltung. Sind sie mit der Sachbehandlung bzw. Entscheidung der Bezirksverwaltung nicht einverstanden, sollen sie bei der Bezirkstagspräsidentin/dem Bezirkstagspräsidenten die Behandlung in den Gremien des Bezirkstags beantragen. Die Beauftragten können keine Anordnungen treffen oder Verantwortlichkeit gegenüber den Einrichtungen übernehmen.
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Die Beauftragten sollen damit mit Aufgaben betraut werden, die grundsätzlich der Bezirkstagspräsidentin oder dem Bezirkstagspräsidenten und der von ihr bzw. ihm mit deren Wahrnehmung beauftragten Bezirksverwaltung obliegen. Entsprechend kann die Bezirkstagspräsidentin oder der Bezirkstagspräsident gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BezO im Rahmen der Geschäftsverteilung (Art. 37 Abs. 3 BezO) einzelne ihrer oder seiner Befugnisse u.a. nach deren Anhörung einer Bezirksrätin oder einem Bezirksrat übertragen. Der Sache nach ist die betreffende Bezirksrätin oder jeweilige Bezirksrat neben seinem Amt als Mitglied des Bezirkstags gleichzeitig mit in die Bezirksverwaltung einbezogen und nimmt Verwaltungsaufgaben wahr. In dieser Funktion sollen die Beauftragten insbesondere auch unmittelbare Beziehungen mit Institutionen im Zuständigkeitsbereich des Bezirkes unterhalten. Dabei handelt es sich nicht um eine Aufgabe des Bezirkstags als Vertretungsorgan. Insbesondere vertritt die Bezirkstagspräsidentin oder der Bezirkstagspräsident den Bezirk gemäß Art. 33a Abs. 1 Satz 1 BezO nach außen. Dies betrifft nicht nur die Vertretung im Rechtssinne, sondern auch die Vertretung des Bezirks z.B. im gesellschaftlichen und repräsentativen Bereich (vgl. für die entsprechende Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GO betreffend den ersten Bürgermeister Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand April 2023, Art. 38 Rn. 1). Ohne die Bestellung der Beauftragten würde der Informationsaustausch des Bezirkstags mit den einzelnen Institutionen gewissermaßen mittelbar über die Verwaltungsorgane des Bezirks erfolgen. So kann die Bezirkstagspräsidentin oder der Bezirkstagspräsident ggf. unter Hinzuziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern z.B. in Sitzungen des Bezirkstags und seiner Ausschüsse über die Einrichtungen berichten, Fragen beantworten, Beschlussvorschläge unterbreiten und zu Fragen aus dem Bezirkstag bei den Einrichtungen Auskünfte einholen. Die Beauftragten bilden auch kein Gremium mit einer gemeinsamen Aufgabenbeschreibung, sondern werden jeweils einzeln in einem Themenbereich oder gegenüber einer Einrichtung im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners tätig.
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Die Entsendung kommunaler Vertreter in die Aufsichtsräte der Beteiligungsunternehmen (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2023 – 4 ZB 22.2095 – BayVBl 2023, 376 Rn. 21) ist insoweit mit der Bestellung von Beauftragten des Bezirkstags vergleichbar, als es sich auch bei diesen nicht um aus dem Bezirkstag abgeleitete Teil- und Hilfsorgane handelt und deshalb das Spiegelbildlichkeitsprinzip gleichfalls nicht gilt. Auch üben in beiden Konstellationen die von dem jeweiligen Vertretungsorgan entsandten Personen insoweit nicht ihr freies Mandat als Mitglied der örtlichen Volksvertretung aus; sie sollen in der jeweiligen Funktion nicht die im Rat vorhandene Pluralität der Meinungen widerspiegeln.
20
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner vorgenannten Entscheidung vom 9. Januar 2023 ausgeführt (a.a.O. Rn. 22), auch der allgemeine Gedanke des Minderheitenschutzes gebiete nicht die analoge Anwendung des Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (d.h. des Spiegelbildlichkeitsprinzips) auf die Entsendung der kommunalen Vertreter in die Aufsichtsräte der Beteiligungsunternehmen. Dem verfassungsrechtlichen Minderheitenschutz, der vor allem durch die Grundrechte gewährleistet werde, stehe das demokratische Prinzip der Mehrheitsentscheidung entgegen, das für den Gemeinderat in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GO (für den Bezirkstag Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BezO) ausdrücklich normiert sei. Habe der Gesetzgeber bzw. der kommunale Satzungsgeber keine speziellen Vorschriften zum Schutz der Ratsminderheit erlassen, gelte somit der demokratische Grundsatz „Mehrheit entscheidet”, dessen Anwendung bei der Besetzung von Aufsichtsratssitzen zulässigerweise zu dem Ergebnis führen könne, dass kein Vertreter einer Minderheitenfraktion bei der Vergabeentscheidung berücksichtigt werde. Diese Grundsätze sind auf die Bestellung von Beauftragten des Bezirkstags entsprechend anzuwenden. Es ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Antragstellerin und ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit es aus Rechtsgründen von Bedeutung sein könnte, ob der jeweiligen Funktion in der Außenwahrnehmung eine mehr oder weniger große Bedeutung zugeschrieben werden mag.
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bb) Der neugewählte Bezirkstag war nicht an die in der vorangegangenen Amtsperiode geltende Fassung der Hauptsatzung gebunden, sondern konnte im Rahmen seiner Organisationshoheit neu über die darin zu treffenden Regelungen entscheiden. Diese Gestaltungsfreiheit entspricht dem eigenständigen demokratischen Mandat, das die Wähler mit deren Wahl den Bezirksrätinnen und Bezirksräten verliehen haben.
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cc) Die Antragstellerin rügt, die Berufung der Beauftragten in der Sitzung des Bezirkstags am 19. Dezember 2023 sei missbräuchlich erfolgt. Die Beschwerdebegründung entspricht insoweit bereits nicht dem Darlegungsgebot gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
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Die Rechtsprechung, auf die sich die Antragstellerin insoweit bezieht, betrifft Geschäftsordnungsregelungen über die Ausschussbesetzung sowie die Anwendung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO (vgl. BayVGH – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 26; B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – BayVBl 2020, 743 Rn. 23 m.w.N.); sie kann nicht ohne weiteres auf die Bestellung von Beauftragten übertragen werden, für die dieser Grundsatz – wie oben ausgeführt – nicht gilt. Auch der Sachverhalt, über den der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. Januar 2023 (4 ZB 22.2095 – BayVBl 2023, 376 Rn. 23) zu entscheiden hatte, lag anders. Die dort streitgegenständliche Sitzverteilung in Aufsichtsräten unterlag zwar gleichfalls nicht dem gesetzlichen Spiegelbildlichkeitsgrundsatz; der dortige Stadtrat hatte sich allerdings dennoch – anders als vorliegend der Bezirkstag – kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie für eine das Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppierungen widerspiegelnde Verteilung der Sitze in den Aufsichtsräten entschieden.
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Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Abstimmung über die Bestellung von Beauftragten nach dem Mehrheitsprinzip als rechtsmissbräuchlich und damit als Verstoß gegen das rechtsstaatliche Willkürverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) angesehen werden könnte und inwieweit die in den vorgenannten Entscheidungen dazu aufgestellten Rechtsgrundsätze anwendbar wären, kann offenbleiben. Die Antragstellerin hat bereits nicht substantiiert vorgetragen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), inwieweit konkrete Umstände bei der Satzungsänderung vom 2. November 2023 oder bei der nachfolgenden Beschlussfassung am 19. Dezember 2023 belegen könnten, dass die Änderung des Bestellungsverfahrens oder die Entscheidung über die Berufung der einzelnen Beauftragten nachweislich mit dem einzigen oder vorrangigen Motiv erfolgt wäre, eine Bestellung von Mitgliedern der Antragstellerin zu vermeiden.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 und 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).