Titel:
Instandhaltungspflicht für einen Aufzug
Normenkette:
WEG § 18, § 19, § 44
Leitsätze:
1. Hat die Gemeinschaft ein Ermessen, kann die Anfechtung des Negativbeschlusses keinen Erfolg haben. (Rn. 10 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Will der Kläger eine Beschlussersetzung über eine Auftragsvergabe erreichen, muss er dem Gericht die erforderlichen Tatsachen – unter anderem Angebote – vortragen. (Rn. 14 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wohnungseigentümer haben einen Anspruch auf Wiederinbetriebnahme eines defekten Aufzugs. (Rn. 22 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufzug, Beschlussersetzung, Sanierung, Negativbeschluss
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 22.11.2023 – 1292 C 8470/22 WEG
Fundstellen:
BeckRS 2024, 41288
LSK 2024, 41288
ZMR 2025, 248
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 22.11.2023, Az. 1292 C 8470/22 WEG, teilweise abgeändert soweit die Klage abgewiesen wurde und dahingehend ergänzt, dass folgender Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer WEG …, als beschlossen gilt:
Der Verwalter wird ermächtigt und angewiesen, alle erforderlichen Instandsetzungsarbeiten, die im Prüfbericht des TÜV vom 12.01.2021 genannt sind und die zur sofortigen Wiederinbetriebnahme des stillgelegten Aufzuges erforderlich sind, durchführen zu lassen/zu beauftragen. Zur Durchführung wird in einer bis spätestens 31.03.2025 durchzuführenden außerordentlichen Eigentümerversammlung über die zu wählenden Alternativen der folgenden in der Email des TÜV vom 15.03.2022 vorgegebenen Lösungsansätze beschlossen:
1.1. Mangel Einsperrgefahr: Installation eines Notrufsystems, alternativ Verstärkung der ganzen Tür in der Form, dass nur noch ein Spalt von max. 15 cm verbleibt, wobei die Ausgestaltung der Türverstärkung farblich an den aktuellen Bestand anzupassen ist.
Zur Behebung des Mangels der Zugänglichkeit wird eine der beiden folgenden Varianten gewählt:
A) Es wird für den Personeneinschluss ein Eskalationsplan mit folgenden Eskalationsstufen erstellt und der Notrufzentrale zur Verfügung gestellt:
Im Notfall wird zunächst Herr …, bei fehlender Erreichbarkeit nacheinander die zwei der von Herrn … zu benennenden Personen des Vertrauens telefonisch kontaktiert. Hierfür werden der Notrufzentrale die Namen und die Telefonnummern zur Verfügung gestellt. Herr … wird zwei Vertrauenspersonen benennen und sowohl die Namen also auch die Telefonnummern der Hausverwaltung überlassen. Es wird ein Schlüsseldienst ermächtigt, die oberste Wohnung im Notfall zu öffnen. Dem Notdienst wird mitgeteilt, welcher Schlüsseldienst zu verständigen ist. Der zu verständige Schlüsseldienst wird in Absprache zwischen der Hausverwaltung und Herrn … festgelegt. Es wird die Feuerwehr verständigt.
B) Der Wohnungsschlüssel für die Wohnung an der obersten Haltestelle wird bei einer Wach- und Schließgesellschaft im Tresor hinterlegt und nur im Notfall dem Wartungsmonteur nach Information der Notrufzentrale gegen Unterschrift ausgehändigt.
Die Hausverwaltung wird bereits jetzt ermächtigt, eine Fachfirma mit der Umsetzung aller insoweit notwendigen Maßnahmen bis zu einer Kostengrenze 5.000,00 € zu beauftragen. Alle anfallenden Kosten werden der Instandhaltungsrücklage entnommen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger 15 %, die Beklagte 85 %. Von den Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger 87 %, die Beklagte 13 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 des Tenors genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages aus diesem und dem in Ziffer 1 genannten Urteil des Amtsgerichts München abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien, ein Wohnungseigentümer und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, welcher der Kläger angehört, streiten in der Berufungsinstanz noch um die Gültigkeit eines Negativbeschlusses der Eigentümerversammlung vom 16.05.2022 (TOP 10) sowie um zwei Beschlussersetzungen für Instandhaltungsmaßnahmen.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
3
Mit Endurteil des Amtsgerichts München vom 22.11.2023 wurde die Klage im Umfang der noch in der Berufung verfolgten Anträge abgewiesen, das Urteil wurde dem Kläger am 14.03.2024 zugestellt.
4
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufungsschrift vom 08.04.2024, eingegangen am selben Tag, welche er mit Schriftsatz vom 13.05.2024 begründete.
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Der Kläger beantragte im Berufungsrechtszug:
I. Der am 16.05.2022 in der ordentlichen Eigentümerversammlung der WEG … unter TOP 10: Instandsetzungsmaßnahmen Wohnung … gefasste Beschluss:
„Die Eigentümerversammlung beschließt, die Arbeiten, wie im Angebot der Fa. … über 33.662,33 Euro brutto aufgelistet, nicht ausführen zu lassen. Insoweit ist der Antrag abgelehnt.“
wird für ungültig erklärt.
Die Ausführung der Arbeiten, wie im Angebot der Fa … über 33.662,88 Euro aufgelistet, gilt als beschlossen.
Folgender Beschluss der WEG … wird gefasst:
Der Verwalter wird ermächtigt und angewiesen, die Arbeiten, wie im Angebot der Fa. … über 33.662,88 Euro aufgelistet, zu beauftragen und ausführen zu lassen.
II. Folgender Beschluss der WEG … wird gefasst:
Der Verwalter wird ermächtigt und angewiesen, umgehend alle erforderlichen Instandsetzungsarbeiten, die im Prüfbericht des TÜV vom 12.01.2021 genannt sind und die zur sofortigen Wiederinbetriebnahme des stillgelegten Aufzuges erforderlich sind, durchführen zu lassen/zu beauftragen. Hierzu werden die folgenden in der Email des TÜV vom 15.03.2022 vorgegebenen Lösungsansätze beschlossen:
- Mangel Einsperrgefahr: Installation eines Notrufsystems, alternativ Verstärkung der ganzen Tür in der Form, dass nur noch ein Spalt von max. 15 cm verbleibt, wobei die Ausgestaltung der Türverstärkung farblich an den aktuellen Bestand anzupassen ist
- Mangel Zugänglichkeit: Es wird für den Personeneinschluss ein Eskalationsplan mit folgenden Eskalationsstufen erstellt und der Notrufzentrale zur Verfügung gestellt:
Im Notfall wird zunächst Herr …, bei fehlender Erreichbarkeit nacheinander die zwei der von Herrn … zu benennenden Personen des Vertrauens telefonisch kontaktiert. Hierfür werden der Notrufzentrale die Namen und die Telefonnummern zur Verfügung gestellt. Herr … wird zwei Vertrauenspersonen benennen und sowohl die Namen also auch die Telefonnummern der Hausverwaltung überlassen.
Es wird ein Schlüsseldienst ermächtig, die oberste Wohnung im Notfall zu öffnen. Dem Notdienst wird mitgeteilt, welcher Schlüsseldienst zu verständigen ist. Der zu verständige Schlüsseldienst wird in Absprache zwischen der Hausverwaltung und Herrn … festgelegt.
Es wird die Feuerwehr verständigt.
Die Hausverwaltung wird ermächtigt, eine Fachfirma mit der Umsetzung aller insoweit notwendigen Maßnahmen bis zu einer Kostengrenze 5.000,00 € zu beauftragen. Alle anfallenden Kosten werden der Instandhaltungsrücklage entnommen.
6
Die Beklagte beantragte
Zurückweisung der Berufung.
7
Mit Beschluss vom 14.09.2023 berichtigte das Amtsgericht die Kostenentscheidung des Urteils in entsprechender Anwendung von § 319 ZPO.
8
Die Kammer verhandelte am 16.10.2024 mündlich zur Sache, wobei das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet worden war. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird ebenso Bezug genommen wie auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze.
9
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München ist statthaft, sie wurde auch in zulässiger Weise form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung erweist sich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als begründet.
10
Die Anfechtung des Negativbeschlusses bleibt unbegründet, weil die begehrte Beschlussfassung im Ermessen der Gemeinschaft lag. Hinsichtlich der dazugehörigen Beschlussersetzung zur Beauftragung der Firma … fehlt es bereits am schlüssigen Vortrag zur Erforderlichkeit der Maßnahme, ohnehin verbleibt der Gemeinschaft ein Ermessen hinsichtlich der Beauftragung und war für die Ersetzung eines Grundlagenbeschlusses angesichts der bereits beschlossenen Instandhaltungsmaßnahmen kein Raum. Der Kläger besitzt aber entgegen der Entscheidung des Amtsgerichts, welche daher insoweit abzuändern war, einen Anspruch auf Instandsetzung des stillgelegten Aufzugs, weswegen ein entsprechender Beschluss durch die Kammer ersetzt wird.
11
In der nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO gebotenen Kürze ist hierzu Folgendes auszuführen:
12
1. Zur Anfechtung des Negativbeschlusses unter TOP 10 der Eigentümerversammlung vom 16.05.2022 war bereits mit der Ladungsverfügung darauf hingewiesen worden, dass die Anfechtung eines Negativbeschlusses nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn keinerlei Ermessen der Gemeinschaft mehr bestand. Dies ist nicht der Fall, wenn es zulässige Alternativen zu dem beantragten Vorgehen gibt (BGH, Urteil vom 23. Juni 2023 – V ZR 158/22 –, Rn. 21, juris).
13
Dies ist hier der Fall. Es stand im Ermessen der Wohnungseigentümergemeinschaft, auch einen anderen Auftragnehmer als die Firma … mit der begehrten Instandsetzungsmaßnahme zu beauftragen. Auch stand es in ihrem Ermessen, für eine Maßnahme mit einem Kostenrahmen von 33.662,33 Euro zunächst Vergleichsangebote einzuholen, um eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Durchführung der Maßnahme zu besitzen. Bereits aus diesen, aus dem bloßen Beschlussinhalt offen zutage tretenden, Gründen war das Ermessen der Gemeinschaft nicht auf Null reduziert ist und bestand daher kein Anspruch gerade auf diesen konkreten Beschluss (vgl. BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 71. Ed. 1.8.2024, WEG § 44 Rn. 21). Es kam daher für die Anfechtung des Negativbeschlusses nicht darauf an, dass die Klage ohnehin nicht darlegt, weshalb dieser Beschluss wie beantragt auch erforderlich ist.
14
2. Hinsichtlich der Beauftragung der Firma … bestand aber auch kein Anspruch auf Beschlussersetzung.
15
Zunächst ist durch das WEMoG keine inhaltliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht daraus erfolgt, dass in § 44 Abs. 1 S. 2 WEG – anders als in § 21 Abs. 8 WEG a.F. – nicht mehr (ausdrücklich) aufgeführt ist, dass das Gericht „nach billigem Ermessen“ entscheidet. Der Gesetzgeber wollte damit nur klarstellen, dass es sich nach dem materiellen Recht bestimmt, ob dem Gericht eine Ermessenspielraum zusteht (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 83).
16
Es obliegt nach allgemeinen Grundsätzen dem Kläger, dem Gericht die Grundlage für eine zu treffende Ermessensentscheidung zu verschaffen. Soweit etwa für eine Auftragsvergabe oder eine Verwalterbestellung Angebote erforderlich sind, muss der Kläger diese herbeischaffen (BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 71. Ed. 1.8.2024, WEG § 44 Rn. 44).
17
Zur Erforderlichkeit der Beschlussfassung trägt die Klage vor, es sei in der Eigentümerversammlung vom 09.10.2019 ein Beschluss zur Durchführung der Maßnahmen gefasst worden. Eine Durchführung sei nicht erfolgt. Mittlerweile wurde die Beklagte in einem anderen zwischen den Parteien geführten Verfahren rechtskräftig zum Vollzug des Beschlusses verurteilt. Die Beklagte habe in diesem Verfahren vorgetragen, der Kostenrahmen würde nicht ausreichen.
18
Die Klage ist insoweit bereits nicht schlüssig. Es wird weder das Angebot vorgelegt, über welches beschlossen werden soll, noch ist der konkrete Gegenstand der Arbeiten, über den Inhalt des Beschlusses aus der Eigentümerversammlung vom 09.10.2019 hinaus, überhaupt identifizierbar. Ein Beweis wurde durch die Klage alleine dafür angeboten, dass die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 20.10.2021 zur Reparatur im einzelnen bekannter Mängel und Schäden am Gemeinschaftseigentum im Wohnbereich des Klägers aufgefordert worden wäre, worauf diese nicht reagiert habe. Dieser Beweisantritt besteht in einem Antrag auf Beiziehung von Akten eines anderen Verfahrens.
19
Aus diesem Vortrag ist nicht ersichtlich, für welche konkreten Instandsetzungsmaßnahmen ein Auftrag überhaupt erteilt werden soll, über den das Gericht dann im Fall des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen einen Beschluss fassen könnte. Bereits die Grundlage des zu ersetzenden Beschlusses ist aus dem klägerischen Vortrag nicht abzuleiten.
20
Hinzu kommt, dass die Klage in Konsequenz ihrer Auffassung, es bestünde kein Ermessen hinsichtlich der Durchführung, alleine die konkrete Beauftragung entsprechend dem (nicht vorliegenden) Angebot begehrt. Sollte eine Beauftragung bei einer Auftragssumme von 33.662,33 Euro aber erfolgen, wäre es wahrscheinlich allein ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend – stünde es aber jedenfalls im Ermessen der Gemeinschaft – hierzu als Entscheidungsgrundlage zuvor Vergleichsangebote einzuholen. Solche vorzulegen wäre aber bei einer begehrten Beschlussersetzung ebenfalls Aufgabe der Klage.
21
Die Ersetzung des Grundlagenbeschlusses kam auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger einen solchen ausdrücklich nicht begehrt und im Übrigen bereits ein bestandskräftiger Beschluss über die Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme existiert.
22
3. Abweichend von der Rechtsauffassung des Amtsgerichts in der angegriffenen Entscheidung erkennt die Kammer aber die Voraussetzungen der Beschlussersetzung hinsichtlich der Wiederinbetriebnahme des Aufzugs als gegeben.
23
Der Kläger kann gem. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG eine Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung) entspricht. Der Anspruch gerade auf Wiederinbetriebnahme eines Aufzugs wird auch aus der gesetzlichen Privilegierung nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WEG und dem hieraus erkennbaren gesetzgeberischen Willen zur Förderung barrierefreien Wohnens verdeutlicht: wenn schon der nachträgliche Einbau eines Aufzugs eine angemessene Maßnahme ist, auf welche ein Anspruch bestehen kann (BGH, Urteil vom 9. Februar 2024 – V ZR 244/22 –, Rn. 22, juris), gilt dies ganz ersichtlich erst recht für die Wiederinbetriebnahme eines bereits bestehenden Aufzugs. Darauf, dass gerade der 82 Jahre alte Kläger auch persönlich besonders auf die Nutzung eines Aufzugs angewiesen ist, kommt es dabei nicht einmal an.
24
Der Kläger besitzt ein Rechtsschutzbedürfnis. Die Wohnungseigentümer haben in der Versammlung vom 16.05.2022 unter TOP 21 nicht über die Wiederinbetriebnahme beschlossen. Die Annahme eines solchen Beschlusses oder gar dessen Verkündung ist aus dem Protokoll bereits nicht eindeutig ersichtlich (vgl. hierzu Hügel/Elzer, WEG vor § 23 Rn. 22). Protokolliert wurde lediglich, dass „die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass der Antrag nur angenommen wird, wenn die Vorgabe vom TÜV erfüllt werden“. Ob dies bereits die Annahme des Antrags, also der Beschluss über dessen Inhalt, ist, oder ob eine solche Beschlussfassung alleine für den Fall in Aussicht gestellt wird, dass noch zusätzliche Vorgaben erfüllt werden, ist bereits nicht hinreichend eindeutig. Wäre bereits ein Beschluss gefasst worden, so wäre dieser aber ohnehin unbestimmt, da er auf einer Bedingung beruht, welche aus dem Protokoll nicht hervorgeht. Welche Vorgaben des TÜVs erfüllt werden müssen, ist nicht erkennbar. Dies wäre im Übrigen nicht einmal aus Umständen außerhalb des Protokolls, nämlich in Kenntnis des Schreibens des Mitarbeiters des TÜV vom 15.03.2022 möglich: Der Beschlussantrag berücksichtigte bereits die Vorgaben des TÜV, in dem er sich hinsichtlich des Mangels Zugänglichkeit für die Variante mit dem Eskalationsplan entscheidet. Sollte unter TOP 12 der Eigentümerversammlung ein Vorgehen im Hinblick auf die Wiederinbetriebnahme beabsichtigt gewesen sein, so wurde hierüber bereits nicht abgestimmt. Ohnehin geht aus dem Beschlussantrag hervor, dass die Gemeinschaft keinesfalls bereit war, ihrer Verpflichtung zur Wiederinstandsetzung des Gemeinschaftseigentums nachzukommen. Vielmehr wird dort in offensichtlicher Verkennung der Aufgaben der Gemeinschaft – und in Verkennung des möglichen Schuldners von denkbaren Schadensersatzansprüchen angesichts der Verletzung der Pflicht zur Wiederinbetriebnahme – die Verantwortung zur Wiederinbetriebnahme einem einzelnen Eigentümer zugeschrieben.
25
Nachdem ein Anspruch des Klägers besteht und die Gemeinschaft im Hinblick auf die Wiederinbetriebnahme des Aufzugs untätig geblieben ist, hatte die Kammer einen Beschluss zu ersetzen, welcher es dem Kläger ermöglicht, das Gemeinschaftseigentum wieder zu nutzen.
26
Das Gericht trifft anstelle der Wohnungseigentümer den Beschluss nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG. Da die Beschlussersetzung in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer eingreift, dürfen Maßnahmen nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist. Es ist daher stets zu prüfen, ob und ggf. auf welche Weise es den Wohnungseigentümern ermöglicht werden kann, noch selbst in eigener Regie eine Entscheidung zu treffen (BGH, Urteil vom 23. Juni 2023 – V ZR 158/22 –, Rn. 30, juris; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 71. Ed. 1.8.2024, WEG § 44 Rn. 43). Die Prüfung durch die Berufungskammer ergab, dass der Beklagten hinsichtlich der Behebung beider der Wiederinbetriebnahme entgegenstehender Mängel ein Ermessen verblieb. Den dargelegten Rechtsschutzinteressen des Klägers konnte dadurch genügt werden, dass der Gemeinschaft zwar die Wahl der Maßnahme überlassen wurde, sie diese aber in einem für den Kläger noch zumutbaren Zeitrahmen, und daher in einer bis 31.03.2025 durchzuführenden Eigentümerversammlung, treffen muss.
27
Zwischen den Parteien blieb unstreitig, dass die Vorgaben des TÜVs, wie sie in der E-Mail vom 15.03.2022 (K 14) dargelegt sind, die technischen Voraussetzungen für die Wiederinbetriebnahme des Aufzugs darstellen. Hinsichtlich des bestehenden Mangels der Zugänglichkeit bestehen demnach drei Alternativen der Behebung, nämlich mittels separatem Schlüsseltresor für einen Wohnungsschlüssel des Klägers in der Schachtgrube, Hinterlegung eines Wohnungsschlüssels bei der Wach- und Schließgesellschaft oder durch einen Eskalationsplan, welcher der Notrufzentrale zur Verfügung gestellt wird. Hinsichtlich der Behebung des Mangels der Einsperrgefahr können wahlweise Bügel angebracht werden, um den Abstand zwischen vorgelagerter Tür und Schachttür zu verringern, oder es kann ein Notrufsystem installiert werden.
28
Der persönlich geladene Kläger erklärte dazu im Rahmen der Berufungshauptverhandlung, dass die Lösung durch Anbringung eines Schlüsseltresors in der Schachtgrube für ihn mit erheblichen Nachteilen verbunden sei. Ein Zugang zu Schachtgrube bestünde für jeden unberechtigten Eindringling, welcher mithilfe eines Vierkantschlüssels die äußeren Aufzugtüren öffnen und so Zugang zur Schachtgrube erlangen könne. Die für solche Schlüsseltresore verwendeten Schlüssel seien für den Aufzugwartungsdienst einheitlich und in großer Zahl im Umlauf sodass jeder, der bei einem Aufzugsdienst Zugang zu einem Exemplar dieses Schlüsseltyps erhalte, sich unüberprüfbar mit wenig Aufwand unberechtigt Zutritt zu seiner Wohnung verschaffen könne. Bei dieser Lösung habe er daher erhebliche Sicherheitsbedenken. Die Lösung der Hinterlegung bei einer Wach- und Schließgesellschaft betrachte er als kostenintensiver für die Gemeinschaft und daher nachteilig.
29
Auf die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines informierten und bevollmächtigten Vertreters der Beklagten zur Aufklärung des Sachverhalts erschien lediglich deren Prozessbevollmächtigter und insbesondere kein Vertreter der Hausverwaltung. Eine Erklärung der Beklagten, weshalb diese das Anbringen des Schlüsseltresors gegenüber den anderen Varianten für vorzugswürdig halte, erfolgte nicht.
30
Die Kammer konnte bei diesem Sachstand nach den vorgenannten Maßstäben von dem ihr nach den oben genannten Maßstäben eingeschränkt eingeräumten Ermessen zur Regelung der unterbliebenen Beschlussfassung dahingehend Gebrauch machen, dass sie nicht nur über die Grundlage der Instandsetzung des Aufzugs entschied, sondern bereits nach billigem Ermessen dahingehend erkannte, dass die Durchführung auf die im Schreiben des TÜVs genannten Varianten ausschließlich jener durch Anbringung eines Schlüsseltresors als beschlossen gilt. Ein Ermessen der Gemeinschaft über dir Wahl hinaus, jedenfalls einer der vom TÜV vorgeschlagenen Alternativen nachzukommen bestand unstreitig nicht. Andere Möglichkeiten der Behebung des Mangels wurden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
31
Hinsichtlich der Einsperrgefahr sind die beiden vorgeschlagenen Möglichkeiten als gleichwertig zu betrachten, weswegen der Gemeinschaft hier ein Ermessen im Hinblick auf die Durchführung verbleibt. Da hinsichtlich der Behebung des Mangels der Zugänglichkeit die Variante mit der Anbringung der Schlüsselressorts nachvollziehbar und in der Sache unbestritten mit erheblichen Nachteilen für den Kläger verbunden ist, kann es ordnungsgemäßer Verwaltung aber alleine entsprechen, hinsichtlich der Behebung dieses Mangels eine der beiden anderen Varianten zu beschließen. Dabei steht es wiederum im Ermessen der Gemeinschaft, sich für eine mehr oder weniger kostenintensive Variante zu entscheiden.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92, § 97 ZPO unter Berücksichtigung des jeweiligen teilweisen Obsiegens und Unterlegens und hatte für beide Instanzen zu ergehen (Stein/Althammer, 23. Aufl. 2018, ZPO § 540 Rn. 28), unabhängig von der eingelegten Beschwerde gegen die Berichtigung in erster Instanz. Die Einzelstreitwerte wurden dabei entsprechend der Festsetzung im Beschluss des Amtsgerichts über die Abhilfe der Streitwertbeschwerde vom 21.08.2024 bestimmt. Aus einem Gesamtstreitwert von 148.180, 96 € in erster Instanz unterlag der Kläger damit hinsichtlich der Anfechtung zu TOP 10 mit Beschlussersetzung, also hinsichtlich eines Teilstreitwerts von 22.459,65 €. In der Berufung war neben diesem Streitgegenstand noch die Beschlussersetzung hinsichtlich des Aufzugs anhängig, hinsichtlich welcher der Kläger wiederum obsiegte; dies betraf einen Einzelstreitwert von 3.336 € aus einem Gesamtstreitwert in zweiter Instanz von 25.795,65 €.
33
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
34
Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht. Eine Divergenz in der Rechtsprechung ist zu den aufgeworfenen Rechtsfragen nicht erkennbar. Insbesondere kam es hinsichtlich der Beschlussersetzung zu TOP 10 aus den oben genannten Gründen bereits nicht auf den Umfang des dem Gericht eingeräumten Ermessens im Rahmen der Beschlussersetzung an.