Titel:
Baugenehmigung für landwirtschaftliche Lagerhalle, Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Wegemäßige Erschließung ohne Notwegerecht gesichert, Abweichung von Abstandsflächen, Keine Entstehung eines Notwegrechts wegen Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungsfahrzeuge
Normenketten:
BayBO Art. 6
BayBO Art. 63
BayBO Art. 28
BGB § 917
Schlagworte:
Baugenehmigung für landwirtschaftliche Lagerhalle, Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Wegemäßige Erschließung ohne Notwegerecht gesichert, Abweichung von Abstandsflächen, Keine Entstehung eines Notwegrechts wegen Zufahrtsmöglichkeiten für Rettungsfahrzeuge
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.02.2025 – 2 ZB 24.2050
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41223
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtli- chen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine landwirtschaftliche Lagerhalle.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. Y. , Gemarkung A. (nachfolgende Fl.Nrn.-Angaben beziehen sich auf dieselbe Gemarkung). Das Grundstück ist (ausschließlich) mit einem Damm bebaut, auf dem sich der Dammbegleitweg zur Durchführung von Unterhaltsmaßnahmen am Damm und im Uferbereich der B. befindet.
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Der Beigeladene ist Eigentümer des unmittelbar benachbarten Grundstücks Fl.Nr. X. , das mit einer landwirtschaftlichen Lagerhalle bebaut werden soll. Auf dem Grundstück befinden sich bereits ein Wohnhaus, eine Maschinenhalle, ein Heu- und Strohlager, ein Getreidelager und eine Maschinen- und Autogarage. Das Heu- und Strohlager grenzt unmittelbar an das Grundstück Fl.Nr. Y. an.
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Mit Bescheid vom 6. März 2023 (Baubuch-Nr. B. -. -. ), der Klägerin zugestellt am 7. März 2023, erteilte das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer landwirtschaftlichen Lagerhalle und den Teilabbruch des bestehenden Wohnhauses mit verschiedenen Inhalts- und Nebenbestimmungen (Ziff. I des Bescheids). Von Art. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO) wurde eine Abweichung erteilt (Ziff. II des Bescheids). Der Bescheid enthält die Auflage, dass mit der Ausführung der Maßnahme erst nach Vorlage der Bescheinigung Brandschutz I begonnen werden darf (Ziff. I.5. des Bescheids). Vor der Nutzungsaufnahme ist die Bescheinigung Brandschutz II vorzulegen (Ziff. I.6. des Bescheids).
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Gegen diese Genehmigung erhob die Klägerin am 3. April 2023 (unter dem Az. Au 5 K 23.505) Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg mit dem Antrag,
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den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts ... vom 6. März 2023, Baubuch-Nr. B. -. -. , aufzuheben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Dammbegleitweg ausschließlich der Klägerin zur Durchführung von Unterhaltsmaßnahmen am Damm und im Uferbereich der B. diene. Der Weg sei nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Ausweislich des Eingabeplans solle das Tor der Lagerhalle an deren Westseite errichtet werden, sodass die Ein- bzw. Ausfahrt in die bzw. aus der geplanten landwirtschaftlichen Lagerhalle zwingend über das Grundstück der Klägerin erfolgen müsste. Ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten des Grundstücks des Bauherrn bestehe nicht. Das Baugrundstück sei vielmehr über die östlich des Anwesens verlaufende S. Straße erschlossen. Aus dem Abstandsflächenplan sei zu entnehmen, dass die Abstandsflächen auf dem Grundstück der Klägerin liegen würden. Da es sich bei dem Dammbegleitweg nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handle, müssten auf dem Grundstück der Klägerin Abstandsflächen übernommen werden. Einer solchen Abstandsflächenübernahme könne die Klägerin nicht zustimmen. Deshalb sei auch die nachbarschaftliche Unterschrift auf dem Bauantrag verweigert worden. Insbesondere aufgrund der fehlenden Abstandsflächenübernahme durch die Klägerin werde diese durch die erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt. Der Bescheid sei daher rechtswidrig und aufzuheben.
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Der Bauherr wurde mit Beschluss vom 5. April 2023 zum Verfahren beigeladen.
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Für den Beklagten beantragte das Landratsamt mit Schriftsatz vom 19. April 2023,
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtmäßig erteilt worden sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze. Das Bauvorhaben sei bereits mit Bescheid vom 21. Juli 2014 genehmigt worden, aber nicht umgesetzt worden. Die damalige Baugenehmigung sei deshalb erloschen. Bereits im damaligen Verfahren sei die Lagerhalle direkt an der Grenze zum Grundstück Fl.Nr. Y. vorgesehen gewesen. Aus den damaligen Akten gehe hervor, dass seitens der Klägerin Einverständnis mit dem Vorhaben bestanden habe, sofern Maßnahmen im Bereich des Gewässers und am Ufer weiterhin möglich seien. Das neu beantragte und genehmigte Vorhaben sei identisch mit dem abgelaufenen Bauvorhaben. Es sei seitens der Bauaufsichtsbehörde erkannt worden, dass die Abstandsflächen nicht eingehalten würden und es sich beim Nachbargrundstück der Klägerin um ein Privatgrundstück handle. Gleichzeitig könne aber davon ausgegangen werden, dass abgesehen von etwaigen Dammmaßnahmen nicht mit der Erstellung von baulichen Anlagen auf dem betroffenen Grundstück zu rechnen sei. Daher sei mit der Baugenehmigung eine Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen unter Vorlage einer Haftungsfreistellungs-/verzichtserklärung seitens des Bauherrn erteilt worden. Eine Abstandsflächenübernahme durch die Klägerin sei daher nicht notwendig. Die Erschließung erfolge, wie der Bauherr auch angesichts einer persönlichen Vorsprache mitgeteilt habe, über das Baugrundstück Fl.Nr. X. , über die östliche Öffnung der Halle.
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Der am 30. März 2023 erhobene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Mai 2023 abgelehnt (Az. Au 5 S 23.511). Darin wurde u.a. ausgeführt, dass die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen ergänzungsbedürftig, aber auch ergänzungsfähig sei.
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Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023 trug die Klägerin ergänzend vor, dass dem Landratsamt bekannt gewesen sein musste, dass die Klägerin mit dem Vorhaben nicht mehr einverstanden gewesen sei. Aufgrund des Eingabeplans sei zu erwarten, dass die Ein- und Ausfahrt aus der Halle zwangsläufig nur über die Westseite und damit über das Grundstück der Klägerin erfolgen könne. Damit würde jedoch der Dammbegleitweg der Klägerin übermäßig beansprucht. Ein Geh- und Fahrtrecht bestehe nicht. Zudem bestehe die Gefahr von Schäden am Damm, wenn dieser mit schwerem landwirtschaftlichem Gerät befahren werde, und damit eine Beeinträchtigung des Hochwasserschutzes. Auch sei fraglich, wie das Gebäude errichtet werden solle, ohne das Grundstück der Klägerin in Anspruch zu nehmen.
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Mit Änderungsbescheid vom 14. Juni 2023 (Baubuch-Nummer B. -. -. ) wurde Ziff. II der Baugenehmigung vom 6. März 2023 ersetzt. Die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen wurde erneut erteilt, konkretisiert und begründet.
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Mit Beschluss vom 21. Juni 2023 hat die Kammer den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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Am 11. September 2023 wurde in der Sache mündlich verhandelt. Es wurde vereinbart, die Prüfung des Vorhabens durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz abzuwarten. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Die Klägerin bezog den Änderungsbescheid vom 14. Juni 2023 in den Klageantrag mit ein.
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Das Verfahren Az. Au 5 K 23.505 wurde am 16. April 2024 statistisch erledigt. Nach Vorlage eines Brandschutznachweises durch den Beigeladenen wurde das Verfahren am 9. Juli 2024 unter dem Az. Au 5 K 24.1610 wieder aufgegriffen. Nach Ziff. III der Bescheinigung Brandschutz I vom 3. Mai 2024 i.V.m. dem Prüfbericht Nr. B. . -2. vom 3. Mai 2024, S. 5, ist die Inanspruchnahme des Dammbegleitwegs als 2. Aufstellfläche für eine Drehleiter zur Brandbekämpfung von Westen her sowie zur Löschwasserentnahme aus der B. Teil des Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben. Der Weg müsse hierfür ertüchtigt werden.
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Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024 trug der Bevollmächtigte des Klägers vor, dass das Vorhaben die brandschutzrechtlichen Vorschriften nicht einhalte. Das Wegegrundstück der Klägerin sei aus Sicht des Prüfsachverständigen als Zufahrt für die Feuerwehr zwingend erforderlich und sollte dementsprechend ausgebaut werden. Mit einer entsprechenden Verwendung des Grundstücks sei die Klägerin jedoch bekanntermaßen nicht einverstanden. Hierdurch werde ein Notwegerecht begründet, das die Klägerin nicht hinnehmen müsse. Gleiches gelte für die Durchleitung von Löschwasser aus der B. . Der Prüfbericht leide zudem unter einer falschen Sachverhaltsdarstellung im Brandschutznachweis vom 19. Mai 2021. Dort heiße es, das geplante Gebäude weise allseitig einen Grenzabstand von mindestens 2,50 m auf. Dies sei nicht korrekt, zum Grundstück der Klägerin sei das Bauvorhaben in Teilbereichen grenzständig. Es sei somit eine Brandwand nach Art. 28 BayBO erforderlich, diese dürfe keine Öffnung aufweisen. Die Vorgabe sei drittschützend. Der Prüfsachverständige habe aufgrund des falschen Sachverhalts hierzu auch keine Auflagen gesetzt.
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Der Beklagte führte mit Schriftsatz vom 19. September 2024 aus, dass dem Beigeladenen empfohlen worden sei, eine Überarbeitung des Brandschutznachweises zu veranlassen mit dem Ziel, den Brandschutz ohne Inanspruchnahme des westlichen, privaten Wirtschaftsweges der Klägerin zu gewährleisten. In einem Schreiben an den Beigeladenen vom 23. Juli 2024 war auf die Auflage Ziff. I.6. hingewiesen worden. Die Nutzungsaufnahme setze eine Ertüchtigung und Nutzung des privaten westlichen Wirtschaftsweges voraus.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. März 2023 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 14. Juni 2023 verletzt die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Über die Klage konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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1. Die Klage ist zulässig.
24
Die Klägerin ist klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie kann sich als Nachbarin im baurechtlichen Sinn auf die Möglichkeit der Verletzung in drittschützenden Normen stützen. Die Klage wurde auch innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben.
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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat der anfechtende Nachbar nur, wenn das Bauvorhaben den im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden, öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 55 ff. BayBO) und die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient, ihr also drittschützende Wirkung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – BVerwGE 82, 343). Eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung reicht dabei nicht aus, denn der Nachbar muss in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein.
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a) Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt nicht gegen bauplanungsrechtliche, nachbarschützende Vorschriften, die Gegenstand der Baugenehmigung sind. Beim Bauvorhaben des Beigeladenen handelt es sich um einen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO. Bei Sonderbauten ergibt sich das Prüfprogramm der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 60 Satz 1 BayBO. Das Baugrundstück liegt im unbeplanten Innenbereich, so dass die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit auf Grundlage des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) zu erfolgen hat.
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aa) Das Vorhaben fügt sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein, unabhängig davon, ob diese als Dorfgebiet (§ 5 Baunutzungsverordnung – BauNVO) oder als Mischgebiet (§ 6 BauNVO) einzustufen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Die Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, sind nicht nachbarschützend.
29
bb) Die Erschließung des Baugrundstücks ist auch ohne Inanspruchnahme eines Notwegerechts zu Lasten der Klägerin gesichert (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
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Die Klägerin macht geltend, dass ausweislich des Eingabeplans das Tor der Lagerhalle an deren Westseite errichtet werde, sodass die Ein- bzw. Ausfahrt in bzw. aus der geplanten landwirtschaftlichen Lagerhalle zwingend über ihr Grundstück Fl.Nr. Y. erfolgen müsse. Ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten des Baugrundstücks bestehe nicht. Damit rügt die Klägerin sinngemäß eine mangelnde Erschließung des Baugrundstücks. Die Voraussetzung einer ausreichend gesicherten Erschließung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist grundsätzlich nicht drittschützend, sondern dient nur dem Allgemeininteresse (BayVGH, U.v. 17.11.1999 – 26 B 96.1268 – BayVBl 2000, 472; Söfker/Hellriegel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: April 2024, § 34 Rn. 141). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wegen eines Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Eigentumsrecht der Klägerin liegt nicht vor.
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Durch die ausreichend gesicherte Erschließung soll sichergestellt werden, dass an das Grundstück herangefahren werden kann und es für Kraftfahrzeuge, besonders auch solche der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung, erreichbar ist (BVerwG, B.v. 23.1.1992 – 4 NB 2.90 – NVwZ 1992, 974). Ein Abwehranspruch gegen eine rechtswidrig erteilte Baugenehmigung steht dem Nachbarn zum Schutze seines Eigentums nur in dem Ausnahmefall zu, dass durch die behördliche Entscheidung ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsteht, das eine unmittelbare Rechtsverschlechterung bewirkt (BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – NJW 1976, 1987; BayVGH, B.v. 12.8.2002 – 2 CS 02.1358 – juris Rn. 8 ff.).
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Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung führt allerdings nicht dazu, dass zur wegemäßigen Erschließung des Baugrundstücks ein Notwegerecht zu Lasten der Klägerin auf deren Grundstück Fl.Nr. Y. in Anspruch genommen werden muss. Die An- und Zufahrt zu der genehmigten Lagerhalle erfolgt ausweislich der genehmigten Baupläne von der S. Straße her über die östliche Öffnung der Halle. Dies hat der Beigeladene im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auf Nachfrage des Landratsamts auch ausdrücklich bestätigt (s. Aktenvermerk vom 10.1.2023, Bl. 73 der Behördenakte). Auch in der mündlichen Verhandlung am 11. September 2023 hat der Beigeladene dies nochmals bekräftigt. Das Baugrundstück liegt unmittelbar an die dem öffentlichen Verkehr gewidmete S. Straße an. Zwar verfügt die Halle auch auf der Westseite, zum Grundstück der Klägerin hin, über eine Toröffnung. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese der Zufahrt zur Halle über das Grundstück Fl.Nr. Y. dient. Vielmehr wird dadurch der Zugang bzw. die Zufahrt zu der bereits bestehenden Maschinenhalle auf dem eigenen Grundstück des Beigeladenen ermöglicht. Dies erscheint ausweislich der genehmigten Pläne auch ohne Benutzung des Grundstücks Fl.Nr. Y. möglich. Auch im Brandschutznachweis, den der Beigeladene vorlegte, wird von einer Erschließung der baulichen Anlage von der S. Straße her ausgegangen. Damit ist das Baugrundstück ausreichend erschlossen i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, ohne dass es in diesem Zusammenhang bereits darauf ankäme, ob die Anforderungen an Rettungswege ausreichend erfüllt sind (s. hierzu die Ausführungen unter Ziff. 2 b) cc). Im Übrigen ergeht die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter (Art. 68 Abs. 5 BayBO). Auf die Frage, ob das Grundstück der Klägerin etwa für die Errichtung der Halle zur Anfahrt von Baufahrzeugen in Anspruch genommen werden muss, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an.
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Eine Verletzung sonstiger bauplanungsrechtlicher Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen wären, wie etwa der Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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b) Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen bauordnungsrechtliche, nachbarschützende Vorschriften, die Gegenstand der Baugenehmigung sind.
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aa) Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen Abstandsflächenrecht, welches nach Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO ebenfalls zum Prüfprogramm im Baugenehmigungsverfahren für Sonderbauten gehört.
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Maßstab für die Beurteilung ist vorliegend die Baugenehmigung vom 6. März 2023 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 14. Juni 2023. Grundsätzlich ist bei einer Nachbarklage zwar die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgebend. Nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind jedoch zu berücksichtigen (BayVGH B.v. 12.7.2021 – 1 ZB 21.735 – juris Rn. 5).
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Zwar kann das teilweise grenzständige Bauvorhaben des Beigeladenen unstreitig in Richtung des Grundstücks der Klägerin die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalten. Das Landratsamt hat insoweit jedoch eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO erteilt. Bei einer rechtmäßig erteilten Abweichung werden die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst eingehalten. Eine Abstandsflächenübernahme auf das Grundstück der Klägerin ist damit nicht verbunden, die Abstandsflächen erstrecken sich nicht auf das Grundstück Fl.Nr. Y. Die erteilte Abweichung ist in der Fassung des Änderungsbescheids vom 14. Juni 2023 auch rechtmäßig. Sie entspricht dem Bestimmtheitsgebot des Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), weil die Abweichung ausdrücklich für die westlichen Abstandsflächen des Bauvorhabens erteilt wird (s. hierzu VG Würzburg, B.v. 10.7.2014 – W 4 S 14.613 – juris Rn. 26). Der Umfang der erteilten Abweichung lässt sich zweifelsfrei dem genehmigten Abstandsflächenplan entnehmen.
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In Bezug auf die Einhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin hin liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor. Die Abweichungsentscheidung kann bis zur Entscheidung über die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung nachgeholt werden (BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 CS 16.1348 – juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 21; Dhom/Simon in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2024, Art. 63 Rn. 58). Der nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO erforderliche Antrag auf Erteilung einer Abweichung wurde vom Beigeladenen mit Formblattantrag vom 27. Januar 2023 gestellt. Es kann offenbleiben, ob es für die Erteilung einer Abweichung noch einer atypischen Fallkonstellation bedarf (s. hierzu BayVGH, B.v. 2.5.2023 – 2 ZB 22.2484 – juris Rn. 10; VG Augsburg, B.v. 2.12.2021 – Au 5 S 21.2374 – Rn. 51). Selbst wenn jedoch für die Erteilung einer Abweichung nach wie vor eine atypische Situation gefordert werden sollte (so BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – juris Rn. 26), kann diese vorliegend bejaht werden. Die atypische Fallkonstellation ergibt sich daraus, dass das klägerische Grundstück weder bebaut ist noch bebaut werden kann. Der Dammbegleitweg weist im Bereich des Bauvorhabens zwischen dem Grundstück der Beigeladenen und der Uferböschung eine Breite von höchstens 9 m auf. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sind Anlagen in, an, über und unter oberirdischen Gewässern so zu errichten, dass u.a. die Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als es den Umständen nach unvermeidbar ist. Von den wasserwirtschaftlichen Fachbehörden wird in der Regel ein Mindestabstand baulicher Anlagen zum Gewässer von 5 m gefordert. Dies zugrunde gelegt, ist eine Bebauung des im maßgeblichen Bereich nur ca. 8 – 9 m breiten Dammbegleitwegs nach Auffassung des Gerichts rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen und von der Klägerin im Übrigen auch nicht beabsichtigt. Sie begründet die Klage ja vielmehr damit, dass sie auf die freie Zugänglichkeit des Weges und uneingeschränkte Nutzbarkeit des Weges zur Bewirtschaftung des Damms angewiesen sei. Die mit dem Abstandsflächenrecht typischerweise geschützten nachbarlichen Belange der ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie des sozialen Wohnfriedens können durch das Bauvorhaben weder jetzt noch zukünftig beeinträchtigt werden. Dies rechtfertigt die Annahme einer atypischen Fallkonstellation, in der eine Abweichung erteilt werden kann.
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Zu Recht ist das Landratsamt davon ausgegangen, dass die Abweichung unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Ausgehend vom Schutzzweck der Regelungen des Art. 6 BayBO ist nicht erkennbar, dass die Klägerin durch die erteilte Abweichung in nachbarlichen Belangen beeinträchtigt werden könnte. Das Grundstück Fl.Nr. Y. ist mit einem Damm der Stauhaltung C. bebaut. Der auf dem Damm gelegene Dammbegleitweg dient der Klägerin nach eigenen Angaben zur Durchführung von Unterhaltsmaßnahmen am Damm und im Uferbereich der B. . Diese Zweckbestimmung des Damms wird durch das streitgegenständliche Bauvorhaben in keiner Weise beeinträchtigt. Zudem ist im Hinblick auf die besondere Zweckbestimmung und angesichts der örtlichen Verhältnisse eine Bebauung des Dammbegleitwegs auf Höhe des streitgegenständlichen Bauvorhabens, wie ausgeführt, nicht zu erwarten. Damit werden die typischerweise durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange wie die ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung von Gebäuden in keiner Weise beeinträchtigt. Im Übrigen reichen bereits jetzt sowohl Gebäude auf dem Baugrundstück als auch Gebäude auf benachbarten Grundstücken bis an den Dammbegleitweg heran, so dass nicht ersichtlich ist, dass dieser durch das streitgegenständliche Gebäude, das zudem nur teilweise grenzständig ist, eine zusätzliche Beeinträchtigung erfahren könnte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Ermessensausübung im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2023 nicht zu beanstanden. Auch wenn die Bauaufsichtsbehörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen in der Regel gehalten ist, eine Abweichung zuzulassen (sog. „intendiertes Ermessen“; vgl. hierzu Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 63 Rn. 30; Dhom/Simon in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 63 Rn. 39), erfordert eine ordnungsgemäß erteilte Abweichung, dass erkennbar ist, dass die Bauaufsichtsbehörde sich der Voraussetzungen des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO bewusst war und die insofern erforderliche Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte vorgenommen hat. Dem wird der streitgegenständliche Bescheid i.d.F. des Änderungsbescheids vom 14. Juni 2023 nunmehr gerecht. Das Landratsamt hat die Belange der Klägerin in die Ermessenserwägungen zutreffend eingestellt und gewichtet. Das Abwägungsergebnis in Form der erteilten Abweichung ist unter Berücksichtigung des Zwecks der Abstandsflächenvorschriften und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange nicht zu beanstanden.
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bb) Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Brandschutzes liegt ebenfalls nicht vor.
41
Zwar dienen die bauordnungsrechtlichen Vorschriften über Brandwände als Gebäudeabschlusswände – anders als die Vorschriften über innere Brandwände – dem Nachbarschutz, weil sie das Übergreifen des Brandes auf Nachbargebäude verhindern sollen (BayVGH, U.v. 23.5.2023, a.a.O. Rn. 33; BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 15 CE 17.2599 – juris Rn. 58). Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind Brandwände als Gebäudeabschlusswand erforderlich, wenn diese an der Grenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von 5 m zu bestehenden oder nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Diese Regelung gilt jedoch nicht für Gebäude der Gebäudeklassen 1 und 2; in diesen Fällen findet Art. 27 BayBO entsprechende Anwendung (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 BayBO). Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde eine „landwirtschaftliche Lagerhalle“ gemäß dem Bauantrag vom 27. Januar 2023 genehmigt. Nach der Genehmigungslage handelt es sich demnach um ein Gebäude der Gebäudeklasse 1 (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO). Nach Art. 27 Abs. 1 BayBO müssen Trennwände als raumabschließende Bauteile von Räumen oder Nutzungseinheiten innerhalb von Geschossen ausreichend lang widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung sein. In Nr. 3 des Brandschutznachweises vom 19. Mai 2021 ist festgehalten, dass die Außenwände und Außenwandteile der Halle aus nicht brennbaren Bauteilen bestehen. Nach Nr. 4.1 des Brandschutznachweises dürfen beim gesamten Bauvorhaben keine leicht entflammbaren Baustoffe verwendet werden. Dies wird auch in den vom Brandschutznachweis I in Bezug genommenen Prüfberichten Nr. B. . -1vom 17. April 2024 und Nr. B. . -2. vom 3. Mai 2024 (jeweils Nrn. 10.5.5 und 10.5.6) festgesetzt. Damit wird den Vorgaben der Art. 26 und 27 BayBO ausreichend Rechnung getragen.
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Allerdings dient das Vorhaben, wie das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Schreiben vom 24. August 2024 festgestellt hat, vor allem dem landwirtschaftlichen Lohnunternehmen des Beigeladenen. Bei einem Lohnunternehmen handelt es sich um ein landwirtschaftsnahes Gewerbe, das nicht unter den Begriff der Landwirtschaft fällt (BVerwG, B.v. 11.8.1989 – 4 B 151/89 – juris Leitsatz; NdsOVG, B.v. 9.7.2019 – 1 LA 140/18 – juris Rn. 8). Selbst wenn deshalb davon ausgehen wollte, dass es bei der Anwendbarkeit des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO verbleibt, werden die brandschutzrechtlichen Vorgaben insoweit eingehalten. Vorliegend ist eine Errichtung von baulichen Anlagen auf dem Dammbegleitweg innerhalb eines Abstands von 5 m zum Bauvorhaben ausgeschlossen, so dass nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 BayBO auf eine Brandwand als Gebäudeabschlusswand verzichtet werden kann. Dies ergibt sich aus Lage und Funktion des Weges, der auch nach eigenem Vorbringen der Klägerin ausschließlich dieser selbst zur Durchführung von Unterhaltsmaßnahmen am Damm und im Uferbereich der B. dient. Angesichts des gesicherten faktischen und im Hinblick auf § 36 Abs. 1 Satz 1 WHG auch rechtlichen Ausschlusses einer Bebaubarkeit ist hier nach Auffassung des Gerichts eine zusätzliche Sicherung, etwa im Wege einer Grunddienstbarkeit, nicht zu fordern. Der brandschutzrechtlich relevante Mindestabstand ist gesichert gewahrt, die Gefahr eines Brandüberschlags auf bauliche Anlagen auf dem Grundstück der Klägerin ist nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Sachverhaltsdarstellung in den Prüfberichten Nr. B. . -1vom 17. April 2024, Nr. . und Nr. B. . -2. vom 3. Mai 2024, Nr. . (ebenso im Brandschutznachweis vom 19. Mai 2021 Nr. 4.4), wonach der Abstand des Gebäudes zur Grundstücksgrenze mindestens 2,5 m bzw. zu bestehenden Gebäuden auf demselben Grundstück mindestens 5 m betrage, zutreffend ist. Auch wenn der Verzicht auf die Forderung einer äußeren Brandwand insoweit möglicherweise von einer unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung ausgeht, ergibt sich der daraus gezogene Schluss auch bei Zugrundelegung des zutreffenden Sachverhalts.
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cc) Die Klägerin kann vorliegend auch im Hinblick auf eine im Rettungsfall möglicherweise erforderliche Inanspruchnahme des Dammbegleitweges durch die Feuerwehr bzw. durch Rettungskräfte kein Abwehrrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG geltend machen.
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Grundsätzlich kommt dem Erfordernis des Vorliegens funktionsfähiger Rettungswege (Art. 31 BayBO) keine nachbarschützende Wirkung zu (BayVGH, B.v. 4.7.2018 – 9 ZB 17.1984 – juris Rn. 16). Die Rettungswege dienen lediglich dem Schutz der Bewohner bzw. Benutzer des jeweiligen Gebäudes. Sie dienen nicht der Verhinderung des Übergreifens des Brandes auf das Nachbargrundstück. Das Übergreifen auf das Nachbargrundstück soll im Wesentlichen durch die Vorschriften zu den Brandwänden verhindert werden. Eine Verletzung der Klägerin in ihrem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in Zusammenschau mit der im Brandschutznachweis vorgesehenen Inanspruchnahme des Dammbegleitwegs, um zu einer zweiten Aufstellungsfläche im Westen des Gebäudes zu gelangen, liegt nicht vor. Zwar ist die Inanspruchnahme des Dammbegleitwegs als 2. Aufstellfläche für eine Drehleiter zur Brandbekämpfung von Westen her sowie zur Löschwasserentnahme aus der B. Teil des Brandschutzkonzepts für das Bauvorhaben (s. hierzu Ziff. III der Bescheinigung Brandschutz I vom 3. Mai 2024 i.V.m. dem Prüfbericht Nr. B. . -2. vom 3. Mai 2024, S. 5). Die Baugenehmigung ergeht jedoch unbeschadet privater Rechte Dritter (Art. 68 Abs. 5 BayBO). Es ist deshalb zunächst Sache des Beigeladenen, die im Prüfbericht Nr. B. . -2. geforderte Ertüchtigung des Wirtschaftsweges parallel zur B. (S. 5 des Prüfberichts) zivilrechtlich sicherzustellen. Ohne diese Ertüchtigung darf er die Nutzung der streitgegenständlichen Halle nicht aufnehmen (s. Ziff. I.6. der Baugenehmigung). Ob es insoweit zu einer privatrechtlichen Einigung mit der Klägerin kommt, kann dahingestellt bleiben. Ein Genehmigungsabwehranspruch für die Klägerin käme nämlich ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Baugenehmigung unmittelbar in deren Grundeigentum eingreifen und dadurch die Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzen würde. Zur Begründung einer Nachbarrechtsverletzung durch eine erteilte Baugenehmigung kann allerdings im Regelfall nicht allein auf das Eigentumsrecht zurückgegriffen werden, weil die nachbarlichen Abwehrrechte im Baurecht verfassungskonform ausgestaltet sind und der Gesetzgeber insofern unter Einschluss der Grundsätze des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots ein geschlossenes System des nachbarlichen Drittschutzes bereitgestellt hat (BVerwG, U.v. 7.11.1997 – 4 C 7.97 – NVwZ 1998, 735). Etwas Anderes kann, wie bereits im Zusammenhang mit der wegemäßigen Erschließung dargestellt, nur gelten, wenn das genehmigte Bauvorhaben eine praktisch unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks zur Folge hat, die Baugenehmigung also zwingend zur Begründung oder Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB führt. Allerdings betrifft die Rechtsprechung zur Verletzung des Nachbarn in Art. 14 Abs. 1 GG durch ein entstehendes Notwegerecht nur den Fall einer fehlenden wegemäßigen Erschließung des Grundstücks und kann nicht auf das Fehlen eines Rettungsweges übertragen werden (VG München, U.v. 23.9.2020 – M 9 K 19.2984 – juris Rn. 41). Ein Notwegerecht im Sinne des § 917 BGB für die Nutzung des klägerischen Grundstücks als Rettungsweg kann nicht entstehen, denn die „ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks“ i.S. des § 917 BGB umfasst keine gelegentlich auftretenden Sonderbedürfnisse wie die Zufahrt von Rettungsfahrzeugen (Fritzsche in BeckOK, BGB, Hau/Poseck, Stand: Mai 2024, § 917 Rn. 10). Solange der Beigeladene jedoch eine Ertüchtigung des Dammbegleitwegs nicht zivilrechtlich sicherstellen kann, darf die Nutzung der streitgegenständlichen Halle nicht aufgenommen werden. Mit Schreiben vom 23. Juli 2024 an den Beigeladenen hat das Landratsamt darauf hingewiesen, dass die Bescheinigung Brandschutz II (als Voraussetzung für die Nutzungsaufnahme) erst dann ausgestellt werden kann, wenn die Ertüchtigung und Nutzungsmöglichkeit des privaten westlichen Wirtschaftsweges nachgewiesen sei. Demnach darf ohne die Ertüchtigung keine „ordnungsgemäße Nutzung“ im Sinne des § 917 BGB stattfinden, so dass sich die Frage der Entstehung eines Notwegerechts nicht stellt. Im Hinblick auf die Auflage Ziff. I.6. der Baugenehmigung fehlt es insoweit bereits an einer Rechtsverletzung der Klägerin. Sollte das Grundstück der Klägerin trotz fehlender Ertüchtigung des Weges gleichwohl im Ausnahmefall zur Zufahrt von Rettungsfahrzeugen benutzt werden müssen, etwa zur Brandbekämpfung auf dem Grundstück des Beigeladenen von Westen her, handelt es sich um ein allenfalls vereinzelt auftretendes Sonderbedürfnis. Solche gelegentlichen Sonderbedürfnisse stellen auch dann keine ordnungsgemäße Grundstücksbenutzung dar, wenn diese in einer Baugenehmigung vorausgesetzt werden. Die Benutzung seines Grundstücks zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr hat der Nachbar bereits wegen § 904 Satz 1 BGB zu dulden. Eines Notwegerechts bedarf es insoweit nicht. Die Anwendbarkeit des Notstandsrechts aus § 904 Satz 1 BGB ist nicht davon abhängig, ob eine bestandskräftige Baugenehmigung vorliegt, sodass aus einer Baugenehmigung diesbezüglich keine im Wege einer „Automatik“ eintretende Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG resultieren kann. Feuerwehr und Rettungsdienste dürfen zudem im Notfall nach § 228, § 229 BGB das Grundstück der Klägerin benutzen, unabhängig von einem Geh- und Fahrtrecht oder einem Notwegerecht. Gleiches gilt für die Entnahme von Löschwasser aus der B. .
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3. Nach alledem verletzt die mit der Klage angefochtene Baugenehmigung vom 6. März 2023 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 14. Juni 2023 die Klägerin nicht in nachbarschützenden Rechten. Die Klage erweist sich als erfolglos und ist demzufolge abzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene einen Antrag auf Klageabweisung gestellt hat und sich somit dem prozessualen Risiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, seine außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.