Titel:
unzulässiger Asylantrag bei vorheriger Schutzzuerkennung in Griechenland, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung für jungen, arbeitsfähigen Mann, dem in Griechenland internationalen Schutz zuerkannt wurde
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1
GrCh Art. 4
EMRK Art. 3
Schlagworte:
unzulässiger Asylantrag bei vorheriger Schutzzuerkennung in Griechenland, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung für jungen, arbeitsfähigen Mann, dem in Griechenland internationalen Schutz zuerkannt wurde
Fundstelle:
BeckRS 2024, 41082
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
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1. Der Kläger, somalischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 13. November 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 30. Januar 2024 einen förmlichen Asylantrag.
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Ausweislich der Angaben in der Eurodac-Datenbank war dem Kläger in Griechenland am 9. Juni 2023 bereits internationaler Schutz zuerkannt worden.
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Die Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Zulässigkeit seines Asylantrags fand am 4. Juli 2024 statt. Dabei gab der Kläger im Wesentlichen an, dass er in Griechenland zunächst in einer Einrichtung für Minderjährige gelebt habe, wo er versorgt worden sei und auch einen Sprachkurs habe besuchen können. Danach sei er für einen Monat in einer Unterkunft für Erwachsene untergebracht gewesen. Nach seiner Schutzzuerkennung habe er jedoch keinerlei Unterstützung mehr erhalten. Er sei dann über einen somalischen Landsmann nach Athen gekommen, habe in der Wohnung des Landsmanns gewohnt und für vier Monate in einer Fabrik gearbeitet, in der Hühnchen verarbeitet wurden. Mit dem dabei verdienten Geld sei auch sein Flugticket nach Italien finanziert worden. Wegen der weiteren Angaben des Klägers wird auf die Niederschrift über die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom 2. September 2024 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte in Ziffer 2 des Bescheides fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. In Ziffer 3 wurden der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Griechenland abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Kläger dürfe nicht in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zu Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).
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Wegen der Begründung wird auf den vorgenannten Bescheid des Bundesamts Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der in der Gerichtsakte befindlichen Kopie der Postzustellungsurkunde am 5. September 2024 zugestellt.
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2. Am 10. September 2024 erhob der Kläger zu Protokoll des Urkundsbeamten Klage gegen den vorgenannten Bescheid und beantragt,
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2. September 2024 wird aufgehoben;
hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Griechenland vorliegt.
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Zur Begründung trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig rechtswidrig sei, da ihm in Griechenland eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung drohe. Ergänzend verwies der Kläger auf seine im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt gemachten Angaben.
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3. Mit Schriftsatz des Bundesamts vom 11. September 2024 beantragt die Beklagte,
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Wegen der Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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4. Der Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 13. September 2024 abgelehnt (W 4 S 24.31717). Auf die Gründe dieses Beschlusses wird verwiesen.
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5. Mit Beschluss vom 19. November 2024 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren W 4 S 24.31717 sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Hinsichtlich der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2024 wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass ein Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage hat zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig.
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Statthafte Klageart hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die (isolierte) Anfechtungsklage (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 16 ff.). Auch im Übrigen ist die Klage zulässig.
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2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Der Bescheid des Bundesamts vom 2. September 2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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2.1. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig, denn der Asylantrag des Klägers in Deutschland ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.
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Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Hiermit wird Art. 33 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie – umgesetzt, welcher in seinem Absatz 2 abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten dürfen. Dies ist nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a) Asylverfahrensrichtlinie dann der Fall, wenn ein anderer Mitgliedstaat bereits internationalen Schutz gewährt hat.
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Dies ist vorliegend der Fall. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die entsprechenden Angaben des Klägers im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt (vgl. Blatt 82 der elektr. BA), die insoweit mit den Angaben in der Eurodac-Datenbank übereinstimmen (vgl. Blatt 19 und 68 der elektr. BA). Dem Kläger wurde demnach in Griechenland bereits internationaler Schutz zuerkannt. Dies hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch nochmals bestätigt.
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2.2. Der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG steht auch nicht Art. 4 der Grundrechtscharta (GrCh) i.V.m Art. 3 EMRK (vgl. Art. 52 Abs. 3 GrCh) entgegen (vgl. hierzu EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540/17 u.a. – juris). Eine ernsthafte Gefahr, eine gegen Art. 4 GrCh verstoßende, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung in Griechenland zu erfahren, besteht für den Kläger als jungen, alleinstehenden und arbeitsfähigen Mann zur Überzeugung des Gerichts nicht.
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2.2.1. Bei der Prüfung, ob Griechenland hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 28). Denn Griechenland unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem fußt auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (vgl. hierzu nur EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. juris Rn. 83 f.).
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Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung dieser Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft. Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) oder die Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) genügt, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu hindern. Denn Mängel des Asylsystems können nur dann gegen das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verstoßen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen.
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Diese Schwelle ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK (vgl. Art. 6 Abs. 3 EUV und Art. 52 Abs. 3 GrCh) erst dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.; aus der Rechtsprechung des EGMR siehe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2015, 127 ff.).
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Selbst große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse erreichen diese Schwelle nicht, wenn sie nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer diese Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.).
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Auch der Umstand, dass der Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der dem Asylantragsteller diesen Schutz gewährt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass dieser dort tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass sich dieser Schutzberechtigte aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 93).
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Ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 4 GrCh und Art. 3 EMRK besteht auch nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Fall einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur in dem Fall, in dem die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und die betroffene Person dadurch Gefahr läuft, erheblich in ihrer Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 12; B.v. 17.1.2022 – 1 B 66.21 – juris Rn. 18).
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Für die Erfüllung der Grundbedürfnisse gelten dabei gerade bei nichtvulnerablen Personen nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. So kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person – bezogen auf die Unterkunft – ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, wenn die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 14).
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Ferner ist in die Gesamtwürdigung einzustellen, inwieweit Rückkehrende die Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt auf einem Mindestniveau durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern. Das wirtschaftliche Existenzminimum ist immer dann gesichert, wenn erwerbsfähige Personen durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen können, wobei zu den im vorstehenden Sinne zumutbaren Arbeiten auch Tätigkeiten zählen, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden können, selbst wenn diese im Bereich der sogenannten „Schatten- oder Nischenwirtschaft“ angesiedelt sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.1.2022 – 1 B 93.21 – juris Rn. 25; BayVGH, U. v. 28.3.2024 – 24 B 22.31136 – juris Rn. 29).
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Für die vorzunehmende Gesamtwürdigung ist zudem irrelevant, ob gegebenenfalls notwendige Hilfen vom Zielstaat, aus EU-Programmen, durch internationale Organisationen oder private Gruppen bereitgestellt werden, um die Situation äußerster materieller Armut, in die ein mittelloser Schutzberechtigter ohne private und familiäre Kontakte bei seiner Rückführung gelangen könnte, abzuwenden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 22.8.2018 – 3 L 50/17 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf Thym, Rücküberstellung von Schutzberechtigten, NVwZ 2018, 609/613). Insbesondere sind Unterstützungsleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Hilfeorganisationen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2021 – 1 C 3.21 – juris Rn. 25 f.).
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Ist dagegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat derartige Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat rücküberstellten Personen im Sinne von Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit diesen Bestimmungen unvereinbar (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 87; BVerwG, B.v. 19.3.2014 -10 B 6.14 – juris Rn. 6).
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Hinsichtlich der Gefahrenprognose ist im Rahmen des Art. 4 GrCh i.V.m. Art. 3 EMRK auf den Maßstab des „real risk“ der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abzustellen (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, S. 1330 Rn. 129; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136/377 Rn. 22 m.w.N.).
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2.2.2. Die Lebenssituation anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland stellt sich nach der aktuellen Erkenntnislage wie folgt dar:
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Bei ihrer Ankunft am Flughafen Athen-Eleftherios Venizelos – dem Zielflughafen aller Abschiebungen aus dem Bundesgebiet nach Griechenland – werden Personen mit internationalem Schutzstatus weitgehend sich selbst überlassen. Sie erhalten grundsätzlich keine Informationen oder Hinweise zu Unterbringungsmöglichkeiten oder zu den Schritten, die sie unternehmen müssen, um ihre Rechte in Griechenland geltend zu machen. Manchmal wird ihnen ein Informationsblatt in griechischer Sprache ausgehändigt, auf dem sie darauf hingewiesen werden, die Asylbehörde zu kontaktieren, wenn sie keine Dokumente besitzen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 6; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 272).
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Staatliche oder staatlich finanzierte Unterkünfte speziell für international Schutzberechtigte gibt es in Griechenland nicht. Eine ihnen während des laufenden Asylverfahrens zugewiesene Unterkunft müssen anerkannt Schutzberechtigte nach dem Gesetz spätestens 30 Tage nach ihrer Anerkennung verlassen. Der Verbleib mehrerer Tausend Menschen in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften wurde von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Wohnungsmarktsituation aber toleriert. Die Versorgung dieser in den Unterkünften noch geduldeten Flüchtlinge wird zum größten Teil von NGOs und Freiwilligen übernommen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 7; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 26 f.).
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Eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu finden, erweist sich für anerkannt Schutzberechtigte als äußerst schwierig. Unabhängig von der Frage der Finanzierbarkeit wird das private Anmieten von Wohnraum für bzw. durch anerkannt Schutzberechtigte durch bürokratische Hindernisse und bestehende Vorurteile auf Vermieterseite erheblich erschwert. Meistens finden auch nur solche Personen eine Wohnung, die einen festen Job haben. Ohne Aufenthaltserlaubnis eine legale Unterkunft zu finden, ist zudem nahezu unmöglich (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 26).
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Für anerkannt Schutzberechtigte existiert in Griechenland lediglich ein offizielles Integrationsprogramm („HELIOS“), dessen Inanspruchnahme an hohe Voraussetzungen geknüpft ist. Aber auch Personen, die die Zulassungskriterien nicht erfüllen, können sich bewerben. Rückkehrer aus dem Ausland können offiziell nicht teilnehmen, praktisch allerdings werden Aus- bzw. Wiedereinreise nicht überprüft. Erfolgen Rückkehr und Antrag innerhalb eines Jahres nach Erlangen des positiven Asylbescheides, ist eine Teilnahme an HELIOS jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 28).
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Darüber hinaus bieten Nichtregierungsorganisationen Unterbringungsmöglichkeiten an, die Kapazitäten diesbezüglich sind jedoch beschränkt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 8). In Griechenland gibt es zudem nur in begrenztem Umfang Unterbringungsmöglichkeiten für Obdachlose. In diesen Unterkünften können Schutzberechtigte einen Platz beantragen. Die Zahl der Unterkünfte ist jedoch nicht ausreichend und sie sind häufig überfüllt (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 7; AIDA Country Report Greece, vom 24.6.2024, S. 271). Abgesehen von Notfallunterkünften werden Obdachlose vor allem durch Tageszentren und mobile Teams auf der Straße unterstützt. Tageszentren sollen die Versorgung von elementaren Grundbedürfnissen (Kleidung, Hygiene, Mahlzeiten, Kurzaufenthalte) sicherstellen sowie bei Bedarf den Kontakt zu weiteren Sozialdiensten herstellen (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 30).
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Erfahrungsgemäß bleiben Schutzberechtigte, die über keine finanziellen Mittel verfügen, um eine Wohnung zu mieten, entweder obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen in Untermiete oder sie kehren in die Lager zurück und leben dort als unregistrierte Bewohner (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27). Trotz alledem ist Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen kein augenscheinliches Massenphänomen. Dies kann insbesondere auch auf eigene Verbindungen innerhalb der jeweiligen Nationalität vor Ort zurückgeführt werden, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 9; BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 27).
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Auch hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt sind Schutzberechtigte griechischen Staatsangehörigen rechtlich gleichgestellt (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 35). Nachdem sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen einige Zeit durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert hatten, hat sich die griechische Wirtschaft in den letzten Jahren wieder erholt und verzeichnet weiterhin eine bessere Entwicklung als im EU-Durchschnitt (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 1). Das griechische BIP, welches nach offiziellen Daten 2020 noch um -9,32 Prozent gefallen ist, ist seit 2021 beständig gestiegen, nämlich um 8,38 Prozent (2021), 5,56 Prozent (2022) und 2,01 Prozent (2023). Eine Rezession ist nicht in Sicht. Für die nächsten Jahre wird ein Wachstum von 2,28 Prozent (2024), 1,96 Prozent (2025) und 1,67 Prozent (2026) prognostiziert. Auch die Arbeitslosenquote entwickelt sich günstig. Lag sie 2020 noch bei knapp 16 Prozent, ist sie seitdem kontinuierlich gesunken, nämlich auf 14,66 Prozent in 2021, 12,43 Prozent in 2022, 11 Prozent in 2023 und 9,8 Prozent im Oktober 2024. Gleichzeitig steigt die Zahl der Erwerbstätigen beständig an, nämlich von 3,88 Millionen in 2020 auf 4,19 Millionen in 2023 und auf voraussichtlich 4,26 Millionen in 2024. Für 2025 wird die Zahl der Erwerbstätigen auf 4,3 Millionen prognostiziert (vgl. hierzu die Angaben auf www.statista.com, zuletzt abgerufen am 9.12.2024).
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Diese Daten belegen eine nachhaltige, allgemeine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer einhergehenden größeren Chance – auch für international Schutzberechtigte –, Erwerbsmöglichkeiten zu finden (so auch VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 – 12 A 4023/22 – juris; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A – juris), auch wenn die Integration anerkannt Schutzberechtigter in den (legalen) Arbeitsmarkt Griechenlands durch bestimmte Zugangsvoraussetzungen und den Wettbewerb mit griechischen Arbeitnehmern nach wie vor schwer ist (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 35 f.; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 273 f.). Die Beschäftigungschancen hängen aber nicht primär von Qualifikationen ab, die international Schutzberechtigten ggf. fehlen. Denn zu den Branchen mit der besten Entwicklung und dem höchsten Anstieg der Beschäftigung gehören das verarbeitende Gewerbe, das Transportwesen und das Lagerwesen, aber auch der Bereich Landwirtschaft, Bau und Tourismus. Gerade in Regionen, in denen die lokale Wirtschaftskraft auf dem Tourismus oder der Landwirtschaft beruht, herrscht oft ein Arbeitskräftemangel, sodass Flüchtlinge gute Chancen haben, in diesen Bereichen eine Beschäftigung zu finden (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36).
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Dies wird auch durch die seit Mitte 2022 immer häufiger werdenden Berichte bestätigt, denen zufolge in bestimmten Branchen (Landwirtschaft, Bau, Tourismus) Arbeitskräftemangel herrscht und Arbeitgeber aktiv nach Arbeitskräften auch unter Schutzsuchenden bzw. Schutzberechtigten suchen (vgl. Botschaft der BRD in Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand: Februar 2023, S. 7). Im Obst-, Gemüse und Olivenanbau sowie in der Viehzucht sollen derzeit 70.000 Arbeitskräfte fehlen; auch in der Tourismusbranche und im Baugewerbe sollen zehntausende Stellen unbesetzt sein (vgl. Deutschlandfunk, Griechenland will 30.000 Migranten eine Arbeitserlaubnis erteilen, 18.12.2023). Diese Nachfrage nach – auch unqualifizierten – Arbeitskräften hat der griechische Gesetzgeber zum Anlass genommen, am 19. Dezember 2023 ein Gesetz zu verabschieden, um zehntausende Arbeitserlaubnisse selbst an jene Migranten erteilen zu können, die sich noch im Asylverfahren befinden oder illegal in Griechenland leben (vgl. Redaktionsnetzwerk Deutschland, Griechenland: Zehntausende Migranten erhalten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, 20.12.2023). Darüber hinaus hat der Arbeitskräftemangel den griechischen Staat dazu veranlasst, mit Staaten in Osteuropa, Asien und Nordafrika über das Anwerben von Gastarbeitern zu verhandeln (vgl. Salzburger Nachrichten, Griechenland heißt Gastarbeiter willkommen, vom 26.4.2024). Daneben gibt es in Griechenland auch stets Chancen, Arbeit in der sog. „Schattenwirtschaft“ zu finden (BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36).
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Die heutige Situation hat sich mit Blick auf den griechischen Arbeitsmarkt also in den letzten Jahren spürbar auch zugunsten anerkannt Schutzberechtigter verbessert und ist daher nicht mehr vergleichbar mit der Situation Anfang der 2020er Jahre, welche die damalige obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris) zugrunde gelegt hatte und die noch maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt war.
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Schutzberechtigte haben zudem rechtlich unter den gleichen Bedingungen Zugang zu Sozialleistungen wie griechische Bürger. Das garantierte Mindesteinkommen (EEE) ist allerdings die einzige beitragsunabhängige staatliche Sozialleistung, abgesehen von der Unterstützungsleistung für Menschen mit Behinderung, die keine Bedingungen bezüglich der Länge des vorangegangenen legalen Aufenthaltes in Griechenland stellt (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 34). Bei der Beantragung der sozialen Grundsicherung sind international Schutzberechtigte allerdings mit erheblichen bürokratischen Hürden und hohen Bewilligungsvoraussetzungen konfrontiert (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Griechenland als „sicherer Drittstaat“, Juristische Analyse – Update 2023, S. 9), sodass es anerkannt Schutzberechtigten nach ihrer Rückkehr für einen nicht unerheblichen Zeitraum praktisch kaum möglich sein dürfte, die Voraussetzungen für den Erhalt des garantierten Mindesteinkommens zu erfüllen.
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Viele anerkannt Schutzberechtigte haben daher in Griechenland nach wie vor große Probleme, ihren täglichen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 32; AIDA, Country Report Greece, 24.6.2024, S. 272). Allerdings existieren in Griechenland auch Angebote verschiedener Organisation für eine Grundversorgung, darunter Angebote wie kostenlose Mahlzeiten, Vergabe von Nahrungsmitteln, Kleidung und Babybedarf, Duschmöglichkeiten, Möglichkeiten, Wäsche zu waschen, sowie beheizte Räume für Obdachlose im Winter (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 34).
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Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Die Versorgung unterliegt aufgrund von Sparmaßnahmen denselben Beschränkungen wie für griechische Staatsbürger. Allerdings sind hinsichtlich des Zugangs zum Gesundheitssystem bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer (AMKA) ausgestellt sein. Wer über diese nicht verfügt, hat keinen Zugang zur öffentlichen Gesundheitsversorgung, sondern muss diese privat bezahlen. Eine Notfallversorgung wird jedoch stets auch ohne Vorlage einer Sozialversicherungsnummer gewährleistet (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 32 f.).
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2.2.3. Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellen sich die Lebensverhältnisse von zurückkehrenden anerkannt Schutzberechtigten in Griechenland nach Auffassung des erkennenden Einzelrichters somit nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GrCh dar.
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Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung aus den Jahren 2021 und 2022 entgegen der hiesigen Einschätzung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass in Griechenland unmenschliche Lebensverhältnisse selbst für nicht vulnerable rückkehrende Schutzberechtigte – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles – bestehen (vgl. etwa OVG Saarl., U.v. 15.11.2022 – 2 A 81/22 – juris; OVG Sachsen, U.v. 27.4.2022 – 5 A 492.21 A – juris; VGH BW, U.v. 27.1.2022 – A 4 S 2443/21 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 53.19 – juris; OVG Bremen, U.v. 16.11.2021 – 1 LB 371/21 – juris; OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; B.v. 5.4.2022 – 11 A 314/22.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris), darf hierbei nicht verkannt werden, dass diese obergerichtliche Rechtsprechung auf älteren Erkenntnismitteln beruht und insofern nicht mehr die aktuell in Griechenland herrschende Lage, insbesondere die aus Sicht des erkennenden Einzelrichters seither deutlich verbesserte Situation auf dem griechischen Arbeitsmarkt, berücksichtigt (siehe die entsprechenden Ausführungen oben unter Ziffer 2.2.2.).
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Jedenfalls bei jungen, alleinstehenden und arbeitsfähigen Männern – wie dem Kläger – besteht vorbehaltlich außergewöhnlicher Umstände aus Sicht des erkennenden Einzelrichters keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass sie in Griechenland bei entsprechender Eigeninitiative ihre elementarsten Bedürfnisse nicht werden befriedigen können (so auch: VG Hamburg, U.v. 28.6.2024 – 12 A 4023/22 – juris Rn. 60 ff.; VG Cottbus, U.v. 16.5.2024 – 5 K 22/19.A – juris Rn. 31 ff.; VG Frankfurt (Oder), U.v. 28.2.2024 – 8 K 727/23.A – juris; VG Ansbach, B.v. 23.2.2024 – AN 17 S 23.50064 – juris Rn. 39 ff.; VG Bayreuth, U.v. 6.11.2023 – B 7 K 23.30771 – juris Rn. 36 ff.; VG Würzburg, B.v. 2.8.2024 – W 4 S 24.31271; B.v. 26.8.2024 – W 4 S 24.31508 – juris).
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Der Kläger ist jung und alleinstehend. Er muss daher nur für seinen eigenen Lebensunterhalt aufkommen und es kann ihm ein erhöhter Grad an (auch örtlicher) Flexibilität zugemutet werden, insbesondere mit Blick auf die Suche nach einer Unterkunft und einer Arbeitsstelle. Aufgrund seiner Angaben beim Bundesamt geht der erkennende Einzelrichter auch davon aus, dass der Kläger mittlerweile volljährig ist (vgl. Blatt 60 und 82 der elektr. Behördenakte). Gründe dafür, dass es ihm trotz des oben beschriebenen Bedarfs an Arbeitskräften in Griechenland nicht gelingen könnte, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sind nicht ersichtlich. Zudem war es dem Kläger bereits während seines elfmonatigen Voraufenthalts in Griechenland gelungen, eine Arbeitsstelle zu finden, mit der er u.a. das Flugticket für seine Weiterreise nach Italien finanzierte. Zudem hat der Kläger in Griechenland bereits mehrere Monate einen Sprachkurs besucht, so dass zumindest Grundkenntnisse der griechischen Sprache vorhanden sein müssten. Jedenfalls kann der Kläger sich mit Englisch behelfen (vgl. Seite 2 der Sitzungsniederschrift).
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Berücksichtigt man weiter, dass für anerkannt Schutzberechtigte soziale Netzwerke von großer Bedeutung sind (vgl. BFA, LIS – Griechenland, Version 8 vom 21.6.2024, S. 36), ist nicht ersichtlich, warum es dem Kläger in Griechenland nicht gelingen sollte, erneut mit Landsleuten in Kontakt zu treten und diese Kontakte für die Suche nach einer Arbeitsstelle und einer Wohnung zu nutzen. Auf diese Weise war es dem Kläger schließlich auch bei seinem Voraufenthalt in Griechenland gelungen, eine Unterkunft und eine Arbeitsstelle zu finden. Auch ist zu beachten, dass der Kläger bereits rund elf Monate in Griechenland verbracht hat, so dass für ihn die Verhältnisse vor Ort nicht unbekannt sind. Insbesondere war es dem Kläger dort bereits gelungen, mit Hilfe eines somalischen Landsmanns Dokumente zu erhalten (vgl. Blatt 84 der elektr. BA).
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Der erkennende Einzelrichter ist daher unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers der Überzeugung, dass es diesem bei einer Rückkehr nach Griechenland bei entsprechender Eigeninitiative gelingen wird, eine Arbeitsstelle zu finden und so sein Existenzminimum – gegebenenfalls unter zusätzlicher Zuhilfenahme von durch private Nichtregierungsorganisationen angebotenen Unterstützungsleistungen – zu sichern, was letztlich auch die Suche nach einer dauerhaften Unterkunft erleichtern wird.
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Bei dem Kläger handelt es sich somit nicht um eine Person, die vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängig ist und die sich bei einer Rückkehr nach Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen alsbald in einer Situation extremer materieller Not befinden wird, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. zu diesen Anforderungen nochmals EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.; aus der Rechtsprechung des EGMR siehe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2015, 127 ff.).
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Nach alldem stehen der Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung auch mit Blick auf Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK keine substantiierten Einwendungen entgegen.
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2.3. Unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers sowie der Ausführungen unter 2.2.2. liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die für ein – hilfsweise geltend gemachtes – Abschiebungsverbot zu Gunsten des Klägers sprächen. Diesbezüglich nimmt das Gericht daher Bezug auf die entsprechende Begründung im angefochtenen Bescheid und macht sie sich zu eigen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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2.4. Schließlich sind auch die Abschiebungsandrohung (Ziffer 3) und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4) im streitgegenständlichen Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden. Substantiierte Einwände hiergegen hat der Kläger selbst nicht vorgetragen.
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Die Klage war demnach abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.