Titel:
Anforderungen an Vollstreckungsauftrag bei Behördenpostfach
Normenketten:
ZPO § 130a, § 130d, § 753
ERRV § 8
Leitsatz:
Bei der Nutzung eines Behördenpostfachs ist es nicht erforderlich, dass die Person, die das Dokument signiert hat auch elektronisch über das Behördenpostfach mit ihrer Kennung und ihrem Passwort auf den Weg zum Gericht bringt. (Rn. 23 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Behördenpostfach, Signatur, elektronische Übermittlung
Rechtsmittelinstanz:
LG Kempten, Beschluss vom 05.11.2024 – 43 T 1151/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 40887
Tenor
1. Die Erinnerung des Schuldners … vom 26.07.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.
3. Der Gegenstandswert wird auf 244,32 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Gläubiger vollstreckt aus dem Ausstandsverzeichnis vom 02.04.2024 Rundfunkbeiträge gegen den Schuldner.
2
Am 09.04.2024 übersandte der Gläubiger das Vollstreckungsersuchen elektronisch aus dem besonderen Behördenpostfach des … Beitragsservice. Das Vollstreckungsersuchen enthält am Ende den Namenszug „XX Rundfunk, Dr. XX, Intendantin“.
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Übersandt wurde das Vollstreckungsersuchen durch eine dem Gericht nicht namentlich bekannte Person. Es ist davon auszugehen, dass die Versendung nicht von der Intendantin persönlich vorgenommen worden ist.
4
Der zuständige Gerichtsvollzieher hat den Vollstreckungsauftrag ausgeführt und den Schuldner mit Schreiben vom 20.07.2024 zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen.
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Mit Schreiben vom 26.07.2024, eingegangen bei Gericht am 29.07.2024, wendet sich der Schuldner gegen die Vollstreckung.
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Er ist der Auffassung, es liege kein formwirksamer Vollstreckungsauftrag vor. Bezüglich der weiteren Ausführungen wird auf das Schreiben vom 26.07.2024 verwiesen.
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Die Vollstreckungserinnerung ist zulässig, aber unbegründet.
8
Es liegt seitens des Gläubigers ein wirksamer Vollstreckungsauftrag vor (so auch AG Augsburg, Beschluss vom 12.07.2024, Az. 01 M 3917/24).
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Zwar hat das LG München I in seinem Beschluss vom 12.03.2024, Az. 16 T 926/24 entschieden, dass ein wirksamer Vollstreckungsauftrag aus einem sog. besonderen Behördenpostfach nicht vorliegt, wenn die Person, deren Namenszug der Vollstreckungsauftrag trägt, mit der Person, die den Vollstreckungsauftrag tatsächlich erstellt und versendet hat, nicht übereinstimmt.
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Das LG München I geht in seiner Entscheidung vom 12.03.2024 unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, dass nach § 130a Abs. 3 ZPO unter der verantwortenden nicht die Person zu verstehen ist, die rechtlich die Verantwortung trägt oder übernimmt, sondern nur die tatsächlich handelnde Person, und dass daher die Person, die den Vollstreckungsauftrag einreicht, auch diejenige sein muss, deren Unterschrift im Sinne der einfachen Signatur angebracht werden muss.
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Dieser Rechtsansicht schließt sich das Gericht nicht an und ist, wie auch das AG Augsburg, der Ansicht, dass ein wirksamer Vollstreckungsauftrag des Gläubigers vorliegt.
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Der Gläubiger vollstreckt als Landesrundfunkanstalt in Bayern die rückständigen Rundfunkbeiträge gemäß § 10 Abs. 5, Abs. 6 S. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nach den Landesvollstreckungsgesetzen. Gemäß Art. 27 Abs. 1, 26 Abs. 2 S. 1 BayVwZVG sind, bei entsprechender Anwendung der ZPO, für die Vollstreckung die ordentlichen Gerichte zuständig.
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Gemäß § 753 Abs. 5, § 130d ZPO sind Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet, Vollstreckungsaufträge als elektronisches Dokument zu übermitteln.
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Der Gläubiger hat dementsprechend seinen Vollstreckungsauftrag gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO über ein sog. besonderes Behördenpostfach auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht und einfach, also durch maschinenschriftliche Namenswiedergabe am Textende, signiert (§ 130a Abs. 3 ZPO). Da beide Voraussetzungen nach dieser Regelung kumuliert vorliegen müssen, kann auch bei einem Vollstreckungsauftrag aus einem besonderen Behördenpostfach nicht auf eine einfache Signatur verzichtet werden.
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Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Signatur, also die Namenswiedergabe, grundsätzlich erforderlich, um zu dokumentieren, dass die vom sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person, mit der das elektronische Dokument verantwortenden Person identisch ist (vgl. BT-Drucksache 17/12634, Seite 25). Diese Aussage des Gesetzgebers ist aber erkennbar zunächst für den Fall gedacht, dass sowohl Rechtsträger und tatsächlich handelnde Person identisch sein können. Im Fall der Einreichung eines Antrages durch eine juristische Person sind Antragsteller und handelnde Person jedoch immer verschieden, da die juristische Person selbst prozessunfähig ist und daher immer durch eine natürliche Person handeln muss. Zu diesem Fall hat sich der Gesetzgeber nicht konkret geäußert.
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Der BGH hat in seiner zuletzt ergangenen und veröffentlichten Entscheidung dahingehend formuliert, dass der Verfasser des Textes einfach zu signieren hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2023 – III ZB 4/23 –, Rn. 10, juris). Zwar hat der BGH nicht explizit entschieden, dass nur der Verfasser des Textes signieren kann, er hat aber in seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes verwiesen, wonach ein Schriftsatz, der nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist, wenn die das Dokument signierende und somit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmen (BSG, Beschluss vom 16. Februar 2022 – B 5 R 198/21 B –, juris).
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Insoweit hat auch der BGH angedeutet, dass auch er davon ausgeht, dass die Identität zwischen Signierenden und Verfasser / Versender bestehen muss.
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Auch das OLG Bamberg hat festgestellt, dass nur der Verfasser des Schriftsatzes einfach signieren kann. Das gesetzliche Erfordernis der Unterschrift soll nämlich die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Februar 2022 – 2 UF 8/22 –, Rn. 10, juris).
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Die zitierten Entscheidungen folgen damit dem bereits oben zitierten gesetzgeberischen Willen, wonach die Signatur erforderlich ist, um zu dokumentieren, dass die vom sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person, mit der das elektronische Dokument verantwortenden Person identisch ist (vgl. BT-Drucksache 17/12634, Seite 25).
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Die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen sind aber alle für das sog. besondere elektronisches Anwaltspostfach, das sog. beA, ergangen (§ 19 RAVPV).
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Diese Postfächer sind für Anwälte oder zugelassene Berufsausübungsgesellschaften errichtet. Die Besonderheit des beA ist, dass bei der Nutzung der Empfänger erkennen können muss, dass der Rechtsanwalt oder ein zur Vertretung berechtigter Rechtsanwalt bei einer Berufsausübungsgemeinschaft selbst das elektronische Dokument versandt hat (§ 20 RAVPV). Soweit einer weiteren Person das Recht eingeräumt wurde, dass Postfach zu nutzen (§ 23 RAVPV), kann das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, nämlich nicht auf andere Personen übertragen werden.
22
Nachvollziehbar fordert die höchstrichterliche Rechtsprechung daher für § 130a ZPO bei der Nutzung eines beA, dass bei der Verwendung einer einfach Signatur die Signatur des Postfachinhabers oder eines zur Vertretung berechtigten Postfachnutzer bei einer Berufsausübungsgesellschaft die einfache Signatur angebracht wird.
23
Diese Erwägungen können aber, entgegen der Ansicht des LG München I, und mit dem AG Augsburg nicht auf die Nutzung eines besonderen Behördenpostfachs übertragen werden.
24
Die Gesetzes- und Rechtslage liegt anders.
25
Die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) sieht in § 8 ERVV zunächst vor, dass mehrere Behördenangehörige, ausgestattet mit Zertifikat und Passwort, das Postfach nutzen können. Eine dem § 23 RAVPV vergleichbare Einschränkung, dass diese Personen nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg versenden können, sieht die ERVV dagegen nicht vor. In Abweichung zu § 20 RAVPV ist auch nicht gefordert, dass der Empfänger erkennen muss, welche Person das Postfach, z.B. für die Einreichung eines Vollstreckungsauftrages, genutzt hat.
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Die Missbrauchskontrolle findet nach § 8 Abs. 4 ERVV behördenintern statt. Danach stellt die Behörde insbesondere durch Rechte- und Rollenkonzepte und technisch durch ein passwortgesichertes elektronisches Zertifikat sicher, dass nur dokumentiert zugangsberechtigte natürliche Personen Zugriff auf das besondere Behördenpostfach erhalten (H. Müller in: Ory/Weth, juris-PK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 130a ZPO (Stand: 18.06.2024), Rn. 295).
27
Zur Wahrung der Vertretungsregelungen bzw. der besonderen Anforderungen an die Postulationsfähigkeit ist es erforderlich, dass das eingereichte Antragsdokument die einfache Signatur eine vertretungsberechtigte Person ausweisen muss (vgl. aaO., Rn. 303).
28
Nicht erforderlich ist jedoch, dass es dieselbe Person sein muss, die das Antragsdokument sodann elektronisch über das Behördenpostfach mit ihrer Kennung und ihrem Passwort auf den Weg zum Gericht bringt. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV muss nur die Behörde als Inhaberin des Postfachs aus dem vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis zu erkennen sein und nicht der konkrete Sachbearbeiter, der das Dokument einfach signiert hat (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Februar 2023 – 25 T 311/22 –, Rn. 20, juris).
29
Angesichts der Regelung des § 8 ERVV reicht das Anbringen der einfachen Signatur eines beliebigen postulationsfähigen Mitarbeiters der Behörde im Sinne einer vertretungsberechtigten natürlichen Person aus. Welche – behördenintern zum Versand berechtigte – Person das Dokument sodann über das besondere Behördenpostfach verschickt, ist für die Frage der Wirksamkeit der einfachen elektronischen Signatur irrelevant.
30
Etwas anderes kann auch nicht aus dem Wortlaut des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO hergeleitet werden. Denn dort heißt es: Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.
31
Hier wird bereits dem Wortlaut nach unterschieden zwischen der qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person einerseits und einer (einfachen) Signatur von der verantwortenden Person, zusammen mit der Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Hätte der Gesetzgeber hier in jedem Fall und unabhängig von der weiteren Ausgestaltung des genauen Ablaufs durch Verordnungen für erforderliche gehalten, dass nicht nur die (einfache) Signatur sondern auch die Einreichung von der verantwortenden Person zu erfolgen hat, so hätte der Gesetzgeber entsprechend formuliert „oder von der verantwortenden Person signiert und von dieser auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden“. Die aber stattdessen gewählte Formulierung im geltenden Gesetzestext sieht aber gerade die Möglichkeit vor, dass – je nach Konstellation und Urheber des Dokuments – Signatur und Einreichung auch von verschiedenen natürlichen Personen vorgenommen werden können.
32
Auch wenn, wie das LG München I richtig ausführt, es im Ergebnis damit unmöglich ist einen über ein besonderes Behördenpostfach übermittelten Schriftsatz einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher zuzuordnen, ist dies im Hinblick auf die genannten Regelungen des § 8 ERVV, insbesondere im Hinblick auf die Dokumentationspflichten, vom Gesetz- und Verordnungsgeber so hingenommen worden (vgl. Tiedemann in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 11. Auflage 2024, VI. Sichere Übermittlungswege (Abs. 4) und vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN)., Rn. 40). Daneben ist vor dem Hintergrund der Handlungsabläufe in einer Behörde wie dem Gläubiger, bei der einerseits eine große Zahl von Vorgängen praktikabel (und damit von zahlreichen Mitarbeitern) abgewickelt werden muss, und andererseits auch der Behörde von Gesetzes wegen in § 8 ERVV die Überwachung der Vorgänge übertragen wird, davon auszugehen, dass eine solche Auslegung des § 130a Abs. 3 ZPO durchaus auch gesetzgeberisch gewollt ist, da, gerade im Zwangsvollstreckungsrecht, auch an vielen anderen Stellen von Gesetzes wegen vorgesehen ist, dass Behörden bzw. juristische Personen des öffentlichen Rechts selbst Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Vollstreckungsanträge tragen und insofern im Vergleich zu Anträgen von Privatpersonen / privaten juristischen Personen etc. geringere Anforderungen an Formnachweisen etc. gestellt werden.
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Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die sonstigen Kosten trägt der Schuldner nach dem Rechtsgedanken des § 91 ZPO.
34
Der Streitwert entspricht der zu vollstreckenden Forderung.