Inhalt

LG Kempten, Beschluss v. 05.11.2024 – 43 T 1151/24
Titel:

Anforderung an Übermittlung von Vollstreckungsaufträgen über Behördenpostfach

Normenketten:
ZPO § 130a, § 130d, § 753 Abs. 5
ERVV § 8
Leitsätze:
1. Bei der elektronischen Übersendung über das besondere Behördenpostfach ist es nicht erforderlich, dass die Person, deren Namenszug der Vollstreckungsauftrag trägt, mit der Person, die den Vollstreckungsauftrag tatsächlich versendet hat, übereinstimmt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ebenso ist unschädlich, dass der einfach Signierende nicht selbst der Ersteller ist und auch die Unterschrift nicht selbst angebracht hat. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einfache Signatur, Behördenpostfach, Vollstreckungsauftrag
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren, Beschluss vom 31.07.2024 – 1 M 365/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 40886

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 31.07.2024, Az. 1 M 365/24, wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Gläubiger vollstreckt aus dem Ausstandsverzeichnis vom 02.04.2024 Rundfunkbeiträge gegen den Schuldner. Am 09.04.2024 übersandte der Gläubiger das Vollstreckungsersuchen elektronisch aus dem besonderen Behördenpostfach des Absenders „BRF Beitragsservice“. Das Vollstreckungsersuchen enthält am Ende den Namenszug „BRF, Dr. K. W., Intendantin“. Übersandt wurde das Vollstreckungsersuchen durch eine dem Gericht nicht namentlich bekannte Person. Es ist davon auszugehen, dass die Versendung nicht von der Intendantin persönlich vorgenommen worden ist. Der zuständige Gerichtsvollzieher hat den Vollstreckungsauftrag ausgeführt und den Schuldner mit Schreiben vom 20.07.2024 zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen. Mit Schreiben vom 26.07.2024, eingegangen bei Gericht am 29.07.2024, wendet sich der Schuldner gegen die Vollstreckung. Er ist der Auffassung, es liege kein formwirksamer Vollstreckungsauftrag vor. Denn es könne nicht angenommen werden, das Frau K. W. die namentlich bezeichnete Person sei, welche den Vollstreckungsauftrag auch eingereicht habe. Bezüglich der weiteren Ausführungen wird auf das Schreiben vom 26.07.2024 verwiesen.
2
Mit Beschluss vom 31.07.2024 hat das Amtsgericht Kaufbeuren die Erinnerung des Schuldners vom 26.07.2024 zurückgewiesen. Dagegen hat der Schuldner mit Schreiben vom 06.08.2024, eingegangen beim Amtsgericht Kaufbeuren am 08.08.2024, Beschwerde eingelegt und mit weiterem Schreiben vom 08.08.2024 ergänzend begründet, insbesondere mit dem Argument, dass durch die erfolgte Übersendung des Vollstreckungsersuchens durch eine dem Gericht nicht bekannte Person die zwingend erforderliche Möglichkeit der persönlichen Identifizierung der konkret verantwortlichen natürlichen Person auf diesem Übermittlungswege nicht gegeben sei.
3
Mit Beschluss vom 08.08.2024 hat das Amtsgericht Kaufbeuren der sofortigen Beschwerde des Schuldners nicht abgeholfen und diese dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
4
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
5
Es liegt seitens des Gläubigers ein wirksamer Vollstreckungsauftrag vor.
6
Der Gläubiger hat gemäß den §§ 753 Abs. 5, 130d ZPO den Vollstreckungsauftrag als elektronisches Dokument übermittelt. Gemäß § 130a Abs. 4 Nr. 3 ZPO wurde er über das besondere Behördenpostfach auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht und enthält eine maschinenschriftliche Namenswiedergabe am Textende, also eine einfache elektronische Signatur im Sinne des § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO.
7
Es ist nicht erforderlich, dass die Person, deren Namenszug der Vollstreckungsauftrag trägt, mit der Person, die den Vollstreckungsauftrag tatsächlich versendet hat, übereinstimmt. Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass sich die für das besondere elektronische Anwaltspostfach diskutierte Frage, ob eine wirksame Einreichung bestimmender Schriftsätze aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nur möglich ist, wenn der Aussteller das Dokument eigenhändig aus seinem Postfach versendet, für das einer Organisation zugeordnete Behördenpostfach von vornherein nicht stellt (BVerwG, 18.05.2020, Az.: 1 B 23/20). Denn gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 ERVV muss lediglich feststellbar sein, dass das elektronische Dokument vom Postfachinhaber versandt wurde. Daran bestehen im vorliegenden Fall keine Zweifel. Auch der BGH hat bereits festgestellt, dass die einfache Signatur in Verbindung mit der Übermittlung über ein besonderes elektronisches Behördenpostfach – anders als die qualifizierte elektronische Signatur – keine Möglichkeit bietet, die Herkunft des Antrags von einem konkreten Sachbearbeiter rechtssicher nachzuweisen. Der BGH hat entschieden, dass die damit verbundene Unmöglichkeit der zweifelsfreien Zuordnung einer versandten Nachricht zu einer handelnden Person hinzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 06.04.2023 – I ZB 84/22). Er begründet dies wie das Amtsgericht Kaufbeuren in seiner Entscheidung damit, dass über die Regelung des Zugangs und der Zugangsberechtigung in § 8 ERVV sichergestellt ist, dass der Zugang zu einem besonderen elektronischen Behördenpostfach nur den vom Postfachinhaber bestimmten Zugangsberechtigten möglich ist.
8
Dass im vorliegenden Fall der Ersteller des Vollstreckungsauftrages nicht mit der Signierenden identisch ist, berührt die Wirksamkeit des Vollstreckungsauftrages ebenfalls nicht. Denn die einfache Signatur soll sicherstellen, dass die ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt (BGH, Beschluss v. 07.09.2022, XII ZB 215/22). Dass der Signierende gleichzeitig auch der Ersteller ist, wird nicht erklärt und wird auch nirgends gefordert.
9
Dass die Signierende nicht selbst die Unterschrift angebracht hat, ist ebenfalls unschädlich, da davon auszugehen ist, dass der Sachbearbeiter dies mit Befugnis und in Vertretung der Intendantin, welche die inhaltliche Verantwortung übernehmen will, getan hat. Die Voraussetzungen des § 130a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 Nr. 3 ZPO, einfache elektronische Signatur und sicherer Übermittlungsweg, liegen jedenfalls äußerlich vor. Denn der Vollstreckungsauftrag enthält die einfache Wiedergabe des Namens der Intendantin am Ende des Textes und wurde über das besondere Behördenpostfach eingereicht. Obwohl sich die Identität der unterzeichnenden Person bei der einfachen elektronischen Signatur nicht sicher nachweisen lässt, hat der Gesetzgeber bei sicherem Übermittlungsweg bewusst auf das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur und somit auf die Möglichkeit, den Unterzeichner zu verifizieren, verzichtet. Die berechtigte Verwendung einer einfachen elektronischen Unterschrift der Intendantin durch einen Sachbearbeiter erinnert an das Zurverfügungstellen einer Blankounterschrift. Für diesen Fall hat der BGH sogar für bestimmende Schriftsätze eines Rechtsanwalts entschieden, dass eine Blankounterschrift grundsätzlich geeignet ist, die Form zu wahren. Der Inhalt des bestimmenden Schriftsatzes muss durch den Anwalt so genau festgelegt sein, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen kann (BGH, Beschluss vom 12.09.2021 – XII ZB 642/11; BGH, Beschluss vom 23.06.2005 – V ZB 45/04). Abgesehen davon, dass es sich beim vorliegenden Vollstreckungsauftrag gerade nicht um einen bestimmenden Schriftsatz eines Rechtsanwalts handelt, bei dem die Unterzeichnung Ausdruck für die vom Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhaltes des Schriftsatzes ist (BGH, NJW-RR 1998, 574), wäre sogar bei Zugrundelegung dieses strengen Maßstabes die Festlegung des Inhalts eines Vollstreckungsauftrages derart einfach, dass die Verwendung der einfachen elektronischen Signatur der Intendantin regelmäßig die eigenverantwortliche Prüfung bestätigen könnte.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
11
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Sache besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist (§ 568 S. 2 Nr. 1 ZPO) und grundsätzliche Bedeutung hat (§ 568 S. 2 Nr. 2 ZPO), nachdem die zu entscheidende Rechtsfrage von verschiedenen Gerichten unterschiedlich beurteilt wird und somit zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde erforderlich erscheint.