Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 14.06.2024 – AN 4 K 23.219
Titel:

Rechtmäßiger Widerruf einer ärztlichen Approbation aufgrund unwürdigen Verhaltens

Normenkette:
BÄO § 3 Abs. 1 S. 1. Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs liegt unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots nur dann vor, wenn ohne den Widerruf der Approbation das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Ärzteschaft gestört und damit das wichtige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung gefährdet wäre. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO erstreckt sich auf alle berufsbezogenen, dh mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden, Handlungen und Unterlassungen sowie auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen handelt. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Arzt, der sich um des eigenen Vorteils willen über die finanziellen Interessen Dritter hinwegsetzt und diesen einen erheblichen Schaden zufügt, um sich eine nicht nur vorübergehende wiederholte Einnahmequelle von erheblichem Gewicht zu verschaffen, verliert bei objektiver Würdigung das notwendige Vertrauen in eine vorrangig am Wohl der Patienten orientierte Berufsausübung. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört zu den Berufspflichten eines Arztes. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf Approbation, Unwürdigkeit, Straftaten außerhalb des Kernbereichs der ärztlichen Tätigkeit, Abrechnungsbetrug, Wohlverhalten, fortgeschrittenes Alter, Verhältnismäßigkeit, Widerruf, Approbation, Straftaten, Verhältnismäßigkeitsgebot, Berufspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2024, 40787

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin wehrt sich gegen den Widerruf ihrer ärztlichen Approbation.
2
Die seit 1981 approbierte Klägerin ist seit dem … 1993 als Fachärztin für Nervenheilkunde mit vollem Versorgungsauftrag zugelassen und praktiziert in einer Einzelpraxis in … Sie verfügt über die Berechtigung zur Abrechnung der analytischen und tiefenpsychologischen Psychotherapie bei Erwachsenen, von Autogenen Trainings, der Hypnose sowie von Leistungen der Psychosomatischen Grundversorgung.
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Mit Bescheiden der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) wurden der Klägerin auf ihre Anträge hin Erhöhungen des Regelleistungsvolumens mit Fallwertzuschlag gewährt, welche schließlich aufgrund einer im Jahre 2018 seitens der KVB eingeleiteten Plausibilitätsprüfung ausgesetzt wurden.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2021 übermittelte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) der Regierung von Unterfranken (Regierung) eine Mitteilung in Strafsachen (MiStra) der Generalstaatsanwaltschaft …, Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen, vom 23. November 2021 betreffend die Klägerin. Ausweislich der Anklageschrift vom 8. November 2021 wurde der Klägerin Betrug in 22 Fällen gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 53 StGB zur Last gelegt. Ihr wurde vorgeworfen, für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2020 (Quartale 3/2015 bis 4/2020) insgesamt 22 unterzeichnete Sammelerklärungen bei der KVB, welche die Staatsanwaltschaft über den Verdacht des Abrechnungsbetrugs unterrichtet hatte, eingereicht zu haben, in denen sie ärztliche Leistungen in Rechnung stellte, die sie nicht erbracht hat; im Einzelnen insgesamt 1.745 abgerechnete Behandlungen mit einem Gesamtschaden in Höhe von 106.489,74 EUR (zur Schadensermittlung wurden die durch Zeugen dokumentierten Termineintragungen den abgerechneten Behandlungsterminen gegenübergestellt). Die Ermittlungen ergaben insbesondere, dass die Klägerin ihre Abrechnung selbst erstellt.
5
Bezüglich der Strafzumessung führte die Generalstaatsanwaltschaft unter anderem aus, dass zulasten der Klägerin die hohe Schadenssumme sowie der relativ hohe Schadensanteil im Verhältnis zum Abrechnungsvolumen zu berücksichtigen sind. Dies sowie der Umstand des planvollen Vorgehens sprechen für eine hohe kriminelle Energie. Allein die Auswertung von lediglich zwölf (von insgesamt 699) Patienten ergab, dass die Klägerin in der Regel zweimal wöchentlich zumeist über mehrere Jahre hinweg nicht erbrachte Behandlungen unberechtigt gegenüber der KVB in Rechnung gestellt hat.
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Der vorgeworfene Sachverhalt wurde klägerseits eingeräumt. Weiterhin wurde vorgetragen, dass die Fähigkeit der Klägerin, das Unrecht ihrer Taten einzusehen und danach zu handeln, wegen einer ab dem Jahr 2011 entwickelten Depressionsproblematik infolge einer Krebserkrankung sowie des Todes ihres Lebensgefährten im Jahre 2013 bei Begehung der Taten erheblich vermindert gewesen sei.
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Gemäß § 154 Abs. 1 StPO wurde von der Verfolgung folgender Taten abgesehen:
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Abrechnungsbetrug bei Patienten des Intensivpflegeheims; Abrechnungsbetrug durch Abrechnung von Leistungen ab Quartal 3/2015, die unter Verstoß gegen die für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen, insbesondere den Dokumentationspflichten, abgerechnet wurden; Abrechnungsbetrug durch Abrechnung von Nichtleistungen bei nicht vernommenen Patienten ab Quartal 3/2015.
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Mit Verfügung vom 8. November 2021 stellte die Generalstaatsanwaltschaft … fest, dass die Annahme des § 21 StGB zu verneinen ist, da die Klägerin trotz ihrer Erkrankung weiterhin handlungsfähig war und insbesondere ihre Praxisführung bewältigen konnte. Auch ihr planvolles Handeln bei der Tatbegehung sowie der Umstand, dass sie regelmäßig medizinische Tauglichkeitszeugnisse zum Erhalt ihres Pilotenscheins (zuletzt am 26. Mai 2020) erhalten konnte, sprechen gegen eine eingeschränkte Schuldfähigkeit. Letzteres ist deswegen von Relevanz, weil bei der Tauglichkeitsbeurteilung auch die mentale Gesundheit überprüft wird.
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Mit Schreiben vom 7. Januar 2022 teilte die Regierung der Klägerin unter Bezugnahme auf die MiStra mit, dass strafrechtlich geahndetes Verhalten eines Arztes zwingend zum Entzug der Berufsausübungsberechtigung in Gestalt eines Widerrufs der Approbation führe, soweit dieses Verhalten die berufliche Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit des Betroffenen begründet. Von der Anordnung des Ruhens der Approbation werde zum jetzigen Zeitpunkt abgesehen. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens werde der Sachverhalt einer approbationsrechtlichen Prüfung am Maßstab des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO unterzogen.
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Am 22. April 2022 schlossen die Klägerin und die KVB eine Rückzahlungsvereinbarung über 753.880,43 EUR aufgrund nicht ordnungsgemäßer Honorarforderungen für die Abrechnungsquartale 1/2015 bis 4/2020.
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Mit Schreiben vom 18. August 2022 übermittelte das StMGP der Regierung eine MiStra der Generalstaatsanwaltschaft … vom 27. Juli 2022, wonach die Klägerin mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts … vom 31. Mai 2022 wegen Betrugs in 22 Fällen gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung auf drei Jahre, verurteilt wurde. Ferner wurde der Klägerin die Auflage erteilt, Schadenswiedergutmachung in Höhe von mindestens 600.000,00 EUR an die KVB zu leisten. Es erfolgte ein umfassendes Geständnis der Klägerin, welches zu ihren Gunsten berücksichtigt wurde. In der mündlichen Verhandlung wurde gleichwohl eine Zeugenvernehmung durchgeführt. Zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten erfolgte eine Verständigung gemäß § 257c StPO. Zu Lasten der Klägerin wurde die Höhe des Schadens berücksichtigt.
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Der Regierung wurde nach der Hauptverhandlung Einsicht in die Strafakte gewährt.
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Mit Schreiben vom 6. September 2022 teilte die Regierung der Klägerin unter Bezugnahme auf dieses Urteil nebst Strafakte sowie das Schreiben vom 7. Januar 2021 mit, dass sie als unwürdig zur weiteren Berufsausübung anzusehen sei. Die Klägerin habe durch ihr schwerwiegendes Fehlverhalten dem Ansehen der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit und der damit verbundenen unverzichtbaren Vertrauensbasis zwischen Ärzten und Patienten erheblichen Schaden zugefügt. Eine Ärztin, die über Jahre hinweg gezielt tatsächlich nicht erbrachte Leistungen in der Absicht abrechne, sich einen nicht unerheblichen Vermögensvorteil anzueignen, zeige ein übersteigertes Gewinninteresse zulasten der Solidargemeinschaft und Krankenkassen. Selbst nach Einleitung einer Plausibilitätsprüfung durch die KVB im Jahre 2018 habe die Klägerin noch bis einschließlich 04/2020 falsche Sammelabrechnungen eingereicht. Sie habe das Berufsethos der Ärzteschaft in eklatanter Weise verletzt.
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Darüber hinaus sei die Klägerin auch unzuverlässig zur weiteren Berufsausübung als Ärztin. Die Klägerin habe über fünf Jahre hinweg Straftaten mit erheblicher krimineller Energie begangen, die zudem einen unmittelbaren und engen Bezug zu ihrer Berufsausübung hätten. Zudem sei die Klägerin als Beisitzerin im Berufsverband Niedergelassener Psychiater und Nervenärzte e.V. tätig gewesen und habe sich im Rahmen dessen bei der KVB für eine bessere Vergütung eben jener psychiatrischen Behandlungen eingesetzt, die sie vorwiegend in ihren eigenen Abrechnungen manipuliert habe. Sie habe aufgrund dieser Tätigkeit genauestens über die Abrechnungsprozesse Bescheid gewusst und dieses Wissen zu ihrem eigenen Vorteil genutzt. Damit habe die Klägerin eine herabgesetzte Hemmschwelle im Hinblick auf die Verletzung von Rechtsnormen offenbart, aus welcher sich bei verständiger Würdigung die negative Prognose ableiten lasse, dass sie auch in Zukunft nicht willens oder in der Lage sei, ihre Berufspflichten als Ärztin ordnungsgemäß zu erfüllen.
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Es sei daher beabsichtigt, den Widerruf der ihr am 10. November 1981 erteilten Approbation als Ärztin gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO anzuordnen.
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Der Klägerin wurde anheimgestellt, auf ihre Approbation nach § 9 BÄO zu verzichten, sowie Gelegenheit zur Stellungnahme bis 5. Oktober 2022 gewährt.
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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 trug die anwaltliche Vertreterin der Klägerin hierzu vor, dass auf die Rückzahlungsvereinbarung vom 22. April 2022 hin bereits 200.000,00 EUR an die KVB entrichtet worden seien. Des Weiteren habe die Klägerin zum 30. Juni 2022 auf ihre vertragsärztliche Zulassung verzichtet, so dass keine Wiederholungen zu befürchten seien. Die Klägerin sei ferner erstmalig mit derartigen Vorwürfen konfrontiert worden. Zuvor hätten auch keinerlei Disziplinarverfahren etc. stattgefunden.
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Ein Widerruf der Approbation sei unrechtmäßig und würde die Klägerin in ihren Rechten verletzen. Bei einem Widerruf handele es sich um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl. Die hiervon ebenfalls erfasste Entscheidung, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll, werde der Klägerin durch einen Widerruf der Approbation genommen. Darüber hinaus sei ein solcher Eingriff nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter statthaft.
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Die Voraussetzung für die Erteilung der Approbation seien die Würdigkeit und/oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes. Die Begriffe „Unzuverlässigkeit“ und „Unwürdigkeit“ hätten jeweils eine eigenständige Bedeutung. Der Begriff der Unzuverlässigkeit werde durch die Prognose gekennzeichnet, ob der Betroffene auch in Zukunft seine beruflichen Pflichten nicht zuverlässig erfüllen wird. Dagegen sei die Unwürdigkeit nicht vom künftigen Verhalten des Betroffenen abhängig.
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Unwürdigkeit liege vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist. Erforderlich sei dazu ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das bei verständiger Würdigung aller Umstände die weitere Berufsausübung als untragbar erscheinen lässt. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit sei im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen geknüpft. Entscheidend sei demnach, dass das Verhalten der Klägerin für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheine. Der Begriff der Unwürdigkeit sei daran gebunden, ob das Verhalten der Klägerin mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein von Ärzten hat; denn von einer Ärztin, der auch von ihren Patienten besonderes Vertrauen entgegengebracht werde, erwarte man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung. Eine solche einwandfreie Berufsausübung stehe hier jedoch nicht in Frage. Die in einem rechtskräftigen Urteil enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen könnten zwar regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden. Dies gelte jedoch nicht, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen. Insoweit müsse zunächst darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin im Rahmen des Strafverfahrens weder von ihrem Strafverteidiger noch von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht darauf hingewiesen worden sei, dass das Urteil derart weite Konsequenzen für ihre Existenz habe. Ansonsten hätte sie niemals „kampflos“ das Urteil in dieser Höhe und vor allem auch mit diesen Feststellungen zugelassen. Weiterhin wären weitreichende Fragestellungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand zu klären gewesen. Die gesundheitlich angeschlagene Klägerin habe das für sie sehr unangenehme Verfahren bei der KVB sowie das Strafverfahren schnellstmöglich beenden wollen. Es wäre jedoch ratsam gewesen, die einzelnen Aussagen der Zeugen genauer durchzugehen, womit sich der potenzielle Schaden gemindert hätte. Gleiches gelte für die Rückforderung der KVB. Hier seien nicht nachvollziehbare Berechnungen durchgeführt worden und das rund Siebenfache des von der Staatsanwaltschaft festgestellten Betrages heranzogen worden. Durch die Rückzahlungsverpflichtung sei die Alterssicherung der Klägerin derart aus den Fugen geraten, dass sie trotz ihrer Erkrankung zwingend arbeiten müsse. Es sei zwar leider davon auszugehen, dass die Klägerin den objektiven Tatbestand seinerzeit erfüllt habe. Deutlich in Frage gestellt werden müsse jedoch die Erfüllung des subjektiven Tatbestands. Die Klägerin habe sich damals in einer sehr schwierigen persönlichen Situation befunden. Sie sei ab 2010 wegen einer Krebserkrankung in Behandlung gewesen. Aus dieser habe sich eine depressive Erkrankung entwickelt, die durch den tödlichen Flugzeugabsturz ihres Lebensgefährten im Jahre 2013 noch verstärkt worden sei und zu enormen emotionalen sowie dann auch finanziellen Belastungen geführt habe. Aufgrund der Depression sei die Klägerin in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt gewesen, was zu einem verminderten Interesse an vielen Dingen geführt und ihr Unrechtsbewusstsein verändert habe. Bezüglich der Schuldfähigkeit stünden erhebliche Fragen im Raum, welche weiter hätten geprüft werden müssen. Erst später habe sich aufgrund der Therapie eine neue Lebenssituation ergeben, so dass die Klägerin nunmehr wieder Recht und Unrecht voneinander unterscheiden könne. Seither könne sie sich wieder vollständig auf ihre ärztliche Tätigkeit konzentrieren.
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Das Risiko eines Rückfalls könne indes durch vorbeugende Maßnahmen reduziert werden.
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Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens habe ihr Strafverteidiger über diese Situation nur begrenzt informiert. Nachdem sich die Klägerin durch eine mögliche Hauptverhandlung erheblich unter Druck gesetzt gefühlt habe, habe sie den Sachverhalt eingeräumt, ohne weiter auf ihre Krankheitssituation einzugehen. In diesem Zusammenhang habe sie dem Irrtum unterlegen, dass keine Konsequenzen betreffend der Approbation zu erwarten seien. Nach alledem sei davon auszugehen, dass im Hinblick auf die verminderte Schuldfähigkeit gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen. Die Klägerin sei mit der Rückzahlungsvereinbarung und dem Urteil, den damit verbundenen Konsequenzen sowie den Kosten der Strafverteidigung indes bereits mehr als gestraft.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation vorliegen, sei der Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, da bei Anfechtungsklagen gegen statusentziehende Verwaltungsakte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gelte. Ein Wohlverhalten vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens sei daher zu berücksichtigen. Dieses habe die Klägerin an den Tag gelegt, indem sie ihren Rückzahlungsverpflichtungen nachgekommen sei, auf die vertragsärztliche Zulassung verzichtet und keinerlei weitere Verfehlungen mehr begangen habe. Ferner müsse festgestellt werden, dass kein strengerer sozialethischer Maßstab an den Gesetzesgehorsam eines Arztes anzulegen sei als an einen sonstigen Bürger. Die Klägerin sei nur „als Bürger“ rechtsuntreu geworden, was nicht in den Bereich der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit hineinreiche. In der Rechtsprechung sei zwar grundsätzlich anerkannt, dass ein schwerwiegendes Fehlverhalten, welches zur Bejahung der Unwürdigkeit führt, nicht allein die eigentliche Ausübung der Heilkunst betreffen müsse; auch erhebliche Straftaten eines Arztes, die in keinerlei Zusammenhang mit einer als solchen unbeanstandet ausgeübten ärztlichen Tätigkeit stehen, könnten zur Unwürdigkeit führen. Dies könnten jedoch nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, wenn das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos bliebe. Für die Frage, ob ein schwerwiegendes Fehlverhalten vorliegt, müsse eine berufsbezogene Beurteilung des jeweiligen Delikts erfolgen. Auch könne nicht allein auf das verhängte Strafmaß abgestellt werden. Vielmehr müsse der Unwertgehalt der verwirklichten Straftatbestände im Lichte der beruflichen Tätigkeit ausgelegt werden. Die Ausübung des ärztlichen Berufs und die entsprechende Einschätzung durch die Patienten und die Öffentlichkeit umfasse nicht nur eine fachlich beanstandungsfreie Behandlung des Patienten, sondern auch die Einhaltung der sonstigen ärztlichen Berufspflichten. Gerade wegen der besonders vertrauensgeprägten Beziehung zwischen Arzt und Patient gehe das Gemeinschaftsgut „Gesundheitsversorgung“/„Gesundheitsschutz“ über den eigentlich medizinisch fachlichen Bereich deutlich hinaus. Voraussetzung einer funktionsfähigen Gesundheitsversorgung sei somit auch, dass die Ärzteschaft als Ganzes und der einzelne Arzt das für die zuverlässige ärztliche Versorgung der Bevölkerung notwendige Vertrauen in eine nur am Wohl des Patienten orientierte ärztliche Berufsausübung besitze.
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Im Hinblick auf Art und Umfang der verurteilten Straftat und das hierin erkennbar werdende charakterliche Fehlverhalten sei die Klägerin nicht unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Sie habe zwar der KVB einen Schaden zugefügt, nicht aber einer einzelnen Person. Jedenfalls beziehe sich das gegebenenfalls durch einen Widerruf zu schützende Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in erster Linie auf die ärztliche Dienstleistung. In vermögensrechtlicher Hinsicht dürfte die Vertrauenserwartung der Bevölkerung an einen Arzt eher gering, jedenfalls deutlich nebensächlich im Vergleich zum Behandlungsauftrag sein, soweit man davon ausgehe, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nur begrenzt schuldfähig gewesen sei. Zudem werde die Integrität der Ärzteschaft umso weniger tangiert, je berufsferner die begangene Straftat ist. Im vorliegenden Fall würden die klägerischen Taten keinen Bezug zum ärztlichen Beruf aufweisen, so dass nur eine begrenzte Berufsbezogenheit der strafrechtlichen Verfehlungen bestehe. Patienten seien nicht geschädigt worden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach Aufdecken der Verfehlungen an der Aufklärung mitgewirkt und ihre Unrechtseinsicht bekundet sowie den Schaden wiedergutgemacht habe. Hinzu komme, dass die Klägerin mittlerweile wieder in geordneten gesundheitlichen, persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen lebe.
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Der Widerruf der Approbation komme aufgrund des Alters der im Jahre 1954 geborenen Klägerin indes einem lebenslangen Berufsverbot gleich und verletze daher den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Rechtsprechung setze für eine Wiedererteilung der Approbation grundsätzlich das Durchlaufen einer außerberuflichen Bewährungszeit voraus. Während dieser Zeit müsste sich die Klägerin zudem fortbilden, was ihr in Anbetracht einer notwendigen anderweitigen Berufstätigkeit weder zeitlich noch finanziell möglich wäre.
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Des Weiteren sei vorliegend auch eine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht anzunehmen. Unzuverlässig als Arzt sei, wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft die beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird. Das hier vorgeworfene Fehlverhalten beziehe sich nur begrenzt auf die eigentliche Ausübung der Heilkunst und die einen Arzt unmittelbar treffenden Verpflichtungen im Rahmen der Behandlung der Patienten. Die ärztliche Tätigkeit als solche habe die Klägerin in der Vergangenheit stets unbeanstandet ausgeübt, weshalb nicht zu erwarten sei, dass sie künftig diesen ärztlichen Verpflichtungen nicht nachkommen werde. Darüber hinaus setze der Begriff der Unzuverlässigkeit im Gegensatz zum Begriff der Unwürdigkeit eine Zukunftsprognose dahingehend voraus, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr dafür bietet, künftig die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Im Hinblick auf die begangenen Verstöße müssten für die Zukunft gleiche oder ähnlich schwerwiegende Verstöße ernsthaft zu besorgen sein. Bei der Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern könne ein solcher Betrug nicht erfolgen, da diese selbst Rechnungen mit den Behandlungsdaten erhalten, so dass eine Gegenkontrolle durch den Patienten erfolgen könne. Für eine positive Prognose spreche ferner, dass es zu keinen weiteren Verstößen gekommen sei und die Klägerin ihr Fehlverhalten sofort eingeräumt habe.
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Mit Bescheid der Regierung vom 23. Dezember 2022 wurde die der Klägerin erteilte Approbation widerrufen (Ziffer 1). Des Weiteren wurde die Approbationsurkunde eingezogen und angeordnet, dass diese innerhalb von zwei Wochen nach Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides zurückzugeben ist (Ziffer 2). Sofern die Verpflichtung unter Ziffer 2 nicht innerhalb von zwei Wochen ab Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheids erfüllt wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht (Ziffer 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus dem Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts … vom 31. Mai 2022 zugrunde liege, ergebe, dass die Klägerin sowohl unwürdig als auch unzuverlässig sei, den ärztlichen Beruf weiterhin auszuüben. Den rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen aus einem – wie hier – aufgrund einer mündlichen Hauptverhandlung ergehenden Strafurteil komme erst recht eine materielle Richtigkeitsgewähr zu. Darüber hinaus gehörten zu den berücksichtigungsfähigen Erkenntnismitteln in einem approbationsrechtlichen Widerrufsverfahren auch die Akten des Ermittlungsverfahrens. Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen seien dann anzunehmen, wenn ersichtlich ist, dass Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO vorliegen oder die Behörden und Verwaltungsgerichte den bestrittenen Sachverhalt ausnahmsweise besser aufklären können. Aus dem klägerischen Schreiben vom 24. Oktober 2022 würden sich keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ergeben. Auch wenn die Strafakte keinen ausdrücklichen Hinweis auf einen denkbaren Approbationswiderruf enthalte, sei die anwaltlich vertretene Klägerin spätestens mit dem Schreiben der Regierung vom 7. Januar 2022 über diese mögliche Konsequenz informiert worden. Potenzielle Zweifel über die Wahrscheinlichkeit eines drohenden Widerrufs hätten indes vor der Hauptverhandlung auch durch eine Anfrage bei der Regierung erörtert werden können. Des Weiteren seien nach Einsicht in die Strafakte keine Gründe ersichtlich, die Anlass zu Zweifeln an den Ergebnissen der umfangreichen Ermittlungen betreffend die Anzahl der zu Unrecht abgerechneten Behandlungen mittels persönlicher bzw. telefonischer Befragung von zwölf Patienten unter Zuhilfenahme von Kalendereinträgen, Krankschreibungen, Dienstplänen etc. geben. Hinweise auf mögliche Falschaussagen oder einen erkennbaren Belastungseifer der vernommenen Zeugen seien nicht erkennbar. Weiterhin seien die strafrechtlichen Ermittlungen allein auf die zwölf durch die KVB gemeldeten Patienten mit auffälligen Abrechnungen beschränkt worden, obwohl es, wie von Herrn Kriminaloberkommissar … zuletzt während der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben, aufgrund der Systematik und Dokumentation durchaus Anlass dazu gebe, von mehr Patienten auszugehen, bei denen nicht erbrachte Leistungen abgerechnet worden seien. Vor diesem Hintergrund sei nicht davon auszugehen, dass sich bei einer genaueren Nachprüfung der Zeugenaussagen eine ins Gewicht fallende Verminderung der Schadenshöhe ergeben hätte. Maßgeblich für die Beurteilung der Würdigkeit und Zuverlässigkeit bleibe die gerichtlich festgestellte Höhe des entstandenen Schadens von 106.489,74 EUR. Die vermeintlich überhöhte Rückforderung der KVB sei im Rahmen eines Widerrufverfahrens indes nur insofern von entscheidender Bedeutung, wie sich aus der Höhe und bereitwilligen Zahlung von Schadenswiedergutmachungsleistung an den Geschädigten Hinweise auf den hier zu beurteilenden Charakter der Klägerin ableiten lassen. Die Höhe der Wiedergutmachungsleistung fuße im Übrigen auf einer außergerichtlichen Vereinbarung zwischen der KVB sowie der Klägerin und gebe keinen Anlass dazu, von der grundlegenden Unrichtigkeit der gerichtlichen Tatsachenfeststellungen auszugehen.
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Auch die Erkrankung der Klägerin habe im Strafverfahren durchaus Berücksichtigung gefunden. Ihr Strafverteidiger habe mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 den Krankheitsverlauf zusammengefasst und die Erstellung eines Gutachtens hinsichtlich §§ 20, 21 StGB beantragt. Mit Verfügung vom 8. November 2021 habe die Generalstaatsanwaltschaft … nachvollziehbar festgestellt, dass die Annahme des § 21 StGB zu verneinen sei. Die Krankheitsgeschichte sei auch im Folgenden während des laufenden Strafverfahrens mehrfach durch die Klägerin bzw. ihren Strafverteidiger angeführt worden, zuletzt in der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen habe die anwaltliche Vertretung im Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 selbst ausgeführt, dass die Klägerin zwischen den auftretenden depressiven Episoden vollständig gesund gewesen sei. Dem vorgelegten Befundbericht lasse sich weiterhin entnehmen, dass die Klägerin während der Therapie angegeben habe, beruflich erfolgreich zu sein. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin wohl bereits seit etwa zwei Jahren systematische Betrugstaten bei der Einreichung ihrer Sammelabrechnungen begangen. Dies schließe mindestens eine durchgehende eingeschränkte Schuldfähigkeit aus. Dass ausgerechnet bei jeder einzelnen Tatbegehung regelmäßig in den Monaten nach Quartalsende eine akute depressive Episode anzunehmen wäre, erscheine nicht zuletzt aufgrund der gezeigten anhaltenden Systematik bei der Durchführung der Betrugstaten sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung unwahrscheinlich. Indes sei der weitere Rechtsweg im Strafverfahren nicht beschritten, sondern ein umfassendes Geständnis abgelegt worden. Mithin müsse die Klägerin die Feststellungen des Urteils auch im vorliegenden Verfahren vollumfänglich gegen sich gelten lassen. Ferner sei nicht davon auszugehen, dass die Regierung den bestrittenen Sachverhalt ausnahmsweise besser hätte aufklären können.
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Eine grundsätzlich hohe Belastung durch die Krankheitsgeschichte werde der Klägerin nicht abgesprochen. Nach Überzeugung der Regierung lasse dies jedoch die von ihr über Jahre hinweg begangenen Betrugstaten nicht in einem milderen Licht erscheinen. Einschneidende persönliche Schicksale könnten nicht zur Rechtfertigung erheblicher krimineller Bestrebungen zur eigenen Bereicherung dienen, wenn sich aus den gesamten Tatumständen das Streben nach finanziellen Vorteilen mit durchaus wohl überlegten und planvoll ausgeführten Mitteln ablesen lasse. Dass die Motivation der Klägerin in der persönlichen Gewinnmaximierung ihrer vertragsärztlichen Praxis gelegen habe und sie zu diesem Zweck mit erheblicher krimineller Energie sowie durchaus planvoll vorgegangen sei, stehe für die Regierung nach Einsichtnahme in die umfangreiche Strafakte außer Zweifel. Die Klägerin habe über den langen Zeitraum von mindestens fünf Jahren (Quartal 3/2015 bis Quartal 4/2020) insgesamt 1.745 Therapiesitzungen vorsätzlich zu Unrecht abgerechnet. Die Klägerin habe durch die systematische Abrechnung mit Gebührenziffern für Leistungen, die bei den jeweiligen Krankenkassen nicht antragspflichtig waren, bewusst Überprüfungslücken im Abrechnungssystem ausgenutzt. Erschwerend trete noch der Umstand hinzu, dass die Klägerin eine Fallwerterhöhung beantragt habe. Vorgeblich diente dies der rechnerischen Abbildung ihrer besonderen Spezialisierung. Tatsächlich habe sie so ihren Anteil an zu Unrecht bezogenen Honorarleistungen durch die von ihr häufig für Falschabrechnungen benutzte Gebührenziffer maximiert. Ferner habe sie versucht, ihre Taten zu verschleiern, indem sie gegenüber der KVB ihre Abrechnungspraxis mit der Behauptung rechtfertigte, ihre Patienten seien zu krank für eine antragspflichtige Psychotherapie. Eine Behauptung, die bei sechs der damals zehn überprüften Patienten dadurch widerlegt worden sei, dass diese nachweislich in der Folgezeit antragspflichtige Psychotherapien bei anderen Leistungserbringern erhielten. Dass nicht das Wohl der Patienten bei den begangenen Betrugstaten im Vordergrund gestanden habe, zeige sich darin, dass sie diese durch ihr Vorgehen instrumentalisiert habe. Ein solcher Abrechnungsbetrug sei eine schwere Straftat mit unmittelbarem Bezug zu ihren beruflichen Pflichten. Die KVB, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit einem Sicherstellungs- und Gewährleistungsauftrag hinsichtlich der vertragsärztlichen Versorgung der Bevölkerung, sei als Brücke zwischen der Ärzteschaft und den Gesetzlichen Krankenkassen eine wichtige und tragende Säule der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische Falschabrechnungen in großem Umfang stelle eine gravierende berufliche Verfehlung dar, die auch ohne einen zusätzlichen „behandlungsrelevanten Aspekt“ zur Berufsunwürdigkeit und damit zum Widerruf der Approbation führen könne. Ein derart von der Erlangung unberechtigter wirtschaftlicher Vorteile geprägter Mensch werde nach dem Urteil jedes billig und gerecht Denkenden als jemand wahrgenommen, der sein Verhalten und damit auch seine ärztlichen Entscheidungen statt vorrangig am Patientenwohl primär an wirtschaftlichen Motiven orientiere.
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Angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall das Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit gegeben sei, müsse für den Widerruf nicht zusätzlich das Merkmal der Unzuverlässigkeit erfüllt sein. Dennoch halte der Beklagte die Klägerin auch für unzuverlässig für die weitere Berufsausübung als Ärztin. Das Merkmal der Unzuverlässigkeit sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der Behörde weder einen Beurteilungs- noch Ermessensspielraum eröffne. Eine Ärztin sei unzuverlässig, wenn sie nach ihrer gesamten Persönlichkeit aufgrund ihres bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass sie in Zukunft ihren Beruf als Ärztin ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit werde im Berufsrecht durch die Prognose gekennzeichnet, ob die Betroffene in Zukunft ihre beruflichen Pflichten korrekt und ordnungsgemäß erfüllen wird.
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Die Prognoseentscheidung beruhe auf der Wertung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens der Ärztin. Daraus müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden können, dass die Ärztin auch in Zukunft nicht willens oder in der Lage sein wird, den in § 1 BÄO zum Ausdruck kommenden Berufspflichten zu genügen. Angesichts des hohen Ranges der Volksgesundheit, dem die Bundesärzteordnung diene, seien an das Wahrscheinlichkeitsurteil keine übertriebenen Anforderungen hinsichtlich der Gewissheit des Schadenseintritts zu stellen. Eine Ärztin, die über einen sehr langen Zeitraum von mindestens fünfeinhalb Jahren Betrugstaten planmäßig sowie mit erheblicher krimineller Energie und Bereicherungsabsicht begangen habe, welche angesichts der gewerbsmäßigen Begehung vom Strafgericht als besonders schwere Fälle qualifiziert worden seien, habe offenbar eine ganz erhebliche charakterliche Schwäche und biete nicht mehr die Gewähr dafür, ihre Berufspflichten künftig ordnungsgemäß zu erfüllen, zumal der verursachte Schaden nicht bloß als ein Bagatellschaden anzusehen sei. Durch die verübten Taten seien Charaktereigenschaften zu erkennen, die regelmäßig keiner kurzfristigen Wandlung unterliegen. Zur ordnungsgemäßen Ausübung des ärztlichen Berufs gehöre indes nicht nur ein fachlich beanstandungsfreies Handeln, sondern auch die Einhaltung der sonstigen Berufspflichten, zu welchen auch die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber Leistungsträgern gehöre. Dass die Klägerin seit der letzten abgeurteilten Tat keine weiteren Straftaten mehr begangen habe, stelle im Übrigen keine besondere Leistung dar. Ferner seien das bisher gezeigte Wohlverhalten sowie die Veräußerung der Praxis mit einhergehender Beendigung der kassenärztlichen Zulassung durchaus unter dem Eindruck des bis zur Hauptverhandlung am 31. Mai 2022 andauernden Strafverfahrens zu bewerten. Anzumerken sei auch, dass das 2018 eingeleitete Plausibilitätsprüfungsverfahren allein seinerzeit nicht ausreichend gewesen sei, um die Klägerin von der Begehung weiterer Betrugstaten abzuhalten. Dies zeige bereits die Hartnäckigkeit in ihrem Gewinnstreben.
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Im Übrigen verstoße der Widerruf der Approbation auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO sehe das Gesetz den Approbationswiderruf als zwingende Rechtsfolge vor. Die „Reinhaltung“ des Berufsstandes sei bei Ärzten besonders wichtig, weil Patienten wegen ihrer Leiden ihr gesamtes Vertrauen in den Arzt als Heiler und Helfer setzen und deshalb in diesem Vertrauen vor einem Missbrauch durch unwürdige bzw. unzuverlässige Ärzte geschützt werden müssten.
35
Die Integrität des Arztstandes werde durch die Entfernung der Klägerin aus dem Arztstand gewahrt. Weitere wichtige Gemeinschaftsgüter im öffentlichen Gesundheitsinteresse seien der Patientenschutz sowie der Schutz der Solidargemeinschaft der Versicherten. Auch hier sei der Widerruf geeignet, einem weiteren Abrechnungsbetrug zu Lasten der Krankenkassen zu begegnen. Bei Behandlung von Privatpatienten gelte dies zu Lasten der Beihilfestellen und privaten Krankenversicherungen entsprechend. Betrugstaten bei der Abrechnung mit Privatpatienten und Selbstzahlern seien keineswegs unmöglich, was einschlägig abgeurteilte Straftaten in der Vergangenheit hinreichend belegen. Der Widerruf sei zudem erforderlich, da kein milderes Mittel in Betracht komme. Die ärztliche Approbation sei unteilbar. Der Erlass eines teilweisen Widerrufs oder eine Belassung der Approbation unter Auflagen oder Nebenbestimmungen sei rechtlich nicht vorgesehen. Den freiwilligen Verzicht auf die Approbation habe die Klägerin ferner abgelehnt. Der Widerruf sei auch angemessen, insbesondere überwiege das dem privaten Interesse der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber zu stellende überragende öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen öffentlichen Gesundheitsversorgung. Berufliche Betätigungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Wissenschaft und Forschung oder im Verlagswesen blieben indes unberührt. Einer zusätzlichen Berücksichtigung individueller Umstände, wie etwa das Alter oder die wirtschaftliche Situation, bedürfe es von Verfassung wegen nicht. Liegt Berufsunwürdigkeit bzw. -unzuverlässigkeit vor, so lasse das Gesetz für die zulässige Berücksichtigung individueller Umstände keinen Raum. Den Patienten, Kassen oder an der Finanzierung des Gesundheitswesens Beteiligten sei nicht deshalb ein höheres Maß an Gefährdung ihres Vermögens zuzumuten, weil sich die ferneren Berufsaussichten der Ärztin ungünstig darstellen.
36
Die Anordnung unter Ziffer 2 finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 52 Sätze 1 und 2 BayVwVfG.
37
Die Höhe des unter Ziffer 3 angedrohten Zwangsgeldes sei unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin angemessen.
38
Am 2. Februar 2023 hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erheben lassen. Zur Begründung bezieht sich die Klägerin im Wesentlichen auf das Vorbringen im Rahmen der Stellungnahme vom 24. Oktober 2022. Ergänzend wird vorgetragen, dass der Vortrag des Beklagten, wonach die Klägerin mit dem Schreiben vom 7. Januar 2022 über die Konsequenz des Widerrufs informiert worden sei, unrichtig sei. Zwar habe für die Klägerin die theoretische Möglichkeit eines Widerrufs bestanden, jedoch sei sie nicht davon ausgegangen, dass dieser unzweifelhaft erfolgen würde. Dies sei auch nachvollziehbar, nachdem in weiten Teilen der Bundesrepublik eine strafrechtliche Verurteilung nicht unweigerlich zu einem Widerruf führe. Die Klägerin habe nur deshalb die Rückzahlungsvereinbarung und die Verurteilung akzeptiert, um von sich aus deutlich zu machen, dass sie eine Bestrafung über das tatsächliche Maß als ihren Beitrag akzeptiere. Sie sei davon ausgegangen, dass dies gerade nicht zum Wegfall der beruflichen Würdigkeit und Zuverlässigkeit führe. Widersprochen werden müsse auch dem Vorwurf, dass Motivation der Klägerin die persönliche Gewinnmaximierung gewesen und sie planvoll vorgegangen sei. Tatsächlich handele es sich im Wesentlichen um Rückforderungen wegen Dokumentationsmängeln, die im Rahmen von Abrechnungsprüfungen nichts Ungewöhnliches darstellen. Nur in wenigen Fällen seien Patienten abgerechnet worden, die nicht (so) in der Praxis behandelt worden seien. Es werde ein völlig verzerrtes Bild wiedergegeben. Gegen dieses hätte sich die Klägerin gewehrt, wenn sie gewusst hätte, dass dies für das Widerrufsverfahren relevant sei.
39
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2022 kostenpflichtig aufzuheben.
40
Der Beklagte beantragt
41
Klageabweisung.
42
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid sowie die Ergebnisse der Ermittlungen in der Strafakte im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO nicht lediglich auf eine strafrechtliche Verurteilung abzustellen sei, sondern eine Einzelfallprüfung erfolge. Hierbei seien neben Höhe und Ausmaß der strafrechtlichen Verurteilung sowie des Schuldspruches sämtliche Umstände der vorgeworfenen Taten einzubeziehen. Dem sei der Beklagte durch Einbezug der vollständigen Strafakte sowie Würdigung des Vorbringens aus dem anwaltlichen Schriftsatz vom 24. Oktober 2022 gerecht geworden. Das planvolle Vorgehen sowie die Abrechnung tatsächlich nicht erbrachter Leistungen ergäben sich zweifelsfrei aus den Ermittlungsergebnissen und seien auch vom Amtsgericht … zutreffend als Abrechnung von Leistungen, „die tatsächlich nicht erbracht“ worden seien, abgeurteilt worden. Die Verharmlosung der Betrugstaten als bloße, im Rahmen von Abrechnungsprüfungen nicht ungewöhnliche Dokumentationsfehler ergehe in vollständiger Verkennung sämtlicher Ermittlungsergebnisse aus dem Strafverfahren. Die Abrechnung von 1.745 nicht erbrachten Behandlungen könne auch nicht als „wenig“ erscheinen. Die Klägerin habe mit der jahrelangen, systematischen Falschabrechnung von tatsächlich nicht erbrachten ärztlichen Leistungen das Regelbeispiel des zur Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit führenden Betrugs im Rahmen der ärztlichen Berufsausübung erfüllt. Die Klägerin habe diese Taten im Strafverfahren gestanden und müsse die Ermittlungsergebnisse nun auch gegen sich gelten lassen. Für die Annahme, dass bei einer geständigen Einlassung und dem „nur deshalb“ gezeigten Wiedergutmachungswillen keine approbationsrechtlichen Maßnahmen erfolgen würden, habe es keinen vernünftigen Anlass gegeben, zumal – wie auch bereits im Widerrufsbescheid vom 23. Dezember 2022 ausgeführt – hierzu keine vorherige Rückfrage bei der Regierung erfolgt sei. Indes sei die Kenntnis der Betroffenen von den drohenden berufsrechtlichen Folgen einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung keine Voraussetzung, um die Feststellungen des Urteils zur Grundlage im Approbationswiderrufsverfahren machen zu können. Im Übrigen handele es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO um eine gebundene Rechtsfolge ohne Ermessensspielraum der Behörde.
43
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

44
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
45
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist die Approbation als Arzt zu widerrufen, wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus welchem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
46
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Regierung von Unterfranken ist gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 der Bundesärzteordnung (BÄO) i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die zuständigen Behörden zum Vollzug des Rechts der Heilberufe (HeilBZustV) für die Widerrufsentscheidung zuständig. Die gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung erfolgte mit Schreiben vom 6. September 2022.
47
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Nach der im Zeitpunkt des Bescheiderlasses maßgebenden Sach- und Rechtslage war die der Klägerin erteilte ärztliche Approbation zu widerrufen.
48
2.1. Vorliegend hat sich die Klägerin eines Verhaltens schuldig gemacht, aus welchem sich ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
2.1.1.
49
Ein Arzt ist zur Ausübung des ärztlichen Berufs im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötig ist.
50
Für die Beurteilung der Berufsunwürdigkeit als Voraussetzung für den Widerruf der Approbation kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens an, wobei es einer auf die Person des Betroffenen bezogenen (in die Zukunft gerichteten) Gefahrenprognose nicht bedarf (BayVGH, B.v. 26.10.2023 – 21 ZB 20.2575 – juris Rn. 17).
51
Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit ist mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot an hohe Voraussetzungen geknüpft. Eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs liegt daher nur vor, wenn ohne den Widerruf der Approbation das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Ärzteschaft gestört und damit das wichtige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung des einzelnen Patienten und der Bevölkerung gefährdet wäre. Anlass für den Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit können mithin nur gravierende Verfehlungen sein, die geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos (BayVGH, U.v. 28.7.2017 – 21 B 16.2065 – juris Rn. 29 unter Bezugnahme auf BVerfG, Kammerbeschluss v. 28.8.2007 – 1 BvR 1098/07 – juris; BVerwG, B.v. 13.2.2014 – 3 B 68/13 – juris Rn. 12). Der Arzt muss ein schwerwiegendes Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149/02 – juris Rn. 4). Ob ein gravierendes Fehlverhalten vorliegt, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer fallübergreifenden Klärung (BVerwG, B.v. 20.9.2012 – 3 B 7/12 – juris Rn. 4; B.v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 – juris Rn. 10; B.v. 18.8.2011 – 3 B 6/11 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 26.11.2023 – 21 ZB 20.2575 – Rn. 32). Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass es bei der Aufhebung einer Approbation als Arzt nicht um eine Sanktion des Fehlverhaltens geht, sondern um den Schutz des Ansehens der Ärzteschaft in der Öffentlichkeit sowie um die Bewahrung des Bilds vom helfenden und heilenden Arzt und damit um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr zum Schutz des besonders wichtigen Gemeinschaftsguts der Volksgesundheit (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 – juris Rn. 12, 15). Das Schutzgut der Volksgesundheit, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Arzt als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfG, B.v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12/95 – juris Rn. 19).
52
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche Ansehens- und Vertrauensverlust auch durch Straftaten bewirkt werden, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind. Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erstreckt sich nicht nur auf das Verhalten eines Arztes bei der Behandlung von Patienten, also auf den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit. Er erfasst darüber hinaus alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden, Handlungen und Unterlassungen sowie auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen handelt (vgl. etwa BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 28.8.1995 – 3 B 7/95 – juris Rn. 10; BVerfG, B.v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 – juris Rn. 8ff.; BayVGH, B.v. 26.11.2023 – 21 ZB 20.2575 – Rn. 24, 33). Dabei setzt eine Unwürdigkeit im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO nicht zwingend die Begehung einer vollendeten Straftat, eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1 StGB) oder die Verhängung einer bestimmten Mindeststrafe voraus (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2012 – 3 B 7/12 – juris Rn. 4). Bei der Beurteilung, ob ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes vorliegt, das geeignet ist, das für eine ordnungsgemäße ärztliche Aufgabenerfüllung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig zu erschüttern, sind alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen, wie etwa Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens, das verhängte Strafmaß sowie die Strafzumessungserwägungen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Umstände vorliegen, die dazu führen, dass von einer Berufsunwürdigkeit nicht oder nicht mehr ausgegangen werden kann (BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 – juris Rn. 13 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 – juris Rn. 14).
2.1.2.
53
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe ist vorliegend festzustellen, dass die Klägerin ein Verhalten gezeigt hat, aus dem sich in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens ihre Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Zu dieser Wertung gelangt die Kammer nicht aus der bloßen Tatsache der strafrechtlichen Ahndung des inmitten stehenden Abrechnungsbetrugs, sondern aufgrund der ihr obliegenden eigenständigen Prüfung (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 14) des vorliegenden Aktenmaterials und hier insbesondere der Feststellungen in dem gegen die Klägerin ergangenen rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts … vom 31. Mai 2022, wonach sie sich wegen Betrugs in 22 Fällen gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 53 StGB schuldig gemacht hat.
54
Das der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegende Verhalten der Klägerin führt bei Würdigung aller Umstände dazu, dass sie nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar nötige Ansehen und Vertrauen besitzt. Bei dem von der Klägerin begangenen Abrechnungsbetrug handelt es sich um eine gravierende Verfehlung, die eine Berufsunwürdigkeit begründet. Sie hat über den mehrjährigen Zeitraum von 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2020 (Quartale 3/2015 bis 4/2020) mittels 22 unterzeichneter Sammelerklärungen insgesamt 1.745 Behandlungen gegenüber der KVB vorsätzlich zu Unrecht abgerechnet und sich so jahrelang ärztliche Honorare in nicht unerheblicher Höhe verschafft, auf die sie keinen Anspruch hatte. Der KVB entstand durch das Verhalten der Klägerin ausweislich der in der Strafakte enthaltenen umfangreichen Berechnungen ein Schaden von insgesamt 106.489,74 EUR, welcher keinesfalls mehr als ein den Widerruf der Approbation wegen Unzuverlässigkeit nicht tragender Bagatellschaden anzusehen ist. Das Verhalten der Klägerin zeigt insgesamt schwerwiegende Verstöße gegen ihre berufsspezifischen Pflichten, so dass der Beklagte zu Recht annehmen konnte, dass die Klägerin zur Ausübung des Berufs als Ärztin im hier maßgeblichen Zeitpunkt unzuverlässig im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 28.3.2007 – 21 B 04.3153 – juris Rn. 38). Die strafrechtlich geahndeten Betrugstaten der Klägerin haben in Hinblick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens erhebliches Gewicht, wie sich auch daran zeigt, dass das Amtsgericht … von einem besonders schweren Fall des Betrugs gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB (gewerbsmäßige Begehung des Betrugs) ausgegangen ist sowie eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren (ausgesetzt zur Bewährung auf drei Jahre) verhängt und damit die Mindeststrafe von sechs Monaten deutlich überschritten hat. Das verhängte Strafmaß lässt auf ein schwerwiegendes Fehlverhalten schließen. Dem steht auch die Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen (BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 21 ZB 16.436 – juris Rn. 14f.).
55
Der inmitten stehende Abrechnungsbetrug ist eine schwere Straftat mit unmittelbarem Bezug zu den beruflichen Pflichten eines Arztes. Zwar betreffen die von der Klägerin begangenen Straftaten nicht unmittelbar das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Wie bereits dargestellt, ist für die Beurteilung der Würdigkeit der ärztlichen Berufsausübung allerdings nicht nur das Verhalten eines Arztes bei der Behandlung der Patienten, also der Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, maßgebend. Der wesentliche Zweck der Regelung über den Widerruf der Approbation wegen Berufsunwürdigkeit besteht darin, das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzteschaft sicherzustellen. Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn der Arzt keinen Anlass bietet, an seiner Heilkunst zu zweifeln. Denn auch die Verwirklichung erheblicher Straftaten, die keinen Zusammenhang mit einer als solcher nicht beanstandbar ausgeübten ärztlichen Behandlung haben, sind geeignet, das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu stören und damit zur Unwürdigkeit zu führen (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149/02 – juris; B.v. 27.1.2011 – 3 B 63/10 – juris; BayVGH, U.v. 29.1.2002 – 21 B 98.1583 – juris m.w.N.). Dem entspricht es, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO bereits vor einer erstmaligen Erteilung der ärztlichen Approbation und damit vor der Ausübung des ärztlichen Berufs zu prüfen ist, ob die insoweit erforderliche Würde besteht. Die Allgemeinheit erwartet bei der gebotenen objektiven Betrachtung von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten einen wesentlichen Schaden zufügt, weil das dem Bild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe (vgl. OVG NRW, U.v. 25.5.1993 – 5 A 2679/91 – juris).
56
Der inmitten stehende Abrechnungsbetrug offenbart, dass die Klägerin um des eigenen Vorteils willen bereit ist, sich über die finanziellen Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen, wie die inmitten stehende Schadenssumme zeigt, einen erheblichen Schaden zuzufügen. Ein Arzt, der ein solches Verhalten an den Tag legt, um sich eine nicht nur vorübergehende wiederholte Einnahmequelle von erheblichem Gewicht zu verschaffen, verliert bei objektiver Würdigung das notwendige Vertrauen in eine vorrangig am Wohl der Patienten orientierte Berufsausübung. Dies rechtfertigt auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Annahme der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Ein Gewinnstreben um jeden Preis steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes, der (so ausdrücklich § 2 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns) den ärztlichen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt sowie sein ärztliches Handeln am Wohl des Patienten auszurichten hat (BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 28.11.2016 – 21 ZB 16.436 – juris Rn. 14). Anders als die Klägerin vorträgt, steht ihr Fehlverhalten auch in Zusammenhang mit der Ausübung ihres Arztberufs. Die korrekte Abrechnung der ärztlichen Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört zu den Berufspflichten eines Arztes. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch betrügerische Falschabrechnungen in großem Umfang ist eine gravierende berufliche Verfehlung, die ohne Weiteres zur Berufsunwürdigkeit führen kann. Eines zusätzlichen „behandlungsrelevanten Aspekts“, wie klägerseits verlangt, bedarf es insoweit nicht (BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 11 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 20.9.2012 – 3 B 7/12 – juris). Hinzu kommt, dass das Patientenvertrauen durch die Bereitschaft der Klägerin, nicht erbrachte Leistungen im Rahmen fingierter und nicht wahrgenommener Sitzungen abzurechnen, erschüttert wird. Die Patienten müssen den Eindruck gewinnen, dass sie insoweit als Mittel zum Zwecke der ungerechtfertigten Gewinnerzielung zulasten der Solidargemeinschaft und Krankenkassen instrumentalisiert wurden. Ob das betreffende Fehlverhalten tatsächlich in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, ist indes ohne Bedeutung (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2011 – 21 B 10.1543 – juris Rn. 35).
57
Vorliegend kommt erschwerend hinzu, dass die Klägerin gegenüber der KVB mehrfach Fallwerterhöhungen beantragt und durch die systematische Abrechnung mit Gebührenziffern für Leistungen, die bei den jeweiligen Krankenkassen nicht antragspflichtig waren, bewusst Überprüfungslücken im Abrechnungssystem ausgenutzt sowie trotz der seitens der KVB im Jahr 2018 eingeleiteten Plausibilitätsprüfung weiterhin über einen erheblichen Zeitraum hin regelmäßig betrügerisches Verhalten an den Tag gelegt hat. Ein derart hartnäckiges Fehlverhalten löst nicht etwa ein bloßes Missfallen aus, sondern zerstört das für das Arzt-Patienten-Verhältnis konstitutive und damit auch für das hochrangige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung unerlässliche Vertrauen, würde es für die Approbation der Klägerin folgenlos bleiben.
2.1.3.
58
Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass keine gewichtigen Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen sprechen und diese bei der Entscheidung über den Approbationswiderruf berücksichtigt werden konnten (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 37/01 – juris; B.v. 6.3.2003 – 3 B 10/03 – juris; B.v. 18.8.2011 – 3 B 6/11 -
juris).
59
Die in rechtskräftigen Strafurteilen enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dürfen regelmäßig zur Grundlage der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung von Approbationswiderrufen gemacht werden. Etwas anderes gilt dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen bestehen, wovon insbesondere dann auszugehen ist, wenn Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 StPO vorliegen oder sich die offensichtliche Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen aufdrängt. Dazu bedarf es der Darlegung substantiierter nachprüfbarer Umstände, die die Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung ernstlich in Zweifel ziehen (BayVGH, U.v. 22.7.2014 – 21 B 14.463 – juris Rn. 30; BVerwG, B.v. 13.2.2014 – 3 B 68/13 – juris; B.v. 6.3.2003 – 3 B 10/03 – juris). Solche Umstände ergeben sich aus dem Vorbringen der Klägerin vorliegend nicht ansatzweise.
60
Die Klägerbevollmächtigte meint, der subjektive Tatbestand des Betrugs sei nicht erfüllt; die Klägerin habe nicht bewusst fehlerhaft gehandelt. Sie sei insbesondere aufgrund ihrer psychischen Erkrankung im Rahmen der Abrechnungen gegenüber der KVB nicht in der Lage gewesen, ihr fehlerhaftes Verhalten zu erkennen. Die Schuldfähigkeit der Klägerin sei im Rahmen des Strafverfahrens nicht hinreichend behandelt worden. Weiterhin seien ihr die berufsrechtlichen Konsequenzen nicht bewusst gewesen sowie die Höhe der Wiedergutmachungsleistung nicht nachvollziehbar. Im Übrigen handele es sich überwiegend um im Rahmen von Abrechnungen nicht unübliche Dokumentationsmängel.
61
Aus diesem Vortrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des strafgerichtlichen Urteils. Die Feststellungen des Strafgerichts beruhen insbesondere auch auf der geständigen Einlassung der Klägerin, welche von ihr nicht substantiiert in Frage gestellt wurden. Im Übrigen zeigte sich die anwaltlich vertretene Klägerin ausweislich der Anklageschrift sowie der Strafakte bereits frühzeitig und nicht etwa erst im Rahmen der Verständigung in der mündlichen Verhandlung gemäß § 257c StPO, in welcher gleichwohl eine Zeugenvernehmung durchgeführt wurde, geständig. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass sich die Klägerin im Strafprozess zu Unrecht selbst belastet hat. Wäre die Klägerin davon überzeugt gewesen, dass die ihr gegenüber erhobenen Anschuldigungen falsch sind, hätte sie dies in der Hauptverhandlung nachprüfen lassen können, um einen Freispruch zu erreichen. Indes wurde klägerseits auch kein Wiederaufnahmeantrag gestellt.
62
Dass es sich ganz eindeutig nicht lediglich um Dokumentationsmängel gehandelt hat, zeigen die aus der Strafakte ersichtlichen umfangreichen Ermittlungen unter Zugrundelegung zahlreicher Dokumentationen, der Vernehmung mehrerer Patienten der Klägerin sowie der ausführlichen Berechnungen durch die Ermittlungsbehörden.
63
Dass klägerseits die Höhe der seitens des Strafgerichts beauflagten Schadenswiedergutmachung in Höhe von mindestens 600.000,00 EUR infrage gestellt wird, erscheint mit Blick auf die bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung am 22. April 2022 getroffene Vereinbarung zwischen der Klägerin sowie der KVB über 753.880,43 EUR nicht ansatzweise nachvollziehbar.
64
Die Frage der (verminderten) Schuldfähigkeit wurde ausweislich der Anklageschrift sowie der Strafakte seitens des klägerischen Strafverteidigers mehrfach und frühzeitig thematisiert. Im Hinblick auf die geltend gemachte psychische Erkrankung der Klägerin wurden insbesondere auch ärztliche Unterlagen zur Vorlage gebracht. Eine hinreichend ausführliche und nachvollziehbare Prüfung der §§ 20, 21 StGB erfolgte seitens der Generalstaatsanwaltschaft mit Verfügung vom 8. November 2021 unter anderem unter Verweis auf die medizinischen Tauglichkeitszeugnisse der Klägerin zum Erhalt ihres Pilotenscheins (zuletzt am 26. Mai 2020) sowie die Bewältigung der Praxisführung.
65
Ferner teilte die Regierung der Klägerin bereits mit Schreiben vom 7. Januar 2022 mit, dass nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens der Sachverhalt einer approbationsrechtlichen Prüfung am Maßstab des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO unterzogen werde. Indes ist die Kenntnis von den drohenden berufsrechtlichen Folgen einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung keine Voraussetzung, um die Feststellungen des Urteils zur Grundlage im Approbationswiderrufsverfahren machen zu können (vgl. BVerwG, B.v. 18.8.2011 – 3 B 6/11 – Rn. 17).
2.1.4.
66
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bereits vor Erlass des Widerrufsbescheids die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs wiedererlangt hat. Dazu wäre erforderlich gewesen, dass sich die Sachlage „zum Guten geändert“ hätte, mithin die Klägerin das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hätte. Das wäre der Fall, wenn bei Würdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen gewesen wäre, dass ihre selbständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 3 B 36.12 – juris).
67
Angesichts des dargestellten verfestigten, gravierenden Fehlverhaltens der Klägerin verbietet sich die Annahme, dass sich die Sachlage bereits im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung „zum Guten geändert hat“ (vgl. dazu BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 3 B 36.12 – juris). Eine andere Bewertung ist auch nicht dadurch veranlasst, dass die Klägerin seit Beendigung der letzten Betrugstat bis zum Approbationswiderruf eine Therapie begonnen und ein auch im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit beanstandungsfreies Verhalten gezeigt habe sowie im Strafverfahren geständig war und mit der KVB eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen hat. Einem solchen Wohlverhalten, das unter dem Druck eines schwebenden Verfahrens gezeigt wird, kann regelmäßig kein besonderer Wert beigemessen werden. Insbesondere ist das Geständnis der Klägerin auch von taktischen Erwägungen über die Rechtsfolgen ihrer Tat geprägt zu werten. Die an die KVB geleisteten Zahlungen erfüllten indes ohnehin nur die der Klägerin durch das Strafurteil auferlegte Verpflichtung zur Schadenswiedergutmachung (BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 22ff. m.w.N.: U.v. 8.11.2011 – 21 B 10.1543 – juris Rn. 37).
68
Vor diesem Hintergrund muss nicht mehr eigens der Umstand bewertet werden, dass die Klägerin der Auffassung ist, sie habe bei Vorlage der Sammelerklärungen nicht bewusst fehlerhaft gehandelt, was auf eine nach wie vor fehlende Einsicht in die Strafbarkeit ihrer Verfehlungen hindeuten könnte. Das Fehlverhalten der Klägerin ist auch nicht etwa deshalb milder zu beurteilen, weil sie aufgrund einer Krebserkrankung sowie des Verlusts ihres Lebensgefährten psychisch erkrankt ist. Die Klägerin mag darin subjektiv eine Entschuldigung für ihre Taten sehen, ohne dass sich dadurch etwas wesentlich an dem durch die Taten offenbar gewordenen Charaktermangel ändern würde (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 19).
69
Im Hinblick auf den Verzicht auf die kassenärztliche Zulassung ist festzustellen, dass der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit keine auf die Person des Betroffenen bezogene Gefahrenprognose erfordert; eine Wiederholungsgefahr ist nicht erforderlich. Schließlich geht es nicht um die Gefahr eines Wiederholens der zur Unwürdigkeit führenden Verfehlung, sondern um die Abwehr einer Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2019 – 3 B 7/18 – juris Rn. 15 m.w.N.). Unabhängig davon ist ein Abrechnungsbetrug auch im Rahmen der Behandlung von Privatpatienten und Selbstzahlern möglich (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 20.9.2012 – 3 B 7/12 – juris).
70
Insgesamt rechtfertigen die klägerseits angeführten Umstände nicht die Annahme, die durch ihre gravierende Verfehlung eingebüßte Berufswürdigkeit und damit das dadurch gestörte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft als Berufsstand seien bereits im Zeitpunkt des Approbationswiderrufs wiederhergestellt gewesen.
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2.2. Liegt – wie hier – im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Berufsunwürdigkeit vor, ist die Approbation zu widerrufen, ohne dass der Behörde insoweit ein Ermessen eingeräumt wird. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass eine Beschränkung der Approbation nicht möglich ist; die ärztliche Approbation berechtigt ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung und ist daher bedingungsfeindlich, so dass etwa der Erlass von Auflagen zur Approbation nicht möglich ist (BayVGH, U.v. 30.9.2010 – 21 BV 09.1279 – juris Rn. 36; BVerwG, U.v. 9.12.1998 – 3 C 4.98 – juris Rn. 22f.). Im Falle eines nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO wegen Unwürdigkeit des Arztes zwingend auszusprechenden Approbationswiderrufs wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Unwürdigkeit“ Rechnung getragen (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149.02 – juris; BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 29). Die Feststellung der Unwürdigkeit verlangt, wie gezeigt, mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten, bei dessen Würdigung alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen sind. Sind die Voraussetzungen der Berufsunwürdigkeit erfüllt, ist der mit dem Widerruf der Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des Betroffenen, wie etwa eines relativ hohen Lebensalters und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeiten, bedarf (BVerwG, B.v. 16.2.2016 – 3 B 68/14 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 13f. m.w.N.). Im Übrigen trägt das Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusätzlich durch die Möglichkeit Rechnung, nach Abschluss des Widerrufsverfahrens einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen und gegebenenfalls zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.1998 – 3 B 95.97 – juris Rn. 11). In diesen Verfahren gilt, dass neben der Art und Schwere des Fehlverhaltens sowie dem zeitlichen Abstand zu den die Unwürdigkeit begründenden Verfehlungen auch alle sonstigen individuellen Umstände zu berücksichtigen sind, die nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens eingetreten sind, wobei grundsätzlich auch bei einem im Zeitpunkt des Approbationswiderrufs im Lebensalter fortgeschrittenen Arzt eine Wiedererteilung der Approbation in Betracht kommen kann. Im Übrigen kann bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes für die weitere Berufsausübung bei älteren Ärzten kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren Kollegen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 21 ZB 15.2776 – juris Rn. 13, 17; BVerwG, B.v. 15.11.2012 – 3 B 36/12 – juris Rn. 6f.).
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2.3. Da bereits die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs den Widerruf der Approbation rechtfertigt, kann vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin aufgrund ihres bisherigen Verhaltens überdies keine Gewähr dafür bietet, dass sie in Zukunft ihren Beruf als Ärztin ordnungsgemäß ausüben wird, mithin unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist.
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2.4. Die Verpflichtung der Klägerin zur Rückgabe ihrer Approbationsurkunde ist rechtmäßig.
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Gemäß Art. 52 Satz 1 BayVwVfG kann die Behörde, wenn ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen wurde, die aufgrund dieses Verwaltungsakts erteilten Urkunden, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, zurückfordern; der Inhaber der Urkunde ist zu deren Herausgabe verpflichtet, Art. 52 Satz 2 BayVwVfG.
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Besteht die für den Rechtsverkehr dokumentierte Approbation der Klägerin nach Vollziehbarkeit des Widerrufs nicht mehr, begründet die gleichwohl in ihrem Besitz belassene Urkunde über die Erteilung der Approbation als Arzt die Gefahr von Täuschungen über die wirkliche Rechtslage (VG München, U.v. 7.9.2020 – M 16 K 19.5386 – juris Rn. 43).
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2.5. Die Zwangsgeldandrohung in Höhe von 2.000,00 EUR für den Fall, dass die Klägerin die Approbationsurkunde nicht innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheids zurückgibt, beruht auf Art. 29, Art. 31 und Art. 36 VwZVG und begegnet ebenfalls keinen Bedenken.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2, 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.