Inhalt

AG Landshut, Beschluss v. 24.05.2024 – 5 F 231/24
Titel:

Verletzung ehelicher Pflichten durch Antrag auf Aufteilungsbescheid

Normenketten:
AO § 279
BGB § 426 Abs. 1 S. 1, § 1353 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Für die Zeit vor der Trennung überlagert die in der Vergangenheit ausgeübte Praxis der Ehegatten als weitere Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. BGB die Aufteilung im Innenverhältnis anteilig der jeweils entfallenden Einkommensteuerlast nach Zusammenveranlagung. (Rn. 24) (red. LS Axel Burghart)
2. Der Ehegatte, der der Zusammenveranlagung für ein vor Trennung liegendes Jahr zugestimmt hatte, verstößt mit der späteren Beantragung eines Aufteilungbescheids gegen die sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Pflicht, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. (Rn. 28) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Aufteilungsbescheid, Einkommensteuer, eheliche Lebensgemeinschaft, Schadensersatz, Trennung, Verletzung ehelicher Pflichten
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 16.09.2024 – 16 UF 666/24e
Fundstellen:
FamRZ 2025, 259
LSK 2024, 40786
BeckRS 2024, 40786

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 3.271,47 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 04.03.2024 zu bezahlen.
2. Der Verfahrenswert für das Verfahren wird auf 3.271,47 € festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Erstattung einer aus dem von der Antragsgegner veranlassten Aufteilungsbescheid aus der gemeinsam veranlagten Einkommensteuerschuld für das Jahr 2021 resultierenden Nachzahlungspflicht gegenüber dem Finanzamt.
2
Die Beteiligten sind die seit dem … 2007 verheirateten und seit spätestens … 2023 getrennt lebenden Ehegatten.
3
Das Verfahren wegen Kindes- und Trennungsunterhalt wird unter Az. … geführt.
4
Das Scheidungsverfahren der Beteiligten ist seit dem 15.04.2024 unter Az. … rechtshängig.
5
Bis zur Trennung, jedenfalls auch im verfahrensgegenständlichen Jahr 2021 und auch im Jahr 2022 erfolgte die Besteuerung der Beteiligten einvernehmlich bzgl. des besserverdienenden Antragstellers in Lohnsteuerklasse III, bzgl. der Antragsgegnerin in Lohnsteuerklasse V.
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Die Antragsgegnerin stimmte der Zusammenveranlagung der beiden Eheleute auf Verlangen des Antragstellers für das Steuerjahr 2021 zugestimmt. Hieraus ergab sich, festgesetzt durch den Einkommensteuerbescheid für 2021 vom 18.10.2023 (Anlage ASt 1), eine Einkommensteuernachzahlung für 2021 in Höhe von 1.395,- €. Auf Seiten des Antragstellers wurden hierbei Einkünfte in Höhe von 95.583,- €, auf Seiten der Antragsgegnerin Einkünfte in Höhe von 21.491,- € angesetzt.
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Der Antragsteller sicherte der Antragsgegnerin die finanzielle Übernahme ebendieser Nachzahlung in Höhe von 1.395,- € zu.
8
Auf Antrag der Antragsgegnerin vom 19.10.2023 auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 279 AO, an welchem der Antragsteller nicht mitwirkte, erging durch das Finanzamt der Aufteilungsbescheid (Aufteilungsbescheid für die rückständige Steuer aus dem Einkommensteuerbescheid vom 18.10.2023 für das Kalenderjahr 2021) vom 07.11.2023 (Anlage ASt 2). Aufgrund der Abrechnung zum Aufteilungsbescheid vom 07.11.2023 verlangte das Finanzamt vom Antragsteller eine Nachzahlung über weitere 3.271,47 €; die Antragsgegnerin erhielt aufgrund der Aufteilung der Steuerschuld eine Rückerstattung in ebendieser Höhe von 3.271,47 €.
9
Die Antragsgegnerin wurde antragsteilerseits zur Übernahme der sich aus der Aufteilung ergebenden Steuernachzahlung mit Schreiben vom 24.01.2024 sowie vom 31.01.2024 (Anlage ASt 3, Anlage Ast 4) aufgefordert.
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Mit Schreiben vom 01.02.2024 weist die Antragsgegnerseite eine derartige Übernahme zurück.
11
Der verfahrenseinleitende Antrag auf Schadensersatz des Antragstellers ist seit dem 29.02.2024 anhängig und seit dem 04.03.2024 rechtshängig.
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Der Antragsteller ist der Meinung, die Beantragung des Aufteilungsbescheids bei gemeinsamer einkommensteuerlicher Veranlagung stelle einen Verstoß gegen § 1353 BGB dar und hieraus resultiere eine Schadensersatzpflicht der Antragsgegnerin hinsichtlich des sich aus dem Aufteilungsbescheid ergebenden Mehrbetrags.
13
Der Antragsteller beantragt daher
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 3.271,47 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
14
Die Antragsgegnerin beantragt die kostenpflichtige Antragszurückweisung (BI. 12).
15
Sie ist der Meinung, sie müsse nicht für die auf den Antragsteller entfallende Einkommensteuer haften. Da die Steuererstattungen bzw. Steuerschulden zeitlich nach der Trennung erfolgt und mithin zeitlich versetzt zum Veranlagungszeitraum erfolgt seien, seien sie allenfalls unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, nicht jedoch schadensersatzrechtlich. Der Antragsteller habe sich nicht verpflichtet, die auf die Antragsgegnerin zusätzlich anfallende steuerliche Belastung zu übernehmen. Zudem habe der Antragsteller unberechtigt bis August 2023 das Kindergeld vereinnahmt und geweigert, Trennungsunterhalt sowie weitere Zahlungen aus früheren vertraglichen Verpflichtungen zu leisten.
16
Auf den gesamten Akteninhalt sowie den Inhalt der Beiakte Az. … wird Bezug genommen.
II.
17
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegenerin wegen Verletzung der ehelichen Pflicht des § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB der aus dem Tenor ergebende Schadensersatzanspruch zu.
18
Unstreitig ergibt sich aus § 1353 I 2 BGB vor Trennung die Verpflichtung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft, mithin die abzuleitende Pflicht, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Daraus folge auch die Verpflichtung, der gemeinsamen Veranlagung zuzustimmen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert, der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte aber keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt werde. Das ist vor allem der Fall, wenn der die Zusammenveranlagung begehrende Ehegatte sich verpflichtet, den anderen von ihm hierdurch etwa entstehenden Nachteilen freizustellen, (vgl. ständ. Rspr. BGH, vgl. BGH Urt. V. 23.05.2007 – XII ZR 250/04, NJW 2007, 2554)
19
Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung wurde vorliegend antragsgegnerseits auch erteilt.
20
In hiesigem Fall strittig ist die sich anschließende Frage der Aufteilung dieser Steuerschuld im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten.
21
Bei Zusammenveranlagung nach § 26b EStG haften die Ehegatten gemäß § 44 Abs. 1 AO im Außenverhältnis zunächst gesamtschuldnerisch für die festgesetzten Steuern, mithin auch für etwaige Steuernachzahlung(en). Als Gesamtschuldner ergibt sich gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB für das Innenverhältnis eine Haftung zu gleichen Anteilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.
22
Eine solche abweichende Aufteilung zwischen der Ehegatten könnte dergestalt erfolgen, dass im Innenverhältnis – wie von der Antragsgegenerin vorgebracht – jeder Ehegatte nur entsprechend des Verhältnisses des auf seine Einkünfte anfallenden Steuerlast hafte, mithin jeder lediglich für die mit dem Aufteilungsbescheid ermittelten Anteile aufzukommen habe.
23
Das OLG Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 17.07.2020 – 5 UF 28/20, BeckRS 2020, 37037, hierzu nachvollziehbar und zutreffend ausgeführt:
Deshalb hat im Verhältnis der Ehegatten zueinander grundsätzlich jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt, selbst aufzukommen. Allerdings kann auch dieser Maßstab von einer anderweitigen Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB überlagert werden. Das ist der Fall, wenn die Beteiligten durch ihre bisherige Handhabung eine solche anderweitige Bestimmung getroffen haben, indem sie bewusst die Steuerklassen III und V gewählt haben, um damit monatlich mehr bare Geldmittel zur gemeinsamen Verwendung zur Verfügung zu haben, als dies bei einer Wahl der Steuerklassen IV und IV der Fall gewesen wäre. Dass sich der Ehegatte mit Steuerklasse V einen Ausgleich vorbehalten hätte, wäre fern- liegend. Daher kann dieser Ehegatte grundsätzlich auch nicht wegen des Scheiterns der Ehe den Mehrbetrag, den er wegen der Besteuerung seines Einkommens nach der Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung geleistet hat, vom anderen Ehegatten ersetzt verlangen. Der ehelichen Lebensgemeinschaft liegt nämlich die Auffassung zugrunde, mit dem Einkommen der Ehegatten gemeinsam zu wirtschaften und finanzielle Mehrleistungen nicht auszugleichen. Mit Rücksicht darauf hat für die Zeit bis zur Trennung keine Korrektur der von der Beklagten getragenen steuerlichen Belastung zu erfolgen (vgl. BGH vom 23.05.2007 – XII ZR 250/04, juris Rn. 13 ff.).
24
Ebendiese Konstellation ist auch im vorliegend Fall gegeben, die in der Vergangenheit ausgeübte Praxis der Ehegatten überlagert als weitere Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 S. BGB die „Aufteilung im Innenverhältnis anteilig der jeweils entfallenden Steuerlast“ im Sinne des § 426 Abs. 1 S. BGB.
25
Die Eheleute hatten sich im streitgegenständlichen Zeitraum 2021 für die Wahl der Lohnsteuerklassen III / V entschieden, um am jeweiligen Monatsende gemeinsam mehr Barmittel zur Verfügung zu haben als dies bei der Lohnsteuerklasse IV / IV wäre. Der streitgegenständliche Zeitraum 2021 liegt zeitlich auch vor der Trennung der Ehegatten (spätestens Anfang 2023), sodass der Grundsatz eines gemeinsamen Wirtschaftens der Ehegatten zugrundezulegen ist. Der Vorbehalt eines internen Ausgleichs für den Ehegatten, welcher unterjährig mit Lohnsteuerklasse V und mithin höher besteuert wurde, ist während noch intakter Ehe realitätsfern. Zudem wurde eine hiervon abweichende tatsächliche Handhabung der Eheleute, also dass auch zuvor die unterschiedliche Lohnsteueraufteilung nach Erhalt des Einkommensteuerbescheids tatsächlich nachträglich zwischen den Eheleuten „neu zugeteilt“ und intern ausgeglichen wurde, weder vorgetragen noch bewiesen. Insoweit genügte auch die Erklärung des Antragstellers, die Steuernachzahlung in Höhe von 1.395,- € zu übernehmen.
26
Das Argument der Antragsgegnerin, dass aufgrund des zeitlichen Auseinanderfallens des Besteuerungszeitraums 2021 und der Erteilung des Steuerbescheids bzw. Beantragung des Aufteilungsbescheids im Oktober 2023 eine abweichende Beurteilung zu treffen sei, kann vorliegend nicht überzeugen. In ebendieser Zeit 2021 vor Trennung ist auf ein gemeinsames Wirtschaften der Eheleute abzustellen, für diese Zeit gilt daher auch die Pflicht des § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB. Spätere Veränderung der Umstände, mithin auch der aus § 1353 resultierenden Pflicht kann die Pflicht bzw. deren Umfang / Ausmaß erst ab diesem Zeitpunkt verändern, nicht jedoch rückwirkend eine während intakter Ehe bestehende Pflicht entfallen lassen. Dies würde sonst überspitzt dazu führen, dass bei Trennung oder Scheidung alle ehelichen Pflichten und aus dem Wesen der Ehe ergebenden Verantwortungen rückwirkend dahin wären. An der steuerlichen Entlastung des Antragstellers hatte die Antragsgegnerin im Jahr 2021 gerade aufgrund der monatlich höheren zur Verfügung stehenden Barmittel im Rahmen des Familienunterhalts teil.
27
Die Ausführungen der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller unberechtigt bis August 2023 das Kindergeld vereinnahmt und sich geweigert habe, Trennungsunterhalt sowie weitere Zahlungen aus früheren vertraglichen Verpflichtungen zu leisten, findet mangels Relevanz für die vorliegend streitgegenständliche Frage keine Berücksichtigung.
28
Die Antragsgegenerin hatte der Zusammenveranlagung für das Jahr 2021, mithin für einen Zeitraum vor Trennung der Eheleute zugestimmt. Die spätere Beantragung des Aufteilungbescheids stellt damit einen Verstoß gegen die sich aus dem Wesen der Ehe ergebenden Pflicht, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Aufgrund dieser schuldhaft begangenen Pflcihtverletzung hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen, mithin das auf den Antragsteller aufgrund des Aufteilungsbescheids angefallenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 3.271,47 € zu zahlen.
29
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
III.
30
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Verfahren wegen der sonstigen Familiensache beruht auf §§ 35, 38, 42 FamGKG.
31
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 FamFG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.