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AG München, Endurteil v. 21.03.2024 – 191 C 12742/24
Titel:

Konkretisierung von Reisedaten erst kurz vor Beginn einer sehr günstigen Pauschalreise nicht zu beanstanden

Normenketten:
BGB § 280, § 286, § 315 Abs. 1, § 346
EGBGB Art. 250
Leitsätze:
1. Dem Abschluss eines Pauschalreisevertrag steht nicht entgegen, dass bei Vertragsschluss der Name des Hotels und die Flugzeiten noch nicht feststehen, soweit der Reiseveranstalter entsprechend der vertraglichen Abrede die Reiseleistungen nach § 315 Abs. 1 BGB bestimmen darf. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hat sich der Reiseveranstalter vorbehalten, den Namen des Hotels und die Flugzeiten vor Reisebeginn mitteilen, dann kann von der üblichen Praxis, die Flugzeiten 14 Tage vor Reisebeginn zu übermitteln, abgewichen werden, wenn es sich um eine besonders günstige Reise handelt. In diesem Fall ist die Benennung von Hotelname und Flugzeiten erst acht bis zehn Tage vor Reisebeginn nicht zu beanstanden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist das Reiseangebot sehr preisgünstig, hat der Reisende es hinzunehmen, dass der Reiseveranstalter den ihm obliegenden Informationspflichten möglichst spät nachkommt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nichterfüllungsschaden, Informationspflicht, Pauschalreise, Reisevertrag
Fundstellen:
ReiseRFD 2025, 100
BeckRS 2024, 39991
LSK 2024, 39991

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 142,50 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien schlossen im April 2023 einen Reisevertrag über eine „15 Tage 5- Sterne- Reise Lykien inkl. Verlängerungswoche an der Türkischen Riviera“ zum Reisepreis von 580,00 Euro. Die Reise galt für eine Person für die Zeit von 18.11.2023 bis 02.12.2023 mit Abflugort Stuttgart. Nähere Einzelheiten zum Hotel oder den Flugzeiten waren nicht vereinbart.
2
Der Kläger zahlte 142,40 Euro an.
3
Die Restzahlung auf den Reisepreis leistete der Kläger nicht. Mit Schreiben vom 23.10.2023 erfolgte ein Mahnschreiben unter letztmaliger Fristsetzung bis 28.10.2023. Auf den fehlenden Zahlungseingang wurde der Kläger von der Beklagten nochmals am 02.11.2023 telefonisch hingewiesen.
4
Am 07.11.2023 erklärte die Beklagte die Pauschalreise Türkei für storniert und stellte darüber eine Stornorechnung (Beweis 4).
5
Der Kläger meint, die Wahl der Hotels obliege zwar der Beklagten, er hätte aber einen Anspruch gegen die Beklagte gehabt vor Zahlung des restlichen Reisepreises die Informationen zu erhalten, welche Hotels ausgewählt wurde und wann die Flugzeiten seien (vgl. E-Mail des Klägers vom 1.11.2023). Diese Informationen waren für den Kläger notwendig gewesen, um seine Angehörigen vorab über seine Reiseroute, Kontaktmöglichkeiten und eventuell erforderliche Rettungsmaßnahmen zu unterrichten. Außerdem wollte er sich auf die zweite Reisewoche, in der kein Programm angeboten wurde, vorbereiten.
6
Von weiteren tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 495 a, 313 a ZPO abgesehen. Das Gericht berücksichtigt aber den gesamten Akteninhalt.
II.
7
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
8
1. Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung der Reisepreisanzahlung verlangen. Die Anzahlung erfolgte auf der Grundlage des Reisevertrages und der Beklagten steht wegen der Nicht-Zahlung des vollständigen Reisepreises ein vertraglicher Anspruch gegen den Kläger auf Ersatz des Stornos (Nichterfüllungsschaden) jedenfalls in Höhe der Klageforderung zu, so dass ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Anzahlung ausscheidet.
9
Ein Pauschalreisevertrag ist unstreitig zustande gekommen. Dem Vertragsschluss steht auch nicht entgegen, dass der Name des Hotels und die Flugzeiten bei Vertragsschluss noch nicht feststanden, insoweit durfte die Beklagte diesen Teil der Reiseleistungen bestimmen (§ 315 BGB).
10
Nachdem der Kläger als Reisender sich weigerte, den fälligen restlichen Reisepreis zu zahlen, war die Beklagte als Reiseveranstalterin berechtigt, nach erfolgloser Mahnung und Fristsetzung vom Vertrag zurückzutreten §§ 280, 286, 323 Abs. 1, 346 BGB.
11
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 23.10.2023 aufgefordert, den restlichen Reisepreis zu zahlen, und es wurde ihm eine angemessene Frist dafür gesetzt. Nachdem diese Frist fruchtlos verstrichen war, konnte die Beklagte vom Vertrag zurücktreten und ihre diesbezüglichen Aufwendungen vom Kläger als Schadensersatz verlangen.
12
Der Beklagten stand am 23.10.2023 und zum Zeitpunkt ihres Rücktritts (07.11.2023) ein fälliger und einredefreier Anspruch auf Zahlung des Restreisepreises gegen den Kläger zu. Diesem stand kein Leistungsverweigerungsrecht (§ 273 BGB) zu, weil die Beklagte ihm bis dahin, trotz mehrfacher Nachfrage, noch nicht die Flugzeiten und das Hotel genannt hatte, in dem die Übernachtungen erfolge sollten.
13
Der Kläger ist allerdings der Ansicht, er habe die Zahlung des restlichen Reisepreises davon abhängig machen dürfen, dass ihm der Name des Hotels und die Flugzeiten genannt werden. Dem folgt das Gericht nicht.
14
Nach den vertraglichen Abreden, denen der Kläger zugestimmt hat, waren nur der Abflugort, die Reisedaten, die Reiseregion und die Kategorie der Unterbringung vertraglich für die geschuldete Soll-Beschaffenheit der Reise festgelegt. Die Konkretisierung dieser Leistungen sollte durch die Beklagte erfolgen, wobei weder ein Termin für diese Festlegung noch für die Unterrichtung des Reisenden vereinbart waren. Maßgeblich ist damit die gesetzliche Regelung.
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Aus der gesetzlichen Reglung heraus konnte der Kläger die von ihm gewünschte Information weder am 23.10. noch am 07.11.2023 verlangen, so dass er sich mit der Restzahlung im Verzug befand.
16
Die relevanten Vorschriften für die Informationspflichten bei Pauschalreisen sind im Artikel 250 EGBGB geregelt. Nach Artikel 250 § 7 EGBGB hat der Reiseveranstalter dem Reisenden die notwendigen Reiseunterlagen so rechtzeitig vor Reisebeginn zu übermitteln, dass der Reisende die vereinbarten Reiseleistungen in Anspruch nehmen kann. Dazu zählen insbesondere die Reiseunterlagen, die den Reisenden zur Inanspruchnahme der betreffenden Beförderungsleistungen berechtigen, sowie Gutscheine oder Belege für andere vereinbarte Reiseleistungen.
17
Dem Kläger ist zwar beizupflichten, dass in der Praxis Reiseveranstalter üblicherweise die genauen Flugzeiten ca. 14 Tage vor Reisebeginn mitteilen, soweit dies noch nicht schon im Vertrag geschehen ist. Vorliegend handelt es sich aber um eine besonders günstige Reise. Der Grund hierfür liegt in der damit in Kauf genommenen Flexibilität für den Reiseanbieter, die Namen der Hotels und die Flugzeiten möglichst spät festlegen zu müssen. Die Beklagte hatte dem Kläger in Aussicht gestellt, dass Hotelname und Flugzeiten mit den Reiseunterlagen 8-10 Tage vor Reisebeginn (18.11.2023) übersandt werden (also ca. 08.-10.11.2023). Dies ist zwar vergleichsweise kurzfristig, nach Auffassung des Gerichts aber bei Reisen dieser Art und der schon fixierten Eckdaten noch hinzunehmen und damit „rechtzeitig“. Soweit der Kläger auf sein Alter hinweist, führt dies zu keiner abweichenden Bestimmung der „Rechtzeitigkeit“. Für die Unterrichtung der Verwandten über die Zieladresse bedarf es keiner besonders langen Vorfrist. Die Angaben zu den Flugdaten (einschließlich der Beförderungsbedingungen) waren knapp, aber auch für einen Reisenden im Alter des Klägers noch hinzunehmen.
18
Es steht dem Reisenden frei, eine klassische Reise zu buchen, bei der er gleich bei Buchung zwischen verschiedenen Flugzeiten und einer Vielzahl von Hotels wählen kann. Diese Wahlmöglichkeiten sind preisbildend. Die vom Kläger gebuchte Reise ist durchaus mit der sogenannten Fortuna-, Joker-, Glücks- oder Roulettereisen vergleichbar, bei der regelmäßig nur die Urlaubsregion, das Reiseziel, spezifiziert wird. Dem Veranstalter ist es im Weiteren überlassen, die Konkretisierung hinsichtlich der Unterbringung und Flugzeiten vorzunehmen. Im Gegenzug ist das Reiseangebot zumeist sehr preisgünstig. Der Kläger muss es also hinnehmen, dass der Reiseveranstalter den ihm obliegenden Informationspflichten möglichst spät nachkommt.
19
2. Die Höhe des Nichterfüllungsschadens wird nicht bestritten.
20
3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
III.
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 3 ZPO.